: Zuordnungswahlrecht mit Vorsteuerabzug für privat genutzte Gebäudeteile
EuGH, Urteil vom 23.4.2009 - C 460/07
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Art. 17 Abs. 2 und 6 - Vorsteuerabzugsrecht - Herstellungskosten eines dem Unternehmen eines Steuerpflichtigen zugeordneten Gebäudes - Art. 6 Abs. 2 - Verwendung eines Teils des Gebäudes für den privaten Bedarf - Finanzieller Vorteil gegenüber Nichtsteuerpflichtigen - Gleichbehandlung - Staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG - Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug"
In der Rechtssache C‑460/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. September 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Oktober 2007, in dem Verfahren
Sandra Puffer
gegen
Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Linz,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues und J. Klučka, der Richterin P. Lindh und des Richters A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Puffer, vertreten durch die Rechtsanwälte F. Schubert und W.‑D. Arnold sowie durch Steuerberater C. Prodinger,
- des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz, vertreten durch T. Krumenacker als Bevollmächtigten,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Bauer als Bevollmächtigten,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Dezember 2008
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und seine Vereinbarkeit mit dem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Puffer und dem Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Linz (im Folgenden: Unabhängiger Finanzsenat), wegen des Rechts auf Abzug der in den Jahren 2002 und 2003 auf die Herstellungskosten eines Gebäudes, das zur Gänze dem Unternehmen von Frau Puffer zugeordnet war, aber teilweise privat genutzt wurde, entrichteten Mehrwertsteuer.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt", der Mehrwertsteuer.
4 In Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie heißt es:
„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst."
5 Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie stellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke" einer Dienstleistung gegen Entgelt gleich, „wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat".
6 Nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage „bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung".
7 Nach Art. 13 Teil B Buchst. b Abs. 1 der Sechsten Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten „die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" von der Steuer, vorbehaltlich bestimmter, hier nicht einschlägiger Ausnahmen.
8 Art. 17 der Sechsten Richtlinie in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung bestimmt:
„(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,
...
(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.
Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
...
(6) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.
Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die ... in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.
..."
9 Art. 20 der Sechsten Richtlinie sieht in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung vor:
„(1) Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere:
a) wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war;
b) wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben ...
(2) Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel der Steuer, mit der diese Güter belastet waren. Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.
Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung der Güter beginnt.
Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden."
Nationales Recht
10 § 12 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit a des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 - UStG 1994, BGBl. 663/1994) lautete in der zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union, d. h. am 1. Januar 1995, geltenden Fassung wie folgt:
„1. Lieferungen oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung, Errichtung oder Erhaltung von Gebäuden gelten insoweit als für das Unternehmen ausgeführt, als die Entgelte hiefür nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.
2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen oder sonstige Leistungen,
a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 [BGBl. 400/1988] oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 [BGBl. 401/1988] sind,
..."
11 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass § 12 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit a UStG 1994 dazu führten, dass der Vorsteuerabzug nur für den unternehmerisch genutzten Teil eines Gebäudes, nicht aber für dessen privaten Wohnzwecken dienenden Teil gewährt wurde, da § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 den Abzug der Ausgaben für den Lebensunterhalt, zu denen die Ausgaben für die Wohnung gehörten, vom steuerpflichtigen Einkommen ausschloss.
12 Durch das Abgabenänderungsgesetz 1997 (BGBl I 9/1998, im Folgenden: AbgÄG 1997) wurde zum einen § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 dahin geändert, dass gemischt genutzte Gebäude zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet werden können. Zum anderen wurde in § 6 Abs. 1 Z 16 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 3 UStG 1994 bestimmt, dass die Verwendung von Gebäudeteilen für private Wohnzwecke einen „steuerbefreiten Umsatz" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b Abs. 1 der Sechsten Richtlinie darstellt und damit den Vorsteuerabzug ausschließt.
13 Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass der österreichische Gesetzgeber mit diesen Änderungen den Ausschluss des Vorsteuerabzugs für Gebäudeteile, die für private Wohnzwecke verwendet werden, fortführen wollte, unter Anerkennung der aus dem Urteil vom 8. Mai 2003, Seeling (C‑269/00, Slg. 2003, I‑4101), resultierenden Möglichkeit, ein gemischt genutztes Gebäude zur Gänze dem Unternehmen zuzuordnen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
14 Frau Puffer errichtete im Zeitraum von November 2002 bis Juni 2004 ein Einfamilienwohnhaus mit Schwimmbad. Ab 2003 verwendete sie dieses Gebäude mit Ausnahme eines zu unternehmerischen Zwecken vermieteten Teils, der etwa 11 % des Gebäudes ausmachte, für private Wohnzwecke.
15 Frau Puffer ordnete das Gebäude zur Gänze ihrem Unternehmen zu und beantragte den vollen Abzug der für die Errichtung des Gebäudes in Rechnung gestellten Vorsteuern.
16 Mit berichtigenden Umsatzsteuerbescheiden ließ das Finanzamt für die Jahre 2002 und 2003 die für die Errichtung des Schwimmbads entrichteten Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Hinsichtlich der übrigen Errichtungskosten erkannte es den Abzug der entrichteten Vorsteuern nur im Ausmaß der unternehmerischen Nutzung des Gebäudes von 11 % an.
