FG Münster: Wirtschaftlicher Zusammenhang einer als Untervermächtnis erworbenen GmbH-Beteiligung mit einer dem Untervermächtnisnehmer auferlegten Versorgungsrente
FG Münster, Urteil vom 11.4.2013 - 3 K 604/11 Erb
Sachverhalt
Streitig ist, ob bei einem Untervermächtnis ein wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 4 des Erbschaftsteuergesetzes in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung (ErbStG) vorliegt.
Am 19.07.2007 verstarb der Vater der Klägerin, Herr C 1 (Erblasser). Frau C 2, die Ehefrau des Erblassers und Mutter der Klägerin, wurde aufgrund notariellen Erbvertrages vom 16.03.2005 (Notar U, B; UR 00/0000) und dessen notarieller Änderung vom 18.06.2007 (Notar U, B; UR 000/0000) Alleinerbin (§ 2 des Erbvertrages vom 16.03.2005). Mit diesen Erbverträgen änderte der Erblasser vorherige Testamente, auf die Bezug genommen wird.
Die Klägerin erwarb nach § 5 des notariellen Änderungsvertrages vom 18.06.2007 im Wege eines Vermächtnisses 9/16 des Geschäftsanteils an der Firma C1 GmbH, 9/16 des Gesellschaftskapitals der Firma C GmbH & Co. KG und einen Anteil an Gesellschaftskonten der C GmbH & Co. KG. Die komplementären Anteile an diesen Vermögensgegenständen erhielt der Bruder der Klägerin, Herr C 3, ebenfalls im Wege des Vermächtnisses.
Ferner setzte der Erblasser ein Untervermächtnis als Vorausvermächtnis aus, § 5 c) des notariellen Änderungsvertrages vom 18.06.2007: „Falls die Erschienene zu 2) [Frau C 2] die Letztlebende der Erschienenen zu 1) [Erblasser] und 2) ist, sind die vorstehend genannten Vermächtnisnehmer A und C 3 verpflichtet, an die Erschienene zu 2) eine Versorgungsrente in Höhe von zunächst 5.000 Euro (...) auf deren Lebenszeit zu zahlen, erstmalig in dem Monat, der auf den Tag des Ablebens des Erschienenen zu 1) folgt. (...) Die Höhe der Versorgungsrente als dauernde Last ist veränderlich. Sie wurde bemessen nach a) dem Wert der Vermächtnisse, die die Zahlungsverpflichteten erhalten, b) dem standesgemäßen Unterhaltsbedarf der Erschienenen zu 2). (...)"
Im Übrigen wird auf die Verträge vom 16.03.2005 und vom 18.06.2007 Bezug genommen (Blatt 23 ff. der Gerichtsakte).
Nachdem der Beklagte die Erbschaftsteuer zunächst nach dem bis zum 31.12.2008 geltenden Erbschaftsteuergesetz festgesetzt hatte, stellte die Klägerin mit Schreiben vom 03.06.2009 den Antrag auf Anwendung des ErbStG in der ab 01.01.2009 geltenden Fassung (Art. 3 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG)).
Aufgrund der von der Klägerin daraufhin eingereichten Steuererklärung setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer gegen sie mit Bescheid vom 06.08.2010 auf 60.796 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) fest. Für das vermachte Vermögen gewährte der Beklagte vollständig - mit zunächst geschätztem Wert - die Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG. Die von der Klägerin zu zahlende Versorgungsrente aus dem Untervermächtnis bewertete er mit 320.190 Euro, ließ allerdings im Ergebnis nur 45.938 Euro zum Abzug zu, da hinsichtlich eines Betrages von 274.252 Euro eine Kürzung nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG vorzunehmen sei.
