FG-Baden-Württemberg: „Überdachende Besteuerung“ nach Wegzug in die Schweiz europarechtswidrig – Vorlage an den EuGH
FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.12.2013 – 3 K 2654/11
AMTLICHE LEITSÄTZE
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999 (BGBl. II 2001, 810ff.), das am 2.9.2001 vom Bundestag als Gesetz beschlossen worden (BGBl. II 2001, 810) und am 1.6.2002 in Kraft getreten ist (FZA bzw. Freizügigkeitsabkommen), insbesondere dessen Präambel, Art. 1, 2, 21, sowie Art. 7, 9 des Anhangs I dahin auszulegen, dass sie es nicht zulassen, einen aus dem Inland in die Schweiz verzogenen Arbeitnehmer, der nicht die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt und seit dem Zuzug in die Schweiz sog. umgekehrter Grenzgänger i. S.v. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 ist, nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz i.V.m. Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBASchweiz 1971/2002 der deutschen Besteuerung zu unterwerfen?
DBA-Schweiz 1971/2002 Art. 4 Abs. 4, 15a Abs. 1, 15a Abs. 1 S. 4
Sachverhalt
I. Der am xxx geborene Kläger wird für den Veranlagungszeitraum 2008 (Streitjahr) allein zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger wurde in CZ (nunmehr: Tschechische Republik) geboren. Seit 1969 lebt er in der Bundesrepublik Deutschland (zunächst in M). Der Kläger besitzt die tschechische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat ein leibliches Kind, den am xxx geborenen Sohn B. Dessen leibliche Mutter ist C D (im Folgenden: CD), mit der der Kläger inzwischen nicht mehr in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammenlebt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr als Eigentümer von zwei im Inland (in K/... und M/...) belegenen Wohnungen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Hinweis auf die vom Finanzamt K zugezogenen -nicht paginiert vorgelegten- Einkommensteuerakten) und im Übrigen die ab dem 1. August des Streitjahres streitbefangenen Einkünfte aus nicht-/unselbständiger Arbeit.
Der Kläger wohnte zunächst zusammen mit seinem Sohn und CD in der ihm allein gehörenden Eigentumswohnung in X, ... weg 1 (im Folgenden: ETW), die 4 ½ Zimmer umfasste. Nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit CD im November 2006 erteilte der Kläger am 10. September 2007 (Bl. 79 ff. der FG-Akten) der Sparkasse X einen Allein-Verkaufsantrag hinsichtlich der vorgenannten ETW. Daraufhin wurde mit dem am 15. April des Streitjahres 2008 notariell abgeschlossenen Kaufvertrag die ETW verkauft zu einem Kaufpreis von 210.000 € (Bl. 147 der FG-Akten). Der Übergang von Nutzen und Lasten wurde auf den 1. August des Streitjahres vereinbart (a.a.O., § 4).
Ende Juli des Streitjahres zog der Kläger daraufhin aus der ETW aus (s. die Abmeldebestätigung vom 24. Juli 2007 der Stadt X [Bl. 102 der S-Akten] und die Veräußerungsmitteilung vom 28. April des Streitjahres [Bl. 2 der S-Akten]) und in die von ihm ab dem 1. August des Streitjahres angemietete Wohnung in S (Schweizerische Eidgenossenschaft -Confoederatio Helvetica- im Folgenden: CH bzw. Schweiz), ... platz 5 ein (s. die Anmeldebescheinigung vom 31. Juli 2007 des Sicherheitsdepartements des Kantons S-Stadt, Bl. 104 der S-Akten). Es handelt sich um eine 4-Zimmerwohnung mit ca. 117 qm. Der „Total Mietzins“ wurde mit 2.320 CHF vereinbart (wegen weiterer Einzelheiten: s. den Mietvertrag vom 21. Juli des Streitjahres, Bl. 106 ff. der Sonderakten 2008 zur Einkommensteuerakten [im Folgenden: S-Akten]). Auf die Ansässigkeitsbescheinigung der Eidgenössischen Steuerverwaltung -ESTV- (hier: der Steuerverwaltung des Kantons S-Stadt) vom 14. Februar 2008 wird hingewiesen (Bl. 5 der FG-Akten).
Die ETW hatte der Kläger mit Kaufvertrag vom 11. Mai 1999 erworben (Bl. 166 der FG-Akten), wobei Nutzen und Lasten zum 1. Juni 1999 auf den Kläger übergingen (a.a.O., § 3), der die ETW seither bis zu ihrem Verkauf im Streitjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzte. Zuvor hatte der Kläger seinen Wohnsitz in M (Hinweis auf die Angaben auf der S. 1 des Kaufvertrags vom 11. Mai 1999). Der Umzug des Klägers von M nach X stand in Zusammenhang mit der Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit für verschiedene Unternehmen der P AG, S/CH. Die P AG hat in der Agglomeration S Betriebsstätten in H/Bundesrepublik Deutschland, I/CH, G/Frankreich und S (E)/CH.
Seit dem 1. Januar 1999 arbeitete der Kläger als Controller im Bereich Management & Accounting für die PC AG AG in S/CH (Hinweis auf den Arbeitsvertrag vom 30. September 1998, Bl. 408 ff. der FG-Akten). Anschließend -zum 1. Januar 2001- wechselte er zur LC AG in S/CH, bei der er als Controller tätig war (s. den Arbeitsvertrag vom 24. Januar 2001, Bl. 415 ff. der FG-Akten). Seit dem 1. Mai 2002 arbeitete der Kläger auf Grund des am 29. Januar 2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrags für die P Pharma I AG -S-AG- (s. den Arbeitsvertrag vom 29. Januar 2002, Bl. 254-255 der FG-Akten) in I / Kanton U/CH. Wegen der individuellen Zusatzvereinbarungen wird auf die Anlage 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 20. Juni 2006, Bl. 242, 322 ff. der FG-Akten verwiesen.
In Zusammenhang mit der Tätigkeit in I/CH wurde der Kläger in das Förderprogramm für hochqualifizierte Mitarbeiter, sog. Aufstiegskandidaten, bzw. für Talente mit besonderem beruflichen Potential aufgenommen (Hinweis auf das Schreiben der S-AG vom 23. März 2006 [Bl. 262 – 263 der FG-Akten] i.V.m. der regionalen Richtlinie vom 25. November 2002 für Mitarbeiterbindung und -transfer von Schlüsselpersonal in der Sparte Pharma, Technical Operations Region S [S, I, G, H], Bl. 365 ff. der FG-Akten -im Folgenden: M-Richtlinie- bzw. regionale Retentions- und Transferpolice [Bl. 258-261 der FG-Akten]). Die M-Richtlinie gilt für die Mitarbeiter bei der P TechOps, die -wie der Kläger- in der Region S beschäftigt sind und deren Heimatland, laut Eintragung im Arbeitsvertrag, entweder Frankreich, Deutschland oder die Schweiz ist (s. zu: Anwendungsbereich der M-Richtlinie).
Im Rahmen seiner Tätigkeit in S/CH und I/CH unterlag der Kläger den Bestimmungen für Grenzgänger nach Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 [BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519] in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 [BGBl II 1993, 1993, 1888, BStBl I 1993, 928] -DBA-Schweiz 1971/2002-.
Zum 1. März 2006 wurde der Kläger von der S-AG in I/CH nach H/Bundesrepublik Deutschland als Leiter Finanzen (CFO) der dort ansässigen P Pharma Produktions GmbH (im Folgenden: W-GmbH) „regional transferiert“. Dieser vertraglich vereinbarte regionale Transfer sollte in Übereinstimmung mit Anweisungen in der M-Richtlinie bzw. der regionalen Retentions- und Transferpolice (a.a.O., zu: zusammenfassende Übersicht, Zeitrahmen, Bl. 366 der FG-Akten) zwei Jahre (bis zum 18. Februar 2008 des Streitjahres) dauern (Hinweis auf das Schreiben der S-AG vom 23. März 2006, Bl. 262 – 263 der FG-Akten). In Zusammenhang mit der Übernahme der Stellung als CFO bei der W-GmbH wurde der Kläger auf Grund einer mit der S-AG abgeschlossenen Zusatzvereinbarung zu seinem weiter geltenden Arbeitsvertrag vom 29. Januar 2002 mit der S-AG zum Mitglied des Managements ernannt und der Management-Stufe 11 zugeordnet (Hinweis auf die Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 10. April 2006, Bl. 264-265 der FG-Akten). Im Übrigen wurde der Kläger zum Geschäftsführer bei der W-GmbH bestellt und als solcher auch in das zuständige (deutsche Handelsregister) eingetragen (Hinweis auf den Handelsregisterausdruck vom 11. Juni 2006, Bl. 317-318 der FG-Akten).
Auf Grund des Vertrags vom 13. Februar des Streitjahres (Bl. 91-92 der FG-Akten) wurde der regionale Transfer des Klägers um zwei Jahre verlängert und zwar vom 1. März des Streitjahres bis zum 28. Februar 2010. Mit dem Beratungsvertrag vom April 2008 (Bl. 324-338 der FG-Akten) -abgeschlossen zwischen der W-GmbH und der TC GmbH in D- wurde die letztgenannte Gesellschaft beauftragt, die W-GmbH bei der Suche und Auswahl eines Kandidaten CFO/ggf. Geschäftsführer-Nachfolger zu beraten. Der Auftrag blieb ergebnislos.
Im Schreiben der S-AG vom 14. Juli des Streitjahres wird bestätigt (Bl. 142 der FG-Akten), dass der Kläger seit dem 1. Januar 2002 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und in ungekündigter Stellung im Unternehmen der S-AG tätig sei.
Am 15. Oktober 2009 wurde „noch einmal“ die Verlängerung des Transfervertrags vereinbart und zwar bis zum 28. Februar 2011 (Bl. 95 der FG-Akten). Anschließend wurde dann „noch einmal“ der regionale Transfervertrag um ein zusätzliches Jahr und damit bis zum 28. Februar 2012 verlängert (Hinweis auf den Vertrag vom 24. Januar 2011 [Bl. 97 der FG-Akten]).
Nach Ablauf auch dieser Verlängerungsfrist wurde zwischen der P Pharma AG in S/CH und dem Kläger am 24. Oktober 2012 eine Vertragsänderung vereinbart (Bl. 513 der FG-Akten). Auf Grund dieser Vereinbarung arbeitet der Kläger seit dem 1. Januar 2013 bei der Pn H AG (im Folgenden: H-AG) in der ... strasse 51 in S/CH als G T (s. den Schriftsatz des Klägers vom 30. Oktober 2012, Bl. 426 der FG-Akten). Der Arbeitsort liegt ca. 4 km vom Wohnsitz des Klägers in S/CH, ... platz 5 entfernt (vgl. hierzu auch die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 2. Oktober 2012, Bl. 403 ff. der FG-Akten).
Wegen der Gründe, die über den 28. Februar des Streitjahres hinaus jeweils zur Verlängerung des Transfers des Klägers zur W-GmbH nach H/Baden geführt haben, wird auf dessen Ausführungen in den Schriftsätzen vom 9. Dezember 2011 (zu 1., Bl. 56 ff. der FG-Akten), vom 25. April 2012 (Bl. 73 ff. der FG-Akten) und vom 30. Oktober 2012 (Bl. 426 ff. der FG-Akten) Bezug genommen.
Während der Zeit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der W-GmbH wurden die monatlichen Vergütungen weiterhin von der S-AG auf das hierfür vom Kläger angegebene Konto bei einem in der Schweiz ansässigen Kreditinstitut gezahlt (s. die Kontoauszüge der ... Bank aus dem Streitjahr, Bl. 272-284 der FG-Akten; Hinweis auf den Aktenvermerk des Lohnsteueraußenprüfers vom 22. Dezember 2010, Bl. 40 der S-Akten). Im Übrigen unterlag der Kläger weiterhin der Schweizerischen beruflichen Vorsorge (Hinweis auf die Versicherungsausweise der Pensionskasse P für den Zeitraum 2000 - 2012, Bl. 297-308 der FG-Akten). Des Weiteren unterlag der Kläger auf Grund einer Vereinbarung des (Schweizerischen) Bundesamts für Sozialversicherungen in Bern (BSV) mit der zuständigen Stelle der Bundesrepublik Deutschland (s. die Bestätigungen des BSV vom 23. Juli des Streitjahres und vom 8. Februar 2011, Bl. 313 und 314 der FG-Akten und den Auszug aus dem individuellen Konto der AHV-IV, Bl. 309 und 310 der FG-Akten) auch nach der Aufnahme seiner Tätigkeit bei der W-AG im Inland der (Schweizerischen) Alters- und Hinterlassenen- bzw. der Invalidenversicherung. Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Systematische Sammlung des Bundesrechts [SR] 0.831.109.268.1 -Hinweis auf Art. 4 Abs. 1 Buchstabe c bzw. Art. 5 und 97 Verordnung [EWG] Nr. 1408/71- und der Verordnung [EWG] Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung [EWG] Nr. 1408/71 -SR 0.831.109.268.11- in Verbindung mit dem Freizügigkeitsabkommen -FZA- Anhang II, Abschnitt A Ziff. 1). Die Verordnungen [EWG] Nr. 1408/71 und [EWG] Nr. 574/72 sind in der Schweiz am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Diese Verordnungen galten im Verhältnis zur Schweiz im Streitjahr noch (s. Art. 96 Abs. 1 Buchstabe b VO 987/2009/EG vom 16. September 2009, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft –AblEU- Nr. L 284 vom 30. Dezember 2009, S. 1ff., sowie Art. 90 Abs. 1 Buchstabe c VO 883/2004/EG vom 29. April 2004, ABIEG Nr. L 166 vom 30. April 2004, S. 1 ff.). Die insoweit in der Schweiz gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberbeiträge zahlte die S-AG. Die S-AG war weiterhin unter sozialrecht- und arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten Arbeitgeberin des Klägers.
Die Kosten, die der S-AG durch die zuvor dargelegten Aufwendungen für den Kläger entstanden sind, wurden (innerhalb der P AG) konzernintern zu Lasten der W-GmbH verrechnet (Hinweis auf Bl. 31-43 der S-Akten; Hinweis auf den Bericht vom 15. Februar 2010 über die Lohnsteuer-Außenprüfung bei der W-GmbH, Tz. 6, Bl. 88 ff. der S-Akten).
Die W-GmbH in H beurteilte den Kläger nach dessen Umzug nach S/CH ab August des Streitjahres als (sog. umgekehrten) Grenzgänger i.S.v. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002. Sie führte 4,5 vom Hundert des Bruttobetrags der an den Kläger gezahlten Vergütungen gemäß Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1992 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 30. September 1993 zu dem Protokoll vom 21. Dezember 1992 zum DBA-Schweiz 1971 -Zustimmungsgesetz- (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927) als Lohnsteuer an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt (das Finanzamt Y) ab (s. die Anmerkungen auf der Verdienstabrechnung für den Dezember des Streitjahres, Bl. 40 der S-Akten; s. die Verdienstabrechnungen der W-GmbH für Juli bis Dezember des Streitjahres, Bl. 106 - 108 und 114 - 120 der FG-Akten).
Die ESTV (hier: das Finanzdepartement des Kantons S-Stadt) setzte für den Zeitraum ab August des Streitjahres die direkte Bundessteuer auf 2.232,75 CHF (s. die Verfügung vom 3. Juni 2010, Bl. 72 der S-Akten) und die Kantonalen Steuern auf 6.744,50 CHF fest (s. die Verfügung vom 3. Juni 2010, Bl. 73 der S-Akten). Eine Anrechnung einer (aus Schweizer Sicht deutschen) Quellensteuer (Lohnsteuer oder sonstige Einkommensteuer) erfolgte zunächst nicht.
In seiner beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) am 21. Dezember 2009 eingereichten Einkommensteuererklärung ging der Kläger davon aus, dass er im Streitjahr für die Monate Januar - Juli gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes -EStG 2008- unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei und als Grenzgänger i.S.v. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung im Inland unterliege. Für den Zeitraum August bis Dezember des Streitjahres, nachdem er in diesem Zeitraum seinen Wohnsitz in S gehabt hätte und dort ansässig geworden sei, ging er davon aus, dass er zwar mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt einkommensteuerpflichtig sei, er jedoch als (sog. umgekehrter) Grenzgänger mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung in der Schweiz unter Berücksichtigung der zu Recht von der W-GmbH einbehaltenen (Quellen-) Lohnsteuer unterliege.
Dem folgte das FA im Einkommensteuerbescheid vom 3. November 2010 nicht (Bl. 81 der S-Akten). Es unterwarf die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit aus dessen Tätigkeit für die W-GmbH in H für das gesamte Streitjahr der Besteuerung im Inland. Es folgte insoweit den Feststellungen einer bei der W-GmbH im Jahr 2010 für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 durch das Finanzamt Z durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung im Bericht vom 15. Februar 2010 über die Lohnsteuer-Außenprüfung (Bl. 88 ff. der S-Akten). Der Außenprüfer war zur Auffassung gekommen, dass der Kläger im streitbefangenen Zeitraum August bis Dezember des Streitjahres mit seinen von der W-GmbH bezogenen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 1 Abs. 4 EStG 2008 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG 2008 im Inland beschränkt einkommensteuerpflichtig sei. In abkommensrechtlicher Hinsicht unterliege der Kläger mit diesen hier in Rede stehenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit infolge der Rechtsgrundsätze zur sog. überdachenden Besteuerung i.S.v. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 der Besteuerung im Inland.
Während des form- und fristgerecht eingelegten Einspruchs gab das FA am 19. Januar 2011 einen nicht den Streitpunkt des vorliegenden Klageverfahrens berührenden, als Änderungsbescheid auf die Vorschrift des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a der Abgabenordnung (AO) gestützten Einkommensteueränderungsbescheid zur Post (Bl. 84 ff. der S-Akten), der gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens wurde.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011 (Bl. 96 ff. der S-Akten) wurde dem Rechtsbehelf teilweise abgeholfen und auf Antrag des Klägers die durch die ESTV erhobene und im Jahr 2010 an die ESTV vom Kläger gezahlte Steuer (+ Zinsen in Höhe von 304,85 CHF: s. die Steuerabrechnung vom 3. Juni 2010, Bl. 66 der S-Akten) in Höhe von 6.744,50 CHF und 2.232,75 CHF (Bl. 65 und 66 der S-Akten) in Höhe von 5.655 € auf die Einkommensteuer angerechnet (s. Bl. 100 der S-Akten). Die in der Schweiz vom Kläger gezahlten Steuern (+ Zinsen) wurden nach dem für das Streitjahr maßgeblichen durchschnittlichen Umrechnungskurs von 100 CHF = 63,50 € umgerechnet (s. die Ausführungen des Klägers im Schreiben vom 16. März 2011 [Bl. 64 der S-Akten], denen das FA gefolgt ist) und einkommensteuermindernd abgezogen.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, dass er ab August des Streitjahres als sog. umgekehrter Grenzgänger mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nur der Besteuerung in der Schweiz unterliege (unter Berücksichtigung der ermäßigten -in der Bundesrepublik Deutschland abgeführten- Lohnsteuer). Für ein Besteuerungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland in Hinsicht auf seine ab August des Streitjahres bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Wege der sog. überdachenden Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 fehlten die Voraussetzungen. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten Schriftsätze verwiesen.
Am 7. September 2012 fand vor dem Berichterstatter des erkennenden Senats ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes (Hinweis auf § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und zur Beweisaufnahme (§ 79 Abs. 2 FGO) statt. In diesem Termin wurden als Zeugen gehört: A N (Personalleiterin der W-GmbH ab dem 1. September 2010), R O (Personalleiter der W-GmbH von 2006 bis 2009) und B R (Personalleiter der W-GmbH vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2010). Die Niederschrift über diesen Termin einschließlich der ausgeschriebenen Zeugenaussagen wurde den Beteiligten zur Verfügung gestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Niederschrift vollumfänglich Bezug genommen (Bl. 391-506 der FG-Akten).
Der Kläger beantragt, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 19. Januar 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011 der Gestalt zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit ab dem 1. August des Streitjahres als steuerfrei behandelt werden (unter Progressionsvorbehalt); im Übrigen zusätzliche Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden für den Zeitraum bis 31. Juli in Höhe von 1.328,60 € und für den sich anschließenden Zeitraum in Höhe von 1.050,70 €; hilfsweise die Revision zugelassen werde.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das FA verweist auf sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung und seine in den im finanzgerichtlichen Verfahren dargelegten Begründungen.
Dem erkennenden Senat lagen folgende Akten vor:
1 Band Einkommensteuerakten Band IV Veranlagungszeiträume 2006 - 2008;
1 Band Einkommensteuerakten Steuernummer;
1 Band Einkommensteuerakten Sonderakten 2008;
Aus den gründen
II. A. Der beschließende Senat setzt das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus, um eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über die Auslegung des Freizügigkeitsabkommens einzuholen (s. Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a. und Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nach der Zählung des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften -EG-, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 325, 1, jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrages von Lissabon -AEUV- zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union, Ausgabe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen -ABl EU- 2007, Nr. C 306/01). Das Freizügigkeitsabkommen unterliegt der Auslegung durch den EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Februar 2013 C-425/11, „Ettwein“, BStBl II 2013, 896).
