EuGH: Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung
EuGH, Urteil vom 16.5.2017 – C-682/15, Berlioz Investment Fund SA gegen Directeur de l’administration des contributions directes
ECLI:EU:C:2017:373
Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2017-1238-2
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Tenor
1. Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift das Unionsrecht durchführt und daher die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anwendbar ist, wenn er in seinen Rechtsvorschriften eine Geldbuße gegen einen Verwaltungsunterworfenen vorsieht, der sich im Rahmen eines u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG gestützten Austauschs zwischen Steuerbehörden weigert, Informationen mitzuteilen.
2. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Verwaltungsunterworfener, gegen den eine Geldbuße verhängt wurde, weil er eine Verwaltungsentscheidung nicht befolgt hat, mit der im Rahmen eines Austauschs zwischen nationalen Steuerbehörden aufgrund der Richtlinie 2011/16 von ihm die Mitteilung von Informationen verlangt wurde, das Recht hat, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung anzufechten.
3. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sind dahin auszulegen, dass die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der von einem Mitgliedstaat bei einem anderen Mitgliedstaat erbetenen Informationen eine Voraussetzung ist, die das Informationsersuchen erfüllen muss, damit der ersuchte Mitgliedstaat verpflichtet ist, ihm zu entsprechen, und dadurch eine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat an einen Verwaltungsunterworfenen gerichteten Anordnung und der gegen ihn wegen Nichtbefolgung dieser Anordnung verhängten Sanktion ist.
4. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sind dahin auszulegen, dass sich die Prüfung durch die ersuchte Behörde, die von der ersuchenden Behörde aufgrund dieser Richtlinie mit einem Informationsersuchen befasst wird, nicht auf die formelle Ordnungsmäßigkeit des Ersuchens beschränkt, sondern es der ersuchten Behörde ermöglichen muss, sich zu vergewissern, dass den erbetenen Informationen im Hinblick auf die Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und die des Dritten, dem gegebenenfalls Auskunft erteilt wird, sowie auf die Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung nicht völlig die voraussichtliche Erheblichkeit fehlt. Diese Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass das nationale Gericht im Rahmen einer Klage eines Verwaltungsunterworfenen gegen eine Sanktion, die die ersuchte Behörde gegen ihn wegen Nichtbefolgung einer Anordnung verhängt hat, die sie infolge eines von der ersuchenden Behörde nach der Richtlinie 2011/16 an sie gerichteten Informationsersuchens erlassen hat, außer einer Befugnis zur Abänderung der verhängten Sanktion auch eine Befugnis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung hat. Die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Anordnung im Zusammenhang mit der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen ist auf die Prüfung beschränkt, ob diese Erheblichkeit offenkundig fehlt.
5. Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaats im Rahmen der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle Zugang zu dem vom ersuchenden Mitgliedstaat an den ersuchten Mitgliedstaat gerichteten Informationsersuchen haben muss. Der betreffende Verwaltungsunterworfene hat hingegen kein Recht auf Zugang zu dem gesamten Informationsersuchen, das gemäß Art. 16 der Richtlinie 2011/16 ein geheimes Dokument bleibt. Für eine im Hinblick auf das Fehlen der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen umfassende Verhandlung seiner Sache reicht es grundsätzlich aus, dass er Zugang zu den in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie genannten Informationen hat.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1) sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Berlioz Investment Fund SA (im Folgenden: Berlioz) und dem Directeur de l’administration des contributions directes (Direktor der Verwaltung für direkte Abgaben, Luxemburg, im Folgenden: Directeur) über eine Geldbuße, die der Directeur gegen Berlioz verhängte, weil sie sich geweigert hatte, im Rahmen eines Informationsaustauschs mit der französischen Steuerverwaltung einem Informationsersuchen nachzukommen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Charta
3 Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta bestimmt:
„Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.
Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
…“
Richtlinie 2011/16
4 In den Erwägungsgründen 1, 2, 6 bis 9 und 19 der Richtlinie 2011/16 heißt es:
„(1) … Durch die erhebliche Zunahme der Mobilität der Steuerpflichtigen, der Anzahl der grenzüberschreitenden Transaktionen und der Internationalisierung der Finanzinstrumente wird es für die Mitgliedstaaten immer schwieriger, die geschuldeten Steuern ordnungsgemäß festzusetzen. Diese zunehmende Schwierigkeit wirkt sich auf das Funktionieren der Steuersysteme aus und zieht Doppelbesteuerung nach sich, was wiederum zu Steuerbetrug und Steuerhinterziehung Anlass gibt …
(2) … Um die negativen Auswirkungen dieser Situation zu beseitigen, ist es unumgänglich, eine neue Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten zu entwickeln. Es besteht Bedarf an Instrumenten zur Vertrauensbildung zwischen den Mitgliedstaaten, die dafür Sorge tragen, dass für alle Mitgliedstaaten dieselben Regeln, Pflichten und Rechte gelten.
…
(6) … Die vorliegende neue Richtlinie wird daher als geeignetes Instrument für eine wirksame Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden angesehen.
(7) Diese Richtlinie baut auf dem durch die Richtlinie 77/799/EWG [des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. 1977, L 336, S. 15)] Erreichten auf, sieht aber klarere und präzisere Regeln für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten vor, wenn dies erforderlich ist, um, insbesondere was den Austausch von Informationen angeht, den Anwendungsbereich der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden zwischen den Mitgliedstaaten auszudehnen. …
(8) [Es] sollten mehr direkte Kontakte zwischen den Verwaltungsdienststellen vorgesehen werden, um die Zusammenarbeit effizienter zu machen und sie zu beschleunigen. …
(9) Mitgliedstaaten sollten Informationen über einzelne Fälle austauschen, wenn sie von einem anderen Mitgliedstaat darum ersucht werden, und sollten die notwendigen Ermittlungen durchführen, um die betreffenden Informationen zu beschaffen. Mit dem Standard der ‚voraussichtlichen Erheblichkeit‘ soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet, und zugleich klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen (‚fishing expeditions‘) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind. Zwar enthält Artikel 20 dieser Richtlinie Verfahrensvorschriften, aber diese müssen großzügig ausgelegt werden, damit der effiziente Informationsaustausch nicht vereitelt wird.
…
(19) Die Umstände, unter denen ein ersuchter Mitgliedstaat die Übermittlung von Informationen ablehnen kann, sollten eindeutig umschrieben und abgegrenzt sein, wobei bestimmten schützenswerten privaten Interessen ebenso Rechnung zu tragen ist wie dem öffentlichen Interesse.“
5 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 bestimmt:
„Diese Richtlinie legt die Regeln und Verfahren fest, nach denen die Mitgliedstaaten untereinander im Hinblick auf den Austausch von Informationen zusammenarbeiten, die für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts der Mitgliedstaaten über die in Artikel 2 genannten Steuern voraussichtlich erheblich sind.“
6 Art. 5 der Richtlinie sieht vor:
„Auf Ersuchen der ersuchenden Behörde übermittelt die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde alle in Artikel 1 Absatz 1 genannten Informationen, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat.“
7 In Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:
„Die Informationen, die nach Maßgabe dieser Richtlinie in irgendeiner Form zwischen Mitgliedstaaten übermittelt werden, unterliegen der Geheimhaltungspflicht und genießen den Schutz, den das nationale Recht des Mitgliedstaats, der sie erhalten hat, für vergleichbare Informationen gewährt. …
…“
8 Art. 17 („Beschränkungen“) der Richtlinie bestimmt:
„(1) Eine ersuchte Behörde eines Mitgliedstaats erteilt einer ersuchenden Behörde eines anderen Mitgliedstaats die Informationen gemäß Artikel 5 unter der Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde die üblichen Informationsquellen ausgeschöpft hat, die sie unter den gegebenen Umständen zur Erlangung der erbetenen Informationen genutzt haben könnte, ohne die Erreichung ihres Ziels zu gefährden.
