Im Blickpunkt
Während sich der deutsche Steuergesetzgeber mit dem Ausgleich der sogenannten “kalten Progression” eher schwertut, zeigt ein Blick über die Grenze wie es auch geht. In Österreich begegnet der Gesetzgeber der “kalten Progression” damit, dass er die Tarifstufen, mit Ausnahme der letzten Tarifstufe ab 1 Mio. Euro, bestimmte Absetzbeträge sowie Verkehrs- und Pensionistenabzugsbeträge um zwei Drittel der Inflationsrate erhöht. Das letzte verbleibende Drittel der Inflationsrate soll durch zusätzliche Maßnahmen Jahr für Jahr entschieden werden. Für das Kalenderjahr rechnet die österreichische Bundesregierung mit einer Inflation von 5,2 %. Die ersten zwei Tarifstufen, d. h. Einkommen ab 11 000 bis 18 000 Euro werden um 6,3 % angehoben. Hierdurch werden insbesondere Bezieher kleinerer Einkommen über die Inflationsrate hinausgehend entlastest. Lag die Grenze für die Steuerpflicht 2022 bei 11 000 Euro liegt sie 2023 bei 11 693 Euro. Die Grenzbeträge der weiteren Tarifstufen (über 18 000 bis 31 000 Euro, über 31 000 bis 60 000 Euro, über 60 000 bis 90 000 Euro und über 90 000 bis 1 000 000 Euro) werden um 3,47 % angehoben, zwei Drittel der Inflation von 5,2 %. Sämtliche Absetzbeträge werden um die volle Inflationsrate von 5,2 % angehoben. In Deutschland konnte sich der Gesetzgeber nur im Sozialhilferecht bezüglich der Leistungen für die Grundsicherung für eine Anpassung an die Inflation erwärmen. Im Steuerrecht blieb er dagegen kalt. Dies verwundert deswegen, weil das Bundesverfassungsgericht 1992 den Grundfreibetrag faktisch an Leistungen zur Grundsicherung geknüpft hat. Mal sehen, was sich der deutsche Steuergesetzgeber für das neue Jahr einfallen lässt. In diesem Sinne alles Gute für 2023!
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht