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Steuerrecht
10.10.2008
Steuerrecht
BFH: Wie ist der Begriff "Unterschrift" unter USt-Vergütungsantrag zu verstehen?

BFH, Beschluss vom 13.8.2008 - XI R 19/08

Vorinstanz: FG Köln vom 21.2.2008 - 2 K 736/07 (EFG 2008, 1164)

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist der Begriff der "Unterschrift", der in dem Muster lt. Anhang A der Richtlinie 79/1072/EWG zur Stellung eines Antrags auf Vergütung der Umsatzsteuer gemäß Art. 3 Buchst. a dieser Richtlinie verwendet wird, ein einheitlich auszulegender gemeinschaftsrechtlicher Begriff?

2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:

Ist der Begriff der "Unterschrift" dahin zu verstehen, dass der Vergütungsantrag zwingend von dem Steuerpflichtigen persönlich oder bei einer juristischen Person von dem gesetzlichen Vertreter unterschrieben werden muss, oder genügt die Unterschrift eines Bevollmächtigten (z.B. eines steuerlichen Vertreters oder Arbeitnehmers des Steuerpflichtigen)?

EG Art. 249; Richtlinie 79/1072/EWG Art. 3 Buchst. a, Art. 6, Anhang A; UStG 2005 § 18 Abs. 9 Sätze 3 bis 5; UStDV 2005 § 61 Abs. 1; AO § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 150 Abs. 3

SACHVERHALT

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in den Niederlanden ansässige Gesellschaft (BV). Sie beantragte am 30. Juni 2006 eine Vergütung der Vorsteuerbeträge für den Zeitraum von Januar bis Dezember 2005 auf dem dafür in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen amtlichen Vordruck. Dieser Vordruck sieht in Feld 9 die "Eigenhändige Unterschrift und Firmenstempel" vor. In einem Begleitschreiben wiesen die in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Rechtsanwälte der Klägerin, die in dem Vordruck auch als Zustellungsvertreter benannt sind, darauf hin, dass der Vergütungsantrag von ihnen im Auftrag der Mandantin unterzeichnet worden sei. Dem Schreiben war als Anlage eine von dem Vertretungsberechtigten der Klägerin ausgestellte "Vollmacht für das Vorsteuervergütungsverfahren" beigefügt. Die Rechtsanwälte sind darin bevollmächtigt, die Klägerin in anhängigen und anhängig werdenden Vorsteuervergütungsverfahren rechtsverbindlich zu vertreten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass er entgegen § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) nicht eigenhändig unterschrieben sei.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des BZSt. Es entschied, § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG verstoße nicht gegen Art. 3 und 6 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG). Das der Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang A beigefügte Muster verlange eine "Unterschrift". Bei zutreffender Auslegung könne es sich dabei nur um eine eigenhändige Unterschrift handeln. Selbst wenn dies anders wäre, bestünde für den deutschen Gesetzgeber nach Art. 249 Unterabs. 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) eine Durchführungsautonomie. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1164 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, das FG habe den Begriff der "Unterschrift" in dem Muster, das der Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang A beigefügt ist, fehlerhaft ausgelegt. So ließen beispielsweise Österreich, die Niederlande, Frankreich, Finnland und Großbritannien ausdrücklich die Unterschrift durch einen Vertreter zu. Die umstrittene Frage, ob die Unterschrift durch einen Bevollmächtigten geleistet werden könne, sei entgegen der Auffassung des FG in der Gemeinschaft einheitlich und damit letztlich vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu entscheiden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Bescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung das BZSt zu verpflichten, den Erstattungsbetrag in Höhe von 4 221,49 € festzusetzen.

Das BZSt beantragt, die Revision zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Der Senat legt dem EuGH die bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.

1. Nationales Recht

a) Rechtlicher Rahmen

Die Vergütung der Vorsteuer an im Ausland ansässige Unternehmer ist in § 18 Abs. 9 UStG geregelt. Die Sätze 3 bis 5 der Vorschrift in der im Streitjahr gültigen Fassung lauten:

"Der Vergütungsantrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen. Der Vergütungsantrag ist vom Unternehmer eigenhändig zu unterschreiben."

§ 61 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 2005 in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung bestimmt:

"Der Unternehmer hat die Vergütung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bei dem Bundeszentralamt für Steuern oder bei dem nach § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Finanzverwaltungsgesetzes zuständigen Finanzamt zu beantragen."

§ 79 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO), der die Überschrift "Handlungsfähigkeit" trägt, bestimmt u.a.:

"Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen sind:

1. natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig sind,

2. ...

3. juristische Personen, Vereinigungen oder Vermögensmassen durch ihre gesetzlichen Vertreter oder durch besonders Beauftragte,

4. ..."

§ 150 Abs. 3 AO, der die Form und den Inhalt der Steuererklärungen regelt, lautet:

"Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist."

b) Würdigung

Nach nationalem Recht hat die Klägerin im Streitfall keinen wirksamen Antrag auf Vergütung der Vorsteuerbeträge gestellt. Denn der am letzten Tag der Ausschlussfrist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG eingegangene Antrag war nicht "eigenhändig" i.S. des § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG unterschrieben.