Mit ihrem Einspruch vom 18.08.2010 trug die Klägerin vor, dass § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG hier nicht anwendbar sei, da die Versorgungsrente nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den vermachten Geschäftsanteilen stehe. Die Versorgungsrente sei vielmehr als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 ErbStG voll abziehbar. Sie verwies auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 06.07.2005 (II R 34/03, BStBl II 2005, 797) zu § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a. F., dessen Erwägungen fortgelten würden. Der wirtschaftliche Zusammenhang sei von der Rechtsprechung entsprechend § 103 Bewertungsgesetz (BewG) ausgelegt worden und somit fielen nur Schulden, die unmittelbar mit dem Betriebsvermögen in Zusammenhang stehen, unter den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs. Dieser müsste somit schon vor dem Erbfall bestanden haben, was hier nicht der Fall sei.
Ein Untervermächtnis sei zudem nicht mit einem Pflichtteilsanspruch, welcher in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erbschaft stehe, vergleichbar, da sich der Pflichtteilsanspruch an dem Erbe bemesse und ein wirtschaftlicher Zugriff auf den Pflichtteil nicht möglich sei. Dies sei bei einem Untervermächtnis nicht der Fall. Die Höhe der Versorgungsrente sei unabhängig von der Höhe des von der Klägerin selbst erhaltenen Vermächtnisses. Das Untervermächtnis verhindere auch keinen Zugriff auf einen Teil des Vermächtnisses.
Zudem verstoße der nur anteilige Abzug der Versorgungsrente bei der Klägerin gegen das Korrespondenzprinzip, da die Versorgungsrente von der Empfängerin in vollem Umfang der Erbschaftsteuer unterworfen werden müsse.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.01.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und hielt den Vorbehalt der Nachprüfung aufrecht.
Eine Bestimmung des wirtschaftlichen Zusammenhangs könne nicht nach § 103 BewG vorgenommen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang anzunehmen, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen. Es bedürfe einer Verknüpfung, die nicht durch eine rechtliche Beziehung hergestellt werde sondern durch den konkreten Sachverhalt. Eine Beziehung zum Erblasser müsse nicht bestehen, wenn die Schuld durch den Erwerb begründet werde. Im Streitfall sei das Untervermächtnis durch den Erblasser zwingend mit dem Erwerb der Geschäftsanteile verbunden worden. Da ausschließlich nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen vermacht worden sei, sei der wirtschaftliche Zusammenhang gegeben; dies ergebe sich nicht zuletzt daraus, dass nur derjenige die Verpflichtung zu erfüllen habe, der auch das Betriebsvermögen erwerbe.
Zudem sei das Korrespondenzprinzip in der Person der Klägerin gewahrt. Es könne aber nur auf einen Erwerber abgestellt werden. Dass die Rente bei der Mutter der Klägerin, einer anderer Erwerberin, voll besteuert werde, habe hierauf keinen Einfluss.
Mit der am 23.02.2011 erhobenen Klage hält die Klägerin ihr Begehren aufrecht. Die Sachverhaltsdarstellung in der Einspruchsentscheidung sei zutreffend.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren und ergänzt diese wie folgt: Die Versorgungsrente zugunsten der Ehefrau des Erblassers habe weder den Erwerb, die Sicherung oder Erhaltung des Betriebsvermögens der C 1 GmbH & Co. KG betroffen, noch habe die Entstehung der Versorgungsrente unmittelbar und ursächlich auf Vorgängen, die das Betriebsvermögen der C 1 GmbH & Co. KG betroffen hätten, beruht. Der rein rechtliche Zusammenhang zwischen Versorgungsrente und vermachtem Betriebsvermögen, der sich aus dem Erbvertrag ergebe, sei nach der Definition des BFH unbeachtlich. Aus dieser ergebe sich auch der Grundsatz, dass der wirtschaftliche Zusammenhang bereits vor dem Erbfall bestanden haben müsse und nicht erst durch Rechtsnachfolge hergestellt werden könne.
