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BB 2012, 1
Ewer 

Rechtsanwälte sind auch die Syndikusanwälte

Abbildung 1

Die Syndikusanwälte – und nicht nur die in Deutschland – kämpfen seit geraumer Zeit mit Berufserschwernissen aus verschiedenen Richtungen. So hat der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung Akzo Nobel (AnwBl. 2010, 796 ff.) das Anwaltsprivileg bei Inhouse-Anwälten im Hinblick auf Durchsuchungsschutz und Zeugnisverweigerungsrecht relativiert. Auch der BGH beharrt in einem Beschluss aus dem letzten Jahr (AnwZ (B) 20/10, AnwBl. 2011, 473) weiterhin auf der so genannten “Doppelberufstheorie”. Und schließlich streiten die Syndikusanwälte zunehmend mit den Sachbearbeitern der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) um die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht im Hinblick auf ihre Absicherung durch die anwaltliche Versorgungswerke.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat vor einigen Monaten nach langen und intensiven Diskussionen einen Vorschlag zur Änderung des § 46 BRAO ausgearbeitet. Dieser lautet:

“§ 46 BRAO wird wie folgt geändert:

§ 46 Rechtsanwälte in ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnissen:

Abs. 1: Der Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis ausübt, darf für seinen Dienstherrn vor Gerichten und Schiedsgerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. . . .

Neuer Abs. 4: Wer in einem ständigen Dienst- oder ähnlichen Beschäftigungsverhältnis nach Abs. 1 steht, übt in ihm seinen anwaltlichen Beruf dann aus, wenn er Berater und Vertreter in den Rechtsangelegenheiten seiner Dienstherren ist oder wenn sein Dienstherr Rechtsanwalt ist.”

Mit dem Vorschlag wird klargestellt

  • dass es zum einen berufsrechtlich zulässig ist, dass der Rechtsanwalt seinen Beruf auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Unternehmen ausübt,

und

  • dass in derartigen Fällen die rechtliche Beratung und Vertretung des Arbeitgebers anwaltliche Tätigkeit ist und der Syndikusanwalt somit nicht nur nach Feierabend als Anwalt tätig wird.

Die vom BGH entwickelte Doppelberufstheorie könnte damit nur noch auf diejenigen Anwälte Anwendung finden, die in einem Beschäftigungsverhältnis einer anderen Tätigkeit als einer anwaltlichen nachgehen, etwa durch Wahrnehmung rein betriebswirtschaftlicher Aufgaben. Der Änderungsvorschlag lässt im Übrigen das Verbot der anwaltlichen Vertretung des Arbeitgebers vor Gerichten und Schiedsgerichten durch den Syndikusanwalt unberührt.

Die DRV Bund hat nach der geltenden Fassung des § 46 Abs. 1 BRAO zwar als solches anerkannt, dass der Syndikusanwalt für seinen Auftraggeber anwaltlich tätig ist. Da die Möglichkeit der Befreiung von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI jedoch an die konkret ausgeübte Tätigkeit und nicht an den Status als Rechtsanwalt anknüpft, ergab sich das Problem einer Abgrenzung. Diese hängt nach dem rechtlichen Verständnis der DRV Bund davon ab, dass die Kriterien Rechtsberatung, Rechtsvertretung (mit eigener Entscheidungsbefugnis), Rechtsgestaltung (selbstständiges Führen von Vertrags- und Einigungsverhandlungen mit den verschiedensten Partnern des Arbeitgebers) und Rechtsvermittlung (Vermittlung abstrakter Regelungskomplexe) kumulativ erfüllt werden. Da die Forderung nach kumulativem Vorliegen dieser Anforderungen jeder Lebenswirklichkeit widerspricht und damit in der Regel unerfüllbar ist, macht es Sinn, gesetzgeberisch klarzustellen, dass eine Ausübung des Anwaltsberufs dann vorliegt, wenn der Syndikusanwalt als Berater und Vertreter in den Rechtsangelegenheiten seiner Dienstherren tätig wird. Mit der vorgeschlagenen Änderung würde § 46 Abs. 4 BRAO inhaltlich zugleich an § 3 Abs. 1 BRAO anknüpfen, der die Aufgabe und Tätigkeit des Rechtsanwaltes dahingehend bestimmt, dass dieser “der berufene Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten” ist. Für Anwälte, die bei einem anwaltlichen Arbeitgeber angestellt sind, bedarf es nicht einmal einer solchen Klarstellung, da es evident ist, dass sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses anwaltliche Tätigkeiten wahrnehmen.

Da auch das Zeugnisverweigerungsrecht und – ihm folgend – die Beschlagnahmefreiheit an das anknüpfen, was dem Rechtsanwalt “in dieser Eigenschaft” und damit im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit anvertraut worden ist, würden durch die vorgeschlagene Änderung die Sydikusanwälte auch im Rahmen der rechtlichen Beratung und Vertretung ihres Arbeitgebers hierin ausdrücklich einbezogen werden, soweit nicht das europäische Kartellrecht eine der Dispositionsbefugnis des deutschen Gesetzgebers entzogene Sonderregelung trifft.

Gesondert geregelt werden müsste nur noch die Anerkennungsfähigkeit der bei Beratung und Vertretung des Arbeitgebers bearbeiteten Fälle im Rahmen der Fachanwaltszulassung; hierfür wäre jedoch eine entsprechende Beschlussfassung der Satzungsversammlung ausreichend.

Insgesamt würde durch den Vorschlag des DAV mit einer relativ “schlanken” Gesetzesänderung eine substantielle Verbesserung der Stellung der Syndikusanwälte erreicht werden. Dies käme nicht nur diesen Kolleginnen und Kollegen zugute, sondern letztlich der gesamten Anwaltschaft, da es in deren Interesse liegt, die Einheit des Anwaltsberufs und damit auch seine Position in der Gesellschaft und gegenüber der Politik zu stärken.

RA Prof. Dr. Wolfgang Ewer ist seit 1986 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 1990 Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Sein berufliches Arbeitsfeld ist das öffentliche Recht mit den Schwerpunkten Bau-, Planungs- und Umweltrecht sowie Wirtschaftsverwaltungsrecht. Seit 2009 ist er Präsident des Deutschen Anwaltvereins. RA Prof. Dr. Ewer lehrt als Honorarprofessor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel öffentliches Recht. Er ist Mitherausgeber der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW).

 
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