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Steuerrecht
20.05.2016
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Zur Anwendung der 1% Regelung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.11.2015 – 7 K 94/13

Amtlicher Leitsatz

Die 1% Regelung kann auch anzuwenden sein, wenn der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der PKW-Überlassung auf Gehalt verzichtet.

Sachverhalt

Streitig ist die steuerliche Behandlung der privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber geleasten PKW.

Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren antragsgemäß zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) und daneben aus der Beteiligung an einer Gesellschaft Einkünfte aus selbständiger Arbeit gem. § 18 EStG.

Am 19. Dezember 2008 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung für die Überlassung eines PKW im „Wege der Gehaltsumwandlung von Barlohn in Sachbezug“ (vgl. Präambel der Vereinbarung). Nach der Vereinbarung least der Arbeitgeber ein vom Kläger auszuwählendes Fahrzeug für 48 Monate, beginnend ab ca. Februar 2009. Der Arbeitgeber trägt alle Kosten des Leasingfahrzeugs (insbesondere die Leasingraten, KfZ-Steuer, Versicherungsprämien sowie Betriebs- und Reparaturkosten). Vom Kläger verauslagte Kraftstoff- und sonstige Kosten werden durch den Arbeitgeber nach Vorlage der Originalrechnungen erstattet. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, auf einen Teil seines Arbeitslohns zu verzichten. Der Kläger durfte den PKW auch für private Zwecke nutzen. Im Zusammenhang mit der PKW-Überlassung wurde ein sog. PKW-Verrechnungskonto geführt. Wies dies ein Guthaben aus, sollte der Kläger eine Erstattung erhalten; wies das Verrechnungskonto einen Nachzahlungsbetrag aus, sollte der Kläger diesen an den Arbeitgeber erstatten. In den Streitjahren kam es zu keiner Erstattung von Kosten durch den Kläger.

Der Arbeitgeber stellte dem Kläger entsprechend der Vereinbarung ab dem Jahr 2009 einen geleasten PKW zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Es erfolgte vereinbarungsgemäß auch ein Lohnverzicht. Der Arbeitgeber unterwarf nur den um den Lohnverzicht geminderten Arbeitslohn dem Lohnsteuereinbehalt. Eine Versteuerung der privaten PKW-Nutzung im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens durch den Arbeitgeber erfolgte dagegen nicht.

Den von den Klägern eingereichten Steuererklärungen für die Streitjahre war nicht zu entnehmen, dass dem Kläger ein betrieblicher PKW auch für private Zwecke vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden war. Daher blieb dieser Umstand bei den ursprünglichen Steuerfestsetzungen unberücksichtigt. Der Beklagte erfuhr erst im Rahmen einer beim Arbeitgeber durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung von diesem Sachverhalt. Daraufhin änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2011 und erhöhte den steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers unter Berücksichtigung der sog. 1%-Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung erfolgte eine Versteuerung des geldwerten Vorteils für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG.

Die Kläger erhoben gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 24. Mai 2013 als unbegründet zurückwies.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, dass eine Versteuerung der privaten PKW-Nutzung unterbleiben müsse. Er - der Kläger - habe durch den Lohnverzicht wirtschaftlich sämtliche PKW-Kosten getragen. Die Eigenleistung müsse keine Nettolohnzahlung sein, sie könne auch über eine Bruttogehaltsminderung erfolgen. Zwar führe der Bruttolohnverzicht zu einer Minderung der Lohnsteuer und Nebensteuern, dennoch werde aber tatsächlich auf den Zufluss von Nettolohn in pauschaler Höhe verzichtet. Bei einem Grenzsteuersatz von etwa 40% werde auf 60% Nettolohn verzichtet. Zumindest in dieser Höhe werde eine Eigenleistung erbracht. Der Verzicht stelle wirtschaftlich eine Zuzahlung des Klägers an den Arbeitgeber für die Nutzung des PKW für private Zwecke und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte dar. Daher sei kein Raum für eine Versteuerung eines geldwerten Vorteils aufgrund der privaten Nutzungsmöglichkeit. Denn die Anwendung der 1%-Regelung setze voraus, dass der Arbeitgeber sämtliche PKW-Kosten getragen habe. Im vorliegenden Fall trage der Arbeitgeber aber gar keine Kosten. Zudem überwälze der Arbeitgeber auch sämtliche sonstigen Risiken des PKW auf den Kläger. Auf §§ 9-11 der „Bedingungen für die Überlassung eines Firmenfahrzeugs“ sei hingewiesen. Der Kläger verzichte auf einen Teil seines Bruttogehalts. Daneben verzichte er auf die arbeitsvertraglich zugesicherte Kilometergelderstattung in Höhe von 0,50 € pro Dienstfahrtkilometer. Er müsse auch einen Restbetrag zahlen, wenn die Aufwendungen durch die vorgenannten Zahlungen nicht gedeckt seien. Dazu führe der Arbeitgeber ein Verrechnungskonto. Nach dem im Einkommensteuerrecht geltenden Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit müsse die geleistete Zuzahlung des Klägers berücksichtigt werden. Desweiteren sei der PKW dem Kläger und nicht dem Arbeitgeber zuzuordnen. Nach der Entscheidung des BFH vom 18. Dezember 2014 (VI R 75/13) sei ein PKW dem Arbeitnehmer zuzuordnen, wenn er alle Verpflichtungen, Lasten und Gefahren aus dem PKW-Leasingvertrag und seiner Beendigung trage. So sei es auch im Streitfall, so dass die 1%-Regelung nicht anzuwenden sei. Es seien daher nur die Rabatt-Vorteile zu berücksichtigen (zu der Ermittlung siehe Schreiben der Kläger vom 5. November 2015).

