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Steuerrecht
17.03.2016
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Zur Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers

FG Düsseldorf, Urteil vom 19.2.2015 – 16 K 932/12 H(K), Rev. eingelegt (Az. BFH I R 54/15)

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2016-741-1

unter www.betriebs-berater.de

LEITSäTZe (des Kommentators)

1. Die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers gem. § 73 AO ist nicht auf Betriebssteuern (insbesondere Umsatzsteuern, Gewerbesteuer) beschränkt.

2. Die Haftung bei Organschaft gem. § 73 AO greift auch bei mittelbaren Organschaftsverhältnissen ein (z.B. im Verhältnis der Enkel- zur Muttergesellschaft)

3. Die Organgesellschaft haftet nicht nur für Steuern, die in ihrem eigenen Betrieb verursacht worden sind, sondern für die gesamten vom Organträger geschuldeten Steuern. Die Beschränkung des Haftungsumfangs der Organgesellschaft ist nicht auf der Tatbestandsebene, sondern im Rahmen der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde vorzunehmen.

§§ AO § 191 i.V.m. § 73, § 45 Abs. 1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob der vom Beklagten (Finanzamt --FA--) auf § 191 i.V.m. § 73 sowie § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützte, an die A GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der B GmbH gerichtete Haftungsbescheid vom 18.7.2011 (Haftungssumme € betreffend einen Teil der rückständigen Körperschaftsteuer 2001 und 2002 sowie Solidaritätszuschlag 2001 und 2002 der Organträgerin C AG i.L.) in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.2.2012 rechtmäßig ist.

Die A GmbH (im Folgenden kurz: A) hatte mit Klageschrift vom 6.3.2012 fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) D vom 4.3.2014 wurde über das Vermögen der A das Insolvenzverfahren eröffnet und zugleich der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 20.11.2014 erklärt, dass er den vorliegenden Rechtsstreit aufnehme. Der Kläger hatte zuvor mit Schriftsatz vom 7.5.2014 ausgeführt, dass das Klageverfahren entgegen der im Schriftsatz vom 27.3.2014 vertretenen Ansicht des FA gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen sei; für den Fall, dass der Haftungsbescheid „unwirksam“ sein sollte, wären nämlich sämtliche Zahlungen, die von Seiten der Insolvenzschuldnerin auf die Haftungsschuld geleistet worden seien, nunmehr an die Insolvenzmasse zu erstatten. Hierzu haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend darauf hingewiesen, dass das FA die Haftungssumme vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen der A in vollem Umfang beigetrieben hat.

A wurde aufgrund einer Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der B GmbH. In dem Haftungsbescheid (s. dort S. 2) heißt es, dass aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 25.7.1990 und der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 14 des Körperschaftsteuergesetzes a.F. (KStG a.F.) zwischen der B GmbH und der C AG i.L. mittelbar über die E GmbH und die F AG eine körperschaftsteuerliche Organschaft bestanden habe.

Die „Rechtsverhältnisse der betroffenen Gesellschaften“ stellten sich ausweislich des Schreibens des FA vom 7.1.2011 ferner wie folgt dar: Der vorerwähnte Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 25.7.1990 bestand zwischen der B GmbH und der E GmbH. Die nachfolgende, im Jahre 2000 erfolgte Verschmelzung des Organträgers (E GmbH) auf die F AG führte nicht zum Wegfall der Organschaft zwischen der B GmbH und der E GmbH. Zwischen der F AG und der G AG (der späteren C AG) als herrschendem Unternehmen bestand --u.a. in den haftungsrelevanten Jahren 2001 und 2002-- ein Gewinnabführungsvertrag mit Wirkung vom 1.1.2001.

Die C AG stellte am 9.6.2009 beim AG H einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 1.9.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C AG eröffnet.

Bei der B GmbH war eine mit Prüfungsbericht vom 9.1.2008 abgeschlossene Außenprüfung durchgeführt worden. Dementsprechend erließ das zuständige FA I am 2.5.2008 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide für 2001 und 2002 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Wegen der Einzelheiten der Besteuerungsgrundlagen wird auf diese Bescheide Bezug genommen. Das „dem Organträger“ zuzurechnende Einkommen der B GmbH wurde i.H. von DM () für 2001 und i.H. von € für 2002 festgesetzt/ festgestellt.