17 Die dagegen von Frau Puffer erhobene Berufung wies der Unabhängige Finanzsenat u. a. mit der Begründung ab, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie für die Republik Österreich nach österreichischem Recht ein Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts hinsichtlich der Herstellungskosten von Gebäudeteilen bestanden habe, die für private Wohnzwecke verwendet würden, und dass der nationale Gesetzgeber sein in Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenes Recht zur Beibehaltung dieses Ausschlusses nicht aufgegeben habe.
18 Frau Puffer legte gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein. Sie macht geltend, dass die gänzliche Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Recht auf vollen Vorsteuerabzug vermittle und dass die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie, unter denen die Mitgliedstaaten einen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden Ausschluss des Vorsteuerabzugs beibehalten könnten, im vorliegenden Fall nicht gegeben seien.
19 Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das österreichische Recht entgegen Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie den vollen und sofortigen Abzug der Mehrwertsteuer auf die Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes, das zur Gänze einem Unternehmen zugeordnet sei, nicht zulasse, und wirft die Frage auf, ob diese Bestimmung mit dem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sei.
20 Hierzu weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass der volle und sofortige Abzug der Mehrwertsteuer auf die Herstellungskosten eines solchen gemischt genutzten Gebäudes und die auf zehn Jahre verteilte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die Ausgaben für den für private Wohnzwecke verwendeten Gebäudeteil dazu führten, dass dem Steuerpflichtigen für diesen Zeitraum ein „zinsloser Kredit" gewährt werde, der einem Nichtsteuerpflichtigen nicht zugänglich sei.
21 Daher stelle sich die Frage, ob der sich daraus ergebende finanzielle Vorteil, der mit 5 % der Nettoherstellungskosten des für private Zwecke verwendeten Gebäudeteils anzusetzen sei, zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen sowie - innerhalb der Gruppe der Steuerpflichtigen - von Steuerpflichtigen, die ein Gebäude zu rein privaten Zwecken errichteten, und solchen, die es teilweise für ihr Unternehmen errichteten, führe.
22 Ferner sei zweifelhaft, ob dieser finanzielle Vorteil, der Steuerpflichtigen, die besteuerte Umsätze tätigten, zuteil werde, nicht aber jenen, die nur steuerbefreite Umsätze tätigten, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG darstellen könne, wenn er sich aus einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie ergebe und die beiden Gruppen von Steuerpflichtigen miteinander in Wettbewerb stünden.
23 Schließlich sei fraglich, ob die den Vorsteuerabzug ausschließende nationale Regelung trotz der Änderungen durch das AbgÄG 1997 von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie gedeckt sei, wie der Unabhängige Finanzsenat meine.
24 Unter diesen Umständen hat der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verstößt die Sechste Richtlinie, insbesondere deren Art. 17, gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte (den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz), weil sie bewirkt, dass Steuerpflichtige Eigentum an Wohnobjekten für ihre privaten Wohnzwecke (Konsum) um rund 5 % günstiger erwerben können als andere EU-Bürger, wobei der absolute Betrag dieses Vorteils unbegrenzt mit der Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wohnobjekts steigt? Ergibt sich ein derartiger Verstoß auch dadurch, dass Steuerpflichtige Eigentum an Wohnobjekten für ihre privaten Wohnzwecke, welche sie zumindest geringfügigst für ihr Unternehmen verwenden, um rund 5 % günstiger erwerben können als andere Steuerpflichtige, welche ihre privaten Wohngebäude nicht zumindest geringfügigst für das Unternehmen nutzen?
2. Verstößt die in Umsetzung der Sechsten Richtlinie, insbesondere deren Art. 17, ergangene nationale Maßnahme gegen Art. 87 EG, weil sie den in Frage 1 angesprochenen Vorteil für die vom Steuerpflichtigen privat genutzten Wohnobjekte zwar jenen Steuerpflichtigen einräumt, die steuerpflichtige Umsätze tätigen, diesen Vorteil aber Steuerpflichtigen mit befreiten Umsätzen vorenthält?
3. Entfaltet Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie weiterhin seine Wirkung, wenn der nationale Gesetzgeber eine Vorsteuerausschlussbestimmung des nationalen Rechts (hier § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994), die sich auf Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie stützen konnte, mit der ausdrücklichen Absicht ändert, diesen Vorsteuerausschluss beizubehalten, und sich aus dem nationalen UStG auch ein Beibehalten des Vorsteuerausschlusses ergäbe, der nationale Gesetzgeber aber aufgrund eines erst nachträglich erkennbaren Irrtums über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts (hier Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie) eine Regelung getroffen hat, die - isoliert betrachtet - nach dem Gemeinschaftsrecht (in der durch das Urteil Seeling getroffenen Auslegung des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie) einen Vorsteuerabzug zulässt?
4. Falls die Frage 3 verneint wird:
Kann es die auf die „Stand-still-Klausel" des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie gestützte Wirkung eines Vorsteuerausschlusses (hier § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994) beeinträchtigen, wenn der nationale Gesetzgeber von zwei einander überlappenden Vorsteuerausschlüssen des nationalen Rechts (hier § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 und § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994) einen ändert und im Ergebnis deshalb aufgibt, weil er sich in einem Rechtsirrtum befunden hat?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage: Vereinbarkeit von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie mit dem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung
25 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie dadurch gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie mittels des Rechts auf vollen und sofortigen Abzug der Vorsteuer für die Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes und durch die gestaffelte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung dieses Gebäudes den Steuerpflichtigen gegenüber Nichtsteuerpflichtigen und gegenüber Steuerpflichtigen, die ihr Gebäude nur zu privaten Wohnzwecken verwenden, einen finanziellen Vorteil einräumen können.