In den Erbschaftsteuerhinweisen 2003 werde der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs ebenfalls sehr eng ausgelegt. Eine Ausnahme werde nur für den Fall einer Nutzungsbeschränkung des geerbten Vermögens gemacht (Duldungsauflage, insbesondere Nießbrauch). Der wirtschaftliche Zusammenhang bei einer Nutzungsbeschränkung sei auch einleuchtend, weil der Erbe auf Teile des begünstigt besteuerten Vermögens, deren Nutzung einem anderem zustünde, von vornherein nicht zugreifen könne. Bei einer Versorgungsrente könne der Erbe hingegen uneingeschränkt über das begünstigt besteuerte Vermögen verfügen und es sei ihm überlassen, welche Teile seines Vermögens zur Leistung der Versorgungsrente verwendet würden.
Auch sei die Situation nicht mit einem geltend gemachten Pflichtteil vergleichbar. Die Argumentation des BFH im Urteil vom 21.07.1972 (III R 44/70, BStBl II 1973, 3) in Bezug auf Pflichtteile könne nicht auf Fälle mit Versorgungsrenten übertragen werden, weil der BFH in dem genannten Urteil den wirtschaftlichen Zusammenhang dadurch herstelle, dass ein Pflichtteilsanspruch gesetzlich zwingend entstehe, sobald ein gesetzlicher Erbe durch Testament oder Vertrag von der Erbfolge ausgeschlossen werde. Der BFH differenziere in dem Urteil eindeutig zwischen einer Belastung durch einen Pflichtteilsanspruch und einer Belastung durch ein Vermächtnis, wie es hier mit der Versorgungsrente vorliege (Untervermächtnis). Den notwendigen inneren (wirtschaftlichen) Zusammenhang zwischen einer Vermächtnislast und begünstigt besteuertem Vermögen sehe der BFH gerade nicht. Ein weiterer Unterschied ergebe sich daraus, dass die Höhe des Pflichtteilanspruchs quotal vom Wert des ererbten Vermögens abhänge, die Höhe der Versorgungsrente hingegen nicht.
Ferner spreche auch der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG gegen eine Anwendung der Regelung im vorliegenden Fall. Die Regelung solle verhindern, dass ungerechtfertigte Steuervorteile dadurch entstehen, dass eine Schuld oder Last in voller Höhe steuermindernd berücksichtigt werde, während dazugehöriges Vermögen nur mit einem Teil seines Wertes oder überhaupt nicht steuerlich erfasst werde. Wenn abzugsfähige Schulden oder Lasten des einen Steuerpflichtigen aber gleichzeitig steuerpflichtiges Vermögen eines anderen Steuerpflichtigen seien, wie in Versorgungsrenten- oder Pflichtteilsfällen, sei bereits eine Steuerneutralität erreicht und keine Raum mehr für eine Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG n. F. Die Anwendung der Kürzungsvorschrift in diesen Fällen käme dann einem Verstoß gegen das nicht nur im Einkommensteuerrecht sondern auch im Erbschaftsteuerrecht zu beachtende Korrespondenzprinzip gleich.
In der Anlage zur Klagebegründung legt die Klägerin Berechnungen vor, aus denen sich ergebe, dass sich bei Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG Auswirkungen ergäben, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sein können. Auf die Berechnungen und dortige Darstellung des gesamten bei dem betroffenen Erbfall übergegangenen Vermögens wird Bezug genommen. Die Klägerin verweist insoweit noch einmal auf das Korrespondenzprinzip, das sich in gleicher Weise im Einkommensteuerrecht, dort ebenfalls bei Versorgungsrenten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG oder auch beim Ehegattenunterhalt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) finde. Im Rahmen der Berechnungen errechnet die Klägerin, dass sich bei Anwendung der Kürzungsregelung auf die Versorgungsrente eine steuerliche Mehrbelastung der Familie mit Erbschaftsteuer in signifikanter Höhe ergebe. Die Anwendung der Kürzungsregelung würde ihrem Sinn und Zweck daher vollkommen zuwiderlaufen. Statt ungerechtfertigte Steuervorteile zu beseitigen, würde sie ungerechtfertigte Steuernachteile verursachen.
