Im Blickpunkt
Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. So das BAG mit Beschl. v. 13.9.2022 – 1 ABR 22/21 (PM Nr. 35/22). Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der elektronischen Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG besteht nach dem BAG nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist. Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das ArbG eine Einigungsstelle zum Thema “Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung” ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlussverfahren ein. Der Betriebsrat hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht. Das LAG gab dem Antrag des Betriebsrats statt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber jedoch gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen, so der Erste Senat des BAG. Was das nach der Entscheidungsbegründung konkret bedeutet – Stichwort auch “Vertrauensarbeitszeitmodelle” – bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht