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Steuerrecht
05.12.2024
Steuerrecht
BFH: Zurechnung von Grundstücken bei einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG und Grunderwerbsteuerbefreiung bei einer niederländischen Stiftung

BFH, Urteil vom 23.7.2024 – II R 11/22

ECLI:DE:BFH:2024:U.230724.IIR11.22.0

Volltext BB-Online BBL2024-2901-5

Amtliche Leitsätze

1. Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft für den nach § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Dies gilt auch bei mehrstöckigen Beteiligungen (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 30).

2. Eine steuerbare Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft in einer niederländischen Stiftung (stichting) ist nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuerbefreit, wenn die Stiftung bei einem Rechtstypenvergleich nicht mit einer Gesamthandsgemeinschaft gleichgestellt werden kann.

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stiftung nach niederländischem Recht, die ihren Sitz im Königreich der Niederlande (Niederlande) hat. Sie wurde am 14.10.2009 gegründet. Alleiniger Vorstand der Klägerin war der niederländische Staatsangehörige B. Als Stiftungszweck wurde die Verwaltung der Anteile an der … Holding B.V. (Holding B.V.), einer Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts, sowie die Herausgabe von Zertifikaten zu diesen Anteilen festgelegt. Am gleichen Tag wurde die Holding B.V. mit Sitz in den Niederlanden gegründet und B zu deren alleinigem Geschäftsführer bestellt. Es wurden 180 Anteile im Nennwert von jeweils 100 € ausgegeben. Unmittelbar nach der Gründung erfolgte eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 442 900 Anteilen an den B. Dieser brachte seine Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin ein. Im Gegenzug gab die Klägerin Zertifikate an den B aus.

Am 24.12.2009 beschloss die Gesellschafterversammlung der Holding B.V. eine weitere Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 298 064 Anteilen im Nennwert von 100 € an den B. Als Gegenleistung für die Übernahme dieser Anteile übertrug B 100 % seiner Anteile an der A-N.V., einer Kapitalgesellschaft belgischen Rechts mit Sitz im Königreich Belgien, auf die Holding B.V. Die A-N.V. war Alleingesellschafterin der C-GmbH, die mit notariellem Vertrag vom 20.05.2009 das Grundstück X-Straße … in Y zu einem Kaufpreis von 915.000 € erworben hatte.

Ebenfalls am 24.12.2009 brachte B seine am gleichen Tag im Rahmen der Kapitalerhöhung übernommenen Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin ein. Hierfür erhielt er von der Klägerin entsprechende Zertifikate.

Nach einer bei der C-GmbH durchgeführten Außenprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) aufgrund der Übertragung der Anteile des B an der Holding B.V. auf die Klägerin mit Vertrag vom 24.12.2009 mit Bescheid vom 06.10.2016 Grunderwerbsteuer in Höhe von 194.789 € gegenüber der Klägerin fest. Als Bemessungsgrundlage legte es im Wege der Schätzung das Siebenfache des zuletzt festgestellten Einheitswerts des Grundstücks X-Straße … in Y in Höhe von 5.565.400 € zugrunde.

Mit Bescheid vom 22.05.2019 stellte das FA den Grundbesitzwert für das in seinem Bezirk liegende Grundstück für Zwecke der Grunderwerbsteuer auf 915.000 € fest. Daraufhin erging am 22.05.2019 ein nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter Grunderwerbsteuerbescheid, mit dem die Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin auf 32.025 € herabgesetzt wurde.

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 869 veröffentlichtem Urteil ab.

Mit der gegen das FG-Urteil erhobenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie trägt vor, dass bereits mit der Anteilsübertragung am 14.10.2009 mehr als 95 % der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Dass die Schwelle von 95 % der Anteile infolge der Kapitalerhöhung der Holding B.V. am 24.12.2009 wieder unterschritten worden sei, sei unerheblich. Nur die erstmalige Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile könne die Besteuerungsfolge auslösen. Jedenfalls aber wäre ein etwaiger grunderwerbsteuerbarer Vorgang nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Streitjahr (2009) geltenden Fassung (GrEStG) steuerfrei. Die Klägerin stehe einer Gesamthandsgemeinschaft im Sinne der Vorschrift gleich. Das FG sei nur deswegen zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil der von ihm angestellte Rechtstypenvergleich unvollständig sei. Es hätte insbesondere berücksichtigt werden müssen, dass die Klägerin in den Niederlanden transparent besteuert werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 22.05.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2019 dahin abzuändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Gründen

11          II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

 

12          Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Vereinigung der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin aufgrund des Vertrags vom 24.12.2009 der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG unterliegt und nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

 

13          1. Im Streitfall kann offenbleiben, ob beim Erwerb der Anteile an der Holding B.V. durch die Klägerin am 24.12.2009 der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG erfüllt ist.