(2) Die vorliegende Richtlinie verpflichtet einen ersuchten Mitgliedstaat nicht zu Ermittlungen oder zur Übermittlung von Informationen, wenn die Durchführung solcher Ermittlungen bzw. die Beschaffung der betreffenden Informationen durch diesen Mitgliedstaat für seine eigenen Zwecke mit seinen Rechtsvorschriften unvereinbar wäre.
(3) Die zuständige Behörde eines ersuchten Mitgliedstaats kann die Übermittlung von Informationen ablehnen, wenn der ersuchende Mitgliedstaat seinerseits aus rechtlichen Gründen nicht zur Übermittlung entsprechender Informationen in der Lage ist.
(4) Die Übermittlung von Informationen kann abgelehnt werden, wenn sie zur Preisgabe eines Handels-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnisses oder eines Geschäftsverfahrens führen würde oder wenn die Preisgabe der betreffenden Information die öffentliche Ordnung verletzen würde.
(5) Die ersuchte Behörde teilt der ersuchenden Behörde die Gründe mit, aus denen ein Auskunftsersuchen abgelehnt wurde.“
9 In Art. 18 („Pflichten“) der Richtlinie 2011/16 heißt es:
„(1) Ersucht ein Mitgliedstaat im Einklang mit dieser Richtlinie um Informationen, so trifft der ersuchte Mitgliedstaat die ihm zur Beschaffung von Informationen zur Verfügung stehenden Maßnahmen, um sich die erbetenen Informationen zu verschaffen, auch wenn dieser Mitgliedstaat solche Informationen möglicherweise nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet des Artikels 17 Absätze 2, 3 und 4, der jedoch nicht so ausgelegt werden kann, dass sich ein ersuchter Mitgliedstaat darauf berufen kann, um die Bereitstellung der Informationen allein deshalb abzulehnen, weil er kein eigenes Interesse daran hat.
(2) Artikel 17 Absätze 2 und 4 ist in keinem Fall so auszulegen, dass die ersuchte Behörde eines Mitgliedstaats die Erteilung von Informationen nur deshalb ablehnen kann, weil die Informationen sich bei einer Bank, einem sonstigen Finanzinstitut, einem Bevollmächtigten, Vertreter oder Treuhänder befinden oder sich auf Eigentumsanteile an einer Person beziehen.
…“
10 Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 sieht hinsichtlich von Ersuchen um Informationen und behördliche Ermittlungen gemäß Art. 5 der Richtlinie vor, soweit möglich ein von der Kommission angenommenes Formblatt zu verwenden. Art. 20 Abs. 2 lautet:
„Das Standardformblatt nach Absatz 1 beinhaltet zumindest die folgenden Informationen, die von der ersuchenden Behörde zu übermitteln sind:
a) die Bezeichnung der Person, der die Untersuchung oder Ermittlung gilt;
b) der steuerliche Zweck, zu dem die Informationen beantragt werden.
Die ersuchende Behörde kann – soweit bekannt und im Einklang mit den Entwicklungen auf internationaler Ebene – Name und Anschrift jeder Person, von der angenommen wird, dass sie über die gewünschten Informationen verfügt, wie auch jede Angabe übermitteln, welche die Beschaffung von Informationen durch die ersuchte Behörde erleichtern könnte.“
11 Art. 22 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/16 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten treffen alle notwendigen Maßnahmen, um
…
c) das reibungslose Funktionieren der in dieser Richtlinie festgelegten Regelungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden sicherzustellen.“
Luxemburgisches Recht
Gesetz vom 29. März 2013
12 Die Richtlinie 2011/16 wurde durch das Gesetz vom 29. März 2013 zur Umsetzung der Richtlinie 2011/16 und 1. zur Änderung des allgemeinen Steuergesetzes und 2. zur Aufhebung des geänderten Gesetzes vom 15. März 1979 über die internationale Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern (Mémorial A 2013, S. 756, im Folgenden: Gesetz vom 29. März 2013) in luxemburgisches Recht umgesetzt.
13 Art. 6 des Gesetzes vom 29. März 2013 sieht vor:
„Auf Ersuchen der ersuchenden Behörde übermittelt die ersuchte luxemburgische Behörde ihr alle für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts des ersuchenden Mitgliedstaats über die in Art. 1 genannten Steuern voraussichtlich erheblichen Informationen, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat.“
14 Art. 8 Abs. 1 des Gesetzes vom 29. März 2013 bestimmt:
„Die ersuchte luxemburgische Behörde stellt die in Art. 6 genannten Informationen möglichst rasch, spätestens jedoch sechs Monate nach dem Zeitpunkt des Eingangs des Ersuchens zur Verfügung. Ist die ersuchte luxemburgische Behörde jedoch bereits im Besitz dieser Informationen, so werden sie innerhalb von zwei Monaten ab diesem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt.“
Gesetz vom 25. November 2014
15 Das Gesetz vom 25. November 2014 über das auf den Informationsaustausch auf Ersuchen in Steuerangelegenheiten anzuwendende Verfahren sowie zur Änderung des Gesetzes vom 31. März 2010 über die Genehmigung der Besteuerungsübereinkünfte und über das darauf anzuwendende Verfahren für den Informationsaustausch auf Ersuchen (Mémorial A 2014, S. 4170, im Folgenden: Gesetz vom 25. November 2014) enthält folgende Bestimmungen.
16 Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 bestimmt:
„Dieses Gesetz findet ab seinem Inkrafttreten auf Ersuchen um Austausch von Informationen in Steuerangelegenheiten Anwendung, die von der zuständigen Behörde des ersuchenden Staates auf folgender Grundlage gestellt werden:
…
4. nach dem [Gesetz vom 29. März 2013] über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung;
…“
17 Art. 2 des Gesetzes vom 25. November 2014 sieht vor:
„(1) Die Steuerbehörden sind befugt, die zur Durchführung des in den Übereinkünften und Gesetzen vorgesehenen Informationsaustauschs erbetenen Informationen aller Art von demjenigen zu verlangen, der über sie verfügt.
(2) Der Informationsinhaber ist verpflichtet, die verlangten Auskünfte vollständig, genau und unverändert innerhalb eines Monats nach Zustellung der die verlangten Auskünfte anordnenden Entscheidung zu erteilen. Diese Verpflichtung schließt die Übermittlung der unveränderten Schriftstücke ein, auf denen diese Auskünfte beruhen.
…“
18 In Art. 3 des Gesetzes vom 25. November 2014 heißt es:
„(1) Die zuständige Steuerverwaltung prüft die formelle Ordnungsmäßigkeit des Ersuchens um Informationsaustausch. Das Ersuchen um Informationsaustausch ist formell ordnungsgemäß, wenn es die Angabe der rechtlichen Grundlage und der ersuchenden zuständigen Behörde sowie die weiteren in den Übereinkünften und Gesetzen vorgesehenen Angaben enthält.
…
(3) Verfügt die zuständige Steuerverwaltung nicht über die erbetenen Informationen, stellt der Leiter der zuständigen Steuerbehörde oder dessen Vertreter dem Informationsinhaber seine die Erteilung der erbetenen Auskünfte anordnende Entscheidung durch eingeschriebenen Brief zu. Die Zustellung der Entscheidung an den Inhaber der erbetenen Informationen gilt als Zustellung an jede andere darin genannte Person.
