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Steuerrecht
31.07.2025
Steuerrecht
Niedersächsisches FG: Wertpapierleihe über den Dividendenstichtag als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO); Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO bei Änderung einer Anrechnungsverfügung nach §§ 130, 131 AO (Kapitalertragsteuer)

Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.4.2025 – 6 K 86/22

ECLI:DE:2025:0424.6K86.22.00

Volltext BB-Online BBL2025-1814-7

Amtliche Leitsätze

1. Bei der Prüfung der steuerlichen Zurechnung von Wirtschaftsgütern nach § 39 der Abgabenordnung (AO) ist zu untersuchen, wem die wesentlichen mit dem Vollrecht an Aktien verbundenen Rechte objektiv und in tatsächlicher Hinsicht zustehen; nicht relevant ist, ob der Inhaber dieser Rechte sie subjektiv auch wahrnehmen möchte (Anschluss an BFH v. 13. November 2024 I R 3/21).

2. Die wiederholte, kurzfristige Übertragung von Aktien über den Dividendenstichtag im Rahmen eines Wertpapierdarlehens, bei dem der Darlehensnehmer als Dividendenempfänger durch die Kombination der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG mit der an den Darlehensgeber zu leistenden Kompensationszahlung einen Steuervorteil erlangt, ohne dass die gewählte Gestaltung einen über diesen Vorteil hinausgehenden, eigenen wirtschaftlichen Zweck aufweist oder für sie ein außersteuerlicher Grund besteht, stellt einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO dar.

3. Aus einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsvorschrift (hier: § 8b Abs. 10 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008) lässt sich nicht im Wege eines Umkehrschlusses die Folgerung ziehen, dass eine von ihr (nach späterer Änderung und Erweiterung des Geltungsbereiches der Missbrauchsvermeidungsvorschrift) erfasste Sachverhaltskonstellation vor dem Inkrafttreten (bzw. der Änderung und Erweiterung) den Tatbestand der allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 42 AO nicht erfüllen kann.

4. § 130 Abs. 3 AO ist als Bearbeitungsfrist zu verstehen. Bei Annahme einer Entscheidungsfrist geht der mit § 130 Abs. 3 AO bezweckte Vertrauensschutz verloren, da der Fristbeginn zu weit nach hinten gerückt würde. Entscheidend ist der Zeitpunkt, ab dem die Behörde alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände kennt, die für die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des jeweiligen Verwaltungsaktes erforderlich sind.

 

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Wertpapierdarlehensgeschäften über Aktien und der in diesem Zusammenhang erzielten Dividenden und geleisteten Zahlungen.

Die Klägerin gehört zum XY-Konzern. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist xxx. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die X AG. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich auf der Grundlage eines Wirtschaftsjahres, das dem Kalenderjahr entspricht (§ 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes -EStG- i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG-). Zwischen der X AG und der Klägerin besteht keine ertragsteuerliche Organschaft im Sinne der §§ 14 ff. KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes -GewStG-.

In 2008 war die Klägerin Inhaberin sämtlicher Geschäftsanteile an der Y GmbH. Zwischen der Klägerin (als Organträgerin) und der Y GmbH (als Organgesellschaft) bestand eine ertragsteuerliche Organschaft im Sinne der §§ 14 ff. KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG.

Die Y GmbH hielt in 2008 x % der Geschäftsanteile an der Z GmbH. [...] Unternehmensgegenstand der Z GmbH ist xxx. Zwischen der Y GmbH (als Organträgerin) und Z GmbH (als Organgesellschaft) bestand in 2008 eine ertragsteuerliche Organschaft im Sinne der §§ 14 ff. KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG. Mithin bestand zwischen der Klägerin und Z GmbH eine "Kettenorganschaft" mit der Klägerin als "oberste Organträgerin".

Die Z GmbH ging im Jahr 2008 verschiedene Wertpapierdarlehensgeschäfte mit der X-Bank ein, bei denen die X-Bank Aktien an inländischen Aktiengesellschaften darlehensweise an die Z GmbH übertrug. Während der Darlehenslaufzeit vereinnahmte die Z GmbH Dividenden in Höhe von insgesamt x €, die auf die darlehensweise übertragenen Aktien ausgeschüttet wurden.

Grundlage für die streitigen Wertpapierdarlehensgeschäfte der Z GmbH des Jahres 2008 war ein mit der X-Bank geschlossener "Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen" vom xx.xx.2008 - Rahmenvertrag-. Wegen des Wortlautes des Rahmenvertrages wird auf die Anlage Kx Bezug genommen.

Der Rahmenvertrag ist in den wesentlichen Punkten inhaltlich identisch mit dem vom Bundesverband deutscher Banken veröffentlichten, standardisierten Vertragsmuster "Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen" (Stand 1. November 1999).

Gegenstand des Rahmenvertrags war die Vereinbarung einheitlicher Regelungen für die zwischen der Z GmbH und der X-Bank in 2008 geplanten Wertpapierdarlehensgeschäfte. Danach hatte die Darlehensgeberin der Darlehensnehmerin Wertpapiere darlehensweise zu überlassen, wobei die Darlehensnehmerin nicht zur Rückgewähr der nämlichen Wertpapiere, sondern (lediglich) zur Rückgewähr von Wertpapieren gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet war (Sachdarlehen im Sinne der §§ 607 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches). Beide Vertragsparteien konnten sowohl Darlehensgeberin als auch Darlehensnehmerin sein (vgl. Ziffer 1 Abs. 1 Rahmenvertrag).

Die Vereinbarungen im Rahmenvertrag waren anzuwenden für jedes unter Zugrundelegung dieses Rahmenvertrags geschlossene Geschäft. Die unter dem Rahmenvertrag geschlossenen Einzelabschlüsse bildeten untereinander sowie zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag (vgl. Ziffer 1 Abs. 2 Rahmenvertrag).

An dem zwischen den Vertragsparteien für die Lieferung vereinbarten Tag (VaIutierungstag) hatte die Darlehensgeberin der Darlehensnehmerin die vereinbarten Wertpapiere zu liefern (vgl. Ziffer 3 Abs. 1 Rahmenvertrag). Mit der Lieferung ging das unbeschränkte (zivilrechtliche) Eigentum an den überlassenen Wertpapieren oder eine andere am Verwahrort übliche, gleichwertige Rechtsstellung auf die Darlehensnehmerin über (vgl. Ziffer 3 Abs. 2 Rahmenvertrag).

Nach Ziffer 5 Abs. 1, 2 des Rahmenvertrages hatte die Darlehensnehmerin der Darlehensgeberin für jedes Wertpapierdarlehen ein Entgelt für den Zeitraum zwischen dem Valutierungstag und dem Tag der Rücklieferung der Darlehenspapiere zu zahlen, das sich aus dem im Einzelabschluss vereinbarten Prozentsatz p.a. bezogen auf den Marktwert der Darlehenspapiere errechnete.

Die während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens auf die Darlehenspapiere geleisteten Zinsen, Gewinnanteile sowie sonstigen Ausschüttungen standen der Darlehensgeberin zu. Den Gegenwert hatte die Darlehensnehmerin zuzüglich des Betrags einbehaltener Steuern und Abgaben sowie Steuergutschriften an die Darlehensgeberin zu zahlen (sog. Kompensationszahlungen, vgl. Ziffer 6 Abs. 1 Rahmenvertrag). Die Kompensationszahlungen umfassten bei Schuldverschreibungen sämtliche auf sie gezahlten Zinsen und bei Aktien sämtliche hierauf getätigten Ausschüttungen wie z.B. Dividenden oder Zahlungen im Fall von Kapitalherabsetzungen. Der in den Kompensationszahlungen enthaltene Ausgleich für Steuern und Abgaben war nur nach Maßgabe der der Darlehensnehmerin mitgeteilten steuerlichen Erstattungs- bzw. Anrechnungsansprüche der Darlehensgeberin zu zahlen (vgl. Ziffer 6 Abs. 2 Rahmenvertrag).

Berichtigungsaktien sowie etwaige verbleibende Teilrechte, die während des Darlehenszeitraumes auf die Darlehenspapiere begeben werden, waren Gegenstand des jeweiligen Einzelabschlusses und von der Darlehensnehmerin am Rückgabetag an die Darlehensgeberin zu liefern (vgl. Ziffer 6 Abs. 3 Rahmenvertrag). Entfielen auf die Darlehenspapiere Bezugsrechte, hatte die Darlehensnehmerin diese der Darlehensgeberin zur Verfügung zu stellen (vgl. Ziffer 6 Abs. 4 Rahmenvertrag). Wegen der Einzelheiten wird auf Ziffer 6 des Rahmenvertrages Bezug genommen.

Für den Fall, dass an einem Bankarbeitstag die Darlehenssumme der einen Vertragspartei die Darlehenssumme der anderen Vertragspartei unterschritt, war erstere berechtigt, von letzterer einen Wertausgleich in Höhe der Differenz der Darlehenssummen zu verlangen, wobei der Wertausgleich nur zu leisten war, wenn die Differenz der Darlehenssummen mindestens x € betrug (vgl. Ziffer 4 Abs. 1, Ziffer 11 Abs. 7 Rahmenvertrag).

Der Wertausgleich hatte durch Leistungen zu erfolgen, auf die sich die Vertragsparteien zu einigen hatten. Sofern die Vertragsparteien keine ausdrückliche Bestimmung über die Art der zu erbringenden Leistungen getroffen hatten, galt die Lieferung von auf Euro lautenden Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland als vereinbart (vgl. Ziffer 4 Abs. 3 Rahmenvertrag). Soweit als Wertausgleich Wertpapiere zu liefern waren, fanden die Bestimmungen des Rahmenvertrags mit Ausnahme der Ziffer 5, Ziffer 7 Abs. 1 bis 3 und der Ziffer 8 entsprechende Anwendung (vgl. Ziffer 4 Abs. 5 Rahmenvertrag Wertpapierdarlehen 2008). Das bedeutete u.a., (i) der Darlehensgeberin wurde das unbeschränkte (zivilrechtliche) Eigentum an den als Wertausgleich gelieferten Wertpapieren übertragen, (ii) bei Rückführung des Wertausgleichs waren nicht die nämlichen Wertpapiere, sondern lediglich Wertpapiere gleicher Art, Güte und Menge zurückzuliefern und (iii) etwaige auf die als Wertausgleich gelieferten Wertpapiere entfallenden Zinsen und Ausschüttungen waren durch die Darlehensgeberin gegenüber der Darlehensnehmerin zu kompensieren.

Beide Vertragsparteien waren berechtigt, ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Wertpapierdarlehen jederzeit ganz oder teilweise zu kündigen, wobei (i) für eine Kündigung durch die Darlehensgeberin eine Kündigungsfrist von drei Bankarbeitstagen und (ii) für eine Kündigung durch die Darlehensnehmerin eine Kündigungsfrist von wenigstens einem Bankarbeitstag vereinbart wurde (vgl. Ziffer 7 Abs. 1 Rahmenvertrag). Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Darlehen endete spätestens ein Jahr nach dem Valutierungstag (vgl. Ziffer 7 Abs. 3 Rahmenvertrag).