Der beschließende Senat hält die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage zur Auslegung des Freizügigkeitsabkommens in Bezug auf die Anwendung der Regelungen zur überdachenden Besteuerung i.S.d. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 im Hinblick auf den Ausgangsrechtsstreit für entscheidungserheblich (Art. 267 Abs. 2 AEUV; Schwarze, EU-Kommentar, AEUV Artikel 267 Rn. 37 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH -siehe auch nachfolgend zu B-). Würde die ... vorgelegte Rechtsfrage bejaht, wäre der Einkommensteueränderungsbescheid vom 19. Januar 2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011 insoweit zu ändern, als die ab dem 1. August des Streitjahres erzielten Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im Inland steuerfrei sind, weil der Kläger ab dem genannten Zeitpunkt als (umgekehrter) Grenzgänger gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 (i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchstabe b DBA-Schweiz 1971/2002) mit den zuvor erwähnten Einkünften nur der Besteuerung in der Schweiz unterliegt (zur Besteuerung durch die Bundesrepublik Deutschland im Lohnsteuerabzugsverfahren durch das Betriebsstättenfinanzamt: Art. 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Schweiz 1992 und Art. 3 Abs. 1 - 3 Zustimmungsgesetz). Würde die vorgelegte Rechtsfrage verneint, bliebe es dabei (wie in den angegriffenen Steuerfestsetzungen geschehen), dass durch die Regelungen zur sog. überdachenden Besteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 trotz der Wohnsitzverlagerung und des Ansässigseins des Klägers in der Schweiz (Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002) ab dem 1. August des Streitjahres die Steuerpflicht gegenüber dem Kläger im Inland hinsichtlich seiner Einkünfte aus unselbständiger Arbeit aufrechterhalten bliebe und die Doppelbesteuerung lediglich durch Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Steuer vermieden würde (Art. 4 Abs. 4 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/2002; Decker, Praxis Internationales Steuerrecht -PIStB- 2003, 273; Debatin, Der Betrieb -DB- 1972, 1983, zu III. C. d), womit im Ergebnis das höhere deutsche Steuerniveau aufrechterhalten und damit die „Gesamtsteuerlast“ auf das deutsche Steuerniveau hochgeschleust wird (Weigell in: Weigell/Brand/Safarik, Investitions- und Steuerstandort Schweiz, 3. Aufl., G, Tz. 2.2 [S. 142 ff.]). Die Vorschrift regelt ausschließlich das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland und berührt die Besteuerung durch die Schweiz nicht (Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland vom 20. Oktober 1971 Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft -BBl- 1971 II 1423, II. 1. Artikel 4: steuerlicher Wohnsitz Ziff. 2. Buchstabe c). Die Klage hätte insoweit keinen Erfolg.
B. Rechtslage nach deutschem (Einkommensteuer- und Doppelbesteuerungs-)Recht
I. 1. Der Kläger war ab seinem Wegzug in die Schweiz zum 1. August des Streitjahres nicht mehr unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG 2008), da er seitdem nach den (auch unter den Beteiligten zu Recht unstreitigen) Feststellungen des beschließenden Senats weder einen inländischen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt innehatte. Er unterlag jedoch ab diesem Zeitpunkt der beschränkten Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG 2008, weil er im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses im Inland eine nichtselbständige Beschäftigung als Geschäftsführer (s. Seite 4 Absatz 4 und Seite 5 Absatz 1) der im Inland ansässigen W-GmbH ausübte. Jene Einkünfte waren im Rahmen der Veranlagung für das Streitjahr zusammen mit den während des Bestehens der unbeschränkten Steuerpflicht bis zum 31. Juli des Streitjahres erzielten Einkünften aus unselbständiger Arbeit der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG 2008; Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland- Schweiz Art. 4 Rn. 143.1).
2. Die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht vom -nach der Maßgabe des Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 in der Schweiz seit dem 1. August des Streitjahres ansässigen- Kläger erzielten Einkünfte unterliegen abkommensrechtlich der deutschen Besteuerung (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002); der Kläger unterläge zwar als ein sog. umgekehrter Grenzgänger (mit Ansässigkeit in der Schweiz und Arbeitsort in Inland, von dem er regelmäßig an seinen Wohnsitz in S/CH zurückgekehrt ist -s. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2002-) nur einem eingeschränkten Besteuerungsrecht im Inland (s. Art. 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Schweiz 1971/2002 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Zustimmungsgesetz; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rn. 26). Der Kläger kann sich jedoch nicht nach Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz 1971/2002 i.V.m. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 auf ein bloßes beschränktes Quellenbesteuerungsrecht für Deutschland berufen. Dabei ist darauf hin zu weisen, dass die im Inland ansässige W-GmbH im Streitjahr die wirtschaftliche Arbeitgeberin des Klägers war, weil der Kläger in deren Unternehmen eingebunden war und diese auch die Aufwendungen für den Kläger getragen hat (Hinweis auf Seite 6 Abs. 2 und Seite 7 Abs. 1; Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15 Anm. 56 ff.).
a) Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 können zwar Löhne, Gehälter und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger (Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2002) aus unselbständiger Arbeit bezieht, im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Der Kläger erfüllte auch seit seinem Wegzug in die Schweiz die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen. Allerdings wird im Rahmen der Grenzgängerregelung gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 4 DBA-Schweiz 1971/2002 der sog. überdachenden Besteuerung (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002) der Vorrang eingeräumt (ebenso schon zur bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Grenzgängerregelung gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971: s. die Verfügungen des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1977 S 1301 - Schweiz 61 -V B 2 und des Bundesministers der Finanzen vom 21. April 1977 in: Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz B 4.4 Nrn. 13 und 14). Dann ist -wie im Streitfall- die Wirkung des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2002 aufgehoben.
b) Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 kann Deutschland bei einer in der Schweiz ansässigen natürlichen Person, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt und die in Deutschland insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war, in dem Jahr, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht zuletzt geendet hat, und in den folgenden fünf Jahren die aus Deutschland stammenden Einkünfte und die in Deutschland belegenen Vermögenswerte, ungeachtet anderer Vorschriften des Abkommens, besteuern. Inhalt der Regelung ist ein „zeitlicher Aufschub der Abkommensberechtigung“ für den sog. Wegzüger, um u.a. einer "Steuerflucht" entgegenzuwirken (Hinweis in diesem Zusammenhang die von der Bundesrepublik Deutschland befürchtete „doppelte Sogwirkung“ von steuerlicher „Abwanderung“ und günstigen Arbeitsmarktbedingungen in der Schweiz: Botschaft über ein Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland vom 1. März 1993, BBl 1993, 1521, 1. Allgemeiner Teil 11. [Ausgangslage] und 12. [Ergebnisse des Vorverfahrens]). Die Abkommensvorteile sollen erst dann eintreten, „wenn eine gewisse Verwurzelung mit der Schweizerischen Rechts- und Wirtschaftsordnung eingetreten ist“ (s. BFH-Urteile 10. Januar 2012 I R 49/11, BFH/NV 2012, 922; vom 2. September 2009 I R 111/08, BStBl II 2010, 387, 390; vom 19. Oktober 2010 I R 109/09, BStBl II 2011, 443; BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 I R 44/10, BFH/NV 2011, 2005; Debatin, DB 1972, 1983, zu III. C. a; derselbe, a.a.O.; Walter, Internationale Wirtschafts-Briefe -IWB- 2007, 633; Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, § 2 Rz. 10 ff., insbesondere auch zum Verhältnis des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 zu § 2 des Außensteuergesetzes -AStG-).
Der Kläger erfüllt den Tatbestand des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002. Er ist in der Schweiz seit dem 1. August des Streitjahres ansässig. Er besitzt nicht die Schweizerische Staatsangehörigkeit. Er war vor der Ansässigkeit in der Schweiz mindestens fünf Jahre unbeschränkt (einkommensteuerpflichtig). Dies ist auch zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig.
c) Allerdings gilt die Zuweisung des Besteuerungsrechts zu Deutschland nicht, wenn die natürliche Person in der Schweiz ansässig geworden ist, um hier eine echte unselbständige Arbeit für einen Arbeitgeber auszuüben, an dem sie über das Arbeitsverhältnis hinaus weder unmittelbar noch mittelbar durch Beteiligung oder in anderer Weise wirtschaftlich wesentlich interessiert ist (Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971/2002).
Der Kläger kann sich nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des beschließenden Senats nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 1971/2002 berufen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO: vgl. den zu den maßgeblichen Erwägungen in der Steuerrechtsprechung: Gosch in: Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung -BFH/PR- 2011, 290 zu 2.; im Übrigen: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 4 Rz. +128 ff.; Haase, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Aufl., § 2 AStG I Rn. 17 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen zum Schrifttum und zur Rechtsprechung).
d) Im Zeitpunkt des Zuzugs des Klägers auf das Hoheitsgebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft zum 1. August des Streitjahres hat eine -hinreichend, anhand objektiver Kriterien nachvollziehbare- Absicht des Klägers zur Arbeitsaufnahme in der Schweiz nicht bestanden, sodass dessen Umzug in die Schweiz nicht im Hinblick auf eine bevorstehende Arbeitsaufnahme erfolgte. Der Kläger betrieb zwar seine Entsendung von seinem damaligen Arbeitsort im Inland (in H) an einen anderen Arbeitsort im Rahmen des P Konzerns, vorzugsweise in die Zentrale des P Konzerns in S. Bei diesem sind weltweit ca. 140.000 Arbeitnehmer in ca. 140 Staaten beschäftigt. Aus der Sicht des Streitjahres bestand auch für den Kläger die konkrete Möglichkeit, in ein anderes Land als die Schweiz entsandt zu werden. Konkret ins Auge gefasst war z.B. ein Einsatz in Slowenien, der aber nicht zustande kam. Weitere Entsendungen des Klägers in andere Staaten als die Schweiz wären aber auch in Betracht gekommen. Solche Entsendungen können sich auch unter Berücksichtigung des im P Konzern angewandten Rotationsverfahrens (vgl. hierzu: Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15 Rn. 72 ff.; Kamphaus/Büscher in: Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz Doppelbesteuerungsabkommen, Art. 15 OECD-MA Anm. 173 ff., jeweils mit umfangreichen Nachweisen) über lange Jahre hinziehen. Nicht auszuschließen war nach den Aussagen der vom beschließenden Senat angehörten Zeugen, dass der Kläger erst nach deutlich mehr als 10 Jahren in S beim P Konzern eine Anstellung gefunden hätte. Die Absicht einer bevorstehenden Arbeitsaufnahme in der Schweiz war deshalb nicht feststellbar. Der Umstand, dass der Kläger 4 ½ Jahre nach seinem Umzug in die Schweiz in S bei einem Unternehmen der P Konzern eine Anstellung gefunden hat, widerspricht den zuvor dargelegten Erwägungen nicht.
e) Im Übrigen ist für den erkennenden Senat der Zuzug des Klägers im Streitjahr von seinem Wohnsitz in X nach S auch deshalb nicht im Hinblick auf ein bevorstehendes Arbeitsverhältnis erfolgt, weil nicht erkennbar wird, dass die räumliche Verlegung des Wohnsitzes im Dreiländereck Deutschland/Schweiz/Frankreich eine hinreichend konkretisierbare Verbesserung der Erreichbarkeit eines Arbeitsortes (welches ?) mit sich bringt. Wäre der Kläger z.B. zu seinem bisherigen Arbeitsort nach I/CH zu einem Unternehmen des P Konzerns „zurück“versetzt worden (wo er bis zum 1. März 2006 gearbeitet hatte), hätte sich sogar eine zumindest feststellbare Verschlechterung der Erreichbarkeit seines Arbeitsortes ergeben.