(4) Das Ersuchen um Informationsaustausch darf nicht bekannt gegeben werden. Die Anordnung enthält nur die Angaben, auf die der Informationsinhaber angewiesen ist, um zu erkennen, welche Auskünfte verlangt werden.
…“
19 Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 bestimmt:
„Werden die verlangten Auskünfte nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der die Erteilung der erbetenen Auskünfte anordnenden Entscheidung erteilt, kann gegen den Informationsinhaber eine steuerliche Geldbuße von bis zu 250 000 Euro verhängt werden. Ihre Höhe wird vom Leiter der zuständigen Finanzbehörde oder dessen Vertreter festgesetzt.“
20 In Art. 6 des Gesetzes vom 25. November 2014 heißt es:
„(1) Gegen die in Art. 3 Abs. 1 und 3 genannten Ersuchen um Informationsaustausch und Anordnungen findet kein Rechtsbehelf statt.
(2) Gegen die in Art. 5 genannten Entscheidungen kann der Informationsinhaber Abänderungsklage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Diese Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung an den Inhaber der verlangten Informationen zu erheben. Die Klage hat aufschiebende Wirkung. …
Gegen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts kann Berufung zur Cour administrative [Verwaltungsgerichtshof] eingelegt werden. Die Berufung muss innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung des Urteils durch die Geschäftsstelle eingelegt werden … Die Cour administrative entscheidet innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klagebeantwortung, ansonsten innerhalb eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einreichung dieses Schriftsatzes.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
21 Berlioz ist eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts, die Dividenden erhielt, die ihr ihre Tochtergesellschaft, die vereinfachte Aktiengesellschaft französischen Rechts Cofima, unter Befreiung von der Quellensteuer gezahlt hatte.
22 Am 3. Dezember 2014 richtete die französische Steuerverwaltung aufgrund von Zweifeln, ob die von Cofima in Anspruch genommene Befreiung die Voraussetzungen nach französischem Recht erfüllt, an die luxemburgische Steuerverwaltung ein u. a. auf die Richtlinie 2011/16 gestütztes Informationsersuchen, das Berlioz betraf.
23 Infolge dieses Ersuchens erließ der Directeur am 16. März 2015 eine Entscheidung, in der er darauf hinwies, dass die französischen Steuerbehörden die Steuerangelegenheiten von Cofima prüften und Auskünfte benötigten, um sich zur Anwendung der Quellensteuer auf die von Cofima an Berlioz ausgeschütteten Dividenden äußern zu können. In der Entscheidung forderte er Berlioz gemäß Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes vom 25. November 2014 auf, ihm eine Reihe von Informationen mitzuteilen, und bat sie insbesondere um
– Mitteilung unter Vorlage entsprechender Belege, ob die Gesellschaft über einen tatsächlichen Verwaltungssitz in Luxemburg verfüge und welches ihre Hauptmerkmale seien, d. h. die Beschreibung dieses Sitzes, die Fläche ihrer Büroräume, die ihr gehörende Einrichtung und IT‑Ausstattung, eine Kopie des Mietvertrags über die Geschäftsräume und die Geschäftsanschrift;
– Einreichung einer Liste ihrer Arbeitnehmer mit Angabe ihrer Funktion in der Gesellschaft und Identifizierung der dem Gesellschaftssitz zugewiesenen Arbeitnehmer;
– Mitteilung, ob sie in Luxemburg Leiharbeitnehmer beschäftige;
– Mitteilung, ob zwischen Berlioz und Cofima ein Vertrag bestehe, und gegebenenfalls um Einreichung einer Kopie dieses Vertrags;
– Mitteilung ihrer Beteiligungen an anderen Unternehmen und Angabe, wie diese Beteiligungen finanziert worden seien, unter Vorlage entsprechender Belege;
– Mitteilung der Namen und Anschriften ihrer Anteilsinhaber sowie der Höhe und der Beteiligungsquote der von ihnen jeweils gehaltenen Kapitalanteile;
– Mitteilung der Beträge, mit denen die Beteiligungen an Cofima vor deren Hauptversammlung vom 7. März 2012 bei den Aktiva von Berlioz verbucht worden seien, und Einreichung einer chronologischen Übersicht der Eingangswerte der als Aktiva verbuchten Beteiligungen an Cofima anlässlich der Einbringungen vom 5. Dezember 2002 und 31. Oktober 2003 sowie des Erwerbs vom 2. Oktober 2007.
24 Am 21. April 2015 äußerte Berlioz, dass sie der Anordnung vom 16. März 2015 Folge leiste, außer in Bezug auf die Namen und Anschriften ihrer Gesellschafter sowie auf die Höhe und die Beteiligungsquote der von den einzelnen Gesellschaftern jeweils gehaltenen Kapitalanteile, und begründete das damit, dass diese Informationen nicht im Sinne der Richtlinie 2011/16 voraussichtlich erheblich seien für die Beurteilung, ob die Dividendenausschüttungen ihrer Tochtergesellschaft dem Quellenabzug unterlägen, was von der französischen Steuerverwaltung geprüft werde.
25 Mit Entscheidung vom 18. Mai 2015 verhängte der Directeur gemäß Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 eine Geldbuße in Höhe von 250 000 Euro gegen Berlioz, weil sie sich geweigert hatte, diese Informationen mitzuteilen.
26 Am 18. Juni 2015 erhob Berlioz beim Tribunal administratif (Verwaltungsgericht, Luxemburg) Klage gegen die Entscheidung des Directeur, mit der eine Sanktion gegen sie verhängt worden war, und beantragte die Prüfung der Begründetheit der Anordnung vom 16. März 2015.
27 Mit Urteil vom 13. August 2015 gab das Tribunal administratif (Verwaltungsgericht) dem Hauptantrag auf Abänderung teilweise statt und setzte die Geldbuße auf 150 000 Euro herab, wies die Klage im Übrigen jedoch unter Hinweis darauf ab, dass über den hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag nicht zu entscheiden sei.
28 Hiergegen legte Berlioz mit Berufungsschrift vom 31. August 2015 Berufung bei der Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof, Luxemburg) ein, in der sie vortrug, dass die auf Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes vom 25. November 2014 gestützte Weigerung des Tribunal administratif (Verwaltungsgericht), die Begründetheit der Anordnung vom 16. März 2015 zu prüfen, sie in ihrem durch Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) garantierten Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf verletze.
29 Die Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) vertrat die Auffassung, es könne erforderlich sein, die Charta, insbesondere deren Art. 47, der das Recht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK widerspiegele, zu berücksichtigen, und forderte die Parteien des Ausgangsverfahrens auf, hierzu Stellung zu nehmen.
30 Die Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) fragt sich, ob ein Verwaltungsunterworfener wie Berlioz ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf habe, wenn er die Gültigkeit der die Grundlage der gegen ihn verhängten Sanktion darstellenden Anordnung – zumindest auf eine Einrede hin – nicht überprüfen lassen könne. Er stellt insbesondere Fragen zu dem in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 enthaltenen Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen und zum Umfang der Kontrolle, die die Steuerbehörden und die Gerichte des ersuchten Staates insoweit auszuüben hätten, ohne den Zweck der Richtlinie zu beeinträchtigen.