Das FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung H führte bei der C AG (vormals G AG, J AG) ab dem 5.1.2004 eine Betriebsprüfung durch, die aufgrund einer Prüfungserweiterung letztlich die Jahre 1999 bis 2002 betraf. Tag der Schlussbesprechung war der 29.1.2009. Der Prüfungsbericht erging erst am 30.9.2009.

In der Folge ergingen u.a. nach § 164 Abs. 2 AO geänderte „Bescheide“ bzw. Berechnungen für 2001 und 2002 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag der C AG i.L., die jeweils an den seinerzeitigen Insolvenzverwalter gerichtet und Grundlage für Anmeldungen zur Insolvenztabelle waren.

Zuletzt ergingen --maschinell bedingt unter Änderung der (inhaltsgleichen) „Bescheide“ vom 23.4.2010-- am 27.5.2010 Berechnungen, auf die wegen der die Besteuerungsgrundlagen betreffenden Einzelheiten Bezug genommen wird. Diese Berechnungen wiesen im „Anrechnungs- und Abrechnungsteil“ u.a. Folgendes aus:

()

Den hierauf gestützten Forderungsanmeldungen zur Insolvenztabelle wurde nicht widersprochen. Die inhaltsgleich mit den Daten 23.4.2010 und 27.5.2010 erfassten Besteuerungsgrundlagen waren mit der Konzernsteuerabteilung der C i.L. sowie dem Insolvenzverwalter abgestimmt; hierbei hatte die Finanzverwaltung offensichtlich einzelnen Einwendungen gegen die im Prüfungsbericht vom 30.9.2009 getroffenen Feststellungen Rechnung getragen.

Das FA ging ausweislich des Haftungsbescheids (s. dort S. 2 f.) davon aus, dass im Rahmen der Ermessensausübung die Haftung der jeweiligen Organgesellschaft gemäß § 73 AO auf diejenigen Steuern begrenzt werden könne, die durch diese Organgesellschaft nachweislich höchstens veranlasst sei (Veranlassungshaftung). Der Haftungsanteil einer Organgesellschaft an der rückständigen Steuer eines Veranlagungszeitraums werde unter Veranlassungsgesichtspunkten grundsätzlich durch den Anteil ihres Einkommens (originäres Organeinkommen) an der Summe der positiven Organeinkommen bestimmt. Einkommenswirkungen aufgrund von Gewinnabführungen oder zu übernehmender Verluste nachgeordneter Organgesellschaften seien zur Ermittlung dieses originären Einkommens außer Ansatz zu lassen. § 8b Abs. 1 bis 6 KStG, § 4 Abs. 6 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) und Steuerbefreiungen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) für Gewinnanteile an einer ausländischen Gesellschaft seien bei der Ermittlung des originären Einkommens der Organgesellschaft anzuwenden. Soweit im Rahmen der Steuerfestsetzung/-berechnung eines Veranlagungszeitraums bei dem Organträger ein Verlustvortrag berücksichtigt werde, mindere dieser vorrangig das positive originäre Organeinkommen der Organgesellschaften, die in vorherigen Veranlagungszeiträumen ein negatives originäres Organeinkommen erwirtschaftet hätten, das in den Verlustvortrag eingeflossen sei. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergäben sich folgende Teilbeträge der in der Anlage 1 aufgeführten Steuerschulden, für die die A als Gesamtrechtsnachfolgerin der B GmbH gem. § 73 AO hafte:

Körperschaftsteuer 2001:

Solidaritätszuschlag 2001:

Körperschaftsteuer 2002:

Solidaritätszuschlag 2002:

Wegen der Ermittlung dieser Beträge werde auf die seitens der Konzernsteuerabteilung der C AG i.L. am 11.5.2010 übersandte Aufstellung über die endgültige Verteilung der Körperschaftsteuerzahllasten innerhalb des körperschaftsteuerlichen Organkreises mit Stand 6.5.2010 verwiesen (vgl. die beiden Anlagen 3 zum Bescheid).

Die weiteren Gesellschaften, die mit der C AG in den Jahren 2001 und 2002 eine körperschaftsteuerliche Organschaft gebildet hätten (vgl. Anlage 5 zum Bescheid), seien ebenfalls unter Berücksichtigung der zuvor dargestellten Grundsätze nach § 73 AO im Haftungswege in Anspruch genommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftungsbescheid Bezug genommen.