Soweit der Beklagte darauf verweise, dass die Kürzung des Schuldenabzugs lediglich Rechtsfolge der sachlichen Steuerbefreiung nach § 13a ErbStG sei, verkenne er offensichtlich diese tatsächlichen Auswirkungen der Kürzungen des Abzuges. Vor diesem Hintergrund sei die teleologische Auslegung gegenüber der Wortlautauslegung vorzugswürdig. Eine Kürzung von Schulden und Lasten müsse auf die Fälle beschränkt werden, in denen den Schulden und Lasten keine korrespondierenden Vermögenspositionen gegenüber stünden, die bei einem anderen Erwerber zu besteuern seien. Zu denken wäre dabei etwa an Fälle von Nutzungsbeschränkungen, z. B. wenn begünstigtes Vermögen übertragen werde und sich der Schenker daran einen Nießbrauch vorbehalte. In Bezug auf weitere Anwendungsfälle wird auf die Klagebegründung Bezug genommen.
Wenn der Beklagte ausführe, dass die Rentenverpflichtung ursächlich und ausschließlich auf den Vermächtnisanordnungen des Erblassers beruhe, dann verneine er selbst den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Rentenverpflichtung und dem übertragenen Betriebsvermögen. Denn der Beklagte zitiere weiter, dass laut ständiger Rechtsprechung Vermögensgegenstände und Schulden zueinander in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruhe, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen. Die Entstehung der Versorgungsrente beruhe ursächlich und unmittelbar aber auf der letztwilligen Verfügung des Erblassers und seinem Interesse an der Versorgung seiner Ehefrau, nicht aber ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen, die das Betriebsvermögen selbst betreffen.
Mit Änderungsbescheid vom 18.03.2013 hat der Beklagte - nach eingeholter Zustimmung des Klägerin und unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung - einen Vorläufigkeitsvermerk (§ 165 Abs. 1 AO) hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes aufgenommen sowie weitere hier nicht streitgegenständliche Änderungen vorgenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Erbschaftsteuerbescheid zuletzt geändert am 18.03.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 26.01.2011 dahingehend zu ändern, dass die von der Klägerin an ihre Mutter zu zahlende Versorgungsrente ungekürzt in Höhe von 320.190 Euro als Nachlassverbindlichkeit abgezogen wird,
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung und führt weiter aus, dass eine Gesamtbetrachtung der Steuerbelastung, wie in den Vergleichsberechnungen der Klägerin vorgenommen, nicht geeignet sei, die Erfüllung des Tatbestands des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG in Bezug auf das Korrespondenzprinzip zu widerlegen, da die Bereicherung des jeweiligen Erwerbers zu betrachten sei. Auch sei die Motivation des Erblassers, durch die Rentenverpflichtung seine Ehefrau versorgt zu wissen, unbeachtlich. Maßgebend sei allein, dass die Klägerin mit dem Erwerb des Vermächtnisses zwangsläufig auch die Verpflichtung zur Erbringung der Rentenleistung erworben habe.
Der seinerzeit zuständige Berichterstatter, Richter am Finanzgericht T, hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 08.05.2009 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird Bezug genommen.
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
Aus den Gründen
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Erbschaftsteuerbescheid zuletzt geändert am 18.03.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 26.01.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der FGO.
Der weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Erbschaftsteuerbescheid ist allein hinsichtlich der Anwendbarkeit der Kürzungsvorschrift des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG angefochten. Diese hat der Beklagte indes zu Recht bejaht, da der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Versorgungsrente mit dem nach § 13a ErbStG begünstigten Betriebsvermögen besteht.
Gem. § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG, der aufgrund des Antrages der Klägerin vom 03.06.2009 gem. Art. 3 ErbStRG in der seit dem 01.01.2009 geltenden Fassung Anwendung findet, sind Schulden und Lasten, die mit nach § 13a ErbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13a ErbStG anzusetzenden Wertes dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13a ErbStG entspricht.
