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Steuerrecht
05.09.2024
Steuerrecht
BFH: Zum Zurechnungssubjekt des fiktiven Gewinns nach § 15a Abs. 3 EStG

BFH, Urteil vom 20.6.2024 – IV R 17/21

ECLI:DE:BFH:2024:U.200624.IVR17.21.0

Volltext BB-Online BBL2024-2069-2

Amtliche Leitsätze

1. § 15a Abs. 3 Satz 1 (Einlageminderung) und Satz 3 (Haftungsminderung) des Einkommensteuergesetzes sind gesellschafterbezogen auszulegen. Danach ist der fiktive Gewinn demjenigen Kommanditisten zuzurechnen, der die für die Einlageminderung erforderliche Entnahme tätigt oder für den die im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemindert wird.

2. Die gesellschafterbezogene Betrachtung der Gewinnhinzurechnung gilt auch dann, wenn der Kommanditanteil unterjährig übertragen wird.

 

Sachverhalt

Streitig ist die Feststellung einer Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

An der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, waren bei ihrer Gründung im Jahr 1996 die X-GmbH als Komplementärin ohne eigenen Anteil und Herr Y (Beigeladener zu 1.) als alleiniger Kommanditist zu 100 % beteiligt. Die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage des Beigeladenen zu 1. betrug bei Gründung 50.000 DM (25.564,59 €). Noch im Gründungsjahr leistete der Beigeladene zu 1. zudem eine Pflichteinlage von … DM (… €). Im Folgejahr zahlte er eine weitere Pflichteinlage in Höhe von … DM (… €). Die im Handelsregister eingetragene Hafteinlage blieb in der Höhe unverändert.

Die Klägerin erwirtschaftete in den Jahren nach ihrer Gründung zunächst Verluste, die bei dem Beigeladenen zu 1. nicht der Ausgleichs- oder Abzugsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG unterlagen.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 02.10.2003 wurde die Hafteinlage des Beigeladenen zu 1. auf … € erhöht. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 07.10.2003. Mit einem weiteren Beschluss vom 28.11.2003 minderten die Gesellschafter der Klägerin die bisherige Pflichteinlage des Beigeladenen zu 1. um … €. Die Klägerin zahlte diesen Betrag an den Beigeladenen zu 1. aus. Das Kapitalkonto des Beigeladenen zu 1. betrug danach ./. … €.

Der Beigeladene zu 1. übertrug am 15.12.2003 mit Wirkung zum 02.12.2003 seinen Anteil an der Klägerin ‑‑nach den Ausführungen des Finanzgerichts (FG) unentgeltlich‑‑ auf die Z-Stiftung (Beigeladene zu 2.). Die Eintragung des Gesellschafterwechsels in das Handelsregister wurde am 20.01.2004 beantragt. Am 04.02.2004 erfolgte daraufhin der Eintrag, dass der Beigeladene zu 1. als Kommanditist ausgeschieden und die Beigeladene zu 2. durch Sonderrechtsnachfolge an seiner Stelle als Kommanditistin mit einer Kommanditeinlage von … € in die Gesellschaft eingetreten sei. Die Beigeladene zu 2. tätigte im Streitjahr (2003) keine eigenen Entnahmen.

 

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) veranlagte die Klägerin für das Streitjahr zunächst erklärungsgemäß. Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte Betriebsprüfung vertrat das FA sodann die Auffassung, dass bei der Beigeladenen zu 2. nach § 15a Abs. 3 EStG ein Gewinn von … € hinzuzurechnen sei, da ihre Hafteinlage zum Bilanzstichtag am 31.12.2003 nicht im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Das FA stellte dementsprechend mit geändertem Bescheid vom 01.10.2015 für 2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG (Verlustfeststellungsbescheid) für die Beigeladene zu 2. einen Gewinn nach § 15a Abs. 3 EStG in Höhe von … € fest.

 

Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und begehrte die Aufhebung der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG. Das FA wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 25.07.2016 als unbegründet zurück.