Die Kläger beantragen,

die Steuern unter Änderung der angefochtenen Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen herabzusetzen, wie sie sich ergeben, wenn die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit gemindert werden um

2009: EUR

2010: EUR

2011: EUR

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass der geldwerte Vorteil der privaten PKW-Nutzung als Arbeitslohn zu versteuern sei. Verzichte ein Arbeitnehmer unter Änderung des Anstellungsvertrages auf einen Teil seines Barlohns und gewähre ihm der Arbeitgeber statt dessen Sachlohn, so sei der verbliebene Barlohn mit dem Nennwert und der Sachlohn mit den Werten des § 8 Abs. 2 und Abs. 3 EStG anzusetzen. Der Gehaltsverzicht, den der Kläger ausgesprochen hatte, stelle keine Kostenübernahme dar.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Gericht beigezogenen Akten des Beklagten und die im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die Klage war aus den in der Einspruchsentscheidung dargelegten Gründen abzuweisen, denn der Beklagte hat dort die Rechtslage zutreffend wiedergegeben. Der Senat sieht deshalb gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend führt der Senat folgendes aus:

Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass im Streitfall eine übliche Barlohnumwandlung vorliegt. Im Fall, in dem der Arbeitnehmer unter Änderung des Anstellungsvertrages auf einen Teil seines Barlohns verzichtet und ihm der Arbeitgeber statt dessen Sachlohn z.B. in Form eines Nutzungsvorteils gewährt, ist der verbliebene Barlohn mit dem Nennwert und der Sachlohn mit den Werten des § 8 Abs. 2 und 3 EStG anzusetzen (BFH-Beschluss vom 20. August 1997 VI B 83/97, BStBl. II 1997, 667). Diesen Vorgaben ist der Beklagte bei der streitigen Steuerfestsetzung gefolgt. Entgegen der Auffassung der Kläger führt der Gehaltsverzicht nicht dazu, dass er die Kosten der PKW-Nutzung getragen hat. Vielmehr ist es das Wesen einer Barlohnumwandlung, dass der Zuwendung eines Nutzungsvorteils durch den Arbeitgeber ein Gehaltsverzicht des Arbeitnehmers gegenüber steht.

Auch die vom BFH im Urteil vom 18. Dezember 2014 (VI R 75/13, BStBl. II 2015, 670) aufgestellten Grundsätze führen - entgegen der Auffassung der Kläger - zu keiner anderen Entscheidung.

Der BFH hat im Urteil vom 18. Dezember 2014 (VI R 75/13, BStBl. II 2015, 670) entschieden, dass die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu Lohnzufluss (§ 19 EStG) führt (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2014 VI R 35/12, BFHE 245, 192, BStBl. II 2014, 643; vom 13. Dezember 2012 VI R 51/11, BFHE 240, 69, BStBl. II 2013, 385; vom 21. März 2013 VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl. II 2013, 700; VI R 42/12, BFHE 241, 180, BStBl. II 2013, 918; vom 6. Oktober 2011 VI R 56/10, BFHE 235, 383, BStBl. II 2012, 362). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zwingend entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten (BFH-Urteil vom 21. März 2013 VI R 31/10, BFHE 241, 167, BStBl. II 2013, 700).