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
26 Frau Puffer macht geltend, ein Unternehmer habe die Wahl, einen gemischt genutzten Gegenstand zur Gänze dem Unternehmen zuzuordnen, um die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zu behalten, wenn dieser Gegenstand später in höherem Ausmaß unternehmerisch verwendet werde.
27 Werde der Gegenstand zuerst, sei es auch nur teilweise, privat verwendet und erst später dem Unternehmen zugeordnet, lasse die Sechste Richtlinie nämlich den Vorsteuerabzug gerade nicht mehr zu. Der sofortige und volle Vorsteuerabzug sowie die gestaffelte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung dieses Gegenstands ergäben sich aus dem System der Sechsten Richtlinie, dessen Auswirkungen der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung erkannt habe. Somit bestehe kein Grund, die Vereinbarkeit dieses Systems mit dem allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung in Zweifel zu ziehen.
28 Der Unabhängige Finanzsenat führt aus, nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sei der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig, als die Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers verwendet würden. Folglich bestehe nach der Sechsten Richtlinie hinsichtlich des privaten Anteils der Nutzung eines Gegenstands kein Abzugsrecht.
29 Nach dem klaren Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sei nämlich zuerst zu beurteilen, in welchem Umfang das Abzugsrecht nach Maßgabe der Verwendung des Gegenstands für Zwecke der besteuerten Umsätze bestehe. Erst dann sei zu prüfen, ob eine private Nutzung eines Teils des ursprünglich für Zwecke der besteuerten Umsätze verwendeten Gegenstands gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichzustellen sei.
30 Folglich könnten weder die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen noch die Unternehmereigenschaft für sich allein ein Vorsteuerabzugsrecht begründen. Es handele sich dabei lediglich um zwei Voraussetzungen, die neben anderen erfüllt sein müssten.
31 Insbesondere käme es, wenn diese beiden Voraussetzungen genügten, zu einem Zirkelbezug und zu Systemwidrigkeiten. Wäre dies der Fall, könnten Unternehmer, die nur steuerbefreite Umsätze tätigten und daher grundsätzlich keine Vorsteuer abziehen dürften, für einen gemischt genutzten Gegenstand im Ausmaß seiner Verwendung für private Zwecke doch den Vorsteuerabzug geltend machen.
32 Ferner dürften Unternehmer, die teils steuerbefreite Umsätze und teils besteuerte Umsätze tätigten, nach Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie die Vorsteuer nur in Höhe des Anteils ihrer besteuerten Umsätze abziehen. Dieser Anteil könne aber von den Anteilen der privaten und der unternehmerischen Verwendung erheblich abweichen.
33 Die österreichische Regierung hat sich in der mündlichen Verhandlung der vom Unabhängigen Finanzsenat vertretenen Auslegung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie angeschlossen. Sie ist der Ansicht, nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sei der Vorsteuerabzug nur hinsichtlich des zur Verwendung für besteuerte Umsätze bestimmten Teils eines Gebäudes zulässig und nicht für den zur privaten Nutzung bestimmten Teil. Letztlich brauche die erste Frage nicht beantwortet zu werden, da es bei dieser Auslegung kein Problem der Gleichbehandlung gebe.
34 Die Kommission hebt hervor, dass die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, einen gemischt genutzten Gegenstand zur Gänze seinem Unternehmen zuzuordnen, auf dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität beruhe, der die freie und ungehinderte Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten gewährleisten solle. Die entsprechende Verpflichtung des Steuerpflichtigen, Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für die private Verwendung des Gegenstands, die einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sei, zu zahlen, ziele gerade darauf ab, die Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen sicherzustellen.
35 Der geringe Liquiditätsvorteil, der den Steuerpflichtigen nach diesem System verbleiben könne, resultiere zum einen aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und ihrem Legalstatus, der es mit sich bringe, dass sie die Mehrwertsteuer vereinnahmten und an den Fiskus abführten, und hänge zum anderen damit zusammen, dass die unternehmerische Verwendung des gemischt genutzten Gegenstands später zunehmen könne. Aus der Existenz dieses Vorteils könne somit kein Verstoß gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung hergeleitet werden.
36 Nur wenn eine unternehmerische Verwendung von vornherein ausscheide - sei es aus objektiven Gründen oder weil der Steuerpflichtige selbst eine solche Verwendung ausgeschlossen habe -, seien eine Zuordnung zum Unternehmen und der Abzug der betreffenden Vorsteuer ausgeschlossen.
37 Im Übrigen werde der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dadurch verletzt, dass ein Steuerpflichtiger, der sich nicht für die Zuordnung eines Gegenstands zu seinem Unternehmen entschieden habe, die Vorsteuer nicht abziehen könne, da er diese Möglichkeit gehabt und von ihr keinen Gebrauch gemacht habe. Da er sich nicht für eine solche Zuordnung entschieden habe, könne er keine Ungleichbehandlung rügen.
38 Schließlich beruhe die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die besteuerte Umsätze tätigten, und Steuerpflichtigen, die befreite Umsätze tätigten, letzten Endes auf dem Neutralitätsgrundsatz, der den Vorsteuerabzug nur für steuerpflichtige Umsätze zulasse.
Antwort des Gerichtshofs
39 Erstens ist daran zu erinnern, dass der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung, wenn ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird, im Hinblick auf die Mehrwertsteuer die Wahl hat, diesen Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen zu belassen, wodurch er dem Mehrwertsteuersystem vollständig entzogen wird, oder ihn nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einzubeziehen (Urteile vom 14. Juli 2005, Charles und Charles-Tijmens, C‑434/03, Slg. 2005, I‑7037, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 14. September 2006, Wollny, C‑72/05, Slg. 2006, I‑8297, Randnr. 21).
40 Entscheidet sich der Steuerpflichtige für die Behandlung von Investitionsgütern, die sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet werden, als Gegenstände des Unternehmens, so ist die beim Erwerb dieser Gegenstände geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar (Urteile Charles und Charles-Tijmens, Randnr. 24, und Wollny, Randnr. 22).
41 Nach Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie ist jedoch die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der entrichteten Mehrwertsteuer berechtigt hat. Diese Verwendung, die also einen „besteuerten Umsatz" im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie darstellt, wird nach deren Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c auf der Grundlage des Betrags der Ausgaben für die Erbringung der Dienstleistung besteuert (Urteile Charles und Charles-Tijmens, Randnr. 25, und Wollny, Randnr. 23).
42 Daher ist ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt und dementsprechend verpflichtet, Mehrwertsteuer auf den Betrag der Ausgaben für diese Verwendung zu zahlen (Urteil Wollny, Randnr. 24).
43 Dagegen kann, wenn der Steuerpflichtige beim Erwerb eines Investitionsguts dieses in vollem Umfang seinem Privatvermögen oder nur teilweise seinen unternehmerischen Tätigkeiten zuordnet, hinsichtlich des dem Privatvermögen zugeordneten Teils kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1991, Lennartz, C‑97/90, Slg. 1991, I‑3795, Randnrn. 8 und 9, und vom 21. April 2005, HE, C‑25/03, Slg. 2005, I‑3123, Randnr. 43).
44 Ebenso wenig kann in diesem Fall eine spätere Verwendung des dem Privatvermögen zugeordneten Teils des Gegenstands für unternehmerische Zwecke zu einem Abzugsrecht führen, da dieses nach Art. 17 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Die derzeitige Gemeinschaftsregelung sieht hierfür keinen Berichtigungsmechanismus vor, wie die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat.
45 Im Fall von Investitionsgütern, bei denen die gemischte Nutzung im Lauf der Zeit variiert, könnte die vom Unabhängigen Finanzsenat und von der österreichischen Regierung vertretene Auslegung von Art. 17 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie zur Folge haben, dass dem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug für spätere besteuerte unternehmerische Verwendungen verweigert würde, obwohl er den fraglichen Gegenstand ursprünglich im Hinblick auf künftige Umsätze zur Gänze seinem Unternehmen zuordnen wollte.
46 In einer solchen Situation würde mithin der Steuerpflichtige nicht vollständig von der Steuer entlastet, die auf den Gegenstand entfällt, den er für die Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, und es käme zu einer Doppelbesteuerung seiner unternehmerischen Tätigkeiten, die dem Grundsatz der Steuerneutralität zuwiderliefe, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, in das sich die Sechste Richtlinie einfügt, zugrunde liegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2001, Bakcsi, C‑415/98, Slg. 2001, I‑1831, Randnr. 46, und HE, Randnr. 71).
47 Überdies würde, selbst wenn vorgesehen wäre, dass nach einer tatsächlichen unternehmerischen Nutzung des ursprünglich zu privaten Zwecken verwendeten Gebäudeteils die Vorsteuer auf die Herstellungskosten erstattet wird, auf dem Gegenstand während des manchmal sehr langen Zeitraums zwischen den Investitionsausgaben und der tatsächlichen unternehmerischen Nutzung eine finanzielle Belastung ruhen. Der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt jedoch hinsichtlich der Abgabenbelastung des Unternehmens, dass die Investitionsausgaben, die für die Zwecke eines Unternehmens und zu dessen Verwirklichung getätigt werden, als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden, die zu einem Recht auf sofortigen Abzug der Vorsteuer führen. Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen seiner gesamten steuerpflichtigen wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1985, Rompelman, 268/83, Slg. 1985, 655, Randnrn. 19 und 23).
48 Schließlich führt die von der Rechtsprechung entwickelte Auslegung von Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie entgegen dem Vorbringen des Unabhängigen Finanzsenats und der österreichischen Regierung weder zu einem Zirkelschluss - wie die Generalanwältin in Nr. 46 ihrer Schlussanträge dargelegt hat - noch zu Systemwidrigkeiten.
49 Steuerpflichtige, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen, können nämlich nach dieser Bestimmung überhaupt keine Vorsteuer abziehen und damit auch keine Abzüge hinsichtlich der Verwendung gemischt genutzter Gegenstände zu privaten Zwecken geltend machen.
50 Ebenso wenig gibt es bei Steuerpflichtigen, die sowohl steuerbefreite als auch besteuerte Umsätze tätigen, einen Widerspruch zwischen dem jeweiligen Umfang der privaten und der unternehmerischen Verwendung und dem in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen anteiligen Abzug.
