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Steuerrecht
27.11.2009
Steuerrecht
BFH: Zum Begriff des Herstellers

BFH, Urteil vom 1.10.2009 - VI R 22/07

Vorinstanz: Hessisches FG vom 13.12.2006 - 10 K 2126/04 (EFG 2007, 1317)

Leitsatz

Hersteller einer Ware i.S. des § 8 Abs. 3 EStG kann derjenige sein, der den Gegenstand selbst produziert, der ihn auf eigene Kosten nach seinen Vorgaben und Plänen von einem Dritten produzieren lässt oder der damit vergleichbare sonstige gewichtige Beiträge zur Herstellung der Ware erbringt (Fortführung des Senatsurteils vom 28. August 2002 VI R 88/99, BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154).

EStG § 8 Abs. 3, § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, § 38, § 19, Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Sachverhalt

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde durch ihre Alleingesellschafterin, die P-GmbH, 1994 als T-GmbH gegründet und später in R-GmbH umbenannt. Zwischen den Gesellschaften besteht ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag.

Am ... 1996 schlossen die Klägerin und die in denselben Geschäftsräumen ansässige P-GmbH einen das Technische Zentrum S betreffenden Ausgliederungsvertrag. Danach trägt der Unternehmensteil "Technisches Zentrum S" die Verantwortung für die strategische Produktionsplanung des F-Bereichs in Europa und erfüllt im Rahmen der weltweiten und europäischen Programme eigenständig Forschungs- und Entwicklungsaufgaben. Durch den "Ausgliederungsvertrag Produktion" sollten sämtliche Produktionsaktivitäten der Geschäftssparten F in Deutschland bei der P-OHG, durch den "Abspaltungsvertrag Vertrieb" Marketing, Vertrieb und Stabsfunktionen für alle deutschen Gesellschaften bei der P-GmbH sowie durch den Ausgliederungsvertrag sämtliche strategischen Aufgaben im technischen Bereich für die Geschäftsbereiche F bei der Klägerin konzentriert werden.

Zum Ausgliederungsstichtag ... 1996 übertrug die P-GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten alle Aktiva, Passiva und Rechtsverhältnisse, die wirtschaftlich zum übergehenden Unternehmensteil "Technisches Zentrum S" gehörten, unter Hinweis auf § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches auf die Klägerin. Es war u.a. vereinbart, den ausgegliederten Unternehmensteil unverändert fortzuführen und die in den Gebäuden in S vorhandenen technischen und materiellen Betriebsmittel gemeinsam zu nutzen. Schließlich sollte die bei der P-GmbH angesiedelte Abteilung Human Resources auch für sämtliche bei der Klägerin anfallenden personellen und sozialen Angelegenheiten zuständig bleiben. Dazu war geregelt: "Aufgrund dieser Vereinbarung werden die P-GmbH und die R-GmbH einen einheitlichen Betrieb führen".

Nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom ... war der geänderte Gegenstand des Unternehmens die strategische Produktionsplanung des F-Bereichs in Europa, die Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bzgl. Markenartikeln für die Geschäftsbereiche F, die Optimierung der Neu- und Weiterentwicklung von Fertigprodukten und Fertigungsverfahren in der europäischen F-Produktion; außerdem sollte die Klägerin Geschäftsführungsaufgaben als persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafterin neben der P-GmbH in Bezug auf die Produktion und Distribution der P-OHG übernehmen. Am ... 1996 vereinbarten die P-GmbH und die Klägerin, dass die bei der P-GmbH angesiedelte Abteilung Human Resources auch für sämtliche bei der Klägerin anfallenden personellen und sozialen Angelegenheiten verantwortlich sein sollte.

Die Klägerin hatte nach den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung in den Jahren 1996 und 1997 im Rahmen eines Personalverkaufs an ihre Arbeitnehmer Produkte verbundener Unternehmen verbilligt abgegeben, ihnen auch nach der Ausgliederung die Teilnahme am Personalverkauf ermöglicht, bei dem von der P-OHG hergestellte und durch die P-GmbH vertriebene Waren angeboten wurden, und bei der Versteuerung der geldwerten Vorteile den Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im streitigen Zeitraum (1996, 1997) geltenden Fassung (EStG) berücksichtigt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hielt § 8 Abs. 3 EStG für nicht anwendbar, weil die Klägerin die im Personalverkauf angebotenen Produkte weder herstellte noch vertrieb. Er erließ am 3. Januar 2001 gegen die Klägerin einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid für pauschale Lohnsteuer in Höhe von 576.261 DM zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern.

