Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs? Ein Türöffner für unlauteren Wettbewerb!
Gegen einen fairen Wettbewerb kann niemand etwas haben. Wenn also der Gesetzgeber ein “Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs” verabschiedet, müssten eigentlich alle zufrieden sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die Sachverständigen im Rechtsausschuss, die Stellungnahmen zum Gesetz und die einhellige Literatur haben praktisch einstimmig vor dem Gesetz gewarnt, eine lobende Stimme findet sich kaum. Nur die Bundesregierung feiert sich auf ihrer Website selbst. Dort heißt es: “Bundesregierung stärkt fairen Wettbewerb. Ein Missbrauch des bewährten Abmahnrechts soll künftig verhindert und die Transparenz bei urheberrechtlichen Abmahnungen verbessert werden.” Besser könnte man das Missverständnis in der Politik über dieses Gesetz wohl kaum beschreiben. Ungeachtet der Tatsache, dass es ein “Abmahnrecht” nicht gibt, hat das “Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs” mit dem Urheberrecht nichts zu tun. Und es dient auch nicht der Stärkung des fairen Wettbewerbs, sondern genau dem Gegenteil. Wer sich am Markt unlauter verhält, muss künftig weniger besorgt sein, auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.
Wie konnte es also zu diesem Gesetz kommen? Die Bundesregierung stützte sich in ihrem Gesetzesentwurf darauf, dass 10 % der Abmahnungen missbräuchlich seien, und “erfahrungsgemäß” geschätzt werde, dass durch das neue Gesetz 50 % der missbräuchlichen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht verhindert werden könnten. Woher diese Zahlen kommen, wird bedauerlicherweise nicht ausgeführt. Dass sie richtig sind, wage ich zu bezweifeln (vgl. auch Hohlweck, WRP 2020, 266, , 267). Gleichwohl wurde ein ganzes Gesetz auf diese “Erfahrung” gestützt. Richtig dürfte sein, dass die große Zahl der rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen von einem sehr kleinen Kreis von Akteuren ausgesprochen wird, die eher gerichtsscheu sind. Und Hand aufs Herz: Jeder der im Wettbewerbsrecht tätig ist, kennt die wenigen Namen, die immer wieder mit dem Rechtsmissbrauch in Verbindung gebracht werden und weiß damit auch umzugehen. Wegen dieser Wenigen ein bisher – unstreitig – effizientes System zur Durchsetzung des Lauterkeitsrechts aufs Spiel zu setzen, ist in vielerlei Hinsicht fahrlässig.
Das neue Gesetz möchte Anreize nehmen, mit dem Wettbewerbsrecht Geld zu verdienen. Dazu schränkt es die Aktivlegitimation von Wettbewerbern ein und unterstellt rechtsfähige Verbände einer staatlichen Kontrolle. Gleichzeitig normiert es Pflichtinhalte für eine Abmahnung und sanktioniert Verstöße dagegen. Der vermutlich gravierendste Einschnitt ist allerdings in § 13 Abs. 4 UWG n. F. geregelt. Wettbewerber können künftig für Abmahnungen, die sich gegen Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, in Telemedien oder das Datenschutzrecht richten, keine anwaltlichen Kosten mehr geltend machen. Zudem kann in diesen Fällen bei einer erstmaligen Abmahnung keine Unterlassungserklärung verlangt werden, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Abmahnende den von ihm beauftragten Rechtsanwalt selbst bezahlen muss, obwohl der Abgemahnte gegen geltendes Recht verstoßen hat. Möglicherweise erhält er nicht einmal das Versprechen des Abgemahnten, dass dieser sich künftig an das geltende Recht hält. Freilich kann man dem entgegenhalten, dass der Wettbewerber die Abmahnung auch ohne anwaltliche Zuhilfenahme aussprechen kann. Da an die Abmahnung mit dem neuen Gesetz allerdings erhebliche formale Vorgaben geknüpft wurden, die zu einer Schadensersatzforderung nur bei deren Nichteinhaltung führen, würde er sich damit selbst im Falle einer berechtigten Abmahnung erheblichen Risiken aussetzen. Zu erwarten ist, dass die Anzahl von Abmahnungen deutlich zurückgeht.
Können die rechtsfähigen Verbände das zu erwartende Defizit bei der Durchsetzung des lauteren Wettbewerbs auffangen? Können sie wirklich im erheblichen Maße mehr Abmahnungen aussprechen als bislang und den lauteren Wettbewerb überwachen? Genauso gut und effizient wie ein Wettbewerber? Bei der ganzen Diskussion über die Eindämmung des vermeintlichen Rechtsmissbrauchs ist der Aspekt der europarechtlichen Vorgaben stets übersehen worden, denn der deutsche Gesetzgeber ist in seinen Entscheidungen keineswegs frei. Gemäß Art. 11 Abs. 1 der UGP-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten im Interesse der Verbraucher sicherstellen, dass geeignete und wirksame Mittel zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorhanden sind. Mit dem neuen Gesetz hat der Gesetzgeber im erheblichen Umfang Anreize genommen, den lauteren Wettbewerb durchzusetzen. Natürlich mag man denken, dass es einem Unternehmen wohl nicht so wichtig sein kann, wenn sich der Wettbewerber unlauter verhält, wenn es nicht einmal bereit ist, dafür etwas Geld in die Hand zu nehmen. Verlierer in dieser Rechnung ist allerdings der lautere Wettbewerb und mit ihm der Verbraucher.
Das Gesetz für einen fairen Wettbewerb ist ein Türöffner für unlauteren Wettbewerb. Es begegnet in seiner verabschiedeten Form erheblichen europarechtlichen Bedenken. Neben vielen Missverständnissen in der Politik ist deren größter Irrtum, dass dieses Gesetz tatsächlich irgendjemandem hilft. Wer es gezielt darauf angelegt, wird auch unter Geltung dieses Gesetzes unerkannt rechtsmissbräuchlich wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aussprechen können.
Prof. Dr. Felix Buchmann, RA/FAHaGesR/FAIT-Recht/FA Urheber- und Medienrecht, ist Partner der überörtlichen Sozietät BSB Quack Gutterer am Standort Stuttgart. Seine Tätigkeitschwerpunkte bilden IT-Recht, Datenschutz, E-Commerce und Wettbewerbsrecht. Er ist Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Pforzheim und ständiger Mitarbeiter der ebenfalls in der dfv Mediengruppe, Fachbereich Recht und Wirtschaft, erscheinenden Fachzeitschrift Kommunikation & Recht.