FG Niedersachsen: Zu den Voraussetzungen für eine Rechnung i. S. d. § 14c UStG
FG Niedersachsen, Urteil vom 29.1.2014 – 5 K 160/13
Amtlicher Leitsatz
§ 14c UStG enthält gegenüber § 14 UStG einen eigenständigen Rechnungsbegriff. Eine Rechnung nach § 14c UStG muss nicht alle Voraussetzungen aufweisen, die § 14 Abs. 4 UStG für eine Rechnung fordert.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob in einer Rechnung des Klägers vom 24.06.2009 ausgewiesene Umsatzsteuer i. H. v. 43.238,46 € nach § 14 c Umsatzsteuergesetz (UStG) geschuldet wird.
Nach Verbüßung einer Haftstrafe war der Kläger ab September 2008 im Schrotthandelsgewerbe als sogenannter „Schreiber“ tätig. Es gab Verbindungen u. a. zu einer Firma X, Schrotthandel.
Das beklagte Finanzamt (- FA -) ging zunächst davon aus, dass der Kläger selbst unternehmerisch im Schrotthandelsgewerbe ab 2008 tätig war. Im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens rückte das FA allerdings von dieser Auffassung ab. Es setzte lediglich für das Streitjahr 2009 Umsatzsteuer i. H. v. 43.238,46 € fest. Diese Festsetzung beruhte darauf, dass im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung eine Rechnung des Klägers - seinerzeit noch unter seinem ehemaligen Namen X in Z aufgetaucht war. Die Rechnung ist adressiert an die Firma ABC GmbH, X-Str. in Y-Stadt Sie datiert vom 24.06.2009. Weiter heißt es in der Rechnung:
„Rechnung Nr.: 6001/09
Zu den Lieferungen vom 28.01. bis 20.04.2009
gem. den Gutschriften an die Firma X Schrotthandel:
4002, 4004, 4006, 4007, 4009,4013, 4014, 4015, 4016, 4017, 4018, 4019, 4020;
Nettobetrag: XXX.XXX €
Mehrwertsteuer 19 %: XX.XXX €
Bruttobetrag: XXX.XXX €
Zahlung: Beträge im Zeitraum vom ... in Bar erhalten.
Unterschrift“
Außerdem enthält die Rechnung die Steuernummer des Klägers XXX. Die in der Rechnung angeführten Gutschriften an die Firma X lagen der Steuerfahndung ebenfalls vor. Die Gutschriften hat die Firma ABC GmbH an die Firma X Schrotthandel in W unter dem Datum 25.06.2009 erteilt. Die Gutschriften enthalten die in der Rechnung bezeichneten Nummerierungen „4002 … bis … 4020“. Ob die Gutschriften der Rechnung beigefügt waren, ist streitig. Die vorgefundenen Gutschriften sind handschriftlich durchgestrichen mit dem Vermerk „storniert“. Wegen der Einzelheiten wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Ablichtungen (Blatt 40 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Anschluss an die Steuerfahndungsprüfung hat das FA die in der Rechnung vom 24.06.2009 ausgewiesene Umsatzsteuer i. H. v. 43.238,46 € nach § 14 c Abs. 2 UStG wegen unberechtigtem Umsatzsteuer-Steuerausweises festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Der Kläger bringt vor, dass der Empfänger der Rechnung - die ABC GmbH - den Vorsteuerabzug entweder nicht durchgeführt habe oder aber die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt habe. Immerhin seien der Finanzbehörde die Umstände der Rechnungslegung seit langem bekannt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, die Gutschriften hätten zum Zeitpunkt der Rechnungserteilung am 24.06.2009 noch nicht vorgelegen. Jedenfalls gehe er davon aus. Er habe diese Gutschriften nicht gesehen. Sie seien ihm nicht zur Kenntnis gegeben worden.
Der Kläger beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 30.05.2013 und den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 28.03.2011 ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
Es verweist darauf, dass nach Rückfragen bei dem für den Empfänger der Rechnung zuständigen Finanzamt im Hamburg im Vorfeld der Einspruchsentscheidung die Vermutung des Klägers, der Empfänger der Rechnung habe die Vorsteuer nicht in Abzug gebracht bzw. das Geld zurückgezahlt, nicht bestätigt worden sei. Die Firma ABC GmbH befinde sich mittlerweile im Insolvenzverfahren. Da die Gefährdung des Steueraufkommens nicht beseitigt sei, müsse es bei der Steuerfestsetzung bleiben. In der mündlichen Verhandlung hat das FA ergänzend vorgebracht, dass es sich bei der Datierung in der Rechnung vom 24.06.2009 einerseits und den in Bezug genommenen Gutschriften vom 25.06.2009 andererseits um einen Schreibfehler handeln müsse. Tatsächlich müsse es so gewesen sein, dass die Gutschriften schon vor dem 24.06.2009 erstellt worden seien.