 

Das FG gab der daraufhin erhobenen Klage mit Urteil vom 01.07.2021 - 11 K 1039/21 statt. § 15a Abs. 3 EStG solle verhindern, dass die aus § 15a Abs. 1 EStG folgende Begrenzung des Verlustausgleichs durch vorübergehende höhere Einlagen in das Gesellschaftsvermögen oder durch eine vorübergehende Erweiterung der Außenhaftung des Kommanditisten umgangen werde. Die Rechtfertigung für das Hinzurechnen des fiktiven Gewinns und für das Umwandeln des Verlustes liege mithin darin begründet, dass die wirtschaftliche Belastung nachträglich entfalle, die den früheren Verlustausgleich gerechtfertigt habe. Ende die Beteiligung eines Kommanditisten an der Einkunftsquelle und trete stattdessen ein anderer im Wege der unentgeltlichen Rechtsnachfolge in die Gesellschaft ein, sei zu prüfen, welche Rechtsfolgen das Ausscheiden auslöse. Erfolge der Gesellschafterwechsel während des laufenden Wirtschaftsjahres, könne auch nicht allein auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag abgestellt werden. Bei einer unentgeltlichen Anteilsübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG entstehe beim Übertragenden kein Gewinn nach § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG (nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG). Stattdessen werde das negative Kapitalkonto zunächst gewinnneutral vom Rechtsnachfolger fortgeführt. Dies gelte auch für ein Kapitalkonto, das aufgrund ausgleichs- oder abzugsfähiger Verluste negativ geworden sei. Danach sei § 15a Abs. 3 EStG im Streitfall auf die Beigeladene zu 2. nicht anwendbar. Grundsätzlich hätte bei dem Beigeladenen zu 1. ein Veräußerungsgewinn nach § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG angesetzt werden müssen. Sein Kapitalkonto sei im Zeitpunkt der Übertragung auf die Beigeladene zu 2. aufgrund ausgleichsfähiger Verluste negativ geworden. An dieser Situation hätte sich durch die Herabsetzung der Pflichteinlage und die anschließende Entnahme auch nichts nach § 15a Abs. 3 EStG geändert, weil der Beigeladene zu 1. mit einer entsprechenden Haftsumme im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Letztendlich sei jedoch bei dem Beigeladenen zu 1. kein Veräußerungsgewinn entstanden, weil die Anteilsübertragung unentgeltlich erfolgt sei; die Beigeladene zu 2. führe das negative Kapitalkonto fort und müsse erst künftige Gewinne versteuern. Die Beigeladene zu 2. sei an den maßgeblichen Vorgängen nicht beteiligt gewesen. Demnach komme es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage nicht an, ob und inwieweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG für die Beigeladene zu 2. vorlägen.

 

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

 

Das FA beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 01.07.2021 - 11 K 1039/21 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

 

Aus den Gründen

13        B. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht der zulässigen Klage (dazu unter I.) stattgegeben und die vom FA festgestellte Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG für die Beigeladene zu 2. aufgehoben (dazu unter II.).

 

I. Die Klage der Klägerin war zulässig.

 

1. Gegenstand des Klageverfahrens ‑‑und auch des Revisionsverfahrens‑‑ ist die im Gewinnfeststellungsbescheid 2003 als selbständige Besteuerungsgrundlage festgestellte Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG.

 

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung im Sinne von § 179 Abs. 1 und Abs. 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) und der Feststellung des verrechenbaren Verlustes im Sinne des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die auch gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind. Dies gilt auch dann, wenn ‑‑wie vorliegend‑‑ die Bescheide gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden werden (z.B. BFH-Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 20, m.w.N.). Dementsprechend sind die in den beiden Bescheiden zu treffenden Feststellungen voneinander abzugrenzen. Bei der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG handelt es sich um eine mit den Einkünften nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlage. Als solche ist sie daher im Gewinnfeststellungsbescheid und nicht im Verlustfeststellungsbescheid gesondert festzustellen. Insoweit ist der Gewinnfeststellungsbescheid ein Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 Satz 1 AO für die Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 22).