C. Rechtslage nach Unionsrecht
I.1. Der Kläger fällt mit seiner Tätigkeit in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens.
a) Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens ist nach seinem Wortlaut auf die Situation des Klägers im Streitjahr ab dem 1. August anwendbar. Er ist nämlich Staatsangehöriger „einer Vertragspartei“ und zwar der Bundesrepublik Deutschland (daneben auch der Tschechischen Republik), hat seinen Wohnort im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei, hier: der Schweizerischen Eidgenossenschaft (in S), und übt im Hoheitsgebiet „der anderen Vertragspartei“, d.h. der Bundesrepublik Deutschland (genau: in H) eine nichtselbständige Tätigkeit als Geschäftsführer der W-GmbH aus. Daher ist der Kläger für die Zwecke der Anwendung des Freizügigkeitsabkommens nach der Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeits-abkommens als „unselbständiger Grenzgänger“ zu beurteilen, zumal er nach den Feststellungen des beschließenden Senats, die zu Recht auch zwischen den Beteiligten unstreitig sind, seit dem 1. August des Streitjahres täglich von seinem Tätigkeitsort im Inland (in H) an seinen Wohnort in S zurückkehrt.
2. Da der Kläger seit dem 1. Juli des Streitjahres unselbständiger Grenzgänger im Sinne von Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens ist, ist auch der in Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung auf ihn anwendbar.
a) Nach Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer und seine ….Familienangehörigen genießen dort die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer (Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens).
b) Der Kläger ist Staatsangehöriger einer Vertragspartei (und zwar der Bundesrepublik Deutschland). Er wird jedoch nicht auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei (der Schweizerischen Eidgenossenschaft) tätig (sondern im Herkunftsland) und des Weiteren geht es auch nicht darum, dass der Kläger nicht anders behandelt werden darf als inländische Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Gleichwohl befindet sich der Kläger gegenüber der Bundesrepublik Deutschland in einer Lage, die mit derjenigen anderer Personen, die in den Genuss der durch das Freizügigkeitsabkommen garantierten Rechte und Freiheiten gelangen, vergleichbar ist. Der Kläger kann sich folglich als deutscher Staatsbürger gegenüber seinem Herkunftsstaat (der Bundesrepublik Deutschland) auf Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens berufen (Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts vom 26. Januar 2010 i.S.X.c. Steuerverwaltung des Kantons Genf und Verwaltungsrekurskommission des Kantons Genf 2C_319/2009, 2 C_321/2009, Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts -BGE- 136 II 241; Ludwig, Österreichische Steuerzeitung -ÖStZ- 2013, 366 Tz. 1.1.2.1.). Er kann demzufolge verlangen, dass er mit einem im Inland tätigen Arbeitnehmer mit Schweizer Staatsangehörigkeit, der in die Schweiz wegzieht, gleichgestellt wird, und er mithin die gleichen steuerlichen Vergünstigungen erhält, und demzufolge die erweiterte beschränkte Steuerpflicht i.S.d. überdachenden Besteuerung (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002) nicht durchgeführt wird, sondern dass seine Einkünfte aus nicht-/unselbständiger Arbeit infolgedessen wegen seines Grenzgängerstatus ab dem 1. August des Streitjahres im Inland steuerfrei bleiben (unter Progressionsvorbehalt).
3. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH, wonach die Freizügigkeit, die die Vertragsparteien nach dem zweiten Satz der Präambel des Freizügigkeitsabkommens zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen entschlossen sind, beeinträchtigt würde, wenn ein Staatsangehöriger einer Vertragspartei in seinem Herkunftsland einen Nachteil allein deshalb erlitte, weil er sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat (EuGH-Urteil in BStBl II 2013, 896 unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 15.Dezember 2011 C-257/10 „Bergström“, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Teil II: Rechtsprechung des Gerichtshofes -Slg- 2011, I-13227, Rn. 27 und 28), geht der beschließende Senat davon aus, dass insbesondere Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit die Ausübung des Freizügigkeitsrechts (Art. 2 des Freizügigkeitsabkommens) beeinträchtigen können und deshalb europarechtswidrig sind (s. Haslehner, Steuer Wirtschaft International -SWI- 2007, 221, zu III. 2.). Die überdachende Besteuerung beim Wegzug von Arbeitnehmern in die Schweiz gemäß Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002, die nicht die Schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen, macht den Wegzug zwar nicht unmöglich, macht ihn aber weniger attraktiv (Bundesrätliche Botschaft, BBl 1971 II 1423 zu II. 2.c). Damit beeinträchtigt sie das vom Freizügigkeitsabkommen verfolgte Ziel des stetigen Ausbaus der Freizügigkeit. Denn die Bestimmung über die Freizügigkeit lt. der Präambel des Freizügigkeitsabkommens soll den Angehörigen der Vertragsstaaten den Wegzug/Zuzug aus/in deren Hoheitsgebieten erleichtern und sie steht Maßnahmen entgegen, die die Angehörigen der Vertragsstaaten beim Wegzug/Zuzug benachteiligen könnten (wie im Falle der überdachenden Besteuerung), wenn sie -wie der Kläger (unabhängig von den engeren und im Streitfall nicht erfüllten Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA-Schweiz 197172002)- im Gebiet eines anderen Vertragsstaates eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (vgl. u.a. die Urteile des EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit: Urteile vom 16. Oktober 2008, „Renneberg“, Rs. C-527/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2009, 83; vom 13. November 2003, „Schilling und Fleck-Schilling“, Rs. C-209/01, Slg. 2003, I-13389, Rdnr. 24; vom 21. Februar 2006, „Ritter-Coulais“, Rs. C-152/03, Slg. 2006, I-1711, Rdnr. 33; vom 18. Juli 2007, „Lakebrink und Peters-Lakebrink“, Rs. C-182/06, Slg. I-2007, I-6705, Rdnr. 17).