1.
Der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs i. S. d. § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG ist in Übereinstimmung mit der Vorgängervorschrift § 10 Abs. 6 Satz 4 und 5 ErbStG a. F. auszulegen, da eine diesbezügliche Neuausrichtung der Vorschrift nicht erkennbar ist (vgl. Hübner, Erbschaftsteuerreform 2009, Gesetze, Materialien, Erläuterungen, S. 166 f.).
Dem BFH zufolge ist mit dem Merkmal des wirtschaftlichen Zusammenhangs in § 10 Abs. 6 Sätze 4 und 5 ErbStG a. F. dasselbe gemeint wie in § 103 BewG. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang wird nach § 103 BewG angenommen, wenn die Entstehung der Verbindlichkeit ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den Vermögensgegenstand selbst betreffen. Dieser Zusammenhang ist insbesondere dann zu bejahen, wenn die Schuld zum Erwerb, zur Sicherung oder zur Erhaltung des jeweiligen Vermögens eingegangen worden ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Schuld und Vermögensgegenstand besteht (BFH, Urteil vom 06.07.2005 II R 34/03, BStBl II 2005, 797 m. w. N. zur Rechtsprechung).
41
Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Er geht im Übrigen davon aus, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang nur vorliegt, wenn die Verbindlichkeit nach Entstehung und Zweckbestimmung mit dem begünstigten Vermögen verknüpft ist (vgl. BFH, Urteil vom 19.05.1967 III 319/63, BStBl III 1967, 596 zum wirtschaftlichen Zusammenhang mit Inlandsvermögen).
Ferner ist der Senat der Ansicht, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang jedenfalls in Fällen der Einzelrechtsnachfolge mit Verbindlichkeiten bestehen kann, die erst im Zeitpunkt des Erbfalles entstehen (vgl. RFH-Urteil vom 14.07.1938 III 71/38, RStBl 1938, 826; vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 03.06.2004 4 K 2085/01, EFG 2004, 1467 unter Hinweis auf das BFH, Urteil vom 28.09.1962 III 242/60 U, BStBl III 1962, 535)). Insoweit hält der Senat die Auffassung der Finanzverwaltung (H E 10.10 a. E. Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, vgl. auch H E 7.4 Abs. 3 Nr. 3) für zutreffend. Ob dies in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge anders zu beurteilen ist (vgl. BFH, Urteile vom 28.09.1962 III 242/60 U, BStBl III 1962, 535, und vom 17.12.1965 III 342/60 U, BStBl III 1966, 483 sowie RFH-Urteil vom 10.06.1941 III 70/41, RStBl 1941, 741), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Eine wirtschaftliche Belastung des begünstigten Vermögens ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Höhe der Verbindlichkeit nach dem begünstigten Vermögen bemessen worden ist (vgl. BFH, Urteil in BStBl II 1973, 3 sowie FG Rheinland-Pfalz in EFG 2004, 1467, beide zu Pflichtteilsansprüchen).
2.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Belastung der Klägerin mit dem Untervermächtnis (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG fällt.