Am Fälligkeitstag hatte die Darlehensnehmerin die Darlehenspapiere auf das vereinbarte Konto der Darlehensgeberin zurückzuliefern und das unbeschränkte Eigentum an die Darlehensgeberin zu übertragen (vgl. Ziffer 7 Abs. 4 Rahmenvertrag). Wegen der Einzelheiten wird auf Ziffer 7 des Rahmenvertrages Bezug genommen.

Die Z GmbH verfügte bei der X-Bank im Zeitraum xx.xx.2008 bis xx.xx.2008 über Festgeldterminanlagen in Höhe von insgesamt x €. Für den Zeitraum xx.xx.2008 bis xx.xx.2008 wurden der Z GmbH hierauf Zinsen in Höhe von insgesamt x € gezahlt.

Mit der Vereinbarung "Verpfändung von Sparguthaben, Sparbriefen, Festgeldern, Wertpapieren" vom xx.xx.2008 (nachfolgend Verpfändungsvertrag) verpfändete die Z GmbH diese Festgeldterminanlagen (einschließlich Zinsen) zugunsten der X-Bank (Anlage Kx). Die Verpfändung erfolgte zur Sicherung aller bei Abschluss des Verpfändungsvertrags bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der X-Bank aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung mit der Z GmbH (vgl. Ziffer 4 Verpfändungsvertrag).

Auf Grundlage des Rahmenvertrags tätigte die Z GmbH im Zeitraum xx.xx.2008 bis xx.xx.2008 als Darlehensnehmerin mit der X-Bank (als Darlehensgeberin) insgesamt xx Wertpapierdarlehensgeschäfte (Einzelabschlüsse). Die Wertpapierdarlehensgeschäfte bezogen sich ausschließlich auf die Überlassung von Aktien an inländischen Aktiengesellschaften (AG oder SE). Eine Übersicht der einzelnen Wertpapierdarlehensgeschäfte enthält Anlage Kx.

Mit jedem Einzelabschluss legten die Z GmbH und die X-Bank Folgendes fest:

(i) die Gattung der zu liefernden Wertpapiere (Aktien z.B. der xx AG, yy AG),

(ii) die Anzahl ("NominaIe") der an die Z GmbH zu liefernden Wertpapiere,

(iii) den Valutierungstag (= Tag der Lieferung der Aktien),

(iv) die maximale Laufzeit,

(v) den Kurswert,

(vi) den Leihsatz,

(vii) die Abwicklung sowie

(viii) die zu stellendende Sicherheit.

Die X-Bank bestätigte der Z GmbH die Einzelabschlüsse jeweils gesondert.

Als Darlehensentgelt für die Überlassung der Wertpapiere vereinbarten die Z GmbH und die X-Bank bei jedem Einzelabschluss einen Betrag in Höhe von x % p.a. bezogen auf den Kurswert der überlassenen Aktien.

Zur maximalen Laufzeit des Wertpapierdarlehens sahen die Einzelabschlüsse die Vereinbarung "b.a.w." (bis auf weiteres), vor.

Die Lieferung der vertragsgegenständlichen Wertpapiere erfolgte durch Einbuchung der Wertpapiere in ein Wertpapierdepot der Z GmbH bei der X-Bank. Über die Lieferung der Wertpapiere erhielt die Z GmbH jeweils eine gesonderte Bestätigung. Die Wertpapierdarlehen wurden nach zwei bis 28 Tagen (durchschnittlich nach neun Tagen) beendet. Hierzu kündigte die X-Bank die Rückführung der Wertpapierdarlehen jeweils gegenüber der Z GmbH an. Über die Rücklieferung der vertragsgegenständlichen Wertpapiere durch Entnahme der Wertpapiere aus dem Wertpapierdepot der Z GmbH bei der X-Bank erhielt die Z GmbH jeweils eine gesonderte Bestätigung.

Mit Beendigung der Wertpapierdarlehen wurden auch die jeweiligen Darlehensentgelte fällig und der Z GmbH berechnet. Die Z GmbH zahlte an die X-Bank in 2008 Darlehensentgelte in Höhe von insgesamt x €.

Mit Ausnahme der Wertpapierdarlehensgeschäfte vom xx.xx.2008 und xx.xx.2008 über Aktien der xx AG, die von der der Z GmbH eingeräumten Kreditlinie gedeckt waren, wurden die Ansprüche der X-Bank unter den Einzelabschlüssen jeweils durch die an die X-Bank verpfändete Festgeldeinlage gesichert. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die der Klagebegründung exemplarisch beigefügte Dokumentation der ersten fünf in 2008 getätigten Einzelabschlüsse Bezug genommen (Anlage Kx bis Kx). Darin ist jeweils enthalten (i) die Bestätigung über den Abschluss des Wertpapierdarlehens und die vereinbarten Konditionen, (ii) die Bestätigung über die Gutschrift der vertragsgegenständlichen Wertpapiere in das Wertpapierdepot der Z GmbH, (iii) das Schreiben über die Rückführung des Wertpapierdarlehens und (iv) die Bestätigung über die Entnahme der vertragsgegenständlichen Wertpapiere aus dem Wertpapierdepot der Z GmbH.

Die zwischen der Z GmbH und der X-Bank durchgeführten Wertpapierdarlehensgeschäfte erfolgten jeweils über den Dividendenstichtag der Aktiengesellschaft, auf die sich das Wertpapierdarlehensgeschäft bezog. Dividenden, die auf die an die Z GmbH darlehensweise überlassenen Aktien ausgeschüttet wurden, wurden von der Z GmbH vereinnahmt. Die Ausschüttungen wurden in Höhe des --nach Abzug von Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) verbleibenden-- Netto-Betrags dem Verrechnungskonto der Z GmbH bei X-Bank gutgeschrieben. Hierdurch vereinnahmte die Z GmbH in 2008 (Brutto-)Dividenden in Höhe von insgesamt x €. Wegen der Zusammensetzung des Betrages wird auf die Anlage Kx Bezug genommen. Die auf die Dividenden einbehaltene Kapitalertragsteuer betrug insgesamt x €, der einbehaltene Solidaritätszuschlag insgesamt x €. Über die einbehaltene Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) stellte die X-Bank nach Ablauf des Jahres 2008 Steuerbescheinigungen an die Z GmbH aus.

Für die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehen vereinnahmten (Brutto-)Dividenden zahlte die Z GmbH an die X-Bank --entsprechend Ziffer 6 Abs. 1 des Rahmenvertrages-- Kompensationszahlungen in entsprechender Höhe (x €). Auf die exemplarisch zur Akte gereichte Dokumentation über einzelne Dividenden- und Kompensationszahlungen der ersten fünf in 2008 getätigten Einzelabschlüsse wird Bezug genommen (Anlage Kx bis Kx).

Im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften wurde die Klägerin durch die A GmbH beraten. Die A GmbH bietet Beratungsleistungen im Bereich Kapitalanlagen an. In 2008 hat die Klägerin an die A GmbH Beratungsentgelte in Höhe von insgesamt x € (einschließlich Umsatzsteuer) bezahlt.

Die Z GmbH erfasste die im Rahmen der Wertpapierdarlehen über die Aktien vereinnahmten Dividenden in Höhe von x € in 2008 handels- und steuerbilanziell als Ertrag. Die mit der (verpfändeten) Festgeldterminanlage erzielten Zinsen in Höhe von insgesamt x € behandelte die Z GmbH handels- und steuerbilanziell ebenfalls als Ertrag. Die an die X-Bank geleisteten Kompensationszahlungen in Höhe von insgesamt x € wie auch die Darlehensentgelte in Höhe von insgesamt x € behandelte die Z GmbH handels- und steuerbilanziell als Aufwand.

Die vorangehend angeführten Dividenden, Kompensationszahlungen und Darlehensentgelte wurden aufgrund der bestehenden "Kettenorganschaft" in das der Klägerin zugerechnete Organeinkommen der Z GmbH im Sinne der §§ 14 ff. KStG einbezogen. Bei der Klägerin blieben die Dividenden nach § 8b Abs. 1 i.V.m. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG außer Ansatz.

Die von der Klägerin für die Beratung im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften an die A GmbH geleisteten Beratungsentgelte in Höhe von insgesamt x € berücksichtigte die Klägerin in 2008 handels- und steuerbilanziell als Aufwand.

Für die auf die Dividenden einbehaltene Kapitalertragsteuer (x €) und den einbehaltenen Solidaritätszuschlag (x €) beantragte die Klägerin --aufgrund der "Kettenorganschaft"-- die Anrechnung auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 31 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 5 KStG). Der Körperschaftsteuererklärung für 2008 der Klägerin war eine Anlage beigefügt, aus der ersichtlich war, dass die Steuerabzugsbeträge, für die die Anrechnung beantragt wurde, in Verbindung mit Wertpapierdarlehensgeschäften mit der X-Bank standen. Auf Anlage Kx (Anlage zur Anlage WA zur Körperschaftsteuererklärung 2008) wird Bezug genommen.

Die entsprechenden Steuerbescheinigungen über die einbehaltene Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) sandte die Klägerin bereits zuvor am xx.xx.xxxx zusammen mit einem Antrag auf Anpassung der Steuervorauszahlungen für 2008 an den Beklagten, sodass dem Beklagten die Steuerbescheinigungen bei Abgabe der Körperschaftsteuererklärung der Klägerin für 2008 am xx.xx.xxxx bereits vorlagen.

Der Beklagte veranlagte die Klägerin, die Y GmbH und Z GmbH erklärungsgemäß. Der gegenüber der Z GmbH ergangene Körperschaftsteuerbescheid vom xx.xx.xxxx stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-) und wurde jeweils mit auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Bescheiden unter dem xx.xx.xxxx und dem xx.xx.xxxx und vom xx.xx.xxxx geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde mit dem Änderungsbescheid vom xx.xx.xxxx aufgehoben.

Mit Bescheid für 2008 vom xx.xx.xxxx wurde die Körperschaftsteuer gegenüber der Klägerin (als "obere" Organträgerin) auf x € und der Solidaritätszuschlag auf x € festgesetzt. Die Festsetzung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO). Die auf die Dividenden einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt x € und der einbehaltene Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt x € wurden auf die festgesetzte Körperschaftsteuer und den festgesetzten Solidaritätszuschlag angerechnet.

Die u.a. in 2008 durch die Z GmbH getätigten Wertpapierdarlehensgeschäfte und deren steuerliche Behandlung waren Gegenstand einer ab xxxx bis xxxx bei der Klägerin und der Z GmbH durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung XX zusammen mit dem Bundeszentralamt für Steuern -BZSt- durchgeführten Außenprüfung (Prüfungsanordnungen jeweils vom xx.xx.xxxx für die Z GmbH und die Klägerin). Das BZSt prüfte die Wertpapierdarlehen unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) und nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18. August 2015 (I R 88/13, BStBl. II 2016, 961) als Frage des wirtschaftlichen Eigentums i.S.v. § 39 Abs. 1, Abs. 2 AO.