 

14          a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt, soweit eine Besteuerung nach Abs. 2a nicht in Betracht kommt, ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers allein vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 12.02.2014 - II R 46/12, BFHE 244, 455, BStBl II 2014, 536, Rz 14, 17 und vom 25.11.2015 - II R 35/14, BFHE 251, 498, BStBl II 2016, 234, Rz 14, m.w.N.).

 

15          Dieselben Grundsätze gelten im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG. Danach unterliegt die Vereinigung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer grundbesitzenden Gesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn kein schuldrechtliches Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorausgegangen ist. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ist gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG subsidiär. Ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch einen Rechtsvorgang verwirklicht worden, unterliegt die nachfolgende Übertragung der Anteile nicht erneut nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer (BFH-Urteil vom 28.11.1979 - II R 117/78, BFHE 130, 66, BStBl II 1980, 357, Rz 12).

 

16          b) Im vorliegenden Fall ist das FG ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG erfüllt sind. Selbst wenn nach niederländischem Recht dem Übergang der Anteile an der Holding B.V. auf die Klägerin ein anspruchsbegründendes Rechtsgeschäft nicht vorausgegangen sein sollte, wurde die Anteilsvereinigung durch die Einbringung der Anteile des B an der Holding B.V. in die Klägerin am 24.12.2009 vollzogen. Vor Abschluss des Vertrags vom 24.12.2009 war die Klägerin aufgrund der Kapitalerhöhung der Holding B.V. nur mit 59,76 % der Anteile an der Holding B.V. beteiligt. Nach Abschluss des Vertrags vom 24.12.2009 entfielen auf sie insgesamt 99,98 % der Anteile an der Holding B.V., so dass sich mindestens 95 % der Anteile der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt haben.

 

17          2. Offenbleiben kann im Streitfall auch die Frage, ob eine Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG auch dann vorliegt, wenn die Beteiligungsgrenze von 95 % nach einem Absinken der Beteiligung erneut überschritten wird, da die Voraussetzungen beider Besteuerungstatbestände erstmals bei der Anteilsvereinigung mit Vertrag vom 24.12.2009 vorlagen.

 

18          a) Zwar waren bereits am 14.10.2009, dem Tag der Einbringung der 442 900 Anteile an der Holding B.V. durch den B in die Klägerin, mehr als 95 % der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt. Zu diesem Zeitpunkt war die Holding B.V. jedoch weder unmittelbar noch mittelbar an der grundbesitzenden C-GmbH beteiligt, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt war. Die Frage, ob bei einer erneuten Überschreitung der 95 %-Schwelle die Steuerbarkeit ausgeschlossen ist, ist daher im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich.

 

19          b) Der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG steht nicht entgegen, dass aufgrund des Vertrags vom 24.12.2009 lediglich 40,22 % der Anteile an der Holding B.V. von B auf die Klägerin übergingen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht erforderlich, dass sämtliche Anteile, die zu einem Überschreiten der 95 %-Grenze führen, in einem einheitlichen Übertragungsvorgang auf den Anteilserwerber übergehen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG kann auch durch mehrere sukzessive Rechtsakte verwirklicht werden, sofern diese ‑‑wie vorliegend‑‑ in der Summe zu einer Anteilsvereinigung von mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft führen (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.2006 - II B 26/06, BFH/NV 2007, 500, m.w.N.).

 

20          3. Zum Vermögen der Holding B.V. gehörte im Zeitpunkt der Vereinigung von mindestens 95 % ihrer Anteile in der Hand der Klägerin mit Vertrag vom 24.12.2009 ein inländisches Grundstück, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG erfüllt ist.