Soweit Stimmen in der Literatur eine derartige Auffassung zugrunde liegen sollte, weil alle in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem begünstigten Vermögen stehenden Schulden und Lasten bereits im Wertfeststellungsverfahren zu berücksichtigen seien (so wohl Schuck in Viskorf u. a., ErbSt/SchStG, BewG, § 10 ErbStG Rn. 151; Kirschstein in Gürsching/Stenger, BewG, ErbStG, § 10 ErbStG Rn. 195), folgt dem der Senat nicht. Auch ist nach Auffassung des Senates aus der Rechtsprechung des BFH zu § 103 BewG (im Rahmen der Einheitsbewertung), dass außerbetriebliche Schulden und Lasten mit dem Betriebsvermögen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang im Sinne des § 103 BewG stehen (BFH, Urteil vom 18.12.1990 VIII R 1/88, BStBl II 1991, 911), nicht zu folgern, dass ein solcher Zusammenhang in Fällen privater Schulden und Lasten von vornherein ausgeschlossen ist, mit der Folge, dass § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG für diesen Fall nicht eingreifen würde. Vielmehr ist - schon um § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG in den Fällen sonstigen Betriebsvermögens nicht weitgehend leerlaufen zu lassen - auch bei privaten Schulden und Lasten im Einzelfall zu prüfen, ob nicht ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit begünstigtem Betriebsvermögen besteht (in diese Richtung auch Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rn. 262; Ulricher in Daragan/Halaczynksy/Riedel, Praxiskommentar ErbStG BewG, § 10 ErbStG Rn. 58, Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, § 10 Rn. 101). Auf dieser Linie liegt auch das FG Rheinland-Pfalz (in EFG 2004, 1467), wenn es einen wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne des § 10 Abs. 6 Satz 5 ErbStG a. F. bei einer Pflichtteilslast (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG) annimmt.
3.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundsätze sind in der vorliegenden Konstellation die Voraussetzungen des wirtschaftlichen Zusammenhanges erfüllt. Denn das von der Klägerin im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworbene Sachvermächtnis umfasst ausschließlich nach § 13a ErbStG begünstigtes Vermögen, und dieses ist aufgrund des Versorgungscharakters des Untervermächtnisses nach Entstehung und Zweckbestimmung des Erblassers sowohl unmittelbar betroffen als auch wirtschaftlich belastet.
a.
Dass die Untervermächtnislast erst im Todeszeitpunkt des Erblassers entstanden ist, ist unschädlich. Durch die Anordnung im Erbvertrag wird der wirtschaftliche Zusammenhang unmittelbar durch den Erblasser hergestellt, sodass nicht davon gesprochen werden kann, die wirtschaftliche Beziehung des Vermächtnisses zum Untervermächtnis sei erst in der Person der Erwerberin entstanden. Vielmehr ist maßgebend, dass die Klägerin den wirtschaftlichen Zusammenhang unabänderlich vorfindet, ohne dass ihre Person oder die bei ihr bereits bestehenden Verhältnisse Einfluss auf die Herstellung des Zusammenhangs haben. Es reicht aus, dass sowohl das Vermächtnis als auch das Untervermächtnis erst im Zeitpunkt des Todes des Erblassers entstanden sind. Dem widerspricht auch nicht die zur Vermögensbesteuerung ergangene Rechtsprechung des BFH: In Fällen der Gesamtrechtsnachfolge müsse der wirtschaftliche Zusammenhang bereits vor dem Erbfall bestanden haben, weil im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbgang der Schuldübergang nur eine auf gesetzlicher Bestimmung beruhende notwendige Begleiterscheinung des Vermögensübergangs sei, die im Übrigen den rechtlichen und wirtschaftlichen Bestand der Schuld nicht berühre (vgl. BFH, Urteil in BStBl III 1962, 535). Diese Erwägungen treffen auf den vorliegenden Fall eines Untervermächtnisses nämlich gerade nicht zu, da die Entstehung der Schuld hier ausdrücklich angeordnet und ihr Charakter daher erst begründet wird. Umstände in der Person der Klägerin haben hierauf keinen Einfluss.
b.
Es besteht ferner ein hinreichend konkreter gegenständlicher Bezug der Versorgungsrente zum übertragenen Betriebsvermögen und dieses ist auch als wirtschaftlich belastet anzusehen.
Die Klägerin ist als Vermächtnisnehmerin durch das Untervermächtnis beschwert; beide Vermächtnisse entstehen gem. §§ 2176, 2186 BGB im Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Die Klägerin konnte nicht Vermächtnisnehmerin werden, ohne die Beschwer durch das Untervermächtnis zu erleiden. Sie konnte mit anderen Worten das begünstigte Betriebsvermögen nicht erwerben, ohne zur Zahlung der Versorgungsrente verpflichtet zu sein. Dies spricht bereits für einen wirtschaftlichen Zusammenhang.
