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BB 2023, 1139
 

Im Blickpunkt

Abbildung 19

Ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung und redliches Verhalten oder fristlose Kündigung: Ein Arbeitgeber kündigte einer Mitarbeiterin fristlos i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. Sie trank im gegenüberliegenden Café zumindest zehn Minuten lang Kaffee, ohne sich dafür aus dem Zeiterfassungssystem auszuloggen. Die fristlose Kündigung erfolgte zu Recht, so das LAG Hamm (Urteil vom 27.1.2023 – 13 Sa 1007/22). Besonders erwähnenswert ist, dass der schwerwiegende Vertrauensverlust nach dem LAG auch ohne vorherige Abmahnung als milderes Mittel eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Für das Gericht war das beharrliche Leugnen der Pflichtverletzung durch die Mitarbeiterin gegenüber dem Arbeitgeber von besonderer Bedeutung. Die schwerbehinderte Arbeitnehmerin war über acht Jahre als Raumpflegerin beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte der Arbeitnehmerin fristlos, nachdem er sie dabei beobachtete hatte, wie sie sich für mindestens zehn Minuten mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken im gegenüberliegenden Café traf. Vom Arbeitgeber damit konfrontiert, leugnete die Arbeitnehmerin den Café-Besuch. Sie führte aus, im Keller gewesen zu sein und den Betrieb nicht verlassen zu haben. Erst nachdem der Arbeitgeber ankündigte, ihr Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zu zeigen, räumte sie ein, sich zur Kaffeepause pflichtwidrig weder aus- noch wieder eingeloggt zu haben. In der Begründung seiner Entscheidung wies das Gericht darauf hin, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, an sich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung darstellen könne. Dies gelte für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Der mit der Pflichtverletzung verbundene schwere Vertrauensbruch wiege hier besonders schwer. Ein solcher lag aus Sicht des LAG Hamm irreparabel vor, insbesondere weil die Arbeitnehmerin den Café-Besuch im Personalgespräch mit dem Arbeitgeber so beharrlich geleugnet hatte und damit auch in ihrem “Nachtatverhalten” ein Bedauern oder eine Einsicht nicht gezeigt habe. Eine Abmahnung sei aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung entbehrlich.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

 
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