Die zwingend vorgeschriebene Anwendung der Bewertungsvorschrift kann nicht durch Zahlung eines Nutzungsentgelts vermieden werden. Vom Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß gezahlte Nutzungsvergütungen sind gegebenenfalls von den nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ermittelten Werten in Abzug zu bringen. Denn insoweit fehlt es an einer Bereicherung des Arbeitnehmers (BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 95/04, BFHE 215, 252, BStBl. II 2007, 269). Entsprechendes gilt für Zuzahlungen des Arbeitnehmers zu den Anschaffungskosten eines betrieblichen PKW. Entstehen einem Steuerpflichtigen für ein fremdes Wirtschaftsgut, das er zur Einkünfteerzielung nutzt, Anschaffungs- oder Herstellungskosten, kann er diesen Aufwand nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG wie Anschaffungskosten eines Nutzungsrechts behandeln und Absetzung für Abnutzung (AfA) für das Nutzungsrecht "wie ein materielles Wirtschaftsgut" vornehmen (Beschlüsse des BFH vom 23. August 1999 GrS 1/97, BFHE 189, 151, BStBl. II 1999, 778, und vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl. II 1995, 281). Die AfA ist auf der Grundlage der voraussichtlichen Gesamtdauer des Nutzungsrechts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG zu schätzen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. März 2005 IX B 174/03, BFHE 212, 561, BStBl. II 2006, 368, m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt auch bei Zuzahlungen zu den Anschaffungskosten eines Dienstwagens vor, weil der Steuerpflichtige seinen Aufwand zur Erzielung von als Arbeitslohn zu bewertenden geldwerten Vorteilen und gegebenenfalls zu beruflich veranlassten Reisen tätigt (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 59/06, BFHE 219, 208, BStBl. II 2009, 200).

Eine solche Überlassung eines betrieblichen Kfz i.S. des § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 EStG liegt allerdings nicht vor, wenn das Fahrzeug nicht dem Arbeitgeber, sondern dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist. Dies ist zuvörderst der Fall, wenn der Arbeitnehmer Eigentümer des Fahrzeugs ist. Das Fahrzeug ist aber auch dann dem Arbeitnehmer zuzurechnen, wenn er über dieses Fahrzeug wie ein wirtschaftlicher Eigentümer oder als Leasingnehmer verfügen kann. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Voreigentümer oder der Leasinggeber ein fremder Dritter oder der Arbeitgeber ist. Dem Arbeitnehmer ist das Fahrzeug dann zuzurechnen, wenn ihm der Arbeitgeber das Fahrzeug aufgrund einer vom Arbeitsvertrag unabhängigen Sonderrechtsbeziehung, etwa einem Leasingvertrag, überlässt. Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitgeber selbst Leasingnehmer ist und das Fahrzeug seinem Arbeitnehmer auf der Grundlage eines Unterleasingverhältnisses übergibt (zum umgekehrten Fall vgl. BFH-Urteil vom 6. November 2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142, BStBl. II 2002, 370). Eine solche vom Arbeitsvertrag unabhängige Sonderrechtsbeziehung, auf der die Fahrzeugübertragung gründet, kann auch dann vorliegen, wenn die Beteiligten diese nicht schriftlich vereinbart haben. Entscheidend ist, dass nach den tatsächlichen Umständen der Arbeitnehmer im Innenverhältnis gegenüber seinem Arbeitgeber die wesentlichen Rechte und Pflichten eines Leasingnehmers hat, er also ein in Raten zu zahlendes Entgelt zu entrichten hat und ihn allein die Gefahr und Haftung für Instandhaltung, Sachmängel, Untergang und Beschädigung der Sache treffen (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2014 XII ZR 120/13, Monatsschrift für Deutsches Recht 2015, 144, Rz. 26; vom 4. Februar 2004 XII ZR 301/01, BGHZ 158, 19, m.w.N.). In einem solchen Fall sind mögliche, aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Vorteile nicht nach der speziellen Bewertungsnorm des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung etwa für die Erfassung von Rabatten gelten, zu bewerten (BFH-Urteile vom 26. Juli 2012 VI R 27/11, BFHE 238, 376, BStBl. II 2013, 402, und VI R 30/09, BFHE 238, 371, BStBl. II 2013, 400).

Umstände, nach denen der vom Arbeitgeber geleaste PKW dem Kläger zuzurechnen ist, liegen im Streitfall aber nicht vor. Denn nach der vertraglichen Vereinbarung über die Nutzung des PKW trägt der Arbeitgeber sämtliche Kosten des Fahrzeugs. Auch der vom Kläger ausgesprochene Gehaltsverzicht führt nicht dazu, dass er die PKW-Kosten getragen hat. Der PKW ist somit dem Arbeitgeber zuzurechnen und der mit der privaten Nutzungsmöglichkeit verbundene geldwerte Vorteil ist nach § 8 Abs. 2 EStG zu versteuern.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

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