Ferner spricht für einen solchen Zusammenhang, dass, wirtschaftlich betrachtet, der Ehefrau des Erblassers zu Lebzeiten eine Versorgung gewährt werden soll, wie die Klägerin selbst vorträgt. Es entspricht dem Charakter einer Übertragung gegen Versorgungsleistung, dass die Versorgung aus dem übertragenen Betriebsvermögen geleistet werden soll (vgl. dazu BFH, Urteil vom 05.07.1990 GrS 4 - 6/89, BStBl II 1990, 847: „Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge"). Dieser Gedanke ist der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen immanent und ändert sich nicht, wenn die Vermögenserträge in Form einer Versorgungsrente an den Ehegatten des ursprünglichen Betriebsvermögensinhabers nach dessen Ableben zugewendet werden (vgl. ertragsteuerlich BFH, Urteil vom 27.02.1992 X R 139/88, BStBl II 1992, 612, insb. 4. b)). Diesen Gedanken hat der Erblasser in § 5 des Erbvertrages durch die ausdrückliche Bezeichnung der Rente als Versorgungsrente auch selbst zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat er die Höhe der Rente ausdrücklich nach dem Wert des Vermächtnisses bemessen. Auch § 6 des Erbvertrages verdeutlicht diesen Charakter. Er sieht vor, dass im Fall des Todes eines Vermächtnisnehmers sowohl das Vermächtnis selbst als auch die Untervermächtnislast dem verbleibenden Vermächtnisnehmer anwachsen, sodass die Mutter der Klägerin in jedem Fall die Rente in voller Höhe erhält.
Das begünstigte Betriebsvermögen stellt nach Vortrag der Klägerin (Bl. 45 ff. der Gerichtsakte) den Großteil des Nachlasses dar. In einem früheren Testament des Erblassers hatte dieser neben der Klägerin und ihrer Schwester auch seine Ehefrau, die Mutter der Klägerin, als Vermächtnisnehmerin in Bezug auf das Betriebsvermögen eingesetzt (Testament vom 11.09.2000, ErbSt-Akte). Die Änderung der letztwilligen Verfügung resultierte daher auch insoweit aus dem Bestreben, die Ehefrau zu versorgen, nunmehr jedoch ohne ihr Zugriff auf das Unternehmen selbst zu gewähren. Gleichwohl steht die Versorgungsrente wirtschaftlich einer Nießbrauchsbestellung zugunsten der Mutter der Klägerin nahe. Dies lässt die wirtschaftliche Verknüpfung des Untervermächtnisses mit dem Sachvermächtnis deutlich zu Tage treten. Nach Entstehung und Zweckbestimmung der Versorgungsrente liegt damit ein wirtschaftlicher Zusammenhang vor (vgl. BFH, Urteil in BStBl III 1967, 596).
Aus dem so beschriebenen Charakter der Versorgungsrente als Ertrag aus dem Betriebsvermögen resultiert zudem die für den wirtschaftlichen Zusammenhang erforderliche gegenständliche Konkretisierung der Schuld in Bezug auf das erworbene begünstigte Vermögen, die vorliegend an Intensität diejenige eines sonstigen Geldvermächtnisses übersteigt. Dass das von der Klägerin erhaltene Vermächtnis ausschließlich aus begünstigtem Betriebsvermögen besteht, verstärkt diesen Bezug im Streitfall noch. Anders als z. B. in Pflichtteilsfällen ist vorliegend das nämliche Betriebsvermögen von der Untervermächtniserteilung unmittelbar und ausschließlich, der Zwecksetzung des Erblassers entsprechend, wirtschaftlich betroffen. Hierin ist zugleich auch eine konkrete wirtschaftliche Belastung der Vermächtnisgegenstände zu sehen. Hinzu kommt, dass die ausdrücklich im Übertragungsvertrag vorgenommene Bemessung der Versorgungsrente anhand des Vermächtnisses ebenfalls dessen wirtschaftliche Belastung reflektiert (vgl. BFH, Urteil in BStBl II 1973, 3). Darüber hinaus ist aufgrund der zivilrechtlichen Haftungsbegrenzung des § 2187 BGB sichergestellt ist, dass das Untervermächtnis das Vermächtnis nicht überschreitet.