51 Nach der Systematik von Art. 17 der Sechsten Richtlinie ist nämlich, wenn der Steuerpflichtige beim Erwerb eines Investitionsguts dieses in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnet, der sofortige Vorsteuerabzug für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag seiner besteuerten Umsätze entfällt. Da sich dieser Pro-rata-Satz im Lauf der Zeit ändern kann, sieht Art. 20 der Sechsten Richtlinie einen Berichtigungsmechanismus vor. Hat jedoch die Anwendung der Art. 17 und 20 der Sechsten Richtlinie zu einem Recht auf teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer geführt, so kann der Steuerpflichtige wie jeder Steuerpflichtige, der nur besteuerte Umsätze tätigt, die gestaffelte Erhebung der Mehrwertsteuer auf seine private Verwendung dieses Gegenstands nicht vermeiden.
52 Zweitens liegt nach ständiger Rechtsprechung ein Verstoß gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung dann vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder wenn dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. Urteile vom 7. Mai 1998, Lease Plan, C‑390/96, Slg. 1998, I‑2553, Randnr. 34, und vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, Slg. 2000, I‑6857, Randnr. 84).
53 Außerdem kommt im Grundsatz der steuerlichen Neutralität für den Mehrwertsteuerbereich der Grundsatz der Gleichbehandlung zum Ausdruck (Urteile vom 8. Juni 2006, L.u.P., C‑106/05, Slg. 2006, I‑5123, Randnr. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 10. April 2008, Marks & Spencer, C‑309/06, Slg. 2008, I‑2283, Randnr. 49).
54 Im Übrigen soll, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, durch die in Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie vorgesehene Gleichstellung der privaten Nutzung eines vom Steuerpflichtigen seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands mit einer Dienstleistung gegen Entgelt zum einen eine Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen, der beim Erwerb oder bei der Herstellung dieses Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, mit dem Endverbraucher, der den Gegenstand kauft und dafür Mehrwertsteuer entrichtet, gewährleistet werden, indem verhindert wird, dass der Steuerpflichtige einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber dem Endverbraucher genießt, und zum anderen soll die steuerliche Neutralität gewahrt werden, indem der Zusammenhang zwischen Vorsteuerabzug und Erhebung der Mehrwertsteuer sichergestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Wollny, Randnrn. 30 bis 33).
55 Wie das vorlegende Gericht jedoch ausführt, ist es hinsichtlich der privaten Verwendung eines gemischt genutzten Investitionsguts möglich, dass die genannte Bestimmung für sich allein nicht die Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen und Nichtsteuerpflichtigen oder anderen Steuerpflichtigen, die solche Gegenstände für private Zwecke kaufen und daher sofort die volle Mehrwertsteuerlast tragen müssen, gewährleistet. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass das in Randnr. 47 des vorliegenden Urteils genannte Ziel, die Steuerpflichtigen mittels Art. 17 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer, die im Rahmen ihrer gesamten besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldet oder entrichtet wird, einschließlich jeder finanziellen Belastung der Gegenstände im Zeitraum zwischen den Investitionsausgaben und der tatsächlichen unternehmerischen Nutzung vollständig zu entlasten, hinsichtlich der privaten Verwendung dieser Gegenstände durch die Steuerpflichtigen zu einem finanziellen Vorteil führen kann (vgl. entsprechend Urteil Wollny, Randnr. 38).
56 Somit ergibt sich ein etwaiger Unterschied in der Behandlung der Steuerpflichtigen und der Nichtsteuerpflichtigen aus der Anwendung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität, der in erster Linie die Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gewährleistet. Dieser potenzielle Unterschied ergibt sich überdies daraus, dass die Steuerpflichtigen ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie nachgehen. Schließlich hängt er mit der besonderen Stellung der Steuerpflichtigen nach der Sechsten Richtlinie zusammen, die u. a. darin zum Ausdruck kommt, dass sie nach Art. 21 der Richtlinie die Schuldner der Mehrwertsteuer sind und diese zu vereinnahmen haben.
57 Da sich die Situation der Steuerpflichtigen von der der Nichtsteuerpflichtigen, die keine solchen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausüben, in diesen Merkmalen unterscheidet, beruht ein etwaiger Unterschied in der Behandlung auf der Anwendung unterschiedlicher Regeln auf unterschiedliche Sachverhalte und führt somit nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung.
58 Gleiches gilt für einen Steuerpflichtigen, der den Investitionsgegenstand zur Gänze seinem Privatvermögen zuordnet, da er mit diesem Gegenstand nicht seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen, sondern ihn zu privaten Zwecken verwenden will.
59 Die Beurteilung kann auch bei einem Steuerpflichtigen, der nur steuerbefreite Umsätze tätigt, nicht anders ausfallen, da ein solcher Steuerpflichtiger die gleiche Mehrwertsteuerlast zu tragen hat wie ein Nichtsteuerpflichtiger und er somit im Wesentlichen die gleiche Stellung wie dieser hat.
60 Was schließlich die Steuerpflichtigen angeht, die sowohl steuerbefreite als auch besteuerte Umsätze tätigen, so geht aus den Feststellungen in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils hervor, dass sie hinsichtlich jeder Kategorie ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten und hinsichtlich der privaten Verwendung ihrer gemischt genutzten Gegenstände genauso behandelt werden wie die Personen, deren Tätigkeiten ausschließlich zu einer dieser Kategorien von Tätigkeiten oder Verwendungen gehören.