Die Klägerin wandte sich dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage.

Das Finanzgericht (FG) wies mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1317 veröffentlichten Gründen die Klage ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG.

Sie beantragt sinngemäß,

das Urteil des Hessischen FG vom 13. Dezember 2006 und den Nachforderungsteil des Bescheids vom 3. Januar 2001 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 19./24. Mai 2004 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus den Gründen

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass auf den verbilligten Sachbezug der Arbeitnehmer der Klägerin bei der P-GmbH § 8 Abs. 3 EStG keine Anwendung findet.

1. Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet.

a) Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, dass § 8 Abs. 3 EStG ausschließlich für solche Zuwendungen gilt, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses gewährt. Für Vorteile von Dritten greift die Steuerbegünstigung dagegen selbst dann nicht, wenn die Dritten --wie etwa konzernzugehörige Unternehmen-- dem Arbeitgeber nahe stehen (Senatsurteile vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356; vom 8. November 1996 VI R 100/95, BFHE 182, 61, BStBl II 1997, 330; vom 28. August 2002 VI R 88/99, BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154).

Weiter gilt danach die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG nur für Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber als eigene herstellt, liefert oder erbringt. Der Arbeitgeber stellt die Ware i.S. des § 8 Abs. 3 EStG allerdings nicht nur her, wenn er den Gegenstand selbst produziert oder wenn er ihn auf eigene Kosten nach seinen Vorgaben und Plänen von einem Dritten produzieren lässt, sondern auch dann, wenn er damit vergleichbare sonstige gewichtige Beiträge zur Herstellung der Ware erbringt. Entscheidend ist, dass dem Arbeitgeber der Herstellungsprozess zugerechnet werden kann. Danach reicht nicht jede beliebige Beteiligung am Herstellungsprozess aus. Der Beitrag am Herstellungsprozess muss vielmehr derart gewichtig sein, dass bei wertender Betrachtung die Annahme der Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint (Senatsurteil in BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154).

b) Anhand dieser Rechtsmaßstäbe war die Klägerin --entgegen der Auffassung des FG-- Herstellerin der von ihren Arbeitnehmern bei der P-GmbH erworbenen und von der P-GmbH vertriebenen Produkte. Denn die Klägerin ließ die Waren nach ihren Vorgaben und Plänen produzieren. Sie war für Produktionsplanung, Materialbeschaffung und Logistik zuständig. Der Klägerin oblagen auf Grundlage des Ausgliederungsvertrags vom ... sämtliche strategischen Aufgaben im technischen Bereich. Damit entschied die Klägerin selbst über sämtliche wesentlichen Herstellungsaspekte, nämlich was, wo, wie und zu welchem Preis produziert und eingekauft werden sollte. Darüber hinaus überwachte die Klägerin aber auch die Umsetzung ihrer Vorgaben. Denn ihre Arbeitnehmer waren auch ständig in den Werken der P-OHG, also bei dem die Herstellung unmittelbar ausführenden Unternehmen am eigentlichen Produktionsort. Damit kontrollierte die Klägerin auch den tatsächlich stattfindenden gegenständlichen Herstellungsprozess, um auch darin eingreifen und ggf. optimierend einwirken zu können. Angesichts der Konzentration dieser Aufgaben bei der Klägerin war sie derart wesentlich am Herstellungsprozess beteiligt, dass bei wertender Betrachtung die Annahme ihrer Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall hier nicht grundsätzlich von dem der Senatsentscheidung in BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154 zu Grunde liegenden, in dem sowohl der Zeitungsherausgeber als auch der den Zeitungssatz und -druck unmittelbar ausführende Unternehmer als Hersteller des Endprodukts Zeitung anzusehen waren.

2. Angesichts dessen kann für den Streitfall dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem weiteren Revisionsvorbringen, sie habe zusammen mit der P-GmbH einen arbeitsrechtlichen Gemeinschaftsbetrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes unterhalten, hätte erfolgreich sein können.

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