 

21          a) Ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgeblich ist vielmehr eine grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung. Ein inländisches Grundstück ist danach einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen, wenn die Gesellschaft in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat (z.B. BFH-Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 24 f., m.w.N.). Dies gilt auch bei mehrstöckigen Beteiligungen. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich daher nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft beziehungsweise im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar (BFH-Urteile vom 01.12.2021 - II R 44/18, BFHE 275, 373, BStBl II 2023, 1009, Rz 25; vom 14.12.2022 - II R 40/20, BFHE 279, 290, BStBl II 2023, 1012, Rz 30).

 

22          b) Danach genügt ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ zur Erfüllung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG nicht bereits die 100%ige Beteiligung der Holding B.V. an der A-N.V., die ihrerseits zu 100 % an der C-GmbH beteiligt war, um das Grundstück grunderwerbsteuerrechtlich der Holding B.V. zuzurechnen. Entscheidend ist, dass die C-GmbH zu dem Zeitpunkt (24.12.2009), als ihre Anteile mittelbar über die Anteile der A-N.V. in die Holding B.V. eingebracht wurden, bereits (seit dem 20.05.2009) grundbesitzend war.

 

23          c) Bei der Holding B.V. handelt es sich um eine Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG. Grundbesitzende Gesellschaft im Sinne der Vorschrift kann sowohl eine Personen- als auch eine Kapitalgesellschaft sein (BFH-Urteil vom 27.05.2020 - II R 45/17, BFHE 270, 247, BStBl II 2021, 315, Rz 12). Die Holding B.V. ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Sie steht im Rahmen der Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG einer deutschen Kapitalgesellschaft gleich (vgl. BFH-Urteile vom 22.08.2006 - I R 6/06, BFHE 215, 103, BStBl II 2007, 163; vom 26.10.2021 - IX R 13/20, BFHE 275, 28, BStBl II 2022, 172, Rz 17 und vom 27.06.2023 - VIII R 15/21, BFHE 280, 552, BStBl II 2023, 903, Rz 14; vgl. auch Hagedorn/Tervoort, Niederländisches Wirtschaftsrecht, Kap. I, unter A.1.a). Aus diesem Grund scheidet eine Anwendung des vorrangigen § 1 Abs. 2a GrEStG, der nur Personengesellschaften erfasst, aus. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG n.F., der den Austausch von Gesellschaftern bei einer Kapitalgesellschaft erfasst, war im Streitjahr noch nicht in Kraft (§ 1 Abs. 2b GrEStG n.F. wurde erst eingefügt mit Wirkung vom 01.07.2021 durch Gesetz vom 12.05.2021, BGBl I 2021, 986).

 

24          d) Für die Besteuerung der Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG spielt es keine Rolle, dass sich der Sitz der Klägerin als Erwerberin der Anteile an der Holding B.V. im Ausland befindet. Gegenstand der Steuer ist der unmittelbare oder mittelbare Erwerb aller Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft in einer Hand und die damit verbundene Fiktion des Erwerbs eines Grundstücks. Dementsprechend kommt es nur auf die Lage des von dem fiktiven Grunderwerb erfassten Grundstücks im Inland an (vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2002 - II R 23/00, BFH/NV 2003, 505, Rz 16). Das vorliegend von dem Anteilserwerb der Klägerin erfasste Grundstück der C-GmbH, deren Anteile die Klägerin über ihre Beteiligung an der Holding B.V. mittelbar erworben hat, befindet sich im Inland.

 

25          4. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Anteilsvereinigung nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

 

26          a) Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vorschrift gilt auch bei "fiktiven" Grundstückserwerben im Sinne des § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG und ist daher auch im Falle einer Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG anwendbar (vgl. Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 Rz 34).

 

