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CB 2020, I
Passarge 

Arbeitsrecht als Compliance-Bremse

„Arbeitgeber sollten sich in Vergleichsverhandlungen nicht zu schnell zu einer bequemen Zeugnisformulierung drängen lassen“

Abbildung 1

Ein wichtiger Bestandteil der Compliance-Architektur ist der Mitarbeiter. Erkennt man, dass er keine tragende Säule des Unternehmens mehr ist und hat man Gesetzesverstöße festgestellt, so ist eine rasche Trennung unabänderlich. Doch diese gestaltet sich nicht immer einfach. Da ist zum einen die strenge Frist des § 626 Abs. 2 BGB für die fristlose Kündigung. Ist der Arbeitgeber zunächst bemüht, trotz eines Verstoßes gegen arbeitsrechtliche Pflichten auch im Interesse des Arbeitnehmers eine außergerichtliche Lösung zu finden, so ist die Zweiwochenfrist schnell vertan. Je nach Ausrichtung des zuständigen Arbeitsgerichtes kann der Arbeitgeber später nur selten Verständnis für die Verletzung dieser Frist erwarten.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht mag dies im Sinne des Arbeitnehmers sein, erweist aber dem Unternehmen und seinen übrigen Mitarbeitern einen Bärendienst. Kann sich der Arbeitgeber nicht von einem Arbeitnehmer trennen, der auf die Einhaltung von Compliance pfeift, ist dies das denkbar schlechteste Zeichen an die gesamte Belegschaft. Denn die Details der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung werden den Mitarbeitern nur selten bekannt und nachvollziehbar sein. Es besteht die Gefahr, dass bei einem Verbleib im Unternehmen oder einer Trennung mit unangemessen hoher Abfindung der Eindruck entsteht, Compliance-Verstöße werden nicht geahndet und lohnen sich sogar.

Tatsächlich liegt einige irritierende Rechtsprechung vor, wonach eine Kündigung trotz Compliance-Verstößen unzulässig sei, etwa wenn ein unmittelbarer Vorgesetzter den Verstoß gegen Compliance-Vorgaben angeordnet hat (BAG NJW 2013, 635). Dabei übersehen Gerichte gelegentlich, dass Strafgesetze auch für Arbeitnehmer gelten, und zwar unabhängig von einer mehr oder weniger wirksam umgesetzten Anti-Korruptions-Richtlinie.

Diese Problematik setzt sich auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Neben der Frage, was die Trennung kosten soll, kommt es für den Arbeitnehmer gerade bei einer fristlosen Kündigung besonders darauf an, trotzdem ein ordentliches Zeugnis zu bekommen. Dies mag aus Sicht des Arbeitnehmers auch so richtig sein, jeder sollte eine zweite Chance erhalten.

Aber denken wir dies einmal zu Ende – denn Adressat des Zeugnisses ist ja der künftige Arbeitgeber, der von den Pflichtverletzungen nichts weiß und so möglicherweise Gefahr läuft, einen unredlichen oder gar kriminellen Mitarbeiter einzustellen. Der Altarbeitgeber will die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung rasch beenden und sich nicht mehr um einen Zeugnistext streiten, der ihn ohnehin nichts kostet.

Tatsächlich besteht für den Altarbeitgeber aber das Risiko der Haftung für ein fehlerhaftes Arbeitszeugnis gegenüber dem neuen Arbeitgeber. Die Rechtsprechung stützt dies zu Recht auf §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB (BGH NJW 1979 1882). Doch ist Durchsetzung eines solchen Anspruches gewiss kein Selbstgänger und nicht immer ist ein Schaden gerichtsfest darzulegen.

Jüngst hat diese Frage besondere Dramatik erlangt. So wurde der Krankenpfleger Högel aus Oldenburg, dem mehr als 300 Morde zuzurechnen sind, sowohl innerhalb der Kliniken als auch von Klinik zu Klinik mit positiven Zeugnissen weggelobt. Trotz klarer Hinweise wurden keinerlei arbeitsrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Ein eindeutiges Vorgehen hätte Leben retten können. So auch jüngst die Tötung eines Kindes durch eine Erzieherin in Viersen. Auch hier war die Pflegerin bereits bei vorangegangenen Arbeitgebern auffällig geworden. Dass dies Niederschlag im Zeugnis gefunden hat, ist wohl eher nicht anzunehmen.

Was folgt hieraus? Auch die Personalabteilung hat Compliance-Pflichten nicht nur gegenüber ihren ehemaligen Mitarbeitern zu beachten, sondern auch gegenüber deren künftigen Arbeitgebern. Im Interesse aller Beteiligten sollte man sich in arbeitsgerichtlichen Vergleichsverhandlungen nicht zu schnell auf eine bequeme Zeugnisformulierung drängen lassen. Wir sollten die Gerichte durchaus auf die Problematik der Haftung für ein fehlerhaftes Arbeitszeugnis nach § 311 BGB und die langfristigen Auswirkungen bequemer Vergleichsregelungen hinweisen. Vergessen Sie nicht, das nächste falsche positive Zeugnis könnte auf Ihrem Schreibtisch landen.

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e. V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
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