31 Unter diesen Umständen hat die Cour administrative (Verwaltungsgerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Führt ein Mitgliedstaat das Unionsrecht durch und eröffnet daher den Anwendungsbereich der Charta gemäß deren Art. 51 Abs. 1, wenn er in einer Situation wie der hier vorliegenden gegen einen Verwaltungsunterworfenen eine Geldbuße wegen des Vorwurfs der Verletzung seiner Mitwirkungspflichten festsetzt, die sich aus einer Anordnung ergeben, die die zuständige nationale Behörde auf der Grundlage der zu diesem Zweck eingeführten Verfahrensvorschriften des innerstaatlichen Rechts im Rahmen der diesem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als ersuchtem Staat obliegenden Erledigung eines Ersuchens um Austausch von Informationen erlassen hat, das von einem anderen Mitgliedstaat ausgeht und von diesem u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 über den Informationsaustausch auf Ersuchen gestützt wird?
2. Falls die Anwendbarkeit der Charta auf den vorliegenden Fall bejaht wird: Kann sich der Verwaltungsunterworfene auf Art. 47 der Charta berufen, wenn er der Ansicht ist, dass die vorstehend genannte gegen ihn festgesetzte Geldbuße darauf gerichtet sei, ihn zur Mitteilung von Informationen im Rahmen der von der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats, in dem er ansässig ist, besorgten Erledigung eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgehenden Auskunftsersuchens zu verpflichten, das hinsichtlich des tatsächlichen steuerlichen Ziels in keiner Weise gerechtfertigt sei, so dass es im vorliegenden Fall an einem legitimen Ziel fehle, und das darauf abziele, Informationen zu erhalten, denen es an der voraussichtlichen Erheblichkeit für den betreffenden Besteuerungsfall fehle?
3. Falls die Anwendbarkeit der Charta auf den vorliegenden Fall bejaht wird: Erfordert das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf Zugang zu einem unparteiischen Gericht, wie es in Art. 47 der Charta verankert ist und ohne dass nach Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen zulässig wären, dass das zuständige nationale Gericht zu unbeschränkter Nachprüfung befugt sein und somit die Befugnis haben muss, zumindest auf eine entsprechende Einrede hin die Gültigkeit einer Anordnung, die die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats im Rahmen der Erledigung eines von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats u. a. auf der Grundlage der Richtlinie 2011/16 vorgelegten Auskunftsersuchens erlassen hat, im Rahmen der Klage zu überprüfen, die der Dritte, der die Informationen besitzt und Adressat der Anordnung ist, erhoben hat und die gegen die Festsetzung einer Geldbuße wegen der ihm vorgeworfenen Verletzung seiner Pflicht zur Mitwirkung im Rahmen des genannten Ersuchens gerichtet ist?
4. Falls die Anwendbarkeit der Charta auf den vorliegenden Fall bejaht wird: Sind Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 im Licht der Parallelität zum Erfordernis der voraussichtlichen Erheblichkeit, das sich aus dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ergibt, einerseits und des in Art. 4 EUV verankerten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit andererseits sowie im Licht des Regelungszwecks der Richtlinie 2011/16 dahin auszulegen, dass die voraussichtliche Erheblichkeit der Informationen, um die ein Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat ersucht, für den betreffenden Besteuerungsfall und den angegebenen steuerlichen Zweck eine Voraussetzung darstellt, die das Auskunftsersuchen erfüllen muss, um die Verpflichtung der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats, ihm zu entsprechen, auszulösen und eine von ihr gegen einen die Informationen besitzenden Dritten erlassene Anordnung zu rechtfertigen?
5. Falls die Anwendbarkeit der Charta auf den vorliegenden Fall bejaht wird: Sind Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Prüfung der Gültigkeit eines Auskunftsersuchens durch die zuständige nationale Behörde in ihrer Eigenschaft als Behörde des ersuchten Mitgliedstaats allgemein auf eine Kontrolle der formellen Ordnungsmäßigkeit beschränkt, und dass sie das nationale Gericht im Rahmen einer bei ihm anhängigen Klage, wie sie oben in der dritten Vorlagefrage beschrieben ist, verpflichten, die Einhaltung der Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen unter allen Gesichtspunkten, die mit dem jeweiligen konkreten Besteuerungsfall, dem geltend gemachten steuerlichen Zweck und der Beachtung von Art. 17 der Richtlinie 2011/16 in Zusammenhang stehen, zu prüfen?
6. Falls die Anwendbarkeit der Charta auf den vorliegenden Fall bejaht wird: Steht Art. 47 Abs. 2 der Charta einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegen, die es untersagt, dem zuständigen nationalen Gericht des ersuchten Staates im Rahmen einer bei ihm anhängigen Klage, wie sie oben in der dritten Vorlagefrage beschrieben ist, das von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats gestellte Auskunftsersuchen vorzulegen, und gebietet er es, dem zuständigen nationalen Gericht dieses Dokument vorzulegen und dem die Informationen besitzenden Dritten Zugang zu ihm zu gewähren oder zumindest dem nationalen Gericht dieses Dokument vorzulegen, ohne dass dieser Dritte – wegen der Vertraulichkeit dieses Dokuments – Zugang zu ihm erhält, sofern sämtliche Schwierigkeiten, die dem Dritten aufgrund einer Beschränkung seiner Rechte entstehen, durch das Verfahren vor dem zuständigen nationalen Gericht hinreichend aufgewogen werden?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
32 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 51 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift das Unionsrecht durchführt und daher die Charta anwendbar ist, wenn er in seinen Rechtsvorschriften eine Geldbuße gegen einen Verwaltungsunterworfenen vorsieht, der sich im Rahmen eines u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 gestützten Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden weigert, Informationen mitzuteilen.
33 Nach Art. 51 Abs. 1 der Charta gelten deren Bestimmungen für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Daher ist zu prüfen, ob eine nationale Maßnahme, die eine solche Sanktion vorsieht, als eine Durchführung des Unionsrechts angesehen werden kann.
34 Insoweit ist festzustellen, dass die Richtlinie 2011/16 den Mitgliedstaaten bestimmte Pflichten auferlegt. Insbesondere sieht Art. 5 der Richtlinie vor, dass die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde bestimmte Informationen übermittelt.
35 Außerdem trifft der ersuchte Mitgliedstaat nach Art. 18 („Pflichten“) der Richtlinie 2011/16 die ihm zur Beschaffung von Informationen zur Verfügung stehenden Maßnahmen, um sich die erbetenen Informationen zu verschaffen.
36 Ferner müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/16 alle notwendigen Maßnahmen treffen, um das reibungslose Funktionieren der in der Richtlinie festgelegten Regelungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden sicherzustellen.
37 Unter Verweis auf die im nationalen Recht vorhandenen Instrumente zur Beschaffung von Informationen schreibt die Richtlinie 2011/16 den Mitgliedstaaten somit vor, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um sich die erbetenen Informationen zu verschaffen, damit sie ihre Pflichten im Bereich des Informationsaustauschs erfüllen.
38 Um die praktische Wirksamkeit der Richtlinie sicherzustellen, müssen diese Maßnahmen jedoch Instrumente wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Geldbuße umfassen, die gewährleisten, dass für den Verwaltungsunterworfenen ein hinreichender Anreiz dafür besteht, den Ersuchen der Steuerbehörden nachzukommen, und es der ersuchten Behörde damit ermöglichen, ihren Pflichten gegenüber der ersuchenden Behörde nachzukommen.