 

b) Vor diesem Hintergrund ist das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) der Klägerin ‑‑in Übereinstimmung mit dem FG‑‑ dahin auszulegen, dass sie sich nur gegen die im Gewinnfeststellungbescheid 2003 festgestellte Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG, nicht (zusätzlich) auch gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlustes wendet.

 

Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem FG beantragt, den Bescheid für das Streitjahr über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 01.10.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.07.2016 dahin zu ändern, dass die Feststellung eines laufenden Gewinns gemäß § 15a Abs. 3 EStG in Höhe von … € entfällt. Ihr Klagebegehren richtete sich jedoch allein gegen die für die Beigeladene zu 2. festgestellte Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG. Inhaltliche Einwendungen gegen die daraus folgende Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG hat die Klägerin hingegen nicht erhoben.

 

2. Die Klägerin war befugt, die so verstandene Klage zu erheben.

 

Solange die Personengesellschaft zivilrechtlich nicht vollbeendet ist, ist sie nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO a.F. bzw. § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO i.d.F. des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023 (BGBl. 2023 I, Nr. 411) selbst dann klagebefugt, wenn der Rechtsstreit ‑‑so wie hier‑‑ eine Feststellung betrifft, die einen Gesellschafter persönlich angeht (vgl. BFH-Urteil vom 10.09.2020 - IV R 14/18, BFHE 270, 363, BStBl II 2021, 367, Rz 12, für einen ausgeschiedenen Gesellschafter).

 

II. Für die Beigeladene zu 2. ist keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen. Denn sie hat weder den Tatbestand einer Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG (dazu unter 2.) noch den einer Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG (dazu unter 3.) verwirklicht.

 

1. § 15a Abs. 3 EStG regelt eine Gewinnhinzurechnung für den Kommanditisten bei einer Einlageminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG) oder einer Haftungsminderung (§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG). Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht aufgrund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, ist dem Kommanditisten der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 Satz 1 EStG). Wird der Haftungsbetrag im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG gemindert (Haftungsminderung) und sind im Wirtschaftsjahr der Haftungsminderung und den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren Verluste nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen, so ist dem Kommanditisten der Betrag der Haftungsminderung, vermindert um aufgrund der Haftung tatsächlich geleistete Beträge, als Gewinn zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG). Der aufgrund einer Einlage- oder Haftungsminderung zuzurechnende Betrag darf den Betrag der Anteile am Verlust der KG nicht übersteigen, der im Wirtschaftsjahr der Einlageminderung beziehungsweise Haftungsminderung und in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren ausgleichs- oder abzugsfähig gewesen ist (§ 15a Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 letzter Halbsatz EStG).

 

Die Regelung des § 15a Abs. 3 EStG bezweckt, eine Umgehung der aus § 15a Abs. 1 EStG folgenden Begrenzung des Verlustausgleichs durch vorübergehende höhere Einlagen in das Gesellschaftsvermögen oder eine nur vorübergehende Erweiterung der Außenhaftung zu verhindern (vgl. Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 15a EStG Rz 146). Anderenfalls könnten durch kurzfristige Einlagen oder Eintragung von Haftsummen in beliebiger Höhe Verlustverrechnungsmöglichkeiten geschaffen werden (BTDrucks 8/3648, S. 17). Rechtstechnisch geschieht dies nicht durch eine rückwirkende Änderung der Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG für das Jahr der Verlustentstehung, sondern durch die Zurechnung eines Betrages in Höhe der Einlage- oder Haftungsminderung als fiktiver (laufender) Gewinn. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichsfähige Verlustanteil in einen verrechenbaren Verlustanteil "umgepolt" (§ 15a Abs. 3 Satz 4 EStG). § 15a Abs. 3 EStG hat demnach zum Ziel, das gleiche Ergebnis herbeizuführen, als wenn von vornherein eine geringere Einlage geleistet worden wäre oder eine geringere Haftung bestanden hätte und der Verlustanteil bereits im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar gewesen wäre (z.B. BFH-Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 28, m.w.N.).

