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BB 2017, I
Haarmann 

Die neue Lizenzschranke nach § 4j EStG

Abbildung 1

Lizenzzahlungen für die Überlassung bestimmter immaterieller Wirtschaftsgüter sind ab 2018 – entgegen bestehenden DBAs – nicht oder nur eingeschränkt steuerlich abzugsfähig, wenn die Einnahmen des Gläubigers einer von der Regelbesteuerung abweichenden, niedrigen Besteuerung (sog. Präferenzregelung) unterliegen und der Gläubiger eine dem Schuldner nahestehende Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG ist. Dies hat der Bundestag am 27.4.2017 beschlossen. Der Bundesrat muss noch zustimmen.

Die Regelung hat ihre Wurzel im BEPS-Projekt der OECD. Im OECD- Abschlussbericht (Kapitel 4, zum Aktionspunkt 5) wurden Leitlinien für eine an eine tatsächliche Wertschöpfung anknüpfende Präferenzregelung erarbeitet (sog. “Nexus”-Ansatz).

Entgegen dem internationalen Konsens, der übergangsweise Bestandsschutz bis spätestens Mitte 2021 vorsieht, soll die Lizenzschranke bereits 2018 im Verhältnis zu nahestehenden Personen sämtliche Präferenzregelungen im Falle niedriger Besteuerung erfassen, die steuerliche Vergünstigungen unabhängig von einer tatsächlichen Wertschöpfung bzw. nicht in Übereinstimmung mit dem Nexus-Ansatz gewähren.

Die Lizenzschranke ist mittels pauschalen Verweises auf den OECD-Abschlussbericht dann nicht anwendbar, wenn die Präferenzregelung den Nexus-Ansatz des Abschlussberichts erfüllt. Verfassungsrechtlich dürfte eine Anknüpfung an einen Bericht, der zwar von einer multilateralen Organisation unter Mitwirkung deutscher Beamter erarbeitet, aber nicht durch den deutschen Gesetzgeber verabschiedet wurde, schon formal keine demokratische Legitimation haben. Inhaltlich stellt das Konzept des Abschlussberichts nur ein Grundgerüst für eine Präferenzregelung dar. An vielen Stellen wird den umsetzenden Staaten ein Spielraum gewährt, ohne eine verbindliche Regelung vorzugeben. Als Beispiel sei die Auftragsforschung durch Dritte genannt. Entsprechende Kosten zählen nach Rn. 49 ff. des Abschlussberichts zunächst in voller Höhe zu den sog. qualifizierten Betriebsausgaben. Danach ist die Lizenzschranke unanwendbar, wenn der Vergütungsgläubiger z. B. ein Patent zu 100 % von unabhängigen Dritten entwickeln lässt. Die Staaten haben aber auch die Möglichkeit, Kosten der Auftragsforschung durch Dritte nur teilweise zum Abzug zuzulassen. Letztendlich verstößt die Verweisung in § 4j Abs. 1 S. 4 EStG auf den gesamten Abschlussbericht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Daher ist die Regelung formal wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip und inhaltlich wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verfassungswidrig.

Auf europäischer Ebene regelt die Zins- und Lizenzrichtlinie die Besteuerung der Zahlung von Lizenzentgelten bei verbundenen Unternehmen durch ein Verbot der Quellensteuer. Ein Verstoß der Lizenzschranke gegen die EU-Richtlinie wird mit Hinweis auf das EuGH-Urteil “C-397/09” zur Zulässigkeit gewerbesteuerlicher Hinzurechnungen verneint. Anders als im Fall C-397/09 hat hier allerdings die Besteuerung des Lizenzgebers Einfluss auf die Besteuerung des Lizenznehmers. Es handelt sich also nicht allein um eine Frage der Ermittlung der Bemessungsgrundlage beim Lizenznehmer. Die Ziele der Richtlinie werden letztlich durch derartige Verknüpfungen unterlaufen. Daher dürfte die Lizenzschranke europarechtlich unzulässig sein.

Während die Nichtabzugsfähigkeit des Lizenzaufwands den Nutzer sanktioniert, obwohl er sich korrekt verhält, wäre ein Wiederaufleben der Quellensteuer im Falle der Nichtbesteuerung der Lizenzzahlungen beim Empfänger systematisch die richtige Maßnahme, da die Quellensteuer materiell eine Steuer des Empfängers ist. Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bestehen gegen die Lizenzschranke erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, zumal die richtige Belastungsregelung durch Quellensteuer eigentlich auf der Hand liegt. Da Gesellschaften und nicht Konzerne besteuert werden und Gesellschaften verfassungsrechtlichen Schutz genießen, kann die konzernmäßige Verbundenheit von Lizenzgeber und -nehmer hier keinen Unterschied machen. Die Eigenständigkeit der einzelnen Gesellschaft betonte kürzlich das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu § 8c KStG (2 BvL 6/11).

Europarechtliche Bedenken bestehen auch im Hinblick auf eine fehlende, § 8 Abs. 2 AStG vergleichbare Regelung. Zwar lässt sich mit der aktuellen Gesetzesfassung argumentieren, dass in der Regel, sobald eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt wird, auch der Nexus-Ansatz in § 4j Abs. 1 S. 4 EStG erfüllt sein wird. In der Übergangszeit wird jedoch mangels sofortiger Anpassung ausländischer Präferenzregelungen die Lizenzschranke unabhängig von einer eigenen tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit Anwendung finden. Darin dürfte eine Verletzung der EU-Grundfreiheiten liegen.

Zusätzlich behilft sich der Gesetzgeber bei der Lizenzschranke eines weiteren Treaty Override. Dessen verfassungsrechtliche Zulässigkeit ist trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.2015 weiterhin ungeklärt (vgl. Haarmann, BB 2016, 2775 f.).

Der aus der Hinzurechnungsbesteuerung übernommene Steuersatz von 25 %, unter dem eine niedrige Besteuerung angenommen wird, ist vor dem Hintergrund nicht mehr zeitgemäß, dass in mancher Gemeinde in Deutschland “niedrig” besteuert und die Körperschaftsteuer weltweit zurückgefahren wird, weit unter die deutschen Sätze.

Besser als eine zweifelhafte steuerliche “Abwehrgesetzgebung” wäre eine Gesetzgebung zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung.

Prof. Dr. Wilhelm Haarmann, RA/WP/StB, ist Partner der Sozietät Linklaters LLP. Er ist spezialisiert auf Steuer- und Gesellschaftsrecht, M&A, Vorstands- und Aufsichtsratsberatung sowie Schiedsverfahren.

 
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