39 Der Umstand, dass die Richtlinie 2011/16 nicht ausdrücklich die Anwendung von Sanktionen vorsieht, steht der Annahme, dass Sanktionen zur Durchführung der Richtlinie und folglich zum Anwendungsbereich des Unionsrechts gehören, nicht entgegen. Denn der Begriff „zur Beschaffung von Informationen zur Verfügung stehende Maßnahmen“ im Sinne von Art. 18 der Richtlinie und der Begriff „notwendige Maßnahmen, um das reibungslose Funktionieren der Regelungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden sicherzustellen“ im Sinne von Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie können solche Maßnahmen umfassen.
40 Daher ist es unerheblich, dass die nationale Bestimmung, die einer Sanktion wie der gegen Berlioz verhängten als Grundlage dient, in einem Gesetz steht, das nicht zur Umsetzung der Richtlinie 2011/16 verabschiedet wurde, da die Anwendung der nationalen Bestimmung die Anwendung der Richtlinie gewährleisten soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 28).
41 Eine nationale Rechtsvorschrift wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine Sanktion wegen Nichtbefolgung eines Ersuchens der nationalen Steuerbehörde vorsieht, das es der Behörde ermöglichen soll, die in der Richtlinie 2011/16 vorgesehenen Pflichten einzuhalten, muss infolgedessen als eine Durchführung der Richtlinie angesehen werden.
42 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 51 Abs. 1 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift das Unionsrecht durchführt und daher die Charta anwendbar ist, wenn er in seinen Rechtsvorschriften eine Geldbuße gegen einen Verwaltungsunterworfenen vorsieht, der sich im Rahmen eines u. a. auf die Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 gestützten Austauschs zwischen Steuerbehörden weigert, Informationen mitzuteilen.
Zur zweiten Frage
43 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Verwaltungsunterworfener, gegen den eine Geldbuße verhängt wurde, weil er eine Verwaltungsentscheidung nicht befolgt hat, mit der im Rahmen eines Austauschs zwischen nationalen Steuerbehörden aufgrund der Richtlinie 2011/16 von ihm die Mitteilung von Informationen verlangt wurde, das Recht hat, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung anzufechten.
Zum Bestehen eines auf Art. 47 der Charta gestützten Rechts auf einen Rechtsbehelf
44 Nach Art. 47 („Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“) der Charta hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Diesem Recht entspricht die Pflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.
45 Mehrere Regierungen haben vorgetragen, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens kein „durch das Recht der Union [garantiertes Recht]“ im Sinne von Art. 47 der Charta vorliege, da die Richtlinie 2011/16 Einzelpersonen keine Rechte verleihe. Nach Ansicht dieser Regierungen betrifft die Richtlinie 2011/16 wie die vom Gerichtshof im Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678), geprüfte Richtlinie 77/799 nur den Informationsaustausch zwischen Steuerverwaltungen und verleihe nur ihnen Rechte. Folglich könne ein Verwaltungsunterworfener wie Berlioz nicht aufgrund des Art. 47 der Charta beanspruchen, dass er über ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verfüge.
46 Der Gerichtshof hat insoweit in den Rn. 30 bis 36 des genannten Urteils entschieden, dass die Richtlinie 77/799, die die Regelung der Zusammenarbeit der Finanzbehörden der Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat, die Erteilung von Auskünften zwischen zuständigen Behörden koordiniert, indem sie den Mitgliedstaaten bestimmte Verpflichtungen auferlegt, dem Steuerpflichtigen jedoch keine spezifischen Rechte hinsichtlich der Teilnahme an dem Verfahren des Informationsaustauschs zwischen diesen Behörden verleiht. Insbesondere sieht die Richtlinie 77/799 keine Verpflichtung für diese Behörden vor, den Steuerpflichtigen anzuhören.
47 Die Richtlinie 2011/16 baut nach ihrem siebten Erwägungsgrund auf dem durch die Richtlinie 77/799 Erreichten auf, indem sie klarere und präzisere Regeln für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten vorsieht, wenn dies erforderlich ist, um den Anwendungsbereich dieser Zusammenarbeit auszudehnen. Es ist festzustellen, dass die Richtlinie 2011/16 damit ein Ziel verfolgt, das dem der Richtlinie 77/799 entspricht, die sie ersetzt.
48 Dieser Umstand bedeutet jedoch nicht, dass ein Verwaltungsunterworfener in der Lage von Berlioz im Rahmen der Anwendung der Richtlinie 2011/16 nicht gemäß Art. 47 der Charta seine Sache vor einem Gericht verteidigen kann.
49 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs finden die in der Unionsrechtsordnung garantierten Grundrechte nämlich in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen Anwendung und umfasst die Anwendbarkeit des Unionsrechts die Anwendbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 19 bis 21, und vom 26. September 2013, Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 72 und 73).
50 Hier geht es im Ausgangsrechtsstreit um eine Sanktion gegen einen Verwaltungsunterworfenen wegen Nichtbefolgung einer Entscheidung, mit der ihm gegenüber angeordnet wurde, der ersuchten Behörde Informationen mitzuteilen, die es dieser Behörde ermöglichen sollen, einem Ersuchen nachzukommen, das die ersuchende Behörde u. a. aufgrund der Richtlinie 2011/16 gestellt hatte. Da sich diese Sanktion auf eine nationale Bestimmung stützt, mit der – wie aus der Antwort auf die erste Frage hervorgeht – im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta das Recht der Union durchgeführt wird, sind die Bestimmungen der Charta, insbesondere Art. 47, folglich auf die Umstände des Ausgangsrechtsstreits anwendbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2013, Texdata Software, C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 74 bis 77).
51 Insbesondere zu dem Erfordernis eines durch das Recht der Union garantierten Rechts im Sinne von Art. 47 der Charta ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung einer natürlichen oder juristischen Person nach einer ständigen Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (Urteile vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission, 46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 19, und vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 27, und Beschluss vom 17. November 2005, Minoan Lines/Kommission, C‑121/04 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:695, Rn. 30).
52 Diesen Schutz kann ein Verwaltungsunterworfener wie Berlioz gegen einen ihn belastenden Rechtsakt wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Anordnung und Sanktion geltend machen, so dass sich dieser Verwaltungsunterworfene auf ein durch das Recht der Union garantiertes Recht im Sinne von Art. 47 der Charta berufen kann, womit ihm ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zusteht.
Zum Gegenstand des Rechts auf einen Rechtsbehelf
53 Da es sich um eine Sanktion handelt, ist zu prüfen, ob ein Recht auf einen Rechtsbehelf gegen diese Maßnahme – wie er in der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung vorgesehen ist – genügt, damit der Verwaltungsunterworfene seine Rechte aus Art. 47 der Charta geltend machen kann, oder ob dieser Artikel verlangt, dass der Verwaltungsunterworfene bei dieser Gelegenheit auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung anfechten kann, auf die sich die Sanktion stützt.
54 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der nunmehr in Art. 47 der Charta zum Ausdruck kommt. Mit Art. 47 der Charta wird der sich aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK ergebende Schutz im Unionsrecht gewährleistet. Daher ist lediglich Art. 47 der Charta heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 46 und 47).
55 Art. 47 Abs. 2 der Charta sieht vor, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Sache von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht verhandelt wird. Die Wahrung dieses Rechts setzt voraus, dass die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, die die Voraussetzungen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht selbst erfüllt, einer späteren Kontrolle durch ein Gericht unterliegt, das insbesondere befugt sein muss, sich mit allen relevanten Fragen zu befassen.
56 Um den Anforderungen von Art. 47 der Charta Genüge zu tun, muss das nationale Gericht, bei dem eine Klage gegen die dem Verwaltungsunterworfenen wegen Nichtbefolgung der Anordnung auferlegte Geldbuße anhängig ist – wie der Generalanwalt in Nr. 80 seiner Schlussanträge ausgeführt hat –, folglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung prüfen können.