61 Folglich verstoßen Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie nicht gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.
62 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie nicht dadurch gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie mittels des Rechts auf vollen und sofortigen Abzug der Vorsteuer für die Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes und durch die gestaffelte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung dieses Gebäudes den Steuerpflichtigen gegenüber Nichtsteuerpflichtigen und gegenüber Steuerpflichtigen, die ihr Gebäude nur zu privaten Wohnzwecken verwenden, einen finanziellen Vorteil einräumen können.
Zur zweiten Frage: Einstufung eines Liquiditätsvorteils, der sich aus nationalen Maßnahmen zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie ergibt, als staatliche Beihilfe
63 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 87 EG einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, nach der das Vorsteuerabzugsrecht nur den Steuerpflichtigen zusteht, die besteuerte Umsätze tätigen, nicht aber jenen, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen, insofern entgegensteht, als diese nationale Maßnahme nur den erstgenannten Steuerpflichtigen einen finanziellen Vorteil der im Rahmen der ersten Frage angesprochenen Art verschaffen kann.
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
64 Nach Auffassung von Frau Puffer befinden sich Steuerpflichtige, die nur besteuerte Umsätze tätigen, de facto in derselben Lage wie jene, die sowohl steuerbefreite als auch besteuerte Umsätze tätigen, und jene, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen. Sie könnten sich nämlich alle dafür entscheiden, einen gemischt genutzten Gegenstand zur Gänze dem Unternehmen zuzuordnen und die Mehrwertsteuer für die private Verwendung des Gegenstands später gestaffelt zu zahlen. Daher liege keine Verletzung von Art. 87 EG vor.
65 Der Unabhängige Finanzsenat ist der Ansicht, es liege keine Verletzung von Art. 87 EG vor, da die Sechste Richtlinie für den privaten Nutzungsanteil eines gemischt genutzten Gegenstands kein Vorsteuerabzugsrecht gewähre.
66 Die Kommission weist darauf hin, dass die Einstufung als „staatliche Beihilfe" im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG u. a. eine staatliche Maßnahme voraussetze, die bestimmte Unternehmen gegenüber anderen begünstige. Im vorliegenden Fall seien diese beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, da sich das Vorsteuerabzugsrecht unmittelbar aus der Sechsten Richtlinie ergebe und der den Begünstigten gewährte Vorteil aus der allgemeinen Systematik des Mehrwertsteuersystems resultiere.
Antwort des Gerichtshofs
67 Nach Art. 87 Abs. 1 EG „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen".
68 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Einstufung als „Beihilfe" im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. So muss es sich erstens um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln, zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, drittens muss dem Begünstigten durch sie ein Vorteil gewährt werden, und viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 121 und 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 Das Vorsteuerabzugsrecht und der damit verbundene etwaige finanzielle Vorteil für Steuerpflichtige, die besteuerte Umsätze tätigen, ergibt sich aber unmittelbar aus Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, den die Mitgliedstaaten in ihr nationales Recht umzusetzen haben.
70 Wie die Generalanwältin in Nr. 70 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist die Beschränkung des Vorsteuerabzugsrechts auf besteuerte Umsätze wesentlicher Bestandteil des Mehrwertsteuersystems, das durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften eingerichtet wurde, die von allen Mitgliedstaaten einheitlich umzusetzen sind. Folglich fehlt es an einer staatlichen Maßnahme, so dass Art. 87 Abs. 1 EG nicht anwendbar ist.
71 Unter diesen Umständen ist, ohne dass die drei anderen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen, auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 87 Abs. 1 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, nach der das Vorsteuerabzugsrecht nur den Steuerpflichtigen zusteht, die besteuerte Umsätze tätigen, nicht aber jenen, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen, nicht insofern entgegensteht, als diese nationale Maßnahme nur den erstgenannten Steuerpflichtigen einen finanziellen Vorteil verschaffen kann.
Zur dritten und zur vierten Frage: Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie
72 Mit seiner dritten und seiner vierten Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie Anwendung findet, wenn der nationale Gesetzgeber eine der beiden sich überlappenden nationalen Rechtsvorschriften, nach denen der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist, durch eine Regelung ändert, mit der nach der ausdrücklichen Absicht des nationalen Gesetzgebers dieser Ausschluss im Ergebnis beibehalten werden sollte, die aber - isoliert betrachtet - aufgrund eines Irrtums des nationalen Gesetzgebers über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts den Vorsteuerabzug zulässt.
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
73 Frau Puffer trägt vor, während sich die früheren Bestimmungen auf den Ausschluss des Vorsteuerabzugs bezogen hätten, betreffe die Neuregelung durch das AbgÄG 1997 die Zuordnung von Gegenständen zum Unternehmen; damit sei eine völlig andere Regelungstechnik eingeführt worden, die sich von der vorhergehenden in der Form, der Wirkungsweise und den Auswirkungen unterscheide. Folglich seien die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie nicht erfüllt.
74 Dabei sei es unerheblich, dass § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 durch das AbgÄG 1997 nicht förmlich geändert worden sei, da die vom vorlegenden Gericht befürwortete Auslegung inhaltlich von der dieser Bestimmung zuvor beigelegten Bedeutung abweiche.