Die Außenprüfung gelangte zu der Feststellung, das wirtschaftliche Eigentum an den darlehensweise überlassenen Aktien sei bei der Darlehensgeberin, der X-Bank, verblieben (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Der Z GmbH seien weder die Dividenden zuzurechnen, noch sei die Klägerin als (oberste) Organträgerin zur Anrechnung der darauf einbehaltenen Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) befugt.

Die Z GmbH habe mit den Wertpapierdarlehen keinerlei wirtschaftliche Vorteile erzielt. Die Wertpapierdarlehen hätten kurzfristig vom Darlehensgeber gekündigt werden können, so dass die Z GmbH nicht die einem Wertpapierdarlehen grundsätzlich innewohnenden wirtschaftlichen Möglichkeiten und Vorteile habe nutzen können (z.B. durch die freie Verfügungsbefugnis, Einsatz zur Finanzierung, Erfüllung anderweitiger Lieferverpflichtungen, Absicherung von Leerverkäufen, Arbitrage bei Kursunterschieden). Die Z GmbH habe aus den Wertpapierdarlehensgeschäften eine negative Vorsteuerrendite erzielt, denn die Zinserträge aus den zur Sicherheit gestellten Festgeldeinlagen hätte die Z GmbH auch ungeachtet der Wertpapierdarlehensgeschäfte erzielt, so dass sie nicht in die Berechnung einbezogen werden dürften.

Unter Anwendung der vom BFH in seinem o.g. Urteil dargelegten Kriterien für die Bestimmung bzw. Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums sei die Z GmbH in Bezug auf die im Streitjahr durchgeführten Wertpapierdarlehensgeschäfte nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien im Sinne von § 39 Abs. 1 AO geworden. Nach dieser Norm gehe das wirtschaftliche Eigentum an Rechten über, wenn (erstens) der Erwerber aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechtes gerichtete Position erlange, die ihm gegen seinen Willen nicht entzogen werden könne, wenn ihm (zweitens) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte übertragen würden, und ihm (drittens) die Chance einer Wertsteigerung und das Risiko einer Wertminderung zustehe.

Unter Berücksichtigung der Kriterien der durchzuführenden Gesamtschau (Haltedauer, Bemessung des Gesamtentgeltes, Liquiditätsvorteile beim Darlehensnehmer, Ausübung von Stimmrechten, Stärke/Schwäche der Rechtsposition des Darlehensnehmers, Vorsteuerrendite) sei davon auszugehen, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien bei der X-Bank (Darlehensgeberin) verblieben sei. Die Haltedauer habe deutlich weniger als 45 Tage betragen, wodurch Chancen der Wertsteigerung oder Risiken der Wertminderung sich nicht hätten verwirklichen können. Das Gesamtentgelt sei so bemessen, dass insbesondere durch die zu leistenden Kompensationszahlungen der Dividendenertrag zu 100 % aufgezehrt worden sei. Der Z GmbH sei kein Liquiditätsvorteil verblieben. Der Z GmbH sei es ferner nicht auf die Ausübung von Stimmrechten angekommen. Aufgrund der kurzen Kündigungsfrist habe die Z GmbH im Rahmen der Wertpapierdarlehensgeschäfte eine schwache Position innegehabt.

Als Rechtsfolge der abweichenden wirtschaftlichen Zurechnung sei die Steuerbefreiung der Bezüge in Höhe von x € zu versagen. Da die Z GmbH bzw. die Klägerin gemäß § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Dividendenerträge als nicht abziehbare Betriebsausgaben behandelt hätten, sei die Korrektur im Ergebnis in Höhe von x € vorzunehmen.

Die Außenprüfung wies darauf hin, dass ihrer Ansicht nach im Hinblick auf die einheitlichen Verträge bzw. Einzelabschlüsse auch ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO vorliege. Angesichts der spezielleren Norm des § 39 AO, wonach aber bereits kein wirtschaftliches Eigentum der Z GmbH gegeben sei, trete § 42 AO indes als subsidiär zurück.

Die Z GmbH könne sich hinsichtlich der Schlussfolgerungen der Außenprüfung nicht auf einen zu ihren Gunsten bestehenden Vertrauensschutz berufen (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Der BFH habe seine Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Eigentum bei Wertpapierdarlehensgeschäften durch das Urteil vom 8. August 2015 (I R 88/13) nicht geändert.

Auch die Rechtsprechungsänderung zum "subjektiven Fehlerbegriff" durch den Großen Senat des BFH (Beschluss vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BStBl. II 2013, 317), wonach das Finanzamt im Rahmen der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden sei, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz (und den einzelnen Ansätzen) zugrunde liege, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmann im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar gewesen sei, begründe keinen Vertrauensschutz zugunsten der Z GmbH. Die Z GmbH habe die Wertpapiere im Streitjahr ganz überwiegend nicht in ihren Bilanzen angesetzt, da die Einzelabschlüsse jeweils vor dem 31. Dezember geendet hätten. Die Dividenden seien als Ertrag und die Kompensationszahlungen als Aufwand im G&V-Konto verbucht. Es handele sich folglich nicht um Wirtschaftsgüter im Sinne von § 39 AO, so dass diese Posten nicht Gegenstand einer abweichenden Zurechnung und damit Bilanzänderung sein könnten. Rechne man für die Einzelabschlüsse die Wertpapiere und Rückübertragungsansprüche der Darlehensgeberin zu, so sei dies eine Aktiv-Passiv-Minderung innerhalb der Bilanz der Z GmbH, die sich nicht auf den Bilanzgewinn zum Nachteil der Z GmbH auswirke. Dies gelte auch für die (wenn auch zu Unrecht) ausgewiesenen Dividenden und die Kompensationszahlungen. Deren Ansatz sei zwar zu Unrecht erfolgt; die Gegenläufigkeit der Posten führe jeder zu keiner Änderung des ausgewiesenen Kapitals. Nachteilig wirke sich (auf Ebene der Klägerin) die nicht zu gewährende Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 KStG aus; hier komme es aber nicht (allein) auf den Bilanzansatz an, sondern aufgrund der in § 8b Abs. 1 KStG einzubeziehenden Wertungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO auf die Zurechnung zu einer Person. Dabei zeige § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass bei einer Zurechnung an einen vom zivilrechtlichen Eigentümer abweichenden wirtschaftlichen Eigentümer das wirtschaftliche Eigentum und der Bilanzansatz zwangsläufig auseinanderfielen. § 8b Abs. 1 KStG sei zudem außerhalb der Bilanz anzuwenden.

Die auf die Dividenden einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe von x € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von x € sei nicht anzurechnen. Eine Anrechnung der Steuerabzugsbeträge durch die Darlehensnehmerin Z GmbH (hier im Ergebnis die Klägerin, § 19 Abs. 5 KStG) komme nicht in Betracht, denn die zugrundeliegenden Dividenden seien der Z GmbH nicht zuzurechnen. Dies folge aus § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG; vorliegend seien die gemäß der Norm auf die bei der Veranlagung "erfassten Einkünfte" oder auf die nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 1 und Abs. 6 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleibenden Bezüge entfallenden Steuerabzüge auf die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) anzurechnen. Die dem Kapitalertragsteuerabzug zugrundeliegenden Dividenden seien in Ermangelung wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien nicht bei der Z GmbH zu erfassen bzw. außer Ansatz zu lassen, so dass eine Anrechnung der Kapitalertragsteuer ausscheide.

Es bestehe hinsichtlich der Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) auch kein Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO, denn Voraussetzung sei, dass die Z GmbH in Bezug auf die Dividenden die Steuerpflichtige gewesen sei. Das sei sie aber nicht gewesen; der Z GmbH seien lediglich falsche Steuerbescheinigungen ausgestellt worden. Gläubigerin der Kapitalerträge sei vielmehr die X-Bank als Darlehensgeberin gewesen. Dem Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO gehe § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG vor. Danach sei die Kapitalertragsteuer auf Antrag zu erstatten, wenn sie einbehalten und abgeführt worden sei, obwohl hierzu eine Verpflichtung nicht bestanden habe. Es sei allerdings nur der zum Steuerabzug Verpflichtete erstattungsberechtigt (§ 44b Abs. 5 Satz 2 EStG), so dass ein Erstattungsanspruch zugunsten der Z GmbH nicht bestehen könne. Sei eine Korrektur des Steuerabzugs nach § 44b Abs. 5 EStG unterblieben, sei § 37 Abs. 2 AO zwar subsidiär anwendbar; als Erstattungsberechtigte kämen indes nur der Schuldner der Kapitalerträge oder der Gläubiger der Kapitalerträge in Betracht. Die Z GmbH sei keines von beidem.

Demzufolge sei die Anrechnungsverfügung im Körperschaftsteuerbescheid 2008 zusammen mit einer Bescheidänderung infolge der Außenprüfung zu berichtigen. Eine Änderung der Anrechnungsverfügung könne auf § 131 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützt werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Teilbericht des BZSt über die Mitwirkung an der Außenprüfung bei der Z GmbH vom xx.xx.xxxx Bezug genommen (Anlage x zum Bericht des Finanzamts für Großbetriebsprüfung XX über die Außenprüfung bei der Z GmbH vom xx.xx.xxxx).

Im Anschluss an verwaltungsinterne Abstimmungen zur verfahrensrechtlichen Zulässigkeit einer Änderung der Verfügung über die Anrechnung von Steueranrechnungsbeträgen wies das Landesamt für Steuern -LSt- den Beklagten mit Schreiben vom xx.xx.xxxx an, eine Rückforderung von Kapitalertragsteuer auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO zu stützen (Anlage Kx).

Hinsichtlich einer Berücksichtigung der nicht länger durch die Klägerin als anrechenbar beurteilten Steuerabzugsbeträge fanden diverse Besprechungen zwischen Vertretern der Klägerin und des Beklagten sowie zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung XX statt. Der Beklagte gelangte dabei zu der Auffassung, dass die gewinnmindernde Berücksichtigung der nicht anrechenbaren Steuerabzugsbeträge (d.h. in Gestalt der Ausbuchung der Erstattungsforderung) rechtlich zutreffend sei.

Der Beklagte erließ unter dem xx.xx.xxxx gegenüber der Klägerin einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2008 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag. Dadurch änderte der Beklagte die zwischenzeitlich am xx.xx.xxxx, xx.xx.xxxx und xx.xx.xxxx gemäß § 164 Abs. 2 AO (jeweils auf Antrag der Klägerin) geänderten Körperschaftsteuerbescheid des Streitjahres. Im Änderungsbescheid setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer auf x € fest und den Solidaritätszuschlag auf x €. Mit dem Änderungsbescheid minderte der Beklagte die nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien, im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehen vereinnahmten Bezüge um x € (das sind 95 % von x €). Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Die auf die Dividenden entrichtete Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag wurden als nicht anrechenbar behandelt. Die Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag - Anrechnungsverfügung- stützte der Beklagte auf § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO, hilfsweise auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO.

Die infolge der Ausbuchung der Forderung auf Erstattung der nicht anrechenbaren Steuerabzugsbeträge in Höhe von x € (x € plus x €) berücksichtigte der Beklagte (zu diesem Zeitpunkt noch) als Gewinnminderung.

Gegen den Änderungsbescheid vom xx.xx.xxxx und die darin enthaltene Änderung der Anrechnungsverfügung legte die Klägerin durch die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom xx.xx.xxxx Einspruch ein.

Mit einem weiteren auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Änderungsbescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2008 vom xx.xx.xxxx setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer auf x € und den Solidaritätszuschlag auf x € fest. Die Änderung resultierte aus der Erhöhung des Jahresüberschusses um die --im vorangegangenen Bescheid gewinnmindernd angesetzte-- nicht anrechenbare Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von x € sowie um die von der Klägerin an die A GmbH gezahlten Beratungsentgelte in Höhe von x €. Diese Beträge wurden demnach nicht mehr als Aufwand berücksichtigt.

In den Bescheiderläuterungen nahm der Beklagte hinsichtlich der erfolgten (weiteren) Änderungen Bezug auf das BMF-Schreiben vom 9. Juli 2021 zur wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften (BStBl I 2021, 1002).

Des Weiteren beantragte die Klägerin mit ihrem Einspruchsschreiben vom xx.xx.xxxx hilfsweise für den Fall, dass der Z GmbH die im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften vereinnahmten Dividenden nicht zuzurechnen seien und infolgedessen auch die Anrechnungsbefugnis hinsichtlich der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages entfalle, die (dann) zu Unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von x € nebst Solidaritätszuschlag in Höhe von x € nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Die Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag seien für Rechnung der Z GmbH bzw. der Klägerin einbehalten worden. Seien der Z GmbH die Dividenden steuerlich nicht zuzurechnen, so sei der Steuerabzug zu Unrecht und damit ohne rechtlichen Grund i.S.v. § 37 Abs. 2 AO erfolgt.

Am xx.xx.xxxx erließ der Beklagte einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die festgesetzte Körperschaftsteuer und den festgesetzten Solidaritätszuschlag. Darin ließ der Beklagte die im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften entrichtete Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag weiterhin unberücksichtigt. Der Beklagte führte an, die vereinnahmten Dividenden seien der Z GmbH nicht zuzurechnen, so dass auch eine Anrechnung von hierauf entfallender Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag nicht möglich sei. Den auf Erstattung der Steuerabzugsbeträge gerichteten Hilfsantrag der Klägerin lehnte der Beklagte mit Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO vom xx.xx.xxxx ab.

Gegen den Abrechnungsbescheid vom xx.xx.xxxx legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am xx.xx.xxxx Einspruch ein.

Die Klägerin begründete die Einsprüche vom xx.xx.xxxx und vom xx.xx.xxxx wie folgt:

Der die darlehensweise überlassenen Aktien seien der Z GmbH steuerlich zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO); es gelte insoweit die Regelzurechnung, wonach der zivilrechtliche Eigentümer auch der wirtschaftliche Eigentümer sei. Anteilseignerin der überlassenen Aktien sei jeweils die Z GmbH (§ 20 Abs. 5 EStG). Es bedürfe hierzu keiner (zusätzlichen) positiven Feststellung. Die X-Bank habe in Bezug auf die darlehensweise überlassenen Aktien keine (rechtliche oder tatsächliche) Position innegehabt, die es ihr ermöglicht habe, die tatsächliche Herrschaft über die Aktien auszuüben und die Z GmbH als zivilrechtliche Eigentümerin von der Einwirkung darauf für die gewöhnliche Nutzungsdauer auszuschließen. Zudem sei die Rückübertragungspflicht der Z GmbH eine Gattungsschuld, weshalb sie allein aus diesem Grund uneingeschränkt über die ihr übertragenen Aktien habe verfügen können. Auch die Kündigungsfrist von drei Tagen führe nicht zu einer anderen Beurteilung, denn innerhalb von drei Bankarbeitstagen habe sich die Z GmbH unproblematisch am Markt mit entsprechenden Aktien eindecken können. Eine kurze Haltedauer sei ebenfalls unmaßgeblich für die Annahme des wirtschaftlichen Eigentums. Wertpapierdarlehen seien von vornherein auf eine zeitlich begrenzte Überlassung der Wertpapiere angelegt; wie lange im konkreten Fall die Überlassung andauere, sei für die steuerliche Zurechnung unbedeutend. Die Wertpapierdarlehensgeschäfte hätten zudem mit "b.a.w." (bis auf weiteres) eine Laufzeitbestimmung enthalten, auf die es für die Beurteilung, wer wirtschaftlicher Eigentümer sei, zum Anfang des jeweiligen Abschlusses ankomme. Dass die Z GmbH als Darlehensnehmerin Kompensationszahlungen an die X-Bank geleistet habe, führe ebenfalls nicht dazu, dass letzterer das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien zustehe. Die Kompensation werde neben dem laufzeitbezogenen Entgelt (Darlehenszins) gezahlt und stelle eine für die Beurteilung, wem das wirtschaftliche Eigentum zustehe, irrelevante Einkommensverwendung dar. Dies folge auch aus den Vorschriften § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG, § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 50j Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, die allesamt davon ausgingen, dass eine Verpflichtung zur Kompensation vereinnahmter Dividenden der Zurechnung der Aktien zum zivilrechtlichen Inhaber nicht entgegenstehe. Die Ausübung von Stimmrechten sei ebenfalls kein taugliches Zurechnungs-Kriterium. Dass der Inhaber der Aktien von seinem Stimmrecht Gebrauch mache, sei kein zugunsten der Annahme wirtschaftlichen Eigentums streitender Gesichtspunkt; vielmehr sei es ein Wesensmerkmal des Eigentums, dass der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren (und mithin auch das Stimmrecht nicht nutzen) könne. Die Z GmbH habe nicht, wie Außenprüfung und Beklagter meinten, über eine schwache Rechtsposition verfügt.

Die Entscheidung des BFH vom 18. August 2015 (I R 88/13) sei zu Recht auf Kritik gestoßen, da sie in unzulässiger Weise Kriterien des § 39 AO mit solchen des § 42 AO vermenge.

Der Beklagte wende in systemwidriger Weise § 42 AO neben § 39 AO an. Dadurch, dass die Dividende nicht der Darlehensnehmerin zugerechnet werde, letztere nur die Netto-Dividende erhalte und eine Kompensationszahlung in Höhe der Brutto-Dividende leisten müsse, entstehe für die Darlehensnehmerin ein wirtschaftlicher Nachteil. In Kenntnis dieser nicht beabsichtigten steuerlichen Behandlung hätte die Vertragsparteien jedoch vereinbart, dass die Kompensationszahlung nur in Höhe der Netto-Dividende zu leisten sei.

Die Voraussetzungen des § 42 AO lägen tatbestandlich im Übrigen nicht vor. Der Beklagte sei seiner diesbezüglichen Feststellungslast nicht nachgekommen. Die bei der Darlehensnehmerin eintretenden (beabsichtigten) Steuerfolgen durch Dividendenfreistellung (§ 8b Abs. 1 KStG) und den --vorbehaltlich § 8b Abs. 5 KStG und (des hier nicht anwendbaren) § 8b Abs. 10 KStG-- unbeschränkten Betriebsausgabenabzug nach § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG seien kein "gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil". Die Steuerfreistellung sei Systemelement des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens und kein Steuerprivileg. Der spezifisch in Bezug auf Wertpapierdarlehensgeschäfte ins Gesetz eingefügte § 8b Abs. 10 KStG enthalte keine Aussage, dass die Gestaltungen --auch als strukturierte Wertpapierdarlehen-missbräuchlich seien.

Der Beklagte habe den streitgegenständlichen Körperschaftsteuerbescheid 2008 schließlich nicht nach § 164 Abs. 2 AO ändern dürfen, denn eine Änderung verletze den zugunsten der Klägerin bestehenden Vertrauensschutz. Der Beklagte habe den Bescheid zunächst am xx.xx.xxxx geändert und dabei die Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag als abziehbaren Aufwand behandelt. Insoweit habe der Beklagte den Bescheid indes nicht nochmals --wie unter dem xx.xx.xxxx geschehen-- nach § 164 Abs. 2 AO ändern dürfen. Die zuvor vom Beklagten (mit der Behandlung der Kapitalertragsteuer als Aufwand) eingenommene Rechtsposition sei Gegenstand wiederholter Gespräche von Vertretern der Klägerin mit dem Beklagten gewesen. Der Beklagte habe den Abzug in diesem Zusammenhang materiell-rechtlich geprüft und eine abschließende Meinung gebildet. Dies schließe eine weitere Änderung auf der Grundlage von § 164 Abs. 2 AO aus, da der Vorbehalt der Nachprüfung ermöglichen solle, eine Steuerfestsetzung auch ohne vorhergehende abschließende Meinungsbildung durchzuführen. Der Vorbehalt der Nachprüfung sei indes kein Instrument, eine einmal gebildete Auffassung zulasten des Steuerpflichtigen wieder zu ändern oder aufzugeben und die Steuerfestsetzung (mehrfach) zu ändern.

Die Änderung der Anrechnungsverfügung vom xx.xx.xxxx und der hierzu ergangene Abrechnungsbescheid seien rechtswidrig, denn die Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag seien bei der Klägerin als Organträgerin anzurechnen (§ 19 Abs. 5 KStG). Die streitigen Aktien seien der Z GmbH steuerlich zuzurechnen, so dass die hierauf entfallenden Dividenden über die bestehende Kettenorganschaft gemäß §§ 14 f. KStG in das der Klägerin zuzurechnende Organeinkommen einzubeziehen seien. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 19 Abs. 5, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG sei dementsprechend die Kapitalertragsteuer in Höhe von x € und der Solidaritätszuschlag in Höhe von x € auf die gegenüber der Klägerin festgesetzte Körperschaftsteuer anzurechnen.

