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Steuerrecht
31.07.2009
Steuerrecht
: Überlastung der Rechtsbehelfsstelle schließt Untätigkeitsklage nicht aus

FG Sachsen, Beschluss vom 29.5.2009 - 6 K 253/09
Leitsätze
1. Hat die Finanzbehörde nach Einlegung eines Einspruchs vom Einspruchsführer weitere Unterlagen zur Aufklärung des Sachverhalts angefordert, so ist hierin ein ausreichender Grund i. S. v. § 46 Abs. 1 FGO für eine Verzögerung der Sachentscheidung zu sehen. Auch wenn der Sachverhalt vollständig aufgeklärt oder nicht weiter aufklärbar ist, muss der Behörde noch ein hinreichender Zeitraum zur Würdigung des Einspruchs in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eingeräumt werden (im Streitfall: Unzulässigkeit einer knapp zwei Monate nach der Mitteilung des Klägers, die angeforderten Unterlagen nicht einzureichen, eingelegten Untätigkeitsklage).

2. Der Staat kann sich für eine verzögerte Bearbeitung von Rechtsbehelfen nicht darauf berufen, nicht ausreichend personelle oder sachliche Mittel für die Bearbeitung der Rechtsbehelfe bereitgestellt zu haben. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) bedingt es vielmehr im Gegenteil, hinreichende Ressourcen vorzuhalten, um dieser Pflichtaufgabe gerecht werden zu können.

FGO § 46 Abs. 1 S. 1,  § 138 Abs. 2; GG Art. 20 Abs. 3

Gründe:

Die Kosten waren dem Kläger aufzuerlegen, da die Untätigkeitsklage unzulässig war. Die Klage ist entgegen ihrer missverständlichen Bezeichnung als Untätigkeitsklage nicht darauf gerichtet, die Untätigkeit der Behörde im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zu beenden (vgl. BFH, BStBl. II 1992, 673 ). Es soll vielmehr bereits vor der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung ein Erfolg in der Sache durch das Gericht ermöglicht werden, wenn die Finanzbehörde das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren unangemessen verzögert. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn eine Untätigkeitsklage eingereicht wird, obwohl der Beklagte verfahrensrechtlich nicht in der Lage ist, eine Entscheidung in der Sache zu treffen (vgl. BFH, BStBl. II 1992, 673 ). Die Untätigkeitsklage des § 46 FGO ist mithin dann unzulässig, wenn zureichende Gründe einer Verzögerung der Sachentscheidung vorliegen und auch eine Mitteilung hierüber ergeht (Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Oktober 2008, 8 K 1490/07.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Zwar ist aus der Rechtsbehelfsakte nicht ersichtlich, dass zwischen der Einlegung des Einspruchs am 26. Mai 2008 bis zur Erinnerung des Klägers vom 17. November 2008 der Einspruch überhaupt bearbeitet wurde. Mit Schreiben vom 18. November 2008 hat der Beklagte jedoch den Bevollmächtigten des Klägers angeschrieben, das vorläufige Ergebnis der Prüfung der Einwendungen mitgeteilt, auf fehlende Nachweise hingewiesen und um Prüfung klägerseits gebeten. Der Bevollmächtigte des Klägers legte daraufhin am 30. Dezember 2008 eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 15. Dezember 2008 vor. Die weiter streitige Frage, ob auch Belege zu den Übernachtungskosten vorzulegen seien, blieb offen, da der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 2009 keine Notwendigkeit sah, dazu Belege vorzulegen.

Die weitere Aufklärung des Sachverhalts ist ein zureichender Grund für die Verzögerung der Sachentscheidung. Der Beklagte ist hierbei auf die Zuarbeit des Steuerpflichtigen angewiesen. Erst dann kann eine Entscheidungsreife des Einspruchs herbeigeführt werden. Sobald der Sachverhalt vollständig aufgeklärt oder nicht weiter aufklärbar ist, muss dem Beklagten ein hinreichender Zeitraum zur Würdigung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingeräumt werden. Dieser Zeitraum ist nicht abstrakt bestimmbar. Er hängt von den tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des zu beurteilenden Sachverhaltes ab. Angesichts der abzeichnenden Rechtsprechung des BFH zur (Nicht-)Anwendung der Mindestentfernung (sog. 30 km Grenze) und der Entfernungspauschale bei Fahrten zu ständig wechselnden Arbeitsstätten (vgl. BFH, Urteil vom 18. Dezeber 2008, VI R 39/07) ist es dem Beklagten zuzugestehen, diese auch im Streitfall maßgebliche Fragen über einen angemessenen Zeitraum zu prüfen. Dieser Zeitraum war knapp zwei Monaten nach der Mitteilung des Klägervertreters, dass keine weiteren Belege eingereicht würden, im Zeitpunkt der Klageerhebung am 4. März 2009, noch nicht abgelaufen.

Kein zureichender Grund für die Verzögerung der Sachentscheidung würde jedoch allein eine Überlastung der Rechtsbehelfsstelle in der Form darstellen, wie es der Beklagte am 5. Februar 2009 dem Klägervertreter mitgeteilt hat, dass eine zeitnahe Bearbeitung des Einspruchs u.a. wegen der Vielzahl der an die Rechtsbehelfsstellen abgegebenen Einsprüche derzeit leider nicht möglich sei. Der Staat kann sich für eine verzögerte Bearbeitung von Rechtsbehelfen nicht darauf berufen, nicht ausreichend personelle oder sachliche Mittel für die Bearbeitung der Rechtsbehelfe bereitgestellt zu haben. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG ) bedingt es vielmehr im Gegenteil, hinreichende Ressourcen vorzuhalten, um dieser Pflichtaufgabe gerecht werden zu können.

b) Mitteilung über die Verzögerung der Sachentscheidung.

Der Beklagte hat den Kläger über den Grund der Verzögerung ausreichend informiert. Im Schreiben vom 18. November 2008 sind die tatsächliche und rechtlichen Gründe ausgeführt, weswegen noch keine Entscheidung über den Einspruch getroffen werden kann.

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