75 Der Unabhängige Finanzsenat ist der Ansicht, da die Sechste Richtlinie für einen gemischt genutzten Gegenstand kein Recht auf Abzug der auf seine Verwendung zu privaten Zwecken entfallenden Vorsteuer gewähre, schränke das österreichische Recht das Vorsteuerabzugsrecht nicht stärker ein, so dass Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie im vorliegenden Fall nicht zum Tragen komme.
76 Die österreichische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie sei sowohl auf § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 als auch auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 anwendbar.
77 Zunächst sähen beide Bestimmungen unabhängig voneinander für zur privaten Nutzung bestimmte Gebäudeteile den Ausschluss des Vorsteuerabzugs vor.
78 Zudem sei § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 seit dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie nicht geändert worden.
79 Schließlich wirkten sich die durch das AbgÄG 1997 erfolgten Änderungen des § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 nicht auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie aus, weil es die Absicht des österreichischen Gesetzgebers gewesen sei, den zuvor im Ergebnis bestehenden Ausschluss des Vorsteuerabzugs für zu privaten Wohnzwecken bestimmte Gebäudeteile beizubehalten.
80 Die Kommission weist darauf hin, dass die Änderung des früheren Rechts durch das AbgÄG 1997 weder eine Erweiterung noch eine Einschränkung des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs darstelle, sondern auf das gleiche Ergebnis hinauslaufe, nämlich einen Ausschluss des Vorsteuerabzugs für die Herstellung gemischt genutzter Gebäude, soweit sie für private Zwecke verwendet würden.
81 Jedoch unterschieden sich die alte und die neue Gesetzestechnik, mit der dieses gleiche Ergebnis erreicht werde. Da aber die neue Technik auf einem anderen Grundgedanken beruhe als die alte, könne nicht argumentiert werden, dass „bestehende Rechtsvorschriften" im Sinne von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie beibehalten würden. In diesem Zusammenhang sei ein etwaiger Irrtum des nationalen Gesetzgebers über die Vereinbarkeit der neuen Technik mit der Sechsten Richtlinie unerheblich.
Antwort des Gerichtshofs
82 Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie enthält in klaren und eindeutigen Worten den Grundsatz der Abziehbarkeit der Beträge, die dem Steuerpflichtigen für die ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen als Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden sind, soweit diese Gegenstände oder Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
83 Der Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug gilt jedoch vorbehaltlich der Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie, insbesondere seines Unterabs. 2. Da der Rat keinen der ihm von der Kommission gemäß Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgelegten Vorschläge angenommen hat, sind die Mitgliedstaaten insoweit weiterhin berechtigt, ihre zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie bestehenden Rechtsvorschriften über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten (Urteile vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich, C‑345/99, Slg. 2001, I‑4493, Randnr. 19, und vom 8. Januar 2002, Metropol und Stadler, C‑409/99, Slg. 2002, I‑81, Randnr. 44).
84 Zwar hat grundsätzlich das nationale Gericht den Inhalt der Rechtsvorschriften zu ermitteln, die zu einem Zeitpunkt bestehen, den ein Gemeinschaftsrechtsakt festlegt, doch kann der Gerichtshof die Kriterien für die Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs liefern, der den Bezugspunkt für die Anwendung einer gemeinschaftlichen Ausnahmeregelung auf zu einem festgelegten Zeitpunkt bestehende nationale Rechtsvorschriften darstellt (Urteil vom 24. Mai 2007, Holböck, C‑157/05, Slg. 2007, I‑4051, Randnr. 40).
85 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass nicht jede nationale Maßnahme, die nach einem dergestalt festgelegten Zeitpunkt erlassen wird, allein deswegen ohne Weiteres von der Ausnahmeregelung des fraglichen Gemeinschaftsrechtsakts ausgeschlossen ist (Urteil Holböck, Randnr. 41). Wenn ein Mitgliedstaat bestehende Ausschlusstatbestände nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie ändert, indem er diese Tatbestände einschränkt, und dadurch dem Ziel der Sechsten Richtlinie näher kommt, ist diese Regelung nämlich durch die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie gedeckt und verstößt nicht gegen deren Art. 17 Abs. 2 (vgl. Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 22, sowie Metropol und Stadler, Randnr. 45).
86 Dagegen stellt eine nationale Regelung keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie zulässige Ausnahme dar und verstößt gegen deren Art. 17 Abs. 2, wenn sie nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert und sich damit vom Ziel dieser Richtlinie entfernt (vgl. Urteil vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich, C‑40/00, Slg. 2001, I‑4539, Randnr. 17, und Urteil Metropol und Stadler, Randnr. 46).
87 Demzufolge ist bei einer Vorschrift, die im Wesentlichen mit der früheren Regelung übereinstimmt oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung gemeinschaftlicher Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildert oder beseitigt, davon auszugehen, dass sie unter die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie fällt. Beruht dagegen eine Regelung auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht und schafft sie neue Verfahren, so kann sie den Rechtsvorschriften, die zu dem im betreffenden Gemeinschaftsrechtsakt genannten Zeitpunkt bestanden, nicht gleichgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2003, Cookies World, C‑155/01, Slg. 2003, I‑8785, Randnr. 63, sowie entsprechend Urteil Holböck, Randnr. 41).