Darüber hinaus sei eine Änderung der Anrechnungsverfügung verfahrensrechtlich nicht zulässig gewesen. Nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO dürfe ein rechtmäßiger, begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Finanzbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet werden würde. Dem Beklagten, der den Widerruf primär auf § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO gestützt habe, sei darin zuzustimmen, dass die ursprüngliche Anrechnungsverfügung rechtmäßig gewesen sei, selbst wenn man der Auffassung sei, die Dividenden seien der Z GmbH nicht zuzurechnen, denn die dem Steuerabzug zugrundeliegenden Einkünfte seien im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 EStG bei der Festsetzung der Einkommensteuer "erfasst" bzw. bei der Ermittlung des Einkommens nach § 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 1, 6 Satz 2 KStG "außer Ansatz" gelassen worden. Vorliegend existiere aber kein "öffentliches Interesse" im Sinne der Widerrufsvorschrift an der Änderung der Anrechnungsverfügung. Sollten nämlich die Dividenden der Z GmbH nicht zuzurechnen sein und dementsprechend (materiell-rechtlich) im Ergebnis keine Anrechnung hierauf einbehaltener Steuerabzugsbeträge in Betracht kommen, so bestehe zugunsten der Z GmbH bzw. der Klägerin ein Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO in Höhe der einbehaltenen Steuern. In einer solchen Konstellation bestehe kein öffentliches Interesse an einem Widerruf der Anrechnungsverfügung. Die staatliche Gemeinschaft habe nicht zusätzlich einen weiteren Anspruch auf die im Wege des Steuerabzugs einbehaltene Steuer. Die Sicherungsfunktion der Kapitalertragsteuer entfalle zudem, wenn die zugrundeliegenden Einkünfte mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer belastet würden. Das sei vorliegend der X-Bank der Fall, denn bei dieser seien die an die Stelle der Dividenden tretenden Kompensationszahlungen besteuert worden. Diese --im Rahmen der Kapitalertragsteuer steuersubjektübergreifend-vorzunehmende Betrachtung ergebe mithin, dass die fraglichen Einkünfte bereits vollumfänglich besteuert seien und die Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) mithin anzurechnen oder zu erstatten sei (s. dazu auch die Argumentation zum hilfsweise gestellten Erlassantrag).

Des Weiteren drohe eine konkrete Gefahr der "Keinmal-Anrechnung" von Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag), denn infolge des Widerrufs der Anrechnungsverfügung könne weder die Klägerin noch die X-Bank die Kapitalertragsteuer anrechnen: Die bei der X-Bank durchgeführte Außenprüfung für die Streitjahre sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Aktien nicht der X-Bank zuzurechnen seien. Eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer sei demnach bei der X-Bank nicht mehr möglich. Es drohe mithin eine systemwidrige Übermaßbesteuerung.

Darüber hinaus sei ein Widerruf der Anrechnungsverfügung wegen des Ablaufs der Jahresfrist gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2, § 130 Abs. 3 AO nicht mehr zulässig gewesen. Der Widerruf sei grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnisnahme des den Widerruf rechtfertigenden Sachverhalts zulässig. Es handele sich bei der Jahresfrist um eine Bearbeitungsfrist. Die Frist beginne daher ab (positiver) Kenntnis der Finanzbehörde von den einen Widerruf rechtfertigenden tatsächlichen und rechtlichen Umständen. Der Beklagte sei spätestens mit den finalen Prüfungsfeststellungen Ende xxx bzw. Anfang xxx über die streitgegenständlichen Wertpapierdarlehensgeschäfte in Kenntnis gesetzt worden. Die Feststellungen enthielten eine ausführliche Schilderung des BZSt, warum die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge nicht anrechenbar seien. Selbst wenn man vorliegend dem Umstand Rechnung trage, dass Ende xxx bzw. Anfang xxx die Erörterungen zwischen dem Beklagten und der Klägerin über die rechtliche Zulässigkeit der Änderung der Anrechnungsverfügung noch andauerten, sei die Jahresfrist am Änderungsdatum (xx.xx.xxxx) abgelaufen gewesen. Die vorbezeichneten Erörterungen seien (spätestens) im xx. Quartal des Jahres xxx abgeschlossen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätten die zuständigen Finanzbehörden mitgeteilt, die Anrechnungsverfügung u.a. für das Jahr 2008 werde geändert und die angerechnete Kapitalertragsteuer zurückgefordert. Die Änderung der Anrechnungsverfügung sei aber erst mehr als ein Jahr nach Abschluss dieser Erörterungen erfolgt, so dass der Widerruf verfristet sei.

Eine hilfsweise auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützte Rücknahme der Anrechnungsverfügung komme nicht in Betracht, denn die ursprüngliche Anrechnungsverfügung sei nicht rechtswidrig. Die Z GmbH habe die Anrechnungsverfügung nicht durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Die Klägerin habe mit Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2008 darauf hingewiesen, dass die von der Z GmbH vereinnahmten Dividenden und die darauf entfallende Kapitalertragsteuer mit Wertpapierdarlehensgeschäften der X-Bank in Verbindung standen. Die vorgelegten Steuerbescheinigungen und Dividendengutschriften hätten unter Berücksichtigung der damaligen Verwaltungsauffassung ebenfalls richtige Angaben enthalten. Die Klägerin habe keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht, die für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsaktes von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen seien. Sei die Rechtslage insoweit unklar, müsse die Entscheidungserheblichkeit anhand der im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes bestehenden Verwaltungsanweisungen und - praxis ermittelt werden. Die Finanzverwaltung habe bis zur Entscheidung des BFH vom 18. August 2015 (I R 88/13) die Auffassung vertreten, im Rahmen von Wertpapierdarlehensgeschäften überlassene Aktien seien dem Darlehensnehmer zuzurechnen. Eine Differenzierung habe die Finanzverwaltung nicht vorgenommen (vgl. z.B. BMF v. 3. April 1990 IV B 2 - S 2134-2/90, DB 1990, 863). Zwar seien Wertpapierdarlehensgeschäfte unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO aufgegriffen worden; dabei sei jedoch die Zurechnung der Dividenden zum Darlehensnehmer unberührt geblieben und lediglich der Betriebsausgabenabzug in Höhe der Kompensationszahlung versagt worden. Im Ergebnis sei es deshalb ausgeschlossen, dass der Beklagte im Zeitpunkt des Erlasses der Anrechnungsverfügung diese nicht oder in anderer Form erlassen hätte. Zudem sei auch hier die Rücknahme angesichts der ebenso wie im Falle eines Widerrufs vorliegenden Verfristung unzulässig und damit rechtswidrig (Jahresfrist gemäß § 130 Abs. 3 Satz 1 AO).

Lägen auch die Voraussetzungen für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) nicht vor, so sei diese gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten.

Erstattungsberechtigt sei derjenige, "auf dessen Rechnung" die Zahlung der Steuer bewirkt worden sei. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung derjenige, dessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber hervorgetreten sei, getilgt werden solle. Angesichts der im Zeitpunkt der Dividendengutschrift und der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer bestehenden Auffassung der Finanzverwaltung seien die Dividenden der Z GmbH zuzurechnen gewesen und die darauf entfallende Kapitalertragsteuer für Rechnung der Z GmbH als Darlehensnehmerin entrichtet worden. Hinzu komme in Bezug auf die Kapitalertragsteuer, dass die Übertragung von Wertpapieren anlässlich eines Wertpapierdarlehens nach Auffassung der Finanzverwaltung zwingend zu einem Depotübertrag im Sinne der § 43 Abs. 1 Sätze 4 f. EStG führe. Das bedeute, dass zumindest im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugverfahrens zwingend von einem Wechsel der steuerlichen Zurechnung auszugehen sei. Durch den Einbehalt und die Abführung der Kapitalertragsteuer habe eine Steuerschuld der Z GmbH getilgt werden sollen.

Sollten die von der Z GmbH vereinnahmten Dividenden ihr nicht zuzurechnen sein und eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer ohne Einbeziehung dieser Dividenden erfolgen, sei in der Konsequenz für Rechnung der Z GmbH Kapitalertragsteuer einbehalten worden, obwohl die Z GmbH mangels Zurechnung der Dividenden keine kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge erzielt habe. Der Kapitalertragsteuerabzug sei dann ohne rechtlichen Grund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO erfolgt. Ob der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte erzielt habe, sei im Veranlagungsverfahren zu entscheiden. Diese Entscheidung habe Bindungswirkung für den Kapitalertragsteuerabzug. Werde diese Frage --Erzielen von Kapitaleinkünften-- vorliegend verneint, komme auch kein Kapitalertragsteuereinbehalt in Betracht. Insbesondere stellten die Kapitalertragsteuerbescheinigungen keinen Rechtsgrund im Sinne des § 37 Abs. 2 AO dar.

Die Klägerin beantragte weiterhin (und bereits) mit Schreiben vom xx.xx.xxxx, die auf die Steuerabzugsbeträge (Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag) --deren Nichtanrechnung zu diesem Zeitpunkt angekündigt war-- entfallende Körperschaftsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie darauf entfallende Zinsen gemäß § 233a AO nach § 227 AO aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit zu erlassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte die Änderung der streitgegenständlichen Anrechnungsverfügung bereits angekündigt und für die (hier nicht streitigen) Jahre xxxx und xxxx schon umgesetzt.

Den Erlassantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom xx.xx.xxxx ab. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom xx.xx.xxxx Einspruch ein.

Der Einbehalt der Kapitalertragsteuer sei vorliegend sachlich unbillig. Im konkreten Fall laufe die Einziehung der Steuer den Wertungen des Gesetzgebers zuwider. Billigkeitsmaßnahmen dienten der Herstellung der Einzelfallgerechtigkeit; die besonderen Umstände des Einzelfalles seien entsprechend zu würdigen. Die Änderung der Anrechnungsverfügung habe zur Folge, dass die fraglichen Dividenden im Ergebnis (systemwidrig) mit Kapitalertragsteuer und Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer belastet würden. Zum Einen dürfe die Klägerin die einbehaltende Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) nicht mehr anrechnen, und zum Anderen unterlägen die Dividenden der X-Bank (in Gestalt der Kompensationszahlungen und im Übrigen auch die Dividenden selbst nach § 8b Abs. 7 KStG) in voller Höhe der Besteuerung. Dies sei mit der vorläufigen Sicherungsfunktion der Kapitalertragsteuer nicht vereinbar. Der Wegfall der Sicherungsfunktion sei steuersubjektübergreifend zu prüfen. Die X-Bank habe mitgeteilt, dass sich anlässlich der bei ihm durchgeführten Außenprüfung u.a. bezüglich des Jahres 2008 keine Beanstandungen ergeben hätten und die X-Bank folglich nicht als wirtschaftliche Eigentümerin der darlehensweise an die Z GmbH überlassenen Aktien behandelt worden sei. Dass die Besteuerung der Kapitalerträge und die Anrechnung von Kapitalertragsteuer auseinanderfallen könne, zeige § 45 Abs. 2 Hs. 1 EStG (Trennung von Dividendenschein und Stammrecht). Durch eine erlassbedingte Erstattung der Kapitalertragsteuer erzielten weder die Z GmbH noch die Klägerin Vorteile. Zwar hätten die Z GmbH und die Klägerin rein vorsorglich Regressansprüche gegen die X-Bank geltend gemacht; über den beantragten Erlass sei jedoch allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Schließlich sei zu berücksichtigten, dass die Z GmbH und die Klägerin ein geschütztes Vertrauen in die (von ihnen beabsichtigte) steuerliche Behandlung der Wertpapierdarlehensgeschäfte gebildet hätten.

Der Beklagte wies die von der Klägerin eingelegten Einsprüche mit zwei Einspruchsentscheidungen vom xx.xx.xxxx als unbegründet zurück.

