Das MoPeG: Eine Jahrhundertreform im Personengesellschaftsrecht?
Das MoPeG ist ein Erfolg – gleichwohl sieht eine Jahrhundertreform anders aus.
Am 25. Juni 2021 wurde das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) nun auch vom Bundesrat verabschiedet. Es wird am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Verdienstvolle Vorarbeiten hatten das BMJV und eine Expertenkommission unter der Federführung von Eberhard Schollmeyer mit Vorlage des sog. “Mauracher Entwurfs” geleistet. In der Literatur ist von einer “Jahrhundertreform” die Rede.
Richtig ist, dass die seit dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 praktisch unveränderten §§ 705 ff. BGB mit dem MoPeG eine legislative Generalüberholung erfahren. Materiell-rechtlich bildet die Reform aber im Wesentlichen nur – und: immerhin – die Rechtslage im Wortlaut des BGB ab, die sich in den letzten 50 Jahren anknüpfend an Werner Flumes Gruppenlehre (ZHR 136 [1972], 177 ff.) und die ARGE Weißes Ross-Entscheidung des BGH (29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) praeter legem in der Rechtspraxis etabliert hatte (hierzu Weller, FS Günter H. Roth, 2011, S. 881 ff.).
Die vom BGH für (teil-)rechtsfähig erklärte Außen-GbR findet nun unter dem Terminus der “rechtsfähigen Gesellschaft” ihren Weg in das Gesetz und wird in Orientierung am neuen Leitbild eines stabilen und professionell agierenden Personenzusammenschlusses ausgestaltet. Die rechtsfähige Gesellschaft kann freiwillig in das neu geschaffene Gesellschaftsregister eingetragen werden (§ 707 BGB n. F.). Die eingetragene GbR hat als eGbR zu firmieren und kann als solche ins Grundbuch (§ 47 Abs. 2 GBO n. F.), in das Aktienregister (§ 67 Abs. 1 S. 1 3 AktG n. F.) und die Gesellschafterliste (§ 40 Abs. 1 S. 3 GmbHG n. F.) eingetragen und nach §§ 39a ff., 125 S. 1, 214 UmwG n. F. umgewandelt werden. Dies schafft Transparenz und Publizität und erhöht die Attraktivität der GbR als Rechtsform für vermögensverwaltende Strukturen.
Von diesen beiden Formen der rechtsfähigen GbR wird die “nicht-rechtsfähige Gesellschaft” unterschieden, die den Gesellschaftern nur intern zur Ausgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse untereinander dient (§ 705 Abs. 2 BGB n. F.). Da diese explizit nicht vermögensfähig ist (§ 740 Abs. 2 BGB n. F.), wird das Gesamthandsprinzip im Gesellschaftsrecht obsolet. Diese Zweigleisigkeit des Rechts der GbR entspricht der bereits bekannten Unterscheidung zwischen rechtsfähiger Außen-GbR und nicht-rechtsfähiger Innen-GbR. Die Abgrenzung erfolgt nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter zur Teilnahme der GbR als solcher am Rechtsverkehr. In der Praxis bereitet die Feststellung eines solchen gemeinsamen Willens aber häufig Probleme. Einige Stimmen in der Literatur hatten daher vorgeschlagen, die eigene Identitätsausstattung (z. B. die Namensführung, dafür Denga, ZfPW 2021, 73 ff.) oder ihre Unternehmensträgereigenschaft (dafür K. Schmidt, ZHR 177 [2013], 712, 717) als Abgrenzungsmerkmale heranzuziehen. Diese Vorschläge sind ebenso wenig Gesetz geworden wie die Idee einer konstitutiven Registereintragung (dafür Röder, AcP 215 [2015], 450, 466 ff.). Der Rechtsausschuss hat immerhin in letzter Minute eine Vermutungsregelung in § 705 Abs. 3 BGB n. F. aufgenommen: Wenn der Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens unter gemeinschaftlichem Namen ist, so wird vermutet, dass die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt (vgl. BT-Drs. 19/30942, 14). Diese Ergänzung trägt freilich Eulen nach Athen, denn sie erfasst ohnehin nur die klaren Fälle. Die in der Praxis nicht minder problematische Feststellung des gemeinsamen Zwecks der Gesellschafter als Wesensmerkmal der GbR in Abgrenzung zum schuldrechtlichen Austauschvertrag wird durch die Neuregelung gar nicht adressiert.
Neu eingeführt wird ein Beschlussmängelrecht in Anlehnung an das Aktienrecht: Soweit ein Beschluss nicht wegen eines besonders schwerwiegenden Mangels nichtig ist, sind Mängel im Wege einer gegen die Gesellschaft gerichteten Anfechtungsklage innerhalb einer Frist von drei Monaten geltend zu machen. Dieses Anfechtungsmodell hat der Regierungsentwurf in Reaktion auf kritische Stimmen aus der Literatur (vgl. etwa Habersack, ZGR 2020, 539, 560 f.) auf Personenhandelsgesellschaften beschränkt (§§ 110 ff. HGB n. F.). Für die GbR wird – anders als noch im Mauracher Entwurf – am althergebrachten Feststellungsmodell festgehalten. Begründet hat dies der Gesetzgeber damit, dass das Anfechtungsmodell Mindestanforderungen an die Formalisierung des Beschlussverfahrens und damit einen Professionalisierungsgrad erfordere, der von nicht kaufmännischen Personengesellschaften typischerweise nicht erwartet werden könnte (siehe Begr. RegE, S. 124). An dieser Stelle erscheint die Ausrichtung der GbR am Leitbild einer professionell agierenden Gesellschaft jedenfalls nicht konsequent durchgeführt (kritisch auch Lieder, ZRP 2021, 34 f).
Nicht angegangen hat das MoPeG andere zentrale Probleme des GbR-Rechts: Die vom BGH von Karsten Schmidt übernommene Akzessorietätstheorie wurde zwar kodifiziert und führt zur persönlichen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden (§§ 721 ff. BGB n. F.). Die praktisch bedeutsame Frage nach punktuellen Ausnahmen, etwa für gesetzliche Verbindlichkeiten, für Bauherrengesellschaften (BGH, 21.1.2002 – II ZR 2/00, BB 2002, 1601, NJW 2002, 1642) oder für nicht-handelnde, passive Gesellschafter in der Publikums-GbR (hierzu Weller, a. a. O.) wurde indes nicht adressiert. Auch andere Problempunkte bleiben ungelöst, etwa der Grundsatz der Selbstorganschaft, der sich seit einiger Zeit berechtigter Kritik ausgesetzt sieht (Osterloh-Konrad, ZGR 2019, 271). Ob mit der Primäranknüpfung an den “Verwaltungssitz” in § 706 S. 1 BGB n. F. als Sitz der Gesellschaft implizit auch die Sitztheorie als Grundkollisionsnorm des autonomen deutschen Internationalen Gesellschaftsrechts kodifiziert werden sollte, mag – wie schon bei § 4a GmbHG (MoMiG 2008) – bezweifelt werden, zumal Satz 2 in Abgrenzung vom “Verwaltungssitz” vom “Vertragssitz” spricht (gemeint ist der im Gesellschaftsvertrag bestimmte Sitz) – ein Fachterminus, der bisher nicht internationalprivatrechtlich konnotiert ist.
Eine Jahrhundertreform sieht anders aus. Gleichwohl ist das MoPeG ein Erfolg: Das Personengesellschaftsrecht wird konsolidiert. Die Reform hat im Wesentlichen eine Lehrbuch-Funktion: Sie erklärt dem interessierten Leser des BGB den aktuellen Status quo. Die Rechtsfortbildung legt der Gesetzgeber dagegen weiter in die Hände der Wissenschaft und Rechtsprechung. Eine kluge Gewaltenteilung.
Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, Licencié en droit (Montpellier), ist Direktor am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg.
Dr. Sophia Schwemmer ist Rechtsanwältin und seit 2019 auch Steuerberaterin bei lindenpartners in Berlin. Seit 2020 ist sie zudem Habilitandin am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht an der Universität Heidelberg (Lehrstuhl Prof. Dr. Marc-Philippe Weller).