Im Blickpunkt
Kommissarin Margrethe Vestager, Executiv-Vizepräsidentin für Wettbewerbspolitik, erklärte am 14.7.2020 (PM s. u.): “Wir befinden uns in einer beispiellosen Situation, in der Unternehmen vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie in außergewöhnlichem Umfang staatliche Beihilfen erhalten. Insbesondere in diesem Kontext ist es nicht hinnehmbar, dass Unternehmen, die öffentliche Unterstützung erhalten, mithilfe von Steueroasen Steuervermeidungspraktiken anwenden. Das wäre eine missbräuchliche Verwendung von nationalen und von EU-Mitteln, die zulasten der Steuerzahler und der Sozialversicherungssysteme ginge. Zusammen mit den Mitgliedstaaten wollen wir dem einen Riegel vorschieben.” Ob sie mit dieser Angelegenheit mehr Erfolg hat als mit der spektakulären Anordnung “Apple müsse 13 Milliarden Euro an Steuern in Irland nachzahlen?” Studenten der ersten Semester wird gelehrt, dass Steuern nach Recht und Gesetz festgesetzt werden. Insoweit ist es erfreulich, dass das Urteil des EU-Gerichts vom 15.7.2020 diesem Grundsatz nacheifert. Es erklärte kurzerhand die Entscheidung der EU-Wettbewerbskommissarin für nichtig! Die Kommission habe es nicht vermocht nachzuweisen, dass die Steuerabsprachen zwischen den irischen Finanzbehörden und dem US-Konzern einen Verstoß gegen die europäischen Beihilferegeln bedeuteten. Die irischen Steuerbescheide seien trotz einiger Unzulänglichkeiten im Großen und Ganzen in Ordnung gewesen. Apple hatte argumentiert, dass die Wertschöpfung z. B. durch Entwicklung oder Design am Konzernsitz in Kalifornien stattfinde und nicht in Irland, dort sei vor allem Logistik und Vertrieb beheimatet. Die Richter folgten dieser Argumentation. Die Kommission habe nicht einmal nachweisen können, dass die außerhalb der USA erzielten Gewinne der Europazentrale in Irland zu verdanken seien. Auf die Auswirkungen dieses Urteils darf gespannt gewartet werden (EuG Az. T-778/16, T-892/16).
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht