BFH: Zur Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden im Zusammenhang mit § 2a EStG 1990/1997 für die Steuerveranlagung eines Gesellschafters
BFH, Urteil vom 12.3.2025 – I R 15/22
ECLI:DE:BFH:2025:U.120325.IR15.22.0
Volltext BB-Online BBL2025-1686-2
Amtliche Leitsätze
1. NV: Werden negative ausländische Einkünfte (§ 2a des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑ 1990/1997) von einer Mitunternehmerschaft erzielt, sind Gegenstand der Feststellung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte und der mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) auch die Höhe der auf die jeweiligen Beteiligten entfallenden Verlustbeträge und Umstände zur Frage, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass insoweit zugerechnete Verlustanteile nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. nachzuversteuern sind, erfüllt sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709). Diese Feststellungen sind für das Steuerfestsetzungsverfahren eines Mitunternehmers bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO).
2. NV: Der in Verbindung mit dem Steuerfestsetzungsverfahren des Mitunternehmers stehende Feststellungsbescheid nach § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 zur konkreten Höhe des für eine etwaige Nachversteuerung verbleibenden Betrags ist für das Steuerfestsetzungsverfahren des Veranlagungszeitraums, in dem die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Nachversteuerung erfüllt sind, bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO). Für die Nachversteuerung (§ 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F.) des in diesem Feststellungsbescheid ausgewiesenen Betrags kommt es nicht darauf an, ob vom Steuerpflichtigen ein "Antrag" in den jeweiligen Verlustjahren gestellt wurde, diese negativen Einkünfte in die Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage einzubeziehen, es reicht aus, dass die entsprechenden Verluste tatsächlich einbezogen worden sind.
Sachverhalt
1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige GmbH, war an der … GmbH & Co. KG (KG) zu 40 % als Kommanditistin beteiligt. Die S KG hielt den anderen Kommanditanteil von 60 %. Die Funktion der Komplementärin ohne eigenen Geschäftsanteil nahm die … GmbH wahr. Die KG war im Inland ansässig und besaß in Z (Europäische Union) eine Betriebsstätte, mit der sie in den Jahren 1996 bis 1998 Verluste aus Gewerbebetrieb erzielte.
2 Mit notariellem Vertrag vom …1999 übertrug die Klägerin mit schuldrechtlicher Wirkung zum …1999 (00:00 Uhr) ihren Kommanditanteil an der KG auf die S KG. Die Klägerin zahlte der Käuferin wegen zu erwartender Verluste für die Übernahme einen als Entschädigung bezeichneten Betrag in Höhe von … DM. Von diesem Betrag ordneten die Vertragsparteien … DM der Betriebsstätte in Z zu.
3 Für die dem Jahr 1999 (Streitjahr) vorausgegangenen Jahre 1996 bis 1998 stellte die Klägerin weder in ihrer Steuererklärung noch durch sonstigen Schriftverkehr ausdrücklich einen Antrag auf Berücksichtigung von ausländischen Verlusten nach § 2a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (EStG 1990/1997). Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte sie für diese Jahre erklärungsgemäß und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4 Ausweislich der Steuerakten der Klägerin teilte das für die KG zuständige Finanzamt X (FA X) dem FA am 09.12.1999 für 1996 mit einer "ESt-4B-Mitteilung" unter anderem mit, dass "durch Feststellung der Betriebsprüfung lt. Bericht vom 22.10.1999" der Anteil an dem "nach § 2a Abs. 3 EStG berücksichtigungsfähige(n) Verlust … DM" betrage. Die nächstfolgenden Änderungsbescheide bei der Klägerin vom 21.12.2000 stützten sich auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung in der seinerzeit geltenden Fassung (AO), beließen das festgestellte zu versteuernde Einkommen bei ./. … DM und erhöhten den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1996 um … DM auf … DM.
5 Für 1997 gab es keine Vorgänge in der Steuerakte der Klägerin.
6 Für 1998 teilte das FA X dem FA am 05.10.1999 wiederum mit einer "ESt-4B-Mitteilung" unter anderem mit, dass der Anteil an den laufenden Einkünften ./. … DM und der Anteil an "ausl. Eink. § 2a EStG … DM Staat [Z]" betrage. Die chronologisch folgenden Änderungsbescheide vom 21.12.2000 stützten sich auf § 164 Abs. 2 AO, beließen das festgestellte zu versteuernde Einkommen bei ./. … DM und erhöhten den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1998 um … DM auf … DM. Die nachfolgenden Änderungsbescheide vom 04.12.2002 stützten sich wiederum auf § 164 Abs. 2 AO, erhöhten das festgestellte zu versteuernde Einkommen um … DM auf ./. … DM und minderten den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1998 um … DM auf … DM.
7 Am 06.06.2006 änderte das FA die zuletzt ergangenen Bescheide vom 04.12.2002 gestützt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit dem Erläuterungshinweis "Die Änderung betrifft die Feststellungen der Betriebsprüfung bei der Firma [KG]. Auf das mit Frau … am 17.05.2006 geführte Gespräch wird Bezug genommen." Das zu versteuernde Einkommen wurde nunmehr mit ./. … DM und der verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1998 mit … DM festgestellt.
8 Die Klägerin reichte am 20.12.2000 die Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr ein. Die Bescheide über Körperschaftsteuer 1999 und über Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1999 ergingen am 09.01.2001 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 04.12.2002 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung nach Abschluss einer Außenprüfung bei der Klägerin aufgehoben. Bis zu diesem Zeitpunkt kam es nicht zu einer Mitteilung über Besteuerungsgrundlagen, die für die Klägerin bei der KG festgestellt wurden.
9 Nach einer Außenprüfung bei der KG stellte das für das Feststellungsverfahren dieser Gesellschaft zuständige FA X in einem Sammelfeststellungsbescheid für 1997 bis 1999 vom 31.01.2006 unter anderem bezogen auf das Streitjahr fest, dass die Entschädigungszahlung in Höhe von … DM als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe zu qualifizieren sei. Es teilte weiterhin in der Anlage 19 mit, wie hoch "nach Aktenlage" die bisher nach § 2a EStG 1990/1997 abgezogenen Verluste für die Betriebsstätte in Z seien und dass die Voraussetzungen einer Hinzurechnung der in den Vorjahren abgezogenen Verluste nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) ‑‑EStG 1997 n.F.‑‑ erfüllt seien. Über die Höhe der Hinzurechnung habe das Veranlagungsfinanzamt zu entscheiden. Nach Aktenlage seien bisher … DM abgezogen worden, zutreffend wären … DM. Gegen den Sammelfeststellungsbescheid gegenüber der KG führte die Klägerin als ehemalige Gesellschafterin sodann ein Rechtsbehelfs- und ein Klageverfahren. Mit Urteil des erkennenden Senats vom 22.02.2017 - I R 2/15 (BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709) wurde das Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 27.11.2014 - 6 K 866/12 (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2015, 537), soweit es der Klage stattgegeben hatte, aufgehoben und die Klage auch hinsichtlich des Streitpunkts Entschädigungszahlung als nichtabziehbare Betriebsausgabe und Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. abgewiesen. Insbesondere führte der Senat bezogen auf das Streitjahr aus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass die Klägerin die ihr zugerechneten Verlustanteile der Jahre 1996 bis 1998 im Streitjahr nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. nachzuversteuern habe, erfüllt seien.
10 Das FA änderte sodann am 06.06.2006 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO die Körperschaftsteuerveranlagung für das Streitjahr, indem es die Körperschaftsteuer und das zu versteuernde Einkommen mit 0 DM ansetzte und den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1999 mit … DM feststellte. Im Einzelnen legte es der Besteuerung eine Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. in Höhe von … DM, eine Kürzung in Höhe von … DM (§ 15a Abs. 2 oder Abs. 4 EStG 1997) und eine Änderung bei den nichtabziehbaren Aufwendungen in Höhe von … DM (unter anderem nichtabziehbare Entschädigungszahlung) zugrunde. Eine "ESt-4B-Mitteilung" des FA X findet sich nicht in der Steuerakte. In der Bescheiderläuterung wird jedoch darauf verwiesen, dass die Änderung die Feststellungen der Außenprüfung bei der KG und insbesondere die Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. sowie die anteilige Ausgleichszahlung betreffe.
11 Nach erfolglosem Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 06.06.2006 erhob die Klägerin Klage. Das FG gab der Klage mit in EFG 2022, 1686 veröffentlichtem Urteil vom 15.03.2022 - 1 K 274/20 statt, da die Änderung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.1999 verfahrensrechtlich nicht zulässig sei. Unmittelbar zuvor hatte das FA am 08.03.2022 Feststellungsbescheide nach § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 zum 31.12. der Jahre 1996 bis 1998 erlassen, gegen die die Klägerin beim FG Klage erhoben hat (1 K 720/22, EFG 2024, 1743), wobei das Verfahren nach einem im Revisionsverfahren ergangenen zurückverweisenden Senatsurteil vom 12.03.2025 - I R 8/24 im zweiten Rechtsgang noch offen ist.
12 Gegen das FG-Urteil vom 15.03.2022 - 1 K 274/20 richtet sich die Revision des FA, mit der beantragt wird, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13 Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen
14 II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Mit seiner Sachentscheidung, dass die Hinzurechnung nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. im Streitjahr aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr vorgenommen werden kann, hat das FG gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, da das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der am 08.03.2022 ‑‑und damit noch vor der mündlichen Verhandlung beim FG‑‑ ergangenen und dem FG bekannten Feststellungsbescheide nach § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 zum 31.12. der Jahre 1996 bis 1998 hätte ausgesetzt werden müssen.
15 1. Nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990/1997 können unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Steuerpflichtigen Verluste aus einer gewerblich tätigen ausländischen Betriebsstätte (auch dann) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden, wenn die Einkünfte aus der betreffenden Betriebsstätte nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Einkommensteuer zu befreien sind. Der Antrag des Steuerpflichtigen ist im Rahmen seiner Ertragsteuerveranlagung zu stellen. Ein nach § 2a Abs. 3 Satz 1 EStG 1990/1997 abgezogener Betrag ist gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 unter bestimmten, in der Vorschrift näher bezeichneten Voraussetzungen in einem nachfolgenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen. Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums nach Satz 3 ‑‑vorbehaltlich des Satzes 4‑‑ der Hinzurechnung unterliegende und noch nicht hinzugerechnete (verbleibende) Betrag ist nach § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 gesondert festzustellen. Hingegen sieht das Gesetz keine Feststellung für die tatsächliche Hinzurechnung im Folgejahr nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 vor; eine solche ist nach Maßgabe des Senatsurteils vom 21.02.2022 - I R 38/18 (BFH/NV 2022, 1041) auch nicht erforderlich, da die Sachfrage im Rahmen der Ertragsteuerveranlagung zu entscheiden ist.
16 2. Nach § 52 Abs. 3 Satz 3 EStG 1997 n.F. ist § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008 unter anderem dann weiter anzuwenden, wenn eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte im Sinne des § 2a Abs. 4 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. übertragen wird. Die hiernach maßgebliche Fassung des § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. sieht vor, dass ein nach Absatz 3 Satz 1 und 2 abgezogener Verlust, soweit er nach Absatz 3 Satz 3 nicht wieder hinzugerechnet worden ist oder nicht noch hinzuzurechnen ist, im Veranlagungszeitraum der Umwandlung, Übertragung oder Aufgabe in entsprechender Anwendung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen ist. Damit wird ein entgegen der Freistellungsanordnung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gewährter Verlustausgleich/-abzug wieder rückgängig gemacht (vgl. Senatsurteile vom 28.11.2007 - I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097; vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709). Auch insoweit sieht das Gesetz keine eigene Feststellung des nach § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. tatsächlich hinzuzurechnenden Betrags vor (Senatsurteil vom 21.02.2022 - I R 38/18, BFH/NV 2022, 1041).
17 3. Sind die ausländischen Verluste ‑‑wie im Streitfall‑‑ im Rahmen einer Mitunternehmerschaft angefallen, deren Einkünfte nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festgestellt werden, ist über sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des § 2a EStG 1990/1997 zur Abziehbarkeit (Art, Herkunft, Umfang, zeitliche Zuordnung der Verluste) im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteile vom 18.07.2001 - I R 70/00, BFHE 196, 248, BStBl II 2003, 48; vom 28.11.2007 - I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097; vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709). Wegen der engen Verknüpfung mit der Abziehbarkeit der Verluste ist als Feststellungsgegenstand auch die Frage erfasst, ob die Voraussetzungen der Hinzurechnung von Gewinnen nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 vorliegen (Senatsurteile vom 09.06.1999 - I R 40/98, BFH/NV 2000, 168; vom 28.11.2007 - I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097; vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709). Da der Nachversteuerungstatbestand des § 2a Abs. 4 Nr. 2 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. materiell-rechtlich unmittelbar mit § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 verknüpft ist und verhindern soll, dass die Hinzurechnung nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 umgangen wird, ist auch die Entscheidung zum Hinzurechnungs- beziehungsweise Nachversteuerungstatbestand Gegenstand des Feststellungsverfahrens des § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO. Dies hat seine Rechtfertigung darin, dass es sich beim Feststellungsfinanzamt um die "sachnähere Behörde" handelt und eine einheitliche Entscheidung gerade bei Beteiligung mehrerer Gesellschafter geboten ist (Senatsurteile vom 28.11.2007 - I R 25/07, BFH/NV 2008, 1097; vom 24.07.2013 - I R 57/11, BFHE 243, 102, BStBl II 2016, 633; vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709; Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 03.08.2017 - IV R 7/14, BFH/NV 2018, 31; s.a. Dremel in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Rz 26.42; Brandis in Tipke/Kruse, § 180 AO Rz 56; jeweils m.w.N.).