Ein Einspruchsbescheid (Einspruchsentscheidung I) bezieht sich auf die Änderung des Bescheides über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2008, auf die Änderung der Anrechnungsverfügung und auf die Ablehnung des Erstattungsantrags nach § 37 Abs. 2 AO. Der andere Einspruchsbescheid (Einspruchsentscheidung II) bezieht sich auf den Erlassantrag nach § 227 AO.

Einspruchsentscheidung I

Körperschaftsteuerbescheid 2008, Änderungsbefugnis nach § 164 Abs. 2 AO

Der Beklagte begründete die Einspruchsentscheidung I damit, dass das wirtschaftliche Eigentum an den im Rahmen der Wertpapierdarlehensgeschäfte überlassenen Aktien nicht bei der Z GmbH als Darlehensnehmerin gelegen habe, sondern bei der X-Bank als Darlehensgeberin verblieben sei. Die auf die Aktien ausgeschütteten Dividenden seien gemäß § 20 Abs. 5 EStG der Darlehensgeberin zuzurechnen. Der Abziehbarkeit der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag sowie der Beratungsentgelte stehe § 42 AO entgegen.

Aus der steuerlichen Zurechnung der Dividenden zur X-Bank folge auch, dass die Klägerin nicht nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 19 Abs. 5, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG zur Anrechnung der auf die Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) berechtigt sei. Der Beklagte habe die insoweit erfolgte Änderung der Anrechnungsverfügung zutreffend auf § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO, hilfsweise auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützt. Der Abrechnungsbescheid vom xx.xx.xxxx sei daher rechtmäßig.

Es bestehe kein Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag nach § 37 Abs. 2 AO, da die Steuerabzugsbeträge für Rechnung der Darlehensgeberin (X-Bank) und nicht für Rechnung des Darlehensnehmers einbehalten worden seien. Auch diesbezüglich sei der Abrechnungsbescheid vom xx.xx.xxxx rechtmäßig.

Im Einzelnen führte der Beklagte aus, dass vorliegend bei Zugrundelegung der im BFH-Urteil vom 18. August 2015 aufgeführten Kriterien die Gesamtwürdigung der Umstände ergebe, dass der Klägerin als Darlehensnehmerin lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition verschafft werden sollte. In Ermangelung des für die steuerliche Zurechnung maßgeblichen wirtschaftlichen Eigentums, das vorliegend der X-Bank als Darlehensgeberin verblieben sei, seien die auf die darlehensweise überlassenen Aktien ausgeschütteten Dividenden nicht der Z GmbH zuzurechnen. § 8b Abs. 1 KStG sei mithin auf die Dividenden (auf der Ebene der Klägerin, vgl. § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG) nicht anzuwenden; gleichermaßen komme ein Abzug der mit den Dividenden zusammenhängenden Betriebsausgaben (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG) nicht in Betracht.

Nach § 39 Abs. 1 AO seien Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. "Eigentümer" im Sinne dieser Regelung sei der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimme § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass die Zurechnung an die Person erfolge, die die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübe, dass sie den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen könne. Dies sei vorliegend der Fall, so dass das wirtschaftliche Eigentum bei der Darlehensgeberin verbleibe.

Dies folge aus den Bestimmungen der abgeschlossenen Leihverträge und der Art ihres Vollzugs. Die Wertpapierdarlehensgeschäfte seien nicht darauf angelegt gewesen, der Z GmbH in einem wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den darlehensweise überlassenen Aktien zukommen zu lassen, denn die X-Bank habe sich diese in Gestalt der Dividendenkompensationszahlungen vollständig vorbehalten. Zugunsten der Z GmbH seien keinerlei Liquiditätsvorteile aus einer etwaigen zeitversetzten Vereinnahmung (der Dividenden) und Verausgabung (der Kompensationszahlungen) entstanden, weil die Zahlungen zeit- und betragsgleich erfolgt seien. Es sei ferner nicht erkennbar, dass es der Z GmbH darauf angekommen sei, die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte auszuüben oder die Aktien für Zwischenfinanzierungen o.ä. zu nutzen. Ein endgültiger Übergang von Chancen und Risiken sei infolge der kurzen Kündigungsfrist zu verneinen. Die Ausnutzung geschäftlicher Chancen im Hinblick auf den Kursverlauf der ausgeliehenen Aktien sei nicht beabsichtigt gewesen. Wertsteigerungschancen und Wertminderungsrisiken hätten für die Z GmbH nicht einmal in einem abstrakten Sinne bestanden. Eine sonstige wirtschaftlich sinnhafte "Benutzung" der Aktien sei nicht erkennbar. Des Weiteren sei die kurze Laufzeit der Wertpapierdarlehen zu berücksichtigen; diese habe bei durchschnittlich neun Tagen gelegen. Der Z GmbH sei lediglich eine zivilrechtliche Rechtsposition, eine leere Eigentumshülle, verschafft wurde, die es ihr ermöglichen sollte, formal --gemäß § 8b Abs. 1 KStG-- steuerfreie Dividenden zu beziehen und zugleich steuerlich abziehbare Betriebsausgaben (Dividendenkompensationszahlungen und Leihgebühren) zu generieren, um hieraus einen Steuervorteil zu erzielen.

Aus § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 -UntStRefG 2008- vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) folge nicht, dass der Gesetzgeber (unverändert) davon ausgegangen sei, dass im Rahmen eines Wertpapierleihgeschäfts die geliehenen Aktien entsprechend der Regelzurechnung zum Eigentümer gemäß § 39 Abs. 1 AO in jedem Fall dem Entleiher zuzurechnen seien. Für die Zurechnung bleibe allein § 39 Abs. 1 sowie Abs. 2 Nr. 1 AO maßgebend. Dass lediglich Aktien gleicher Art, Güte und Menge zurück zu übertragen gewesen seien, ändere bei der durchzuführenden wirtschaftlichen Betrachtung gerade deshalb nichts, weil es sich bei den Aktien um eine Gattungsschuld handele (vgl. Urteil des FG Hessen vom 28.01.2020 4 K 890/17, juris, Tz. 183).

Ungeachtet der Frage, ob eine positive Vorsteuerrendite aus den Wertpapierdarlehen für die Beurteilung der steuerlichen Zurechnung von Bedeutung sei, habe die Außenprüfung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Z GmbH keinen wirtschaftlichen Vorteil vor Steuern erzielt habe (negative Vorsteuerrendite). Dabei seien erzielten Zinserträge im Zusammenhang mit dem Sicherungsgeschäft nicht zu berücksichtigen, da diese nicht originär durch das Wertpapiergeschäft bedingt seien.

Der Änderung des Körperschaftsteuerbescheides für 2008 stehe, anders als die Klägerin meine, Treu und Glauben nicht entgegen. Der streitige Bescheid habe unter einem (wirksamen) Vorbehalt der Nachprüfung gestanden und die Klägerin habe angesichts der noch nicht abgeschlossenen Überprüfung des Steuerfalls, namentlich der Wertpapierdarlehen, nicht davon ausgehen dürften, dass der Beklagte mit der zunächst erklärungsgemäß erfolgten Veranlagung einen Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerin geschaffen habe.

Widerruf der Anrechnungsverfügung, Erstattungsantrag (Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO)

Die Änderung der Anrechnungsverfügung im Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom xx.xx.xxxx sowie der dazu ergangene Abrechnungsbescheid vom xx.xx.xxxx seien ebenfalls rechtmäßig.

Die nicht angerechneten Steuerabzugsbeträge stünden im Zusammenhang mit den Dividenden, die die Z GmbH im Rahmen der Wertpapierdarlehen vereinnahmt habe. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG lägen nicht vor, da die bei der Veranlagung zunächst erfassten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Z GmbH nicht zuzurechnen seien. Eine Anrechnung bei der Organträgerin, der Klägerin, gemäß § 19 Abs. 5 KStG sei somit nicht möglich.

Nach dem BMF-Schreiben vom 11. November 2016 (BStBl I 2016, 1324) werde die Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Wertpapierdarlehensnehmerin auf die Körperschaftsteuer dann angerechnet, wenn der Darlehensnehmerin die Aktien zuzurechnen seien (§ 20 Abs. 5 EStG i. V. m. § 39 AO), die Kapitalertragsteuer erhoben worden sei (§ 36 Absatz 2 Nummer 2 Satz 1 EStG) und die Steuerpflichtige ihrem Veranlagungsfinanzamt die Steuerbescheinigung im Original vorlege (§ 36 Absatz 2 Nr. 2 Satz 2 EStG). Seien die Aktien der Darlehensnehmerin steuerlich aber nicht zuzurechnen, sei eine Anrechnung der Steuerabzugsbeträge dort nicht möglich. Die Steuerabzugsbeträge seien vielmehr dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, denn der Einbehalt der Kapitalertragsteuer erfolge für Rechnung des Gläubigers (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG); dies sei der wirtschaftliche Eigentümer. Die Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer sei demnach vorliegend für die X-Bank erfolgt. Dass der wirtschaftliche Eigentümer gegebenenfalls (noch) nicht über die entsprechende Steuerbescheinigung verfüge, sei unerheblich. Diese könne jederzeit erteilt werden. § 36 EStG setze nicht voraus, dass die Erfassung der Einkünfte und die Anrechnung der darauf einbehaltenen Kapitalertragsteuer im selben Veranlagungszeitraum erfolgten.

Die Änderung der Anrechnungsverfügung nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO, hilfsweise nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO, sei verfahrensrechtlich zulässig gewesen.

Werde eine Steuerfestsetzung dahingehend geändert, dass die der Anrechnung zugrundeliegenden Einkünfte steuerlich nicht mehr erfasst würden, habe das Finanzamt die Anrechnungsverfügung, ungeachtet dessen, ob sie ursprünglich rechtmäßig oder rechtswidrig war, nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO entsprechend zu ändern. Diese Vorschrift greife nach der Rechtsprechung des BFH u.a. dann ein, wenn eine Verfügung über die Anrechnung von Steuern inhaltlich an einen Steuerbescheid anschließe und jener Bescheid in der Folge dahingehend geändert werde, dass bislang dort erfasste Einkünfte nicht mehr zu berücksichtigen seien. In einem solchen Fall dürfe deshalb die Anrechnungsverfügung in der Weise widerrufen werden, dass die Finanzbehörde nunmehr von der Anrechnung der auf die Einkünfte einbehaltenen Steuer absehe (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2010 I R 90/09, juris; Finanzgericht Hessen vom 28. Januar 2020 4 K 890/17, juris, Tz. 246). Die steuerliche Zurechnung der dem Steuerabzug zugrundeliegenden Einnahmen stelle dabei eine Tatsache im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO dar, so dass das spätere Entfallen der steuerlichen Zurechnung der Einnahmen als "nachträglicher Eintritt" einer für die Anrechnung maßgeblichen Tatsache einen Widerruf rechtfertige. Auch würde vorliegend ohne den Widerruf der Anrechnungsverfügung das öffentliche Interesse gefährdet (§ 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Hs. 2 AO). Das öffentliche Interesse begründe sich dabei aus der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen. Um dieses Interesse zu bejahen, bedürfe es keiner schwerwiegenden Belange der Allgemeinheit, denn bei einem Verwaltungsakt, der --wie eine Anrechnungsverfügung-- erkennbar für das Erhebungsverfahren rechtliche Folgerungen aus einer bestimmten ihm zu Grunde liegenden Steuerfestsetzung ziehe, müsse der Begünstigte damit rechnen, dass ein solcher Verwaltungsakt geänderten Entscheidungen im Veranlagungsverfahren angepasst werde, so dass sein Vertrauen in den Bestand der ursprünglichen Anrechnungsverfügung, um dessen Schutz es § 131 AO gehe, grundsätzlich das öffentliche Änderungsinteresse, das wie in diesem Fall auch ein lediglich fiskalisches sein könne, nicht überwiege. Das öffentliche Interesse gebiete, dass eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen nur bei demjenigen erfolge, der nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG dazu berechtigt sei. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Gefahr einer doppelten Anrechnung von Kapitalertragsteuer. Das Ermessen im Sinne der Vorschrift des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO sei ein gebundenes. Aufgrund der Bindungswirkung der steuerlichen Behandlung im Steuerfestsetzungsverfahren sei das Ermessen zur Rücknahme des Verwaltungsaktes auf Null reduziert.