57 Die Kommission hat geltend gemacht, die Bejahung eines Rechts des Verwaltungsunterworfenen auf einen Rechtsbehelf gegen eine solche Anordnung liefe darauf hinaus, ihm mehr Verfahrensrechte zuzuerkennen als einem Steuerpflichtigen. Aus Rn. 40 des Urteils vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678), ergebe sich, dass das an einen Steuerpflichtigen gerichtete Informationsersuchen, das in die Ermittlungsphase falle, während der Informationen gesammelt würden, nur eine Handlung zur Vorbereitung der abschließenden Entscheidung sei und nicht angefochten werden könne.
58 Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ist jedoch von dem der Rechtssache zu unterscheiden, in der das Urteil vom 22. Oktober 2013, Sabou (C‑276/12, EU:C:2013:678), ergangen ist. In jener Rechtssache ging es nämlich um Informationsersuchen der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats an die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaats und insbesondere um das Recht des im ersuchenden Mitgliedstaat einer Steuerprüfung unterzogenen Steuerpflichtigen auf Teilnahme an dem Verfahren, auf das diese Informationsersuchen zurückgehen. An den dort betroffenen Verwaltungsunterworfenen wurde jedoch – anders als dies im Ausgangsverfahren bei Berlioz der Fall ist – kein Auskunftsersuchen gerichtet. Somit hatte der Gerichtshof in der jenem Urteil zugrunde liegenden Rechtssache darüber zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige, hinsichtlich dessen die nationalen Steuerbehörden sich untereinander um Informationen ersuchten, ein Recht auf Anhörung im Rahmen dieses Verfahrens hatte, und nicht – wie vorliegend – über das Bestehen eines Rechts auf einen Rechtsbehelf zugunsten eines Verwaltungsunterworfenen des ersuchten Mitgliedstaats gegen eine Sanktion, die gegen diesen Verwaltungsunterworfenen verhängt wurde, weil er eine Anordnung nicht befolgt hatte, die die ersuchte Behörde nach einem von der ersuchenden Behörde an sie gerichteten Informationsersuchen ihm gegenüber erlassen hatte.
59 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Verwaltungsunterworfener, gegen den eine Geldbuße verhängt wurde, weil er eine Verwaltungsentscheidung nicht befolgt hatte, mit der im Rahmen eines Austauschs zwischen nationalen Steuerbehörden aufgrund der Richtlinie 2011/16 von ihm die Mitteilung von Informationen verlangt wurde, das Recht hat, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung anzufechten.
Zur vierten Frage
60 Mit seiner vierten Frage, die vor der dritten Frage zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 dahin auszulegen sind, dass die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der von einem Mitgliedstaat bei einem anderen Mitgliedstaat erbetenen Informationen eine Voraussetzung ist, die das Informationsersuchen erfüllen muss, damit der ersuchte Mitgliedstaat verpflichtet ist, ihm zu entsprechen, und dadurch eine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Anordnung ist, die dieser Mitgliedstaat an einen Verwaltungsunterworfenen gerichtet hat.
61 Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16, der deren Gegenstand betrifft, arbeiten die Mitgliedstaaten untereinander im Hinblick auf den Austausch von Informationen zusammen, die für die ersuchende Verwaltung angesichts der steuerrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaats, zu dem diese Verwaltung gehört, „voraussichtlich erheblich“ sind.
62 Art. 5 der Richtlinie 2011/16 nimmt auf diese Informationen Bezug, da er vorsieht, dass die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde auf deren Ersuchen alle in Art. 1 Abs. 1 genannten Informationen übermittelt, die sie besitzt oder die sie im Anschluss an behördliche Ermittlungen erhalten hat. Somit legt Art. 5 der ersuchten Behörde eine Pflicht auf.
63 Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der Ausdruck „voraussichtlich erheblich“ die Qualität bezeichnet, die die erbetenen Informationen aufweisen müssen. Die Pflicht der ersuchten Behörde nach Art. 5 der Richtlinie 2011/16, mit der ersuchenden Behörde zusammenzuarbeiten, erstreckt sich nicht auf die Mitteilung von Informationen, denen diese Qualität fehlt.
64 Daher stellt die Qualität „voraussichtliche Erheblichkeit“ der erbetenen Informationen eine Voraussetzung für ein Ersuchen dar, das diese Informationen betrifft.
65 Es bleibt festzustellen, von wem und wie diese Qualität bewertet wird und ob der Verwaltungsunterworfene, an den sich die ersuchte Behörde wendet, um die von der ersuchenden Behörde erbetenen Informationen zu erhalten, geltend machen kann, dass es an dieser Qualität mangelt.
66 Insoweit ist auf den Wortlaut des neunten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/16 hinzuweisen, wonach mit dem Standard der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ gewährleistet werden soll, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet, und zugleich klargestellt werden soll, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen („fishing expeditions“) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind.
67 Wie mehrere Regierungen und die Kommission geltend gemacht haben, spiegelt dieser Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit den in Art. 26 des OECD-Musterabkommens verwendeten Begriff wider, sowohl wegen der Ähnlichkeit der verwendeten Konzepte als auch wegen der Bezugnahme auf die OECD-Abkommen in der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates KOM(2009) 29 endgültig vom 2. Februar 2009 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung, der zum Erlass der Richtlinie 2011/16 geführt hat. Nach den am 17. Juli 2012 angenommenen Kommentaren des OECD-Rates zu diesem Artikel steht es den Vertragsstaaten nicht frei, „fishing expeditions“ zu unternehmen oder um Auskünfte zu ersuchen, die wahrscheinlich für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen unerheblich sind. Es muss vielmehr vernünftigerweise die Möglichkeit bestehen, dass sich die erbetenen Auskünfte als erheblich erweisen.
68 Der Zweck des Begriffs der voraussichtlichen Erheblichkeit, wie er sich aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/16 ergibt, besteht somit darin, der ersuchenden Behörde zu ermöglichen, alle Informationen zu erhalten, die ihr für ihre Ermittlung gerechtfertigt erscheinen, ohne ihr jedoch zu gestatten, den Rahmen dieser Ermittlung offenkundig zu überschreiten oder die ersuchte Behörde übermäßig zu belasten.
69 Entscheidend ist nämlich, dass die ersuchende Behörde im Rahmen ihrer Ermittlung die Informationen bestimmen kann, die sie im Hinblick auf ihr nationales Recht für notwendig hält, um im Einklang mit dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/16 die geschuldeten Steuern ordnungsgemäß festzusetzen.
70 Daher hat diese Behörde, die die dem Informationsersuchen zugrunde liegende Ermittlung führt, anhand der Umstände des Falles zu beurteilen, ob die erbetenen Informationen je nach Verlauf des Verfahrens und gemäß Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2011/16 nach Ausschöpfung der üblichen Informationsquellen, die die Behörde genutzt haben könnte, für diese Ermittlung voraussichtlich erheblich sind.
71 Die ersuchende Behörde verfügt insoweit zwar über einen Beurteilungsspielraum, doch kann sie nicht um Informationen ersuchen, die für die betreffende Ermittlung völlig unerheblich sind.