Bei einer juristischen Person wie der Klägerin liegt die nach § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG erforderliche eigenhändige Unterschrift nur vor, wenn ihr gesetzlicher Vertreter unterschrieben hat. Soweit nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO Verfahrenshandlungen auch durch "besonders Beauftragte" vorgenommen werden können, bezieht sich dies nicht auf juristische Personen, die gesetzliche Vertreter haben, sondern auf nichtrechtsfähige Personenvereinigungen und Vermögensmassen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Oktober 1998 III R 58/95, BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237).

Zwar gilt als eigenhändige Unterschrift i.S. des § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten. Diese Vorschrift gilt aber nicht für Steuererklärungen. Hier bestimmt § 150 Abs. 3 AO, dass dann, wenn die Steuergesetze anordnen, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur zulässig ist, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist.

Bei dem der Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang A beigefügten Muster handelt es sich um ein Formular für eine Steuererklärung i.S. des § 150 AO. Dafür spricht, dass der Unternehmer in Feld 9 des Musters verschiedene, für die Festsetzung der Steuervergütung erforderliche Erklärungen abzugeben hat. Dass das Ziel dieser Erklärungen nicht eine Steuerfestsetzung, sondern eine Steuervergütung (§§ 37, 43 AO) ist, steht einer Qualifizierung als Steuererklärung nicht entgegen. Denn nach § 155 Abs. 4 AO sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

Die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen nach § 150 Abs. 3 AO eine Steuererklärung ausnahmsweise von einem Bevollmächtigten unterschrieben werden darf, sind im Streitfall unstreitig nicht erfüllt.

Danach wäre die Revision der Klägerin nach nationalem Recht unbegründet.

2. Zur Anrufung des EuGH

Der Senat hat Zweifel, ob diese nationale Rechtslage im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht steht.

a) Rechtlicher Rahmen

Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG lautet:

"Um die Erstattung zu erhalten, muß ein in Artikel 2 genannter Steuerpflichtiger, der im Inland keine Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, a) bei der in Artikel 9 bezeichneten zuständigen Behörde nach dem in Anhang A aufgeführten Muster einen Antrag stellen, dem die Originale der Rechnungen oder Einfuhrdokumente beizufügen sind. Die Mitgliedstaaten stellen den Antragstellern eine Erläuterung zur Verfügung, die auf jeden Fall die Mindestinformationen laut Anhang C enthalten muß; ..."

Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten dürfen den in Artikel 2 genannten Steuerpflichtigen außer den Pflichten nach den Artikeln 3 und 4 keine anderen Pflichten auferlegen als die, in Sonderfällen die Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um beurteilen zu können, ob der Erstattungsantrag begründet ist."

Das in der deutschen Fassung in Anhang A der Richtlinie 79/1072/EWG aufgeführte Muster sieht in der letzten Zeile neben Ort und Datum eine "Unterschrift" vor.

b) Würdigung

(1) Der Senat möchte die Frage zu 1., ob der Begriff der "Unterschrift", der in dem der Richtlinie 79/1072/EWG als Anhang A beigefügten Muster verwendet wird, ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist, so dass er einheitlich ausgelegt werden muss, bejahen. Zwar bestimmt Art. 249 EG, dass die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt. Letzteres kann aber nach Ansicht des Senats dann nicht gelten, wenn Zweck der Richtlinie gerade die Harmonisierung des Verfahrens in den Mitgliedstaaten ist. Dies trifft für die Richtlinie 79/1072/EWG zu (vgl. auch EuGH-Urteil vom 15. März 2007 Rs. C-35/05 --Reemtsma--, Slg. 2007, I-2425, Randnr. 26). Wenn eine Richtlinie für einen bestimmten Antrag ausdrücklich ein bestimmtes Muster vorsieht, wie es in Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG in Verbindung mit dem Anhang A geschehen ist, dann kann der mit der Richtlinie verfolgte Zweck der Harmonisierung des Verfahrens nur erreicht werden, wenn die in dem Muster verwendeten Begriffe in den Mitgliedstaaten dieselbe Bedeutung haben. In einem solchen Fall ermächtigt auch der Grundsatz der Verfahrensautonomie (vgl. dazu EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-2425, Randnr. 40) die Mitgliedstaaten nicht, die in dem Muster enthaltenen Begriffe unterschiedlich umzusetzen.

Folgt man dieser Auffassung, kommt es nicht mehr darauf an, ob darin, dass in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG die Eigenhändigkeit der Unterschrift gefordert wird, möglicherweise auch ein Verstoß gegen Art. 6 der Richtlinie 79/1072/EWG liegen könnte.

(2) Der in dem Muster des Anhangs A der Richtlinie 79/1072/EWG verwendete Begriff der "Unterschrift" enthält nicht den Zusatz der "Eigenhändigkeit". Bis zur Änderung des § 18 Abs. 9 UStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) hat dementsprechend auch die deutsche Finanzverwaltung nicht zwingend die Eigenhändigkeit der Unterschrift i.S. des § 150 Abs. 3 AO verlangt, sondern die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten, der zur Hilfeleistung in Steuersachen zugelassen war, als ausreichend erachtet (vgl. Abschn. 243 Abs. 7 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992). Der Senat hat Zweifel, ob der deutsche Gesetzgeber mit der in § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG verlangten "Eigenhändigkeit" der Unterschrift Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 79/1072/EWG in Verbindung mit dem in Anhang A aufgeführten Muster gemeinschaftskonform umgesetzt hat.

3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 234 Satz 3 EG. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.

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