Eine steuersubjektübergreifende Berücksichtigung der konkreten Anrechnungsmöglichkeit bei der Darlehensgeberin sei nicht geboten. Sollte es tatsächlich zu einer "Keinmal-Anrechnung" der Steuerabzugsbeträge kommen, sei dies lediglich Folge der fehlenden verfahrensrechtlichen Verknüpfung zwischen Festsetzungs- und Anrechnungsbescheiden bei Darlehensgeberin und Darlehensnehmerin. Auch in anderen Zusammenhängen sei es hinzunehmen, wenn Vorgänge infolge eines fehlenden Korrespondenzprinzips bzw. fehlender verfahrensrechtlicher Regelungen entweder doppelt oder gar nicht erfasst werden könnten (vgl. Finanzgericht Hessen, Urteil vom 28. Januar 2020 4 K 890/17, juris).

Der Widerruf sei grundsätzlich auch noch während des Einspruchsverfahrens und während des finanzgerichtlichen Verfahrens zulässig (§ 132 AO). Der rechtmäßige Verwaltungsakt dürfe auch noch widerrufen werden, nachdem er unanfechtbar geworden sei. Das stellten § 131 Abs. 1 und Abs. 2 AO klar.

Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand im Sinne der §§ 130, 131 AO sei nicht erkennbar; der Beklagte habe keinen Vertrauenstatbestand geschaffen. Die erstmaligen Bescheide seien unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) ergangen. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass eine abschließende Prüfung der der Veranlagung zugrundeliegenden Sachverhalte im Rahmen der durchzuführenden Außenprüfung erfolgen werde.

Die Jahresfrist des § 131 Abs. 2 Satz 2 AO für den Widerruf der Anrechnungsverfügung sei, anders als die Klägerin meine, nicht abgelaufen. Gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AO sei zwar bei einem Widerruf eines Verwaltungsakts § 130 Abs. 3 AO entsprechend anzuwenden. Der Widerruf müsse danach innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem das Finanzamt von den Tatsachen Kenntnis erhalten habe, welche den Widerruf rechtfertigten. Diese Vorschrift normiere jedoch keine Prüfungspflicht, innerhalb derer das Finanzamt ihm bekannte Tatsachen rechtlich zu bewerten und aus ihnen die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen habe, sondern lediglich eine Entscheidungsfrist. Deshalb beginne die vorgenannte Jahresfrist erst dann, wenn das Finanzamt tatsächlich die Erkenntnis gewonnen habe, dass ein Verwaltungsakt zurückgenommen bzw. widerrufen werden könne. Dies sei erst nach dem Ende der Erörterungen zwischen der Finanzverwaltung (Finanzamt, LSt und Ministerium) und der Klägerin der Fall gewesen. Die Erörterungen seien nicht im xx. Quartal des Jahres xxx abgeschlossen gewesen, sondern für den Beklagten erkennbar erst mit der ablehnenden Verfügung des Landesamtes für Steuern über einen möglichen Erlass der anrechenbaren Steuern vom xx.xx.xxxx. Damit sei der Beklagte nach Abschluss der Erörterungen aufgefordert worden, die Rückforderungen nunmehr auszusprechen.

Der Beklagte habe die Änderung der Anrechnungsverfügung vom xx.xx.xxxx und den dazu ergangenen Abrechnungsbescheid zutreffend hilfsweise auch auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützt.

Da vorliegend das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien und damit die Anrechnungsbefugnis für Steuerabzugsbeträge auf Dividenden bei der Darlehensgeberin, der X-Bank, verblieben sei, könne die Anrechnungsverfügung auch als von Beginn an rechtswidrig angesehen werden. Damit sei eine Rücknahme des Verwaltungsakts auch auf der Grundlage von § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO eröffnet.

Die Rücknahme sei nach den weiteren Voraussetzungen zulässig, wenn die Darlehensnehmerin die Anrechnung durch (objektiv) unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt habe. Es komme nicht darauf an, ob sie die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit kannte oder kennen musste. Maßgeblich sei die Rechtsauffassung im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über den Sachverhalt unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich ergangenen BFH-Urteils vom 18. August 2015 (I R 88/13). Auch die Vorlage der im Sinne von § 45a Abs. 6 EStG fehlerhaften Steuerbescheinigung sei als unrichtige Angabe im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO zu werten. Ohne die Vorlage der Bescheinigung könne keine Anrechnung erfolgen (§ 36 Abs. 2 EStG).

Die Ausführungen zur nach Auffassung des Beklagten nicht abgelaufenen Jahresfrist gälten auch hier, so dass im Ergebnis die Änderung der Anrechnungsverfügung auch auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO gestützt werden könne.

Eine Erstattung von zu Unrecht einbehaltener Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) nach § 37 Abs. 2 AO komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Abrechnungsbescheid vom xx.xx.xxxx sei rechtmäßig.

Die streitigen Dividendenzahlungen unterlägen dem Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Schuldnerin der Kapitalertragsteuer sei die Gläubigerin (d.h. die wirtschaftliche Eigentümerin), der auch die Dividendenzahlungen zuzurechnen seien (d.h. die Darlehensgeberin, X-Bank).

Für Rechnung der Gläubigerin habe die auszahlende Stelle den Steuerabzug vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 a.E. EStG). Auszahlende Stelle sei nach § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG das inländische Kreditinstitut, das die Anteile verwahre und die Kapitalerträge auszahle. Dieses sei verpflichtet, der Gläubigerin eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster auszustellen (§ 45a Abs. 2 Satz 1 EStG).

Die Zurechnung der Dividende zur Darlehensgeberin führe dazu, dass diese einen Anspruch auf Ausstellung einer Steuerbescheinigung gegen die auszahlende Stelle habe. Die auszahlende Stelle habe bisher --mangels ausreichender Kenntnis über die Eigenschaft des Gläubigers-- eine Steuerbescheinigung zugunsten der Darlehensnehmerin (der Z GmbH) ausgestellt. Da diese zumindest hinsichtlich der Bezeichnung der Gläubigerin unrichtig sei, sei die (fehlerhafte) Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 6 EStG zurückzufordern und durch eine berichtigte (d.h. die Gläubigerin enthaltene) Bescheinigung zu ersetzen. Im Ergebnis sei die zu Recht von der auszahlenden Stelle einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer nicht für die Darlehensnehmerin, sondern (von Anfang an) für die Darlehensgeberin einbehalten worden (Verweis auf das BMF-Schreiben vom 3. Dezember 2004, BStBl. I 2014, 1585, Rz. 45). Der Darlehensgeberin sei daher auch der Einbehalt zu bescheinigen. Ein Erstattungsanspruch nach § 37 AO für die Darlehensnehmerin bestehe nicht, denn Erstattungsberechtigte im Sinne des § 37 Abs. 2 AO sei bei Steuerabzugsbeträgen diejenige, deren Steuer gezahlt werde (Steuerschuldnerin). Es komme nicht darauf an, von wem oder mit welchen Mitteln gezahlt werde.

Der Z GmbH seien lediglich sachlich unzutreffende Steuerbescheinigungen ausgestellt worden. Diese allein vermöchten jedoch noch keine Steuerschuldnereigenschaft der Z GmbH zu begründen. Es bestehe zudem kein Erstattungsanspruch der zivilrechtlichen Eigentümerin (Z GmbH) für die --für Rechnung der Gläubigerin, X-Bank-- einbehaltene Kapitalertragsteuer. Vielmehr sei die einzubehaltende Steuer bereits von Anfang an als für Rechnung der wirtschaftlichen Eigentümerin (X-Bank) einbehalten anzusehen.

Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO)

Dem Einwand der Klägerin, wonach es keine Grundlage dafür gäbe, (i.E.) die Beratungsentgelte und die (nicht anrechenbaren) Steuerabzugsbeträge nicht als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, könne nicht gefolgt werden. Die Nichtabziehbarkeit ergebe sich aus dem im vorliegenden Fall einschlägigen § 42 AO.

§ 42 AO sei anwendbar, da eine spezialgesetzliche Missbrauchsverhinderungsvorschrift, die für einen speziellen Bereich den Missbrauchsmaßstab vorgebe und insoweit eine Anwendung des § 42 AO durch ihre Abschirmwirkung für diesen Bereich einschränke, nicht vorliege. Insbesondere sei § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG nicht erfüllt, [...]. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO könne das Steuergesetz durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Liege ein Missbrauch vor, so entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO). Der BFH bejahe in ständiger Rechtsprechung einen Missbrauch zivilrechtlicher oder steuerrechtlicher Gestaltungen, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt werde, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen sei, der Steuervermeidung dienen solle und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen sei.

Die von der Z GmbH bezüglich der Wertpapierdarlehensgeschäfte gewählte Gestaltung sei hinsichtlich des erstrebten Ziels unangemessen. Die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung des § 8b Abs. 1 KStG bestehe in dem direkten Halten von Beteiligungen. Dies sei der vom Steuergesetz vorgezeichnete Weg, der die Anwendung des § 42 AO ausschließe. Durch eine solche Gestaltung erreiche der Steuerpflichtige die steuerbefreienden Rechtsfolgen des § 8b Abs. 1 KStG. Von dieser Gestaltung machte die Z GmbH jedoch keinen Gebrauch. Stattdessen habe sie vielmehr den wirtschaftlich ungewöhnlichen Weg über Wertpapierdarlehen mittels gesamtplanmäßig verbundener Einzelabschlüsse gewählt. Dieses Vorgehen indiziere in mehrfacher Hinsicht die Unangemessenheit. Zunächst sei eine Gestaltung in der Regel unangemessen, wenn sich die wirtschaftlichen Wirkungen gesamtplanmäßig verbundener Einzelakte vollständig neutralisieren, also gar kein wirtschaftliches Ergebnis außer der Steuerersparnis erreicht werden solle. Außerdem sei die Gestaltung in Anbetracht des negativen wirtschaftlichen Ergebnisses als umständlich, kompliziert und vor allem ineffizient anzusehen; dies sei nach der Rechtsprechung des BFH ein weiteres Indiz für die Unangemessenheit im Sinne des § 42 AO.

