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CB 2019, 457
Thüsing 
CB 2019, Heft 12, Umschlagteil S. 457 (I)

Betriebsratsvergütung als Compliance-Frage

Abbildung 1

Betriebsratsmitglieder führen ihr Amt unentgeltlich. Das war schon immer so und gilt nun seit fast 100 Jahren. So wird die innere Unabhängigkeit des Betriebsrats als Organ gewährleistet. Seine Arbeit soll nicht durch die Gewährung oder den Entzug materieller Leistungen beeinflusst werden und das Vertrauen der Arbeitnehmer in die interessengerechte Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte soll gestärkt werden. Das ist richtig und das soll auch so bleiben. Der Erfolg des deutschen Modells beruht nicht zuletzt auch darauf.

Richtig ist aber auch: Auch ein Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf gerechte Behandlung. Für Betriebsratsmitglieder gilt deshalb das Lohnausfallprinzip. Die Berechnung des geschuldeten Entgelts erfolgt dabei auf der Grundlage einer hypothetischen Betrachtung. Danach haben Betriebsratsmitglieder Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das sie ohne Ausübung der Betriebsratstätigkeit erhalten hätten. Dies zu beurteilen ist besonders schwierig bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern, insbesondere wenn sie über mehrere Wahlperioden gewählt und freigestellt worden sind. Dies wird allgemein und seit langem beklagt, aber was hilft das dem Arbeitgeber, der alles richtig machen will, und dem Betriebsrat, der wissen will, was ihm zusteht und was nicht? Es ist ein Weg zwischen zwei Übeln, eingesperrt zwischen Skylla und Charybdis. Denn benachteiligt werden darf ein Betriebsratsmitglied auch nicht. Auch dieses Gebot ist ernst zu nehmen, denn es ist nicht minder wichtig.

Aber eben auch die mögliche Überzahlung von Betriebsräten schafft Probleme: Die Untreue und Steuerhinterziehung durch Geltendmachung nicht geschuldeter Zahlungen besteht nur hier. Die Vergütung von Mitgliedern des Betriebsrats ist vermehrt in den Fokus medialer Aufmerksamkeit gerückt. Siemens, Opel, Daimler und Volkswagen sind wohl die prominentesten Beispiele. Eine rechtmäßige Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ergibt sich aus einer Zusammenschau der §§ 37 und 78 S. 2 BetrVG. So bestimmt § 37 Abs. 4 BetrVG, dass das Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf die Entgeltentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer hat. Ergänzend bestimmt § 78 S. 2 BetrVG, dass Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt, noch begünstigt werden dürfen. Es wird damit augenscheinlich, welche Gefahren der Gesetzgeber im Hinblick auf die Tätigkeit als Betriebsrat vorhergesehen hat: Auf der einen Seite steht das Risiko, dass Betriebsratsmitglieder aufgrund ihrer Betriebsratstätigkeit diskriminiert werden, auf der anderen Seite könnten sich Betriebsratsmitglieder bestechen lassen und auf die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen verzichten, wenn sie im Gegenzug vom Arbeitgeber eine Begünstigung zugesprochen bekämen. Insoweit bewegt sich eine rechtmäßige Betriebsratsvergütung auf einem schmalen Grat zwischen benachteiligender und begünstigender Vergütung. Nach der gesetzgeberischen Konzeption basiert eine rechtmäßige Betriebsratsvergütung maßgeblich auf zwei in § 37 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG niedergelegten Grundprinzipien – zum einen dem Ehrenamts-, zum anderen dem Lohnausfallprinzip. Daneben tritt das Benachteiligungs- und Begünstigungsverbot des § 78 S. 2 BetrVG.

Was kann der Arbeitgeber tun, um die Rechtssicherheit zu erhöhen? Die vom Gesetz geforderte Vergütungsentwicklung anhand der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer stellt die betriebliche Praxis zwangsläufig vor erhebliche Probleme. Denn der Begriff des „vergleichbaren Arbeitnehmers“ in § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG umfasst dabei sämtliche vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des BAG, die für die Betriebsüblichkeit auf die berufliche Entwicklung der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer abstellt. Um der legislativen Idealvorstellung Praktikabilität zu verschaffen, wird in der Literatur die Empfehlung ausgesprochen, mit Berufung des Arbeitnehmers in den Betriebsrat Vergleichspersonen festzulegen. Das BAG hat ein solches Verfahren, bei dem vergleichbare Arbeitnehmer in Konkretisierung des § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG vor Amtsantritt festgelegt werden, ausdrücklich für zulässig erklärt1. Also: Die Dinge sollten mit dem Betriebsrat angegangen werden und betriebsspezifisch geregelt werden – transparent, offen und mit dem Willen die gesetzlichen Vorgaben, auf den eigenen Betrieb herunterzubrechen.2

Gregor Heinrich Thüsing ist Universitätsprofessor an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Bonn und Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit.

1

BAG, Urteil v. 18. 1. 2017 – 7 AZR 205/15, NZA 2017, 935; dem folgend BAG, Urteil v. 21. 2. 2018 – 7 AZR 496/16, NZA 2018, 1012.

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Mehr dazu: Thüsing/Denzer, Rechtsichere Betriebsratsvergütung, 2019.

 
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