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BB 2022, 1429
 

Im Blickpunkt

Abbildung 6

Der Findungsreichtum der Gemeinden beim Hebesatz zur Gewerbesteuer ist bemerkenswert. Wer erinnert sich nicht an Norderfriedrichskoog mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 0 %, dem der Gesetzgeber mit dem Mindesthebesatz von 200 % den Garaus gemacht hat. Ein neuer Fall lässt aufhorchen: Der Landkreis Ebersberg hat unter Bäumen in einem Holzhaus eine Gewerbesteueroase mit dem Hebesatz von 200 % geschaffen. Viele Firmennamen finden sich auf dem Briefkasten. Das Pikante, der Briefkasten hängt an einem Schuppen mit der Anschrift “St. Hubertus 2” hinter dem Forsthaus Hubertus im Ebersberger Forst, also mitten im Wald. Dieser wiederum ist Teil eines offiziellen Gewerbegebietes im sogenannten “Seegrasstadel” zwischen dem Wildpark und der Kreisstadt Ebersberg. Das Gewerbegebiet besteht aus nur dem besagten Schuppen und aus sonst nichts. Trotzdem ließen sich dort mehrere Fonds der HVB-Tochter Wealthcap nieder, um so in den Genuss der geringen Gewerbesteuer zu kommen. Dieses Modell könnte ins Wanken geraten oder gar die Vernichtung drohen. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen Manager der HVB-Tochter Wealthcap wegen Gewerbesteuerhinterziehung. Zudem hat die Stadt München, wo die Büros der Wealthcap tatsächlich sind, an diese einen Steuerbescheid über mehr als 10 Mio. Euro Gewerbesteuer gerichtet. Der Landkreis Ebersberg hat an die Stadt München zudem 23,5 Mio. Euro entgangene Gewerbesteuern gezahlt. Sowohl Wealthcap als auch der Landkreis beschreiten den Rechtsweg gegen die Bescheide. Die Stadt München argumentiert mit dem tatsächlichen und nicht dem rechtlichen Sitz. Insoweit wird das finanzgerichtliche Verfahren Signalwirkung haben. Seit dem 31.12.2021 sollen die Verträge mit den im Stadel ansässigen Firmen gekündigt worden sein.

Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht

 
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