88 Die Sechste Richtlinie ist für die Republik Österreich am Tag ihres Beitritts zur Europäischen Union, d. h. am 1. Januar 1995, in Kraft getreten. Somit ist für Österreich, was die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie angeht, auf diesen Zeitpunkt abzustellen.
89 Das vorlegende Gericht hat erläutert, dass § 12 Abs. 2 Z 1 und Z 2 lit a UStG 1994 im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie für die Republik Österreich dazu führte, dass der Vorsteuerabzug nur für den unternehmerisch genutzten Teil eines Gebäudes, nicht aber für dessen privaten Wohnzwecken dienenden Teil gewährt wurde.
90 Insbesondere ergibt sich nach den Angaben des vorlegenden Gerichts aus § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994, dass mit Inkrafttreten dieser Rechtsvorschrift Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt galten, als die Entgelte dafür Betriebsausgaben oder Werbungskosten waren.
91 Demzufolge war nach österreichischem Recht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie die Möglichkeit, ein gemischt genutztes Gebäude dem Unternehmen zuzuordnen, im Wesentlichen auf die zu unternehmerischen Zwecken bestimmten Gebäudeteile beschränkt.
92 Das vorlegende Gericht hat ferner ausgeführt, dass durch das AbgÄG 1997 zum einen § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 dahin geändert wurde, dass gemischt genutzte Gebäude zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet werden können, und zum anderen in § 6 Abs. 1 Z 16 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 3 UStG 1994 bestimmt wurde, dass die Verwendung von Gebäudeteilen für private Wohnzwecke einen „steuerbefreiten Umsatz" im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b Abs. 1 der Sechsten Richtlinie darstellt und damit den Vorsteuerabzug ausschließt.
93 Demzufolge ist zwar nicht auszuschließen, dass die alte und die neue Regelung im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen führen, doch beruhen sie auf unterschiedlichen Grundgedanken und haben unterschiedliche Verfahren geschaffen, so dass die Neuregelung den Rechtsvorschriften, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie bestanden, nicht gleichgestellt werden kann.
94 Insoweit ist es, wie die Generalanwältin in Nr. 77 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, unerheblich, ob der nationale Gesetzgeber die Änderung des früheren nationalen Rechts aufgrund einer zutreffenden oder unzutreffenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts vornahm.
95 Was schließlich die Frage angeht, ob sich die Änderung von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 durch das AbgÄG 1997 auch auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie auf § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 auswirkt, an dem keine Änderungen vorgenommen wurden, so hängt ihre Beantwortung davon ab, ob diese nationalen Bestimmungen in einer Wechselbeziehung stehen oder autonom sind.
96 Wäre § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 nämlich nicht unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 anwendbar, so hätte dies zur Folge, dass sich eine Unzulässigkeit von Z 1 auch auf Z 2 lit a auswirken würde. Handelt es sich dagegen um eine autonom anwendbare Bestimmung, die bei Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestand und seither nicht geändert wurde, findet die Ausnahme in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie auf diese Bestimmung Anwendung.
97 Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Tragweite der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen zu ermitteln.
98 Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Ausnahme nicht für eine nationale Bestimmung gilt, die eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehende Rechtsvorschrift ändert, auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht beruht und neue Verfahren schafft. Insoweit ist es unerheblich, ob der nationale Gesetzgeber die Änderung des früheren nationalen Rechts aufgrund einer zutreffenden oder unzutreffenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts vornahm. Die Beantwortung der Frage, ob sich eine solche Änderung einer nationalen Bestimmung auch auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie auf eine andere nationale Bestimmung auswirkt, hängt davon ab, ob diese nationalen Bestimmungen in einer Wechselbeziehung stehen oder autonom sind; dies zu ermitteln ist Sache des nationalen Gerichts.
Kosten
99 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage verstoßen nicht dadurch gegen den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung, dass sie mittels des Rechts auf vollen und sofortigen Abzug der Vorsteuer für die Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes und durch die gestaffelte Nacherhebung der Mehrwertsteuer auf die private Verwendung dieses Gebäudes den Steuerpflichtigen gegenüber Nichtsteuerpflichtigen und gegenüber Steuerpflichtigen, die ihr Gebäude nur zu privaten Wohnzwecken verwenden, einen finanziellen Vorteil einräumen können.
2. Art. 87 Abs. 1 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme zur Umsetzung von Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388, nach der das Vorsteuerabzugsrecht nur den Steuerpflichtigen zusteht, die besteuerte Umsätze tätigen, nicht aber jenen, die nur steuerbefreite Umsätze tätigen, nicht insofern entgegensteht, als diese nationale Maßnahme nur den erstgenannten Steuerpflichtigen einen finanziellen Vorteil verschaffen kann.
3. Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Ausnahme nicht für eine nationale Bestimmung gilt, die eine zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehende Rechtsvorschrift ändert, auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht beruht und neue Verfahren schafft. Insoweit ist es unerheblich, ob der nationale Gesetzgeber die Änderung des früheren nationalen Rechts aufgrund einer zutreffenden oder unzutreffenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts vornahm. Die Beantwortung der Frage, ob sich eine solche Änderung einer nationalen Bestimmung auch auf die Anwendbarkeit von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 auf eine andere nationale Bestimmung auswirkt, hängt davon ab, ob diese nationalen Bestimmungen in einer Wechselbeziehung stehen oder autonom sind; dies zu ermitteln ist Sache des nationalen Gerichts.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.