18 Eine Entscheidung darüber, ob eine dem Feststellungsverfahren nachfolgende Ertragsteuerfestsetzung unter Einschluss der Gewinnhinzurechnung aufgrund früherer Berücksichtigung der abkommensrechtlich freigestellten Verluste unionsrechtlichen Maßgaben gerecht wird, ist hiermit aber nicht verbunden. Dies ergibt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus der sachlichen Beschränkung der Entscheidung in einem Feststellungsverfahren (Senatsurteil vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709). Entgegen der Auffassung des FG (zustimmend wohl Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 2a Rz 56; offen gelassen bei Hennigfeld, EFG 2022, 1686, 1690) liegt in letzterer Aussage aber keine "Absage" an die im Senatsurteil vom 28.11.2007 - I R 25/07 (BFH/NV 2008, 1097) vorgegebene verfahrensrechtliche Vorgehensweise; vielmehr können in einem regelmäßig mehrere Beteiligte betreffenden Feststellungsverfahren etwaige Rechtsfragen, die sich auf die Steuerfestsetzungen einzelner Feststellungsbeteiligter beziehen, nicht sachgerecht beurteilt werden.
19 4. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so steht nach den Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 22.02.2017 - I R 2/15 (BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709) durch die bestandskräftigen Feststellungen in dem an die KG gerichteten Sammelfeststellungsbescheid vom 31.01.2006 bezogen auf das Streitjahr fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür, dass die Klägerin als Gesellschafterin der KG die ihr zugerechneten Verlustanteile der Jahre 1996 bis 1998 im Streitjahr nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. nachzuversteuern hat, erfüllt sind. Anders als das FG meint, sind die Feststellungen im genannten Sammelfeststellungsbescheid insoweit für die Klägerin nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend, weil sie für die Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin von Bedeutung sind und ein Grundlagenbescheid für die nachfolgende Körperschaftsteuerfestsetzung der Klägerin vorliegt (vgl. allgemein Senatsurteil vom 24.07.2013 - I R 57/11, BFHE 243, 102, BStBl II 2016, 633; zu § 2 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft bereits Senatsurteil vom 09.06.1999 - I R 40/98, BFH/NV 2000, 168). Der Senat hat im Urteil vom 22.02.2017 - I R 2/15 (BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709) festgehalten, dass unter anderem Feststellungen zur Hinzurechnung gemäß § 2a Abs. 4 EStG 1997 n.F. in zulässiger Weise Gegenstand eines Bescheids gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO sind, die ihrerseits mit der gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO vorzunehmenden gesonderten Feststellung des Streitjahres als "kombinierter Feststellungsbescheid" verbunden werden können. Er hat weiter ausgeführt, dass die im Streitfall vorgenommene Übertragung des Gesellschaftsanteils an der KG den Tatbestand des § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. erfüllt und er nicht davon überzeugt ist, dass die rückwirkende Anordnung der Nachversteuerung durch § 2a Abs. 4 i.d.F. des § 52 Abs. 3 Satz 5 EStG 1997 n.F. auch für Betriebsstättenübertragungen, die bereits während des Veranlagungs- beziehungsweise Feststellungszeitraums 1999 vorgenommen worden waren, verfassungswidrig ist. Entsprechend sei die Feststellung im Sammelfeststellungsbescheid, dass die in den Jahren 1996 bis 1998 bei der Klägerin zum Abzug gebrachten Verluste aus der Betriebsstätte der KG in Z im Streitjahr bei ihrer Steuerveranlagung wieder hinzuzurechnen seien, nach dem Maßstab nationalen Rechts ‑‑vorbehaltlich der unionsrechtlichen Überprüfung‑‑ rechtmäßig. Aus dem Vorstehenden ergibt sich bereits, dass ‑‑entgegen den Vorstellungen der Klägerin‑‑ die Tatsache, dass zwar im Sammelfeststellungsbescheid Verluste der Jahre 1996 bis 1998 aufgeführt sind, er aber seiner Bezeichnung nach die Jahre 1997 bis 1999 betrifft, unschädlich ist.