Das FA hat im gerichtlichen Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung 16 V 3237/11 A (H(K)) „ungeschwärzte“ Ausfertigungen der vorerwähnten Anlagen 3 zum Bescheid vorgelegt. Aus denselben ist ersichtlich,

(1.) mit welchen Anteilen --und zwar jeweils teilschuldnerisch-- welche Organgesellschaften (bzw. deren Rechtsnachfolger) betreffend die für 2001 und 2002 rückständige Steuern (Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag) in Anspruch genommen wurden,

(2.) dass die Summe der auf § 73 AO gestützten teilschuldnerischen Haftungsinanspruchnahmen € (Körperschaftsteuer 2001), € (Solidaritätszuschlag 2001), € (Körperschaftsteuer 2002) und € (Solidaritätszuschlag 2002) betrug sowie

(3.) die jeweiligen (übersteigenden) Differenzbeträge zu den zu wenig gezahlten Steuern (Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2001 und 2002) lt. den vorstehenden Tabellen der Organträgerin (C AG) zugerechnet und demzufolge gem. § 73 AO „haftungsfrei“ blieben.

Maßnahmen betreffend anderweitige (ggf. gesamtschuldnerischen) Haftungsinanspruchnahmen (z.B. solche nach § 69 i.V.m. § 34 AO sowie nach § 71 AO) wurden vom FA nicht ergriffen.

Gegen den Haftungsbescheid richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Wegen des Vorbringens der A im Vorverfahren wird auf die Einspruchsschrift vom 17.8.2011 verwiesen. Im Kern wurden zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides folgende Argumente vorgetragen:

(1.) Das Bestehen der Erstschuld werde bestritten.

(2.) Wegen fehlender unmittelbarer körperschaftsteuerlicher Organschaft zur Muttergesellschaft könne im Fall einer Organkette eine Enkelorgangesellschaft nicht nach § 73 AO in Haftung genommen werden.

(3.) Das Entschließungsermessen sei dem Grunde nach nur unzureichend ausgeübt worden.

(4.) Das Entschließungsermessen sei der Höhe nach rechtsfehlerhaft ausgeübt worden.

(5.) Das Auswahlermessen sei unzureichend ausgeübt worden.

(6.) Der Bescheid verstoße gegen das Erdrosselungsverbot sowie das Gebot unternehmensschonender Besteuerung.

(7.) Aufgrund fehlender vorheriger Anhörung vor Erlass des Haftungsbescheides liege ein Verfahrensmangel vor.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 10.2.2012 Bezug genommen.

Hiergegen richtete sich die fristgerecht von der A erhobene Klage, mit der sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren wiederholt und vertieft hat. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Klagebegründung vom 21.5.2012 nebst den zusätzlichen Anlagen sowie den Schriftsatz vom 5.10.2012 nebst zusätzlicher Anlage verwiesen. Schließlich hat die A mit Schriftsatz vom 5.11.2013 auszugsweise ein wissenschaftliches Werk von Dr. Mathias Schmidt mit dem Titel „Die Inanspruchnahme der Organgesellschaft für Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO“ vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 18.7.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 10.2.2012 aufzuheben;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens im Klageverfahren wird auf die Klageerwiderung vom 3.8.2012 nebst Anlagen sowie den Schriftsatz vom 23.10.2012 verwiesen.

Aus den Gründen

 

Die Klage ist unbegründet.

 

Der auf § 191 AO i.V.m. § 73 AO sowie § 45 Abs. 1 AO gestützte, an die A als Gesamtrechtsnachfolgerin der B GmbH gerichtete Haftungsbescheid ist rechtmäßig. Das FA hat sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht angenommen, dass der Haftungstatbestand (§ 73 AO) erfüllt ist. Die Ermessenserwägungen, die das FA im Haftungsbescheid und der Einspruchsentscheidung angestellt hat, halten der gerichtlichen Nachprüfung (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ebenfalls stand.

 

1. Die Haftungsinanspruchnahme der A durch das FA ist dem Grunde nach durch § 73 Satz 1 AO gerechtfertigt. Die Vorschrift lautet: „Eine Organgesellschaft haftet für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist.“

 

a) Der Zweck der Vorschrift ist aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich (s. BT-Drucks. VI/1982, S. 120). Hiernach liegt der Grund für den Haftungstatbestand darin, dass bei Bestehen einer Organschaft nur der Organträger Steuersubjekt ist. Die von ihm zu zahlende Steuer umfasst somit auch Steuerbeträge, die ohne die Organschaft von der Organgesellschaft geschuldet wären. Die Haftung der Organgesellschaft wirkt der Möglichkeit von Steuerausfällen bei Zahlungsunfähigkeit des Organträgers entgegen (vgl. Loose in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 73 AO Tz. 1).

 

Da die Haftung hiernach nur für die Steuern eintreten soll, für welche die Organschaft steuerlich von Bedeutung ist, verzichtet § 73 AO im Gegensatz zum früher geltenden Recht (§ 114 der Reichsabgabenordnung) darauf, den Organschaftsbegriff im einzelnen zu umschreiben. Die Vorschrift nimmt vielmehr darauf Bezug, dass die einzelnen Steuergesetze entsprechende Begriffsbestimmungen enthalten, soweit die Organschaft für die einzelnen Steuern von Bedeutung ist (vgl. z. B. § 7 a KStG).

 

Andererseits ist die Haftung nicht auf Betriebsteuern (insbes. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) beschränkt. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil der gesetzgeberische Grund für die Inanspruchnahme der Organgesellschaften nicht nur hinsichtlich der Betriebsteuern, sondern auch hinsichtlich anderer Steuern (wie hier: Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag) tragfähig ist, bei denen die Organschaft besteht.

 

b) Die Haftung gemäß § 73 AO greift auch -wie im Streitfall bei mittelbaren Organschaftsverhältnissen ein (z. B. im Verhältnis der Enkelgesellschaft zur Muttergesellschaft).

Im Schrifttum werden zu dieser Fallgestaltung entgegengesetzte Auffassungen vertreten. Teilweise wird eine Haftung nach § 73 AO der Enkelorgangesellschaft für Steuern der Muttergesellschaft (des obersten Organträgers) ungeachtet des Umstands bejaht, dass ein Organschaftsverhältnis zwischen der Enkelgesellschaft und der Tochtergesellschaft sowie ein Organschaftsverhältnis zwischen der Tochtergesellschaft und der Muttergesellschaft besteht (vgl. Nöcker in Die Information über Steuer und Wirtschaft -INF-- 2001, 648, 650; ihm folgend Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl. § 2 Rz. 395); teilweise wird eine solche Haftung --aufgrund des Wortlauts des § 73 AO— verneint (Lüdicke in Festschrift für Norbert Herzig, S. 259, 261, 279 ff.; ihm folgend Braunagel/Paschke, Die Unternehmensbesteuerung --Ubg-- 2011, 233, 238).

Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung. Der Wortlaut des § 73 AO steht nicht entgegen. Die Vorschrift stellt nicht auf ein einziges Organschaftsverhältnis zwischen der Organgesellschaft und ihrem unmittelbaren Organträger ab. So gesehen lässt sich auch bei einer sog. Organschaftskette wegen der stufenweise Verlagerung der Steuerschuld der Enkelgesellschaft auf die Muttergesellschaft von Steuern des (obersten) Organträgers sprechen, für welche die (wenn auch mittelbare, hier körperschaftsteuerliche) „Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist“.

 

Dem Sinn und Zweck des § 73 AO wird jedenfalls nur diese Auslegung der Vorschrift gerecht. Der Organkreis soll „als einheitliches Ganzes“ betrachtet werden (vgl. BT-Drucks. VI/1982, S. 120), weil durch die Haftung vermieden werden soll, dass der Steuergläubiger auf das Vermögen von Organgesellschaften nicht zugreifen kann, obwohl diese Gesellschaften die entstandenen Steuerforderungen mit ausgelöst haben. Dabei ist unerheblich, wie viele Stufen die Organschaftsverhältnisse umfassen (Mutter-, Tochter-, Enkel-, Urenkelgesellschaften), was sich im übrigen beliebig gestalten lässt. Die Besteuerungsgrundlagen werden sozusagen kaskadenförmig (von unten nach oben) nur dem (obersten) Organträger zugerechnet und die entsprechenden Steuern ihm gegenüber festgesetzt, obwohl sie die Erfolgsbeiträge und die Leistungsfähigkeit aller Organgesellschaften beinhalten bzw. widerspiegeln. Dann ist es geboten, weil die Organgesellschaften zivilrechtlich eigenständige Gesellschaften bleiben, dass § 73 AO dem Steuergläubiger den grundsätzlich gebotenen Zugriff auf ihr Vermögen ermöglicht, unabhängig wie stark der Konzern gegliedert ist.

 

c) Die Haftung der Organgesellschaft betrifft nach dem Wortlaut des § 73 AO die im Organkreis entstandenen Steuern, ohne Rücksicht darauf, wo diese Steuern verursacht worden sind. Die Organgesellschaft haftet also nicht nur für Steuern, die in ihrem eigenen Betrieb verursacht worden sind, sondern für die gesamten vom Organträger geschuldeten Steuern.

 

Das entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers der AO 1977. Dieser hat sich mit der österreichischen Regelung (vgl. § 13 der Österreichischen Bundesabgabenordnung) auseinandergesetzt, wonach die Haftung auf solche Steuern beschränkt wird, die auf den Betrieb des beherrschten Unternehmens entfallen. Aus nachfolgenden Erwägungen hat der Gesetzgeber eine solche Regelung nicht befürwortet (BT-Drucks. VI/1982, S. 120): Ein solches Verfahren würde in der Praxis zu unüberwindbaren Schwierigkeiten führen, weil sich derartige Feststellungen entweder gar nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten treffen lassen. Es müssten z. B. Feststellungen darüber getroffen werden, wie die Steuer auf den Organkreis aufzuteilen ist und welcher Gesellschaft des Organkreises die geleisteten Zahlungen zuzurechnen sind. Im übrigen könne es durchaus als sachgerecht angesehen werden, den Organkreis als einheitliches Ganzes zu betrachten. Inwieweit im Einzelfall die Haftung geltend gemacht werden soll, werde jeweils nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden sein.

 

Der Senat hält es ebenfalls für ausreichend, die Beschränkung des Haftungsumfangs der Organgesellschaft im Rahmen einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde vorzunehmen. Dabei wird nicht verkannt, dass die uneingeschränkte Haftung aller Organgesellschaften für alle im Organkreis entstandenen Steuern bei einzelnen Organgesellschaften häufig zu konfiskatorischen Belastungen mit untragbaren Folgen führen würde (vgl. auch Loose in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 73 AO Tz. 6). Eine Haftungsbeschränkung auf der Tatbestandsebene würde aber bewirken, dass gerade die vom Gesetzgeber verworfene Lösung zur Anwendung käme: Das FA müsste nachweisen, dass die „offenen“, noch nicht getilgten und im Haftungsweg geltend gemachten Steuern gerade durch das betreffende beherrschte Unternehmen verursacht worden sind. Demgegenüber lassen sich bei einer Haftungsbegrenzung (erst) im Ermessensbereich weitere Erwägungen einbeziehen, wie beispielsweise Vermögensübertragungen im Organkreis (vgl. FG Saarland Urteil vom 19.3.2002 2 K 206/98, juris; FG Nürnberg, Urteil vom 11.12.1990 II 238/86, EFG 1991, 437; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.4.1985 I 174/81, EFG 1985, 533) oder durch früheren Verlustausgleich entstandene besondere Vorteile der Organgesellschaft (Loose in Tipke/Kruse, § 73 AO Tz. 8). Deshalb erscheint es geboten, aber auch hinreichend, dass im Wege der Ermessensausübung unter Einbeziehung der bekannten Umstände des Einzelfalls nach einem pragmatischen und sachgerechten Maßstab die gesamten im Haftungsweg geltend gemachten Rückstände wie Teilschulden auf die einzelnen Organgesellschaften aufgeteilt werden, regelmäßig unter Berücksichtigung eines auf die insolvente Konzernmutter entfallenden Anteils.

 

2. Die Haftungsinanspruchnahme ist der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs nach § 73 AO gegenüber der A als Organgesellschaft (Entschließungsermessen) ist gerechtfertigt, angesichts der erheblichen Steuerrückstände des Organträgers, der Verpflichtung der Finanzbehörde zur gleichmäßigen Erhebung der Steuern (§ 85 AO) und der verschuldensunabhängigen Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme.

Die der Haftung zugrunde liegende gegen den Organträger festzusetzende/ angemeldete Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag für 2001 und 2002 ist vom FA zutreffend ermittelt worden; hiergegen bestehen - wie von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigt keine substantiierten Einwendungen.

Das FA hat im Rahmen seines Auswahlermessens die Inanspruchnahme der A unter Anwendung eines vertretbaren Maßstabs, nämlich orientiert am jeweiligen zu versteuernden Einkommen, auf die durch die B GmbH „verursachten“ Steuern beschränkt. Der Senat erachtet diesen Maßstab für plausibel und sachgerecht.

Die entsprechenden Berechnungsgrundlagen wurden von der Finanzverwaltung im Zusammenwirken mit der Konzernsteuerabteilung des Organträgers ermittelt; die Berechnung ist ersichtlich zutreffend. Für eine weitergehende Beschränkung der Haftung sind substantiierte Gründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das FA hat dabei auch berücksichtigt, dass bei einer unterstellten Einzelveranlagung der Organgesellschaft B GmbH unter Berücksichtigung der durchgeführten Betriebsprüfung Körperschaftsteuerschulden von über € (für 2001) und € (für 2002) entstanden wären, die deutlich über den Haftungsbeträgen liegen. Unter diesen Umständen ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass die Haftungsinanspruchnahme gegen ein verfassungsmäßiges Übermaßverbot verstoßen würde oder eine auf die Erdrosselung des Unternehmens abzielende Maßnahme darstellte.

 

3. Die weiteren seitens des Klägers erhobenen Einwendungen gegen die Haftungsinanspruchnahme greifen nicht durch.

 

a) Soweit der Kläger einen Ermessensfehler darin gesehen hat, dass die aufgrund der Betriebsprüfung bei der C AG später festgesetzten Mehrsteuern nachweislich mit dem Betrieb der B GmbH nichts zu tun gehabt hätten und dass von der B GmbH bereits hinreichende Mittel zur Steuerzahlung an den Organträger abgeführt worden seien, ist dem nicht beizupflichten. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des FA, wonach es hierauf bei der auf die „Verursachungsbeiträge der Organgesellschaften“ bezogenen Ermessensausübung gerade nicht ankommt. Das FA konnte im Haftungsbescheid abstellen auf die Verursachungsbeiträge sämtlicher Gesellschaften an der letztlich (wann auch immer) zutreffend festgesetzten/ berechneten Steuer, die --aus welchen Gründen auch immer-- ganz oder teilweise rückständig geblieben ist.

 

Vermögensbewegungen zwischen Organgesellschaft und Organträger im Zeitablauf sind im Streitfall weder ersichtlich noch nachvollziehbar dargelegt; außerdem müssen solche für eine Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft vom FA nicht ermittelt und berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hat das Steuerausfallrisiko mit der Regelung des § 73 AO bewusst und aus guten Gründen auf die Organgesellschaften verlagert (vgl. auch Sturm, StuW 1992, 252, 254).

 

b) Soweit der Kläger einen Ermessensfehler darin gesehen hat, dass das FA nur von 38 Organgesellschaften (in 2001) bzw. 31 Organgesellschaften (in 2002) ausgegangen sei und hierbei weitere, für die Haftung nach § 73 AO in Betracht kommende Gesellschaften übersehen habe bzw. dieser Frage nicht hinreichend nachgekommen sei, ist dem ebenfalls nicht beizupflichten. Das FA konnte nur die Organgesellschaften einbeziehen, die dem körperschaftsteuerlichen Organkreis angehören - insbesondere ausländische Tochtergesellschaften waren deshalb nicht zu berücksichtigen.

 

c) Dass das FA weitere Haftungstatbestände, insbesondere nach § 69 AO geprüft, aber von einer Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder letztlich abgesehen hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Da das Finanzamt keine hinreichenden Anhaltspunkte für schuldhafte Pflichtverletzungen gefunden hat, war es nicht berechtigt, gegen Vorstandsmitglieder Haftungsbescheide zu erlassen (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, § 85 AO).

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr.1 FGO.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

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