72 Ein solches Ersuchen wäre nämlich nicht mit den Art. 1 und 5 der Richtlinie 2011/16 vereinbar.
73 Hinsichtlich des Verwaltungsunterworfenen folgt aus der Antwort auf die zweite Frage, dass ihm in dem Fall, in dem sich die ersuchte Behörde gleichwohl an ihn wendet und gegebenenfalls eine Anordnung an ihn richtet, um die erbetenen Informationen zu erhalten, das Recht zuerkannt werden muss, vor einem Gericht geltend zu machen, dass dieses Informationsersuchen nicht mit Art. 5 der Richtlinie 2011/16 vereinbar und die sich daraus ergebende Anordnung rechtswidrig ist.
74 Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 dahin auszulegen sind, dass die „voraussichtliche Erheblichkeit“ der von einem Mitgliedstaat bei einem anderen Mitgliedstaat erbetenen Informationen eine Voraussetzung ist, die das Informationsersuchen erfüllen muss, damit der ersuchte Mitgliedstaat verpflichtet ist, ihm zu entsprechen, und dadurch eine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat an einen Verwaltungsunterworfenen gerichteten Anordnung und der gegen ihn wegen Nichtbefolgung dieser Anordnung verhängten Sanktion ist.
Zur dritten und zur fünften Frage
75 Mit seiner dritten und seiner fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob Art. 47 der Charta dahin auszulegen ist, dass das nationale Gericht im Rahmen einer Klage eines Verwaltungsunterworfenen gegen eine Sanktion, die die ersuchte Behörde gegen ihn wegen Nichtbefolgung einer Anordnung verhängt hat, die sie infolge eines von der ersuchenden Behörde aufgrund der Richtlinie 2011/16 an sie gerichteten Informationsersuchens erlassen hatte, eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung hat. Zum anderen möchte es wissen, ob Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass die von der ersuchten Behörde vorgenommene Prüfung der Gültigkeit eines Informationsersuchens der ersuchenden Behörde auf die formelle Ordnungsmäßigkeit dieses Ersuchens beschränkt ist, und dass sie dem nationalen Gericht im Rahmen einer solchen Klage vorschreiben, die Beachtung der Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit unter allen ihren Gesichtspunkten – auch im Hinblick auf Art. 17 der Richtlinie 2011/16 – zu prüfen.
76 Was als Erstes die von der ersuchten Behörde ausgeübte Kontrolle anbelangt, ist in den Rn. 70 und 71 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden, dass die ersuchende Behörde bei der Beurteilung der voraussichtlichen Erheblichkeit der von der ersuchten Behörde erbetenen Informationen über einen Beurteilungsspielraum verfügt, so dass der Umfang der Kontrolle durch die ersuchte Behörde umso begrenzter ist.
77 In Anbetracht der mit der Richtlinie 2011/16 eingeführten Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden, die – wie aus den Erwägungsgründen 2, 6 und 8 der Richtlinie hervorgeht – auf Regeln beruht, die das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten bilden sollen und eine effiziente und schnelle Zusammenarbeit ermöglichen, muss die ersuchte Behörde der ersuchenden Behörde nämlich grundsätzlich vertrauen und annehmen, dass das ihr vorgelegte Informationsersuchen sowohl mit dem nationalen Recht der ersuchenden Behörde im Einklang steht als auch für die Bedürfnisse ihrer Ermittlung erforderlich ist. Die ersuchte Behörde hat im Allgemeinen keine gründliche Kenntnis der im ersuchenden Staat bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, und es kann nicht verlangt werden, dass sie eine solche Kenntnis hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. April 2000, W. N., C‑420/98, EU:C:2000:209, Rn. 18). Jedenfalls darf die ersuchte Behörde die von der ersuchenden Behörde vorgenommene Beurteilung des etwaigen Nutzens der erbetenen Informationen nicht durch ihre eigene ersetzen.
78 Gleichwohl aber muss die ersuchte Behörde prüfen, ob den erbetenen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit für die von der ersuchenden Behörde geführte Ermittlung nicht völlig fehlt.
79 Wie aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/16 hervorgeht, ist insoweit Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie heranzuziehen, in dem die für diese Prüfung erheblichen Gesichtspunkte genannt sind. Diese umfassen zum einen die von der ersuchenden Behörde zu erteilenden Auskünfte, nämlich die Bezeichnung der Person, der die Untersuchung oder Ermittlung gilt, und den steuerlichen Zweck, zu dem um die Informationen ersucht wird, sowie zum anderen gegebenenfalls die Kontaktdaten jeder Person, von der angenommen wird, dass sie über die gewünschten Informationen verfügt, wie auch jede Angabe, welche die Beschaffung von Informationen durch die ersuchte Behörde erleichtern könnte.
80 Um der ersuchten Behörde die in den Rn. 78 und 79 des vorliegenden Urteils genannte Prüfung zu ermöglichen, muss die ersuchende Behörde den Zweck der Informationen angemessen begründen, die im Rahmen des gegen den im Informationsersuchen genannten Steuerpflichtigen geführten Steuerverfahrens erbeten werden.
81 Falls erforderlich, darf die ersuchte Behörde für die Zwecke dieser Prüfung die ersuchende Behörde gemäß der durch die Richtlinie 2011/16 eingeführten Verwaltungszusammenarbeit in Steuersachen um ergänzende Informationen bitten, die notwendig sein können, um aus ihrer Sicht auszuschließen, dass den erbetenen Informationen im Hinblick auf die in den Rn. 78 und 79 des vorliegenden Urteils genannten Gesichtspunkte die voraussichtliche Erheblichkeit offenkundig fehlt.
82 Die Kontrolle durch die ersuchte Behörde beschränkt sich somit nicht auf eine summarische und formelle Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Informationsersuchens im Hinblick auf die genannten Gesichtspunkte, sondern muss es dieser Behörde auch ermöglichen, sich zu vergewissern, dass den erbetenen Informationen unter Berücksichtigung der Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und der des Dritten, dem gegebenenfalls Auskunft erteilt wird, sowie der Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung die voraussichtliche Erheblichkeit nicht völlig fehlt.
83 Was als Zweites die Kontrolle durch das Gericht angeht, bei dem eine Klage eines Verwaltungsunterworfenen gegen die Sanktion anhängig ist, die aufgrund einer Anordnung gegen ihn verhängt wurde, die die ersuchte Behörde erlassen hat, um dem Auskunftsersuchen der ersuchenden Behörde nachzukommen, so kann sie nicht nur die Verhältnismäßigkeit dieser Sanktion betreffen und gegebenenfalls zu deren Änderung führen, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung, wie aus der Antwort auf die zweite Frage hervorgeht.
84 Insoweit ist für die Wirksamkeit der durch Art. 47 der Charta gewährleisteten gerichtlichen Kontrolle erforderlich, dass die Begründung der ersuchenden Behörde das nationale Gericht in die Lage versetzt, die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Informationsersuchens auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Juni 2013, ZZ, C‑300/11, EU:C:2013:363, Rn. 53, und vom 23. Oktober 2014, Unitrading, C‑437/13, EU:C:2014:2318, Rn. 20).
85 In Anbetracht der Ausführungen in den Rn. 70 und 71 des vorliegenden Urteils zum Beurteilungsspielraum der ersuchenden Behörde ist festzustellen, dass die Grenzen, die für die Prüfung durch die ersuchte Behörde gelten, ebenso für die Kontrolle durch das Gericht gelten.
86 Daher muss das Gericht nur prüfen, ob sich die Anordnung auf ein hinreichend begründetes Ersuchen der ersuchenden Behörde stützt, das Informationen betrifft, denen im Hinblick zum einen auf den betreffenden Steuerpflichtigen sowie den Dritten, dem gegebenenfalls Auskunft erteilt wird, und zum anderen auf den verfolgten steuerlichen Zweck die voraussichtliche Erheblichkeit nicht offenkundig völlig zu fehlen scheint.