Diese Umstände führen nach Auffassung des Senates dazu, dass zwischen der Versorgungsrente und dem vermachten Betriebsvermögen ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, obwohl die jeweilige konkrete Rentenzahlung nicht zwangsläufig aus den Erträgen oder der Substanz des übertragenen Betriebsvermögens stammen muss. Die Herkunft der konkreten Zahlungsmittel ist für den Senat in Bezug auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der Zahlungsverpflichtung mit dem Vermögen aber nicht entscheidend. Auch in den von der Klägerin herangezogenen Pflichtteilsfällen haftet der Pflichtteilsverpflichtete grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen. Der BFH führt hierzu aus, dass ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwar nicht gegeben wäre, wenn wegen der betreffenden Schuld nicht in den übertragenen Vermögensgegenstand vollstreckt werden könne. Im umgekehrten Fall, dass wegen der Schuld auch in andere Wirtschaftsgüter vollstreckt werden könne, sei der wirtschaftliche Zusammenhang hingegen nicht ausgeschlossen (BFH, Urteil in BStBl II 1973, 3).
c.
Die Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs stellt auch keinen Verstoß gegen ein Korrespondenzprinzip dar. Der unterschiedliche Ansatz des Untervermächtnisses aufseiten der Klägerin und aufseiten ihrer Mutter beruht auf zwei steuerlich zu unterscheidenden Erwerben. Dass die Klägerin das Untervermächtnis wegen § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG nicht in voller Höhe abziehen kann, beruht im Ausgangspunkt auf der Begünstigungsvorschrift des § 13a ErbStG und stellt insofern die Konsequenz der gesetzgeberischen Konzeption dieser Begünstigung dar. Demgegenüber stellt das Untervermächtnis aufseiten der Mutter der Klägerin einen selbstständig zu bewertenden Vermögensanfall dar. Sollte die Kürzung von Schulden und Lasten nach § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG nicht durchgeführt werden, wenn diese bei einem Dritten als Erwerb zu erfassen sind, hätte der Gesetzgeber eine Regelung zur intersubjektiv korrespondierenden Besteuerung treffen müssen; ohne gesetzliche Anordnung kann die Korrespondenz nicht hergestellt werden. Soweit die Klägerin auf die einkommensteuerlichen Vorschriften § 10 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a EStG verweist, ist darauf hinzuweisen, dass das Einkommensteuerrecht eine intersubjektive Korrespondenz besonders anordnet, woran es im ErbStG fehlt.
Hieraus ergibt sich, dass der Senat dem Argument der Klägerin, es ergebe sich so bei einem Belastungsvergleich aller Erwerbe aus dem Erbfall eine höhere Steuerlast, für die Lösung der Streitfrage keine ausschlaggebende Bedeutung beimisst. Im Übrigen ist der Besteuerung allein der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt und nicht ein fiktiver Sachverhalt ohne Versorgungsrente zugrunde zu legen.
4.
Der Höhe nach ist die vom Beklagten vorgenommene Berechnung des Schuldenabzugs nicht angefochten, sodass allein über die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs zu entscheiden war. Der Bescheid steht im Übrigen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs im Rahmen des § 10 Abs. 6 Satz 4 ErbStG in Fällen der Einzelrechtsnachfolge, zumal nach neuem Erbschaftsteuerrecht, nicht abschließend geklärt erscheint, die Auslegung jedoch in einer Vielzahl von Fällen Bedeutung erlangen kann.