Aus den Gründen
19 Die Klage ist begründet.
20 Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 28.03.2011 sowie der Einspruchsbescheid vom 30.05.2013 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
21 Zu Unrecht hat das FA gegen den Kläger die Umsatzsteuer nach § 14 c Abs. 2 UStG festgesetzt. Danach schuldet derjenige den ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag, der in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist.
22 Im Streitfall fehlt es nach Überzeugung des Gerichts schon an den Voraussetzungen für eine „Rechnung“ i. S. d. § 14 c Abs. 2 UStG. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) enthielt § 14 c UStG keinen eigenständigen Rechnungsbegriff. Es galt vielmehr insoweit der Rechnungsbegriff i. S. d. § 14 UStG, sodass eine in einer Rechnung zu Unrecht ausgewiesene Steuer nur dann geschuldet wurden, wenn die „Rechnung“ nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet war und somit alle hierfür erforderlichen Angaben enthielt (vgl. Korn in Bunjes, Kommentar zum UStG, 12. Auflage, 2013, § 14 c Rz. 6 m. w. N. auf die Rechtsprechung des BFH). Diese Rechtsprechung hat der BFH mittlerweile aufgegeben. Nach neuerer Rechtsprechung des BFH setzt ein unberechtigter Steuerausweis i. S. d. § 14 c Abs. 2 UStG nicht mehr voraus, dass die Rechnung alle in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Pflichtangaben aufweist. Danach reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das
23 - den Rechnungsaussteller,
24 - den (vermeintlichen) Leistungsempfänger,
25 - eine Leistungsbeschreibung,
26 - das Entgelt und
27 - die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 - V R 39/09, BStBl II 2011, 734).
28 Im vorliegenden Fall ist das Gericht überzeugt, dass die „Rechnung“ vom 24.06.2009 nicht die Anforderungen an eine Rechnung i. S. d. § 14 c Abs. 2 UStG erfüllt, denn die Leistungsbeschreibung in der Rechnung ist nicht ausreichend.
29 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss die Bezeichnung der Leistung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen über die abgerechnet worden ist (BFH-Urteil vom 10.11.1994 - V R 45/93, BStBl 1995 II, 395; BFH-Urteil vom 08.10.2008 - V R 59/07, BStBl 2009 II, 218). Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung in Abschn. 14.5 Abs. 15 UStAE. Dabei kann es sich um handelsübliche Bezeichnungen handeln, die im Geschäftsverkehr für einen Gegenstand allgemein verwendet werden. Handelsübliche Sammelbezeichnungen sind jedenfalls dann ausreichend, wenn sie die Bestimmung des anzuwendenden Steuersatzes eindeutig ermöglichen, z. B. Baubeschläge, Büromöbel, Tabakwaren, Waschmittel (vgl. Abschn. 14.5 Abs. 15 Satz 3 UStAE).
30 Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, denn in dem Dokument vom 24.06.2009 ist als Leistungsbeschreibung lediglich eine Zahlenkolonne (4002, … 4020) genannt. Diese Leistungsbezeichnung ermöglicht dem objektiven Betrachter keine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung darüber, welche Leistung der Rechnungsaussteller hier möglicherweise erbracht hat. Eine Feststellung lässt sich erst dann ermöglichen, wenn die im Bezug genommenen Gutschriften an die Firma X Schrotthandel diesem Abrechnungsdokument beigefügt waren. Die von der Steuerfahndung sichergestellten Unterlagen beziehen sich jedoch auf „Gutschriften“, die jeweils das Datum „25.06.2009“ enthalten. Insofern ist die Bezugnahme in dem Dokument vom 24.06.2009 auf derartige Gutschriften nicht schlüssig.
31 Ob diese Gutschriften dem vermeintlichen Rechnungsdokument beigefügt waren, ist zwischen den Beteiligten streitig. Das FA trägt insofern die Feststellungslast (objektive Beweislast) dafür, dass in dem Zeitpunkt in dem das Abrechnungsdokument vom 24.06.2009 in Verkehr gebracht wurde, die entsprechenden Anlagen („Gutschriften“) beigefügt waren. Diesen Nachweis hat das FA nicht erbracht. Auch im Klageverfahren wurden lediglich die Dokumente aus der Steuerfahndungsprüfung vorgelegt. Diese weisen das Datum „25.06.2009“ auf.
32 Nach alldem ist das Gericht davon überzeugt, dass das Abrechnungsdokument vom 24.06.2009 nicht die Voraussetzungen erfüllt, die § 14 c Abs. 2 UStG an den Rechnungsbegriff stellt.
33 Die Klage hat damit insgesamt Erfolg.
34 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
35 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.3