27          b) Ausländische Gesellschaften können ebenfalls nach § 5 Abs. 2 GrEStG begünstigt sein, sofern deren Struktur mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar ist (allgemeine Ansicht, vgl. z.B. Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 5 Rz 17; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 5 Rz 5; Schley in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 5 Rz 23; Schnitter in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 5 GrEStG Rz 8, Stand 05.2024; vgl. auch Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12.11.2018, BStBl I 2018, 1334, Rz 2; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076). Das ist der Fall, wenn eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft ergibt, dass diese rechtlich und wirtschaftlich einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft gleichsteht. Es muss im Einzelfall geprüft werden, ob die im Ausland rechtsfähige Gesellschaft oder Vermögensmasse dem "Typ" und der tatsächlichen Handhabung nach einer Gesamthandsgemeinschaft nach innerstaatlichem Recht entspricht. Die Feststellung der einschlägigen ausländischen Rechtsnormen sowie die Ermittlung der für den Rechtsformtypenvergleich notwendigen gesellschaftlichen Merkmale gehört zu den vom FG von Amts wegen vorzunehmenden Tatsachenfeststellungen, an die der BFH im Revisionsverfahren grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist (BFH-Urteile vom 06.06.2012 - I R 52/11, BFHE 237, 356, BStBl II 2014, 240 und vom 20.01.2015 - II R 42/12, BFH/NV 2015, 1079). Im Revisionsverfahren kann lediglich überprüft werden, ob die Ermittlung der Rechtsnormen und ihres Inhalts verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und ob das FG bei seinen Ermittlungen die Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze beachtet hat (BFH-Urteil vom 19.12.2007 - I R 46/07, BFH/NV 2008, 930, Rz 15).

 

28          c) Nach diesen Maßstäben ist die Würdigung des FG, die Klägerin sei ihrer rechtlichen Struktur nach nicht mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. An diese Würdigung ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

 

29          aa) Das FG hat in seinem Urteil zum niederländischen Zivilrecht festgestellt, dass es sich bei der Klägerin, die in der Rechtsform einer "stichting" organisiert ist, um eine durch Rechtsgeschäft gegründete rechtsfähige juristische Person in Form eines verselbständigten Zweckvermögens handelt, das keine Mitglieder hat und das dem Zweck dient, mithilfe eines dazu bestimmten Vermögens ein in der Satzung festgelegtes Ziel zu verwirklichen (vgl. Art. 285 des Zweiten Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Niederlande). Ausgehend hiervon hat das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze darauf abgestellt, dass sich die Klägerin nach ihrer rechtlichen Struktur bereits aufgrund des Fehlens von Mitgliedern oder Anteilseignern von einer Gesamthandsgemeinschaft, deren Entstehung als Personenverband die Beteiligung von mindestens zwei Gesellschaftern voraussetzt (vgl. § 705 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), unterscheidet. Ebenso durfte das FG beim Rechtstypenvergleich berücksichtigen, dass eine "stichting" im Unterschied zu einer Gesamthandsgemeinschaft nicht durch eine gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens gekennzeichnet ist. Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die Klägerin in ihrer konkreten Ausgestaltung als "stichting administratiekantoor" die Zertifizierung von Anteilen ermöglicht. Denn ungeachtet der wirtschaftlichen Berechtigung der Zertifikatsinhaber in Bezug auf die Erträge aus den verwalteten Anteilen verbleibt es nach den Feststellungen des FG bei der Verselbständigung des zweckgebundenen Vermögens auf Ebene der "stichting" als zivilrechtliche Inhaberin der verwalteten Anteile, ohne dass die Zertifikatsinhaber an den Anteilen vermögensrechtlich beteiligt sind. Ebenso wenig hat das FG Anhaltspunkte für das Erfordernis einer Selbstorganschaft oder der persönlichen Haftung der Zertifikatsinhaber für von der Klägerin eingegangene Verbindlichkeiten festgestellt.

 

30          bb) Vor diesem Hintergrund begegnet die Schlussfolgerung des FG, die Klägerin sei nicht mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar, keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, dass dem FG bei der Ermittlung der ausländischen Rechtsgrundlagen Verfahrensfehler unterlaufen sind. Soweit sie darauf hinweist, dass das FG einen unvollständigen Rechtstypenvergleich angestellt habe, macht sie der Sache nach lediglich geltend, dass die Würdigung des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen müssen. Da insoweit keine Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze vorliegen, ist der BFH an diese Würdigung nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Der Hinweis der Klägerin, dass die "stichting" in den Niederlanden einer transparenten Besteuerung unterliegt, ist für den im Rahmen von § 5 Abs. 2 GrEStG vorzunehmenden ‑‑allein auf den Abgleich der zivilrechtlichen Strukturmerkmale gerichteten‑‑ Rechtstypenvergleich unerheblich (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2017 - I R 42/15, BFH/NV 2018, 616; gleicher Ansicht Wischott/Graessner/Lottermoser, Die Unternehmensbesteuerung 2021, 331, 338; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 5 Rz 5).

 

31          5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

32          6. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

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