87 Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob das Gericht die Einhaltung der Bestimmungen des Art. 17 der Richtlinie 2011/16 kontrollieren muss, der Beschränkungen für die Übermittlung der von der Behörde eines Mitgliedstaats ersuchten Informationen vorsieht.
88 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen, von denen einige bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Informationsersuchens an einen Verwaltungsunterworfenen berücksichtigt werden könnten, bei der Kontrolle der voraussichtlichen Erheblichkeit dieser Informationen jedoch keine Rolle spielen. Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie der schriftlichen und der mündlichen Stellungnahme von Berlioz aber hervorgeht, ist ihre Weigerung, bestimmte der erbetenen Informationen mitzuteilen, nur darauf gestützt, dass diesen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit fehlen soll, und nicht auf Geltendmachung einer „Beschränkung“ im Sinne von Art. 17 der Richtlinie 2011/16.
89 Daher ist auf die dritte und die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/16 dahin auszulegen sind, dass sich die Prüfung durch die ersuchte Behörde, die von der ersuchenden Behörde aufgrund dieser Richtlinie mit einem Informationsersuchen befasst wird, nicht auf die formelle Ordnungsmäßigkeit des Ersuchens beschränkt, sondern es der ersuchten Behörde ermöglichen muss, sich zu vergewissern, dass den erbetenen Informationen im Hinblick auf die Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und die des Dritten, dem gegebenenfalls Auskunft erteilt wird, sowie auf die Bedürfnisse der fraglichen Steuerprüfung nicht völlig die voraussichtliche Erheblichkeit fehlt. Diese Bestimmungen der Richtlinie 2011/16 und Art. 47 der Charta sind dahin auszulegen, dass das nationale Gericht im Rahmen einer Klage eines Verwaltungsunterworfenen gegen eine Sanktion, die die ersuchte Behörde gegen ihn wegen Nichtbefolgung einer Anordnung verhängt hat, die sie infolge eines von der ersuchenden Behörde nach der Richtlinie 2011/16 an sie gerichteten Informationsersuchens erlassen hatte, außer einer Befugnis zur Abänderung der verhängten Sanktion auch eine Befugnis zur Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung hat. Die gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Anordnung im Zusammenhang mit der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen ist auf die Prüfung beschränkt, ob diese Erheblichkeit offenkundig fehlt.
Zur sechsten Frage
90 Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 47 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaats im Rahmen der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle Zugang zu dem Informationsersuchen haben muss, das der ersuchende Mitgliedstaat an den ersuchten Mitgliedstaat richtet, und ob dieses Dokument auch dem betreffenden Verwaltungsunterworfenen im ersuchten Mitgliedstaat übermittelt werden muss, damit seine Sache in einem fairen Verfahren verhandelt werden kann, oder ob ihm dies aus Gründen der Vertraulichkeit verweigert werden kann.
91 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Prüfung, ob den erbetenen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit offenkundig fehlt, anhand des genannten Dokuments vorzunehmen ist.
92 Damit das Gericht des ersuchten Mitgliedstaats seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann, muss es daher Zugang zu dem vom ersuchenden Mitgliedstaat an den ersuchten Mitgliedstaat übermittelten Informationsersuchen haben können. Insoweit kann dieses Gericht – falls erforderlich – von der ersuchten Behörde die Informationen verlangen, die die von der ersuchenden Behörde erhaltenen ergänzen und erforderlich sind, um seiner Ansicht nach auszuschließen, dass den erbetenen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit offenkundig fehlt.
93 Hinsichtlich der Frage, ob der Verwaltungsunterworfene ein Recht auf Zugang zu dem Informationsersuchen hat, ist zu berücksichtigen, dass dieses Dokument gemäß Art. 16 der Richtlinie 2011/16 geheim ist.
94 Diese Geheimhaltung ist mit der Verschwiegenheit zu erklären, die die ersuchende Behörde im Stadium der Informationsbeschaffung normalerweise zu wahren hat und von der ersuchten Behörde erwarten darf, um der Wirksamkeit ihrer Ermittlung nicht zu schaden.
95 Die Vertraulichkeit des Informationsersuchens kann im Rahmen einer Ermittlung daher jedermann entgegengehalten werden.
96 Im Rahmen eines gerichtlichen Rechtsbehelfs ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Waffengleichheit, der eine logische Folge aus dem Begriff des fairen Verfahrens ist, gebietet, dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen (Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 71).
97 Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass die Frage, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte einschließlich des Rechts auf Akteneinsicht vorliegt, anhand der besonderen Umstände jedes Einzelfalls zu prüfen ist, insbesondere der Natur des betreffenden Rechtsakts, des Kontexts seines Erlasses sowie der Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, Kommission u. a./Kadi, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P, EU:C:2013:518, Rn. 102, sowie vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 32 und 34).
98 Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob ein Verwaltungsunterworfener wie Berlioz, der der Ansicht ist, dass die von ihm im Wege einer Anordnung verlangten Informationen nicht voraussichtlich erheblich sind, Zugang zu dem von der ersuchenden Behörde an die ersuchte Behörde gerichteten Informationsersuchen haben muss, um seine Sache vor einem Gericht umfassend geltend zu machen.
99 Insoweit ergibt sich aus der Antwort auf die dritte und die fünfte Frage, dass für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der auf das Informationsersuchen gestützten Anordnung und der wegen Nichtbefolgung dieser Anordnung verhängten Sanktion der Nachweis erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass allen oder einem Teil der erbetenen Informationen im Hinblick auf die vorgenommene Ermittlung angesichts der Identität des betreffenden Steuerpflichtigen und des steuerlichen Zwecks der erbetenen Informationen die voraussichtliche Erheblichkeit offenkundig fehlt.
100 Hierzu ist es für den betreffenden Verwaltungsunterworfenen nicht erforderlich, dass er zu dem gesamten Informationsersuchen Zugang hat, damit seine Sache im Hinblick auf die Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit in einem fairen Verfahren verhandelt wird. Es genügt, dass er Zugang zu der in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2011/16 genannten Mindestinformation hat, nämlich der Bezeichnung des betreffenden Steuerpflichtigen und des steuerlichen Zwecks, zu dem die Informationen beantragt werden. Wenn das Gericht des ersuchten Mitgliedstaats jedoch der Ansicht ist, dass diese Mindestinformation insoweit nicht genügt, und es von der ersuchten Behörde ergänzende Informationen in dem in Rn. 92 des vorliegenden Urteils genannten Sinne verlangt, ist es verpflichtet, dem betreffenden Verwaltungsunterworfenen diese ergänzenden Informationen zu übermitteln, wobei die etwaige Vertraulichkeit bestimmter Informationen gebührend zu berücksichtigen ist.
101 Daher ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 47 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen ist, dass ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaats im Rahmen der Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle Zugang zu dem vom ersuchenden Mitgliedstaat an den ersuchten Mitgliedstaat gerichteten Informationsersuchen haben muss. Der betreffende Verwaltungsunterworfene hat hingegen kein Recht auf Zugang zu dem gesamten Informationsersuchen, das gemäß Art. 16 der Richtlinie 2011/16 ein geheimes Dokument bleibt. Für eine im Hinblick auf das Fehlen der voraussichtlichen Erheblichkeit der erbetenen Informationen umfassende Verhandlung seiner Sache reicht es grundsätzlich aus, dass er Zugang zu den in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie genannten Informationen hat.
Kosten
102 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.