 

2. Die Beigeladene zu 2. hat im Streitjahr den Tatbestand einer Einlageminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG nicht erfüllt. Sie hat weder selbst eine Entnahme getätigt (dazu unter a) noch kann ihr die Entnahme des Beigeladenen zu 1. als eigene zugerechnet werden (dazu unter b).

 

a) Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die Beigeladene zu 2. im Streitjahr selbst keine Entnahme getätigt hat, die zur Entstehung oder Erhöhung eines negativen Kapitalkontos geführt hat.

 

b) Der Beigeladenen zu 2. kann auch die Entnahme des Beigeladenen zu 1. selbst dann nicht als eigene Entnahme zugerechnet werden, wenn sie, wovon die Beteiligten und das FG übereinstimmend ausgehen, den Kommanditanteil unentgeltlich erworben hat. Denn § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist nach seinem Wortlaut, Sinn und Zweck sowie einem am Grundsatz der Individualbesteuerung ausgerichteten Gesetzesverständnis gesellschafterbezogen und nicht beteiligungsbezogen auszulegen. Danach kann ein fiktiver Gewinn durch Einlageminderung nur demjenigen Kommanditisten zugerechnet werden, der die hierfür erforderliche Entnahme selbst getätigt hat.

 

aa) § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG setzt nach seinem Wortlaut eine Entnahme des Kommanditisten voraus, die bei diesem zu einem negativen Kapitalkonto führt oder ein solches erhöht und keine erweiterte Außenhaftung im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG auslöst. Als Rechtsfolge ist dem Kommanditisten ein fiktiver Gewinn in Höhe der Einlageminderung zuzurechnen. Der Wortlaut des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist dahin zu verstehen, dass der fiktive Gewinn demjenigen Kommanditisten zuzurechnen ist, der die Einlageminderung vorgenommen hat. So bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit dem im Tatbestand und mit dem auf Rechtsfolgenseite genannten Kommanditisten unterschiedliche Kommanditisten gemeint sein könnten. Der Sinn und Zweck des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG untermauert dieses Verständnis. Rechtstechnisch soll eine Einlageminderung durch die Zurechnung eines fiktiven Gewinns nachversteuert werden. Zurechnungssubjekt der fiktiven Gewinne ist daher derjenige Kommanditist, der die Minderung der Einlage vorgenommen hat. Im Übrigen entspricht dieses Auslegungsergebnis dem Grundsatz der Individualbesteuerung. Dieser das Einkommen- wie das Körperschaftsteuerrecht gleichermaßen prägende Grundsatz (vgl. BFH-Urteil vom 14.03.2012 - I R 13/11, BFHE 236, 516, Rz 16) besagt, dass jede einzelne Person das Zurechnungssubjekt der von ihr erzielten Einkünfte ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17.12.2007 - GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.III.1.). Jede Person hat die von ihr erwirtschafteten Einkünfte zu versteuern. Bezogen auf § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG bedeutet dies, dass der fiktive Gewinn von dem Kommanditisten "erwirtschaftet" wird, der den Tatbestand der Einlageminderung verwirklicht. Dieser Kommanditist hat dann auch den sich hieraus ergebenden fiktiven Gewinn zu versteuern.

 

bb) Die gesellschafterbezogene Betrachtung gilt auch dann, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Entnahme unterjährig erfolgt und der Kommanditist im Anschluss daran, aber noch vor dem nächsten Bilanzstichtag, seine Kommanditbeteiligung überträgt. Es ist gerade nicht ‑‑wie das FA meint‑‑ allein auf die Umstände zum Bilanzstichtag abzustellen. Grundsätzlich sind zwar für die Frage der Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG die Verhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich. Bei der Einlageminderung handelt es sich aber um einen gesellschafterbezogenen Vorgang, der im Zeitpunkt der Entnahme verwirklicht wird und daher bei der steuerlichen Behandlung des entnehmenden Kommanditisten selbst und nicht bei einem Rechtsnachfolger zu berücksichtigen ist.