4. Des Weiteren handelt es sich bei Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 um eine dem Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit widersprechende Bestimmung (vgl. in diesem Zusammenhang: Walter, IWB 2007, 633; Hamminger in: Wassermeyer Doppelbesteuerungsabkommen, Schweiz Art. 4 Rn. 129; Hangarter in: Meyer-Marsilius/Hangarter, DBA Deutschland-Schweiz, Art. 4 I.8, S. 15; Lang/Lüdicke/Reich, Internationales Steuerrecht -IStR- 2008, 709). Die überdachende Besteuerung i.S.v. Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 führt zu einer erweiterten beschränkten Steuerpflicht des Wegzügers in die Schweiz auf 5 Jahre. Für diesen Zeitraum wird dessen Steuerlast auf das deutsche (Einkommen-)Steuerniveau hochgeschleust. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht tritt jedoch nicht ein, wenn der Wegzüger die Schweizerische Staatsangehörigkeit besitzt. Die Schweiz konnte durchsetzen im Rahmen der Verhandlungen zum DBA-Schweiz 1971, dass „Schweizerbürger“ ….., die ihren Wohnsitz verlegt haben, von der Bestimmung ausgenommen werden“ (zur überdachenden Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002 [Bundesrätliche Botschaft, BBl 1971 II 1423, zu II. 2. c]).
a) Der Kläger unterliegt der überdachenden Besteuerung gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2002, weil er die deutsche, im Übrigen auch die tschechische Staatsangehörigkeit besitzt. Hätte der Kläger des Weiteren (oder bzw. daneben auch noch) die Schweizer Staatsbürgerschaft besessen, würde er im Streitfall nicht der überdachenden Besteuerung unterliegen, auch wenn sich sein privates und berufliches Leben in derselben Weise wie geschehen abgespielt hätte. Die Schlechterstellung des Klägers gegenüber einem Schweizerbürger hält der beschließende Senat im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nach Art. 2 des Freizügigkeitsabkommens für sachfremd.
b) Nichts anderes gilt für das Argument im Hinblick auf die in der Präambel des Freizügigkeitsabkommens niedergelegte Freizügigkeit, die erweiterte beschränkte Steuerpflicht i.S. der überdachenden Besteuerung sei deshalb sachlich begründet, weil bei einem Steuerpflichtigen, der nicht die Schweizerische Staatsbürgerschaft besitzt, eine gewisse Verwurzelung mit der Schweizerischen Rechts- und Gesellschaftsordnung erst eintreten müsse (Debatin, DB 1972, 1983, 1986, zu b). Im Übrigen sei die überdachende Besteuerung bei einem Schweizer Staatsangehörigen nicht gerechtfertigt, weil er mit dem Wegzug in die Schweiz in sein angestammtes Land, dem er angehört, zurückkehrt (Debatin, DB 1972, 1983, 1986, zu b). Auch dies hält der beschließende Senat für eine sachfremde Erwägung im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit (Art. 2 des Freizügigkeitsabkommens; Hamminger in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 4 Rn. 129; vgl. zu Gestaltungsempfehlungen: Jülicher, PIStB 2004, 22). In diesem Zusammenhang ist im Übrigen zu berücksichtigen, dass die arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Arbeitgeberin des Klägers weiterhin die in I/CH ansässige S-AG war und seine Zukunftssicherung über Schweizerische Vorsorgeeinrichtungen abgewickelt wurde und wird (s. Seite 6 Abs. 2; Vischer in: Schweizerisches Privatrecht, Siebenter Band, Obligationenrecht-Besonderer Teil, Vierter Teilband, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., § 9 II.). Des Weiteren ist im vorliegenden Zusammenhang nach Auffassung des beschließende Senats in die Erwägungen mit einzubeziehen, dass der Kläger (als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2002) von 1999 bis 2006 ca. 7 Jahre bei in der Schweiz ansässigen Unternehmen gearbeitet hat, seit 2013 wieder und dazwischen von 2006 - 2012 für eine im Inland ansässige (Konzern-)Tochtergesellschaft eines in der Schweiz ansässigen Konzerns.
5. Der beschließende Senat ist des Weiteren der Auffassung, dass Art. 21 Abs. 1 des Freizügigkeitsabkommens einer Nichtanwendung der Bestimmungen über die überdachen Besteuerung nicht entgegensteht. Danach bleiben die Bestimmungen der bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (wie z.B. die Bestimmungen zur überdachenden Besteuerung nach Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz 1971/2002) grundsätzlich zwar von den Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens unberührt (insbesondere was die Begriffsbestimmungen des Grenzgängers angeht: vgl. in diesem Zusammenhang: Brandis in: Wassermeyer, a.a.O., Schweiz Art. 15a Anm. 1.). Jedoch dürfen nach Auffassung des beschließenden Senats auch Bestimmungen in Doppelbesteuerungsabkommen nicht den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten zuwider laufen. Insbesondere wird die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen überlagert durch die Bindung an die im Freizügigkeitsabkommen verankerten Grundfreiheiten (ablehnend: Kempermann in: Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz. 8). Im Streitfall geht es um die Anwendung der Grundfreiheiten wie der Nichtdiskriminierung (Art. 2 FZA), zur Freizügigkeit (s. die Präambel des Freizügigkeitsabkommens) und Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 7 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens; vgl. in diesem Zusammenhang: Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., 2011, Rz. 16.41 - 16.48; Gosch, Internationale Steuer-Rundschau -ISR- 2013, 87, zu II. 7.; Beiser, ÖStZ, 2009, 211, zu 2.; Kempermann, Finanz-Rundschau - FR- 2008, 727, 729; Hahn, Betriebs-Berater -BB- 2005, 521, jeweils mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH).
II. Gegen den vorliegenden Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben (Beschluss des FG Hamburg vom 20. April 2010 3 K 3/09, EFG 2010, 1170).