20 5. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin ist für die Nachversteuerung nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. "als solche" auch kein "Antrag" erforderlich. Der Normwortlaut sieht vielmehr vor, dass "ein nach Absatz 3 Satz 1 und 2 abgezogener Verlust", soweit er nach Absatz 3 Satz 3 nicht wieder hinzugerechnet worden ist oder nicht noch hinzuzurechnen ist, im Veranlagungszeitraum der Umwandlung, Übertragung oder Aufgabe in entsprechender Anwendung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1990/1997 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen ist. Der Senat verweist insoweit auf das Urteil I R 8/24 vom heutigen Tage.
21 6. Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die nach § 2a Abs. 4 Nr. 2 EStG 1997 n.F. vorzunehmende Hinzurechnung im Streitjahr aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid (beziehungsweise im Verlustfeststellungsbescheid) umgesetzt werden kann. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war, obwohl der Sammelfeststellungsbescheid nur zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 2a EStG 1990/1997 Feststellungen enthält, nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO gehemmt (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 19.02.2019 - X R 17/18, BFH/NV 2019, 801). In der Folge war das FA befugt, den ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern, da der streitbefangene Körperschaftsteueränderungsbescheid am 06.06.2006 und damit innerhalb der in § 171 Abs. 10 Satz 1 AO genannten Zwei-Jahres-Frist nach Ergehen des Sammelfeststellungsbescheids vom 31.01.2006 erlassen worden ist. Entsprechendes gilt für den Verlustfeststellungsbescheid.
22 7. Bereits nach den vorstehenden Ausführungen ist das FG-Urteil aufzuheben. Der Senat sieht sich indessen an einer Entscheidung in der Sache deshalb gehindert, weil das FG dadurch gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen hat, dass es das hiesige Verfahren nicht ‑‑wie dies aber geboten gewesen wäre‑‑ bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der am 08.03.2022 ‑‑und damit noch vor der mündlichen Verhandlung beim FG‑‑ ergangenen Feststellungsbescheide nach § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 zum 31.12. der Jahre 1996 bis 1998 im Sinne des § 74 FGO ausgesetzt hat.
23 a) Soweit § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 vorsieht, dass der am Schluss eines Veranlagungszeitraums nach Satz 3 ‑‑vorbehaltlich des Satzes 4‑‑ der Hinzurechnung unterliegende und noch nicht hinzugerechnete (verbleibende) Betrag gesondert festzustellen ist, liegen für die Jahre 1996 bis 1998 Feststellungsbescheide vom 08.03.2022 vor, die dem FG auch vor Durchführung der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind. Die darin für das Jahr 1998 enthaltene und gesetzlich gebotene Feststellung zur konkreten Höhe des für eine etwaige Hinzurechnung verbleibenden Betrags ist nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für das nachfolgende Veranlagungsverfahren zur Körperschaftsteuer ‑‑neben dem Feststellungsbescheid, der Grundlage des Senatsurteils vom 22.02.2017 - I R 2/15 (BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709) ist‑‑ ebenfalls als Grundlagenbescheid bindend.
24 b) Es liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, da das FG das hiesige Verfahren nicht gemäß § 74 FGO ‑‑wie mit Blick auf die Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids regelmäßig geboten und zweckmäßig (z.B. Brandis in Tipke/Kruse, § 74 FGO Rz 12, m.w.N.)‑‑ ausgesetzt hat, um den Abschluss des Verfahrens zur gesonderten Feststellung der in § 2a Abs. 3 Satz 5 EStG 1990/1997 genannten Beträge zum 31.12. der Jahre 1996 bis 1998 abzuwarten. Dieser Verfahrensfehler führt auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung, damit das FG die gebotene Aussetzung des Verfahrens vornehmen kann (vgl. nur BFH-Urteile vom 12.04.2021 - VIII R 46/18, BFHE 273, 22, BStBl II 2021, 614; vom 19.11.2024 - VIII R 10/22, BFH/NV 2025, 373; BFH-Beschluss vom 30.01.2020 - IX B 73/19, BFH/NV 2020, 562).
25 c) Das FG wird im Rahmen des zweiten Rechtsgangs gegebenenfalls auch der ‑‑im angefochtenen Urteil offen gelassenen (s. zu 3. der Urteilsgründe)‑‑ Frage nachzugehen haben, ob nach den Grundsätzen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union Timac Agro Deutschland vom 17.12.2015 - C-388/14 (EU:C:2015:829, Rz 52 ff.) und der Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 22.02.2017 - I R 2/15 (BFHE 257, 120, BStBl II 2017, 709) nach Maßgabe des Rechts des Staates Z sogenannte finale Verluste vorliegen beziehungsweise hinreichend nachgewiesen sind und ob ein unionsrechtlicher Anspruch auf Abzug besteht.
26 8. Die Übertragung der Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.