 

cc) Danach kann die Entnahme des Rechtsvorgängers einem unentgeltlichen Rechtsnachfolger auch nicht auf der Grundlage des § 6 Abs. 3 EStG zugerechnet werden.

 

(1) Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 EStG wird der nämliche Betrieb vom Rechtsnachfolger fortgeführt; der Rechtsnachfolger rückt in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein (BFH-Urteil vom 12.12.2013 - IV R 17/10, BFHE 244, 23, BStBl II 2014, 316, Rz 19). Dazu gehört nicht nur die Fortführung der Buchwerte durch den Erwerber (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG), sondern der vollständige Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene Rechtsstellung des Rechtsvorgängers (BFH-Urteil vom 09.09.2010 - IV R 22/07, Rz 14). Der Rechtsnachfolger tritt selbst in noch unentwickelte betriebsbezogene Rechtspositionen seines Vorgängers ein, soweit diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen (BFH-Urteil vom 24.03.1992 - VIII R 48/90, BFHE 168, 521, BStBl II 1993, 93, unter 2.b bb bbb, zur Anrechnung von Vorbesitzzeiten des Rechtsvorgängers beim Rechtsnachfolger). Es geht auch der verrechenbare Verlust im Sinne des § 15a Abs. 2 EStG auf den Übernehmer über, weil dieser Verlust demjenigen zugeordnet werden muss, der später aus der nämlichen Beteiligung Gewinne erzielt (z.B. BFH-Urteil vom 01.03.2018 - IV R 16/15, BFHE 261, 101, BStBl II 2018, 527, Rz 28, m.w.N.).

 

(2) § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG ist aber nicht betriebsbezogen, sondern ‑‑wie vorstehend dargestellt‑‑ gesellschafterbezogen auszulegen. Der unentgeltliche Rechtsnachfolger tritt bezüglich der Entnahmen des Rechtsvorgängers in einen bereits durch seinen Rechtsvorgänger abgeschlossenen Vorgang ein. Er übernimmt ein durch die Entnahmen seines Rechtsvorgängers gemindertes (gegebenenfalls negatives) Kapitalkonto. Sollte der Rechtsvorgänger durch die Entnahmen vor der unentgeltlichen Übertragung die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt haben, gingen auf den Rechtsnachfolger auch die noch in der Person des Rechtsvorgängers nach § 15a Abs. 3 Satz 4 EStG entstandenen verrechenbaren Verluste über. Es ist jedoch nicht möglich, aufgrund einer Entnahme des Rechtsvorgängers eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG beim Rechtsnachfolger vorzunehmen. Mit der Berücksichtigung der Entnahme beim Rechtsvorgänger ist dieser Vorgang im Hinblick auf die Anwendung des § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG vielmehr "verbraucht". Der Vorgang kann daher nicht nochmals bei dem Rechtsnachfolger berücksichtigt werden.

 

Das gilt auch dann, wenn ‑‑wovon das FG und die Beteiligten im Streitfall übereinstimmend ausgehen‑‑ die Feststellung einer Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG für den Rechtsvorgänger als Übertragenden deswegen unterblieben ist, weil in Höhe des durch die Entnahme entstandenen negativen Kapitalkontos bei ihm eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung (Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs ‑‑HGB‑‑) besteht. Auch in einem derartigen Fall kann die Entnahme des Rechtsvorgängers nicht zweimal für die Prüfung einer Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG herangezogen werden - zum einen beim Übertragenden und darüber hinaus noch einmal beim unentgeltlichen Erwerber.

 

dd) Danach kann die Entnahme des Beigeladenen zu 1. der Beigeladenen zu 2. selbst dann nicht als eigene zugerechnet werden, wenn sie den Kommanditanteil des Beigeladenen zu 1. ‑‑wovon das FG und die Beteiligten übereinstimmend ausgehen‑‑ unentgeltlich erworben hat.

 

3. Die Beigeladene zu 2. hat auch nicht den Tatbestand einer Haftungsminderung nach § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG verwirklicht.

 

a) § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG ist ‑‑ebenso wie Abs. 3 Satz 1‑‑ nach seinem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie einem am Grundsatz der Individualbesteuerung ausgerichteten Gesetzesverständnis gesellschafterbezogen und nicht beteiligungsbezogen auszulegen. Danach kann auch der fiktive Gewinn infolge einer Haftungsminderung nur demjenigen Kommanditisten zugerechnet werden, für den die im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemindert wird.

 

§ 15a Abs. 3 Satz 3 EStG spricht davon, dass "der Haftungsbetrag im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 gemindert" wird. Auch hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit dem in § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG auf Rechtsfolgenseite genannten Kommanditisten ein anderer als derjenige Kommanditist gemeint sein könnte, für den die Haftung gemindert wird. Zudem will § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG verhindern, dass durch die kurzfristige Erweiterung der Außenhaftung Verlustausgleichsmöglichkeiten geschaffen werden. Der fiktive Gewinn muss daher demjenigen zugerechnet werden, für den die Haftung durch Herabsetzung der Haftsumme gemindert wird. Im Übrigen entspricht diese Auslegung dem Grundsatz der Individualbesteuerung. Der fiktive Gewinn im Sinne des § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG wird von demjenigen Kommanditisten "erwirtschaftet", der den Tatbestand der Haftungsminderung verwirklicht.

 

Der Haftungsbetrag im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG meint die Differenz zwischen der für den Kommanditisten im Handelsregister eingetragenen Haftsumme und der vom Kommanditisten darauf geleisteten Einlage, für die er den Gläubigern der KG unmittelbar nach § 171 Abs. 1 HGB haftet (vgl. Brandis/Heuermann/Stutzmann, § 15a EStG Rz 216; Schmidt/Wacker, EStG, 43. Aufl., § 15a Rz 102; HHR/Lüdemann, § 15a EStG Rz 160). Zu einer Minderung des Haftungsbetrages kommt es danach, wenn die für den Kommanditisten im Handelsregister eingetragene Haftsumme gemindert wird. Dies setzt die Eintragung der geminderten Haftsumme im Handelsregister und ihre Bekanntmachung voraus. Denn erst ab diesem Zeitpunkt ist die Herabsetzung gegenüber den Gläubigern nach § 174 HGB wirksam (Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 15a Rz 67; Brandis/Heuermann/Stutzmann, § 15a EStG Rz 217; Schmidt/Wacker, EStG, 43. Aufl., § 15a Rz 102; HHR/Lüdemann, § 15a EStG Rz 160).

 

b) Danach fehlt es im Streitfall bereits an einer Minderung des Haftungsbetrages im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG durch die Beigeladene zu 2.

 

Die Beigeladene zu 2. war im Streitjahr noch nicht als Kommanditistin mit einer bestimmten Haftsumme im Handelsregister eingetragen. Danach konnte die für sie im Handelsregister eingetragene Haftsumme im Streitjahr auch nicht gemindert werden. Die bloße Nichteintragung der Beigeladenen zu 2. zum 31.12.2003 erfüllt nicht den Tatbestand des § 15a Abs. 3 Satz 3 EStG und kann daher keine Hinzurechnung eines fiktiven Gewinns auslösen.

 

4. Lediglich ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass mit der Aufhebung der für die Beigeladene zu 2. nach § 15a Abs. 3 EStG festgestellten Gewinnhinzurechnung eine mit Grundlagenfunktion für den Verlustfeststellungsbescheid (Folgebescheid) versehene Feststellung entfällt, was nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO beim Verlustfeststellungsbescheid zu berücksichtigen ist (vgl. § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG).

 

41        5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Sachantrag gestellt haben (BFH-Urteil vom 20.11.2014 - IV R 47/11, BFHE 248, 144, BStBl II 2015, 532, Rz 37).

 

 

 

 

 

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