Die gewählte Gestaltung habe der Erlangung eines Steuervorteils gedient. Durch die wechselseitige Übertragung der Wertpapiere und der Aktien sei im Ergebnis nur ein Wechsel bei der steuerrechtlichen Einkünftequalifikation eingetreten, ohne dass das wirtschaftliche Ergebnis davon berührt worden sei. Bei gesamtplanmäßig verbundenen Rechtsgeschäften könne indes regelmäßig unterstellt werden, dass der Gesetzgeber solche Vorgänge nicht zum Anlass für eine steuerliche Entlastung haben nehmen wollen. Mit der in § 8b Abs. 1 KStG geregelten Steuerbefreiung für Dividenden habe der Gesetzgeber nicht die Absicht verwirklicht, Unternehmen eine Möglichkeit zu schaffen, durch kombinierte Anlagemodelle nicht nur die Dividenden steuerfrei zu belassen, sondern durch einen "generierten" Betriebsausgabenabzug in gleicher Höhe auch anderweitig erzielte Erträge aus dem operativen Geschäft der Besteuerung zu entziehen.

Als Rechtsfolge entstehe der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehe. Die Rechtsprechung lege wie oben dargestellt als angemessene rechtliche Gestaltung die direkte Beteiligung zugrunde. Ausgehend von der Gesamtplanrechtsprechung des BFH seien bei mehreren Rechtsgeschäften, die auf einer einheitlichen Planung der Beteiligten beruhten, diese für die steuerliche Beurteilung zusammenfassend zu betrachten und unter den jeweiligen Steuertatbestand zu subsumieren. Das bedeute, dass alle unmittelbar mit dem Abschluss der wechselseitigen Verträge zusammenhängenden Vereinbarungen, die sich gegenseitig bedingen, im Rahmen der fingierten wirtschaftlich angemessenen Gestaltung als nicht abgeschlossen und durchgeführt anzusehen seien.

Als Folge seien nicht nur weder ein Darlehensentgelt noch eine Kompensationszahlung angefallen, sondern auch keine Beratungskosten und keine als Betriebsausgabe abziehbaren (nicht anrechenbaren) Steuern.

Einspruchsentscheidung II

Weiterhin bestehe kein Anspruch auf die Durchführung von Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 227 AO. Die Rückforderung der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag entspreche den gesetzlichen Regelungen und laufe nicht den Wertungen des Gesetzgebers zuwider. Die Ablehnung des Erlassantrages nach § 227 AO sei daher ebenfalls rechtmäßig (Einspruchsentscheidung II).

Die Steuerfestsetzung entspreche den gesetzlichen Regelungen und laufe den Wertungen des Gesetzgebers nicht zuwider. Ein Erlassgrund sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass eine Anrechnung der streitigen Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag bei der X-Bank ggf. nicht (mehr) stattfinden könne. Die Dividenden hätten der Z GmbH nie zugestanden, so dass ein Erlass darauf einbehaltender Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) nicht in Betracht komme. Eine mögliche Nichtanrechenbarkeit bei der X-Bank könne nicht dazu führen, dass die Steuern einer anderen Person als dem Anteilseigner erstattet würden. Es bestehe hier auch kein Korrespondenzprinzip, das eine "Keinmal-Anrechnung" ausschließe.

Ein Erlass komme auch aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung des Beklagten vor dem Hintergrund des BFH-Urteils vom 18. August 2015 (I R 88/13) nicht in Betracht. Der BFH habe mit dieser Entscheidung nicht seine Rechtsprechung geändert, sondern fortentwickelt. Ob die Darlehensnehmerin im Rahmen eines Wertpapierdarlehens wirtschaftliches Eigentum an den Aktien erlangt habe, sei auch vor Ergehen des zitierten BFH-Urteils zu prüfen gewesen. Die Klägerin habe daher bereits bei Abschluss der Wertpapierdarlehensgeschäfte nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgehen dürfen, dass sie tatsächlich auch das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien erworben hatte. Folglich könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz als Grundlage für den Erlassantrag berufen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin ihre Begehren weiterverfolgt. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente. Sie ergänzt, dass selbst in dem Fall, dass § 42 AO für einschlägig gehalten werde, lediglich die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Klägerin entfalle. Die Dividenden und die Kompensationszahlungen wie auch die Beratungsentgelte blieben davon unberührt. Hinsichtlich des Widerrufs bzw. der Rücknahme der Anrechnungsverfügung sei nicht erkennbar, dass der Beklagte ein Ermessen ausgeübt habe; die Änderung der Anrechnungsverfügung enthalte hierzu keine Erläuterungen.

Während des Klageverfahrens hat der Beklagte nach Abschluss der --die Klägerin und ihre weiteren Organgesellschaften betreffenden-- Außenprüfung unter dem xx.xx.xxxx einen auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Änderungsbescheid erlassen. Die Steuerfestsetzung ist darin zugunsten der Klägerin herabgesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden. In den Änderungsbescheid vom xx.xx.xxxx sind die hier streitigen und vorangehend dargelegten Feststellungen der Außenprüfung, enthalten in dem Bericht über die Außenprüfung bei der Klägerin vom xx.xx.xxxx -Ap-Bericht-, eingegangen. Aus Tz. x des ApBerichts ergibt sich, dass auch das von der Z GmbH entrichtete Darlehensentgelt in Höhe von x € dem Einkommen der Klägerin außerbilanziell hinzugerechnet worden ist.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid für 2008 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx dahingehend zu ändern, dass

(a) unter Anwendung von § 8b Abs. 1, § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehen mit der X-Bank in 2008 vereinnahmten Dividenden in Höhe von insgesamt x €,

(b) einkommensmindernd die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehen in 2008 an die X-Bank gezahlten Kompensationszahlungen in Höhe von insgesamt x € sowie

(c) einkommensmindernd die von der Klägerin im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehen in 2008 an die A GmbH geleisteten Beratungsentgelte in Höhe von insgesamt x €

angesetzt bzw. berücksichtigt werden;

2. die Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbetragen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx aufzuheben sowie den hierzu ergangenen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx zu ändern und auf die gegenüber der Klägerin für 2008 festgesetzte Körperschaftsteuer einen Betrag in Höhe von x € (Kapitalertragsteuer) und auf den festgesetzten Solidaritätszuschlag einen Betrag in Höhe von x € (Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer) nach § 19 Abs. 5, § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 1 Abs. 2 SolZG) anzurechnen;

3. hilfsweise für den Fall, dass (i) eine Befugnis zur Anrechnung der auf die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften mit der X-Bank in 2008 vereinnahmten Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) bei der Klägerin nicht besteht und (ii) die Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx sowie der diesbezüglich ergangene Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx rechtmäßig sind,

den Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx über die Ablehnung des (Hilfs-)Antrags vom xx.xx.xxxx auf Erstattung von Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) für 2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin zu Unrecht einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von x € sowie zu Unrecht einbehaltenen Solidaritätszuschlag in Höhe von x € nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten;

4. hilfsweise für den Fall, dass (i) eine Befugnis zur Anrechnung der auf die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften mit der X-Bank in 2008 vereinnahmten Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) bei der Klägerin nicht besteht, (ii) die Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx sowie der diesbezüglich ergangene Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx und (iii) die Ablehnung des (Hilfs-)Antrags vom xx.xx.xxxx auf Erstattung von Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) für 2008 nach § 37 Abs. 2 AO, in Gestalt der die Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, rechtmäßig sind,

die Ablehnung des (Hilfs-)Antrags vom xx.xx.xxxx auf Erlass und Erstattung der infolge der Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbetragen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx entstandenen Körperschaftsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) für 2008 aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 227 AO mit Bescheid vom xx.xx.xxxx, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2008 im Umfang der Änderung der Anrechnungsverfügung für 2008 vom xx.xx.xxxx in Höhe von x € Kapitalertragsteuer und x € Solidaritätszuschlag aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 227 AO zu erlassen und zu erstatten;

5. hilfsweise für den Fall, dass (i) eine Befugnis zur Anrechnung der auf die von der Z GmbH im Zusammenhang mit den Wertpapierdarlehensgeschäften mit der X-Bank in 2008 vereinnahmten Dividenden einbehaltenen Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) bei der Klägerin nicht besteht, (ii) die Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx sowie der diesbezüglich ergangene Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, (iii) die Ablehnung des (Hilfs-)Antrags vom xx.xx.xxxx auf Erstattung von Kapitalertragsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) für 2008 nach § 37 Abs. 2 AO, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, und (iv) die Ablehnung des (Hilfs-)Antrags vom xx.xx.xxxx auf Erlass und Erstattung der infolge der Änderung der Verfügung für 2008 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen auf die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxxx entstandenen Körperschaftsteuer (nebst Solidaritätszuschlag) für 2008 aus Gründen der sachlichen Unbilligkeit nach § 227 AO mit Bescheid vom xx.xx.xxxx, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, rechtmäßig sind,

den Bescheid für 2008 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom xx.xx.xxx dahingehend zu ändern, dass (neben den von der Klägerin an die A GmbH gezahlten Beratungsentgelten in Höhe von x €, s. Klageantrag zu 1.) Aufwand in Höhe der nicht anrechenbaren Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt x € und des nicht anrechenbaren Solidaritätszuschlags in Höhe von insgesamt x € berücksichtigt wird und die Körperschaftsteuer und der Solidaritätszuschlag für 2008 entsprechend herabgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft seine im Verwaltungsverfahren, namentlich in der Einspruchsentscheidung angeführte Begründung.

Aus den Gründen

I. Die zulässige Klage ist im Hauptantrag zu 1. im Ergebnis unbegründet, im Hauptantrag zu 2. hingegen begründet.

Zu Recht hat das beklagte Finanzamt die von der Klägerin begehrten steuerlichen Folgen der Wertpapierdarlehensgeschäfte negiert und i.E. zutreffend rückgängig gemacht, denn zwar hat die Z GmbH neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum an den ihr überlassenen Aktien erlangt; die Wertpapierdarlehensgeschäfte stellen jedoch einzeln und in ihrer Gesamtheit einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO dar (Hauptantrag zu 1.). Die Nichtanrechnung der streitigen Steuerabzugsbeträge ist demgegenüber zu Unrecht unterblieben; die Änderung der Anrechnungsverfügung, bestätigt durch den Abrechnungsbescheid für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten (Hauptantrag zu 2.) (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

A. Hauptantrag zu 1.

a. Infolge der einerseits zwischen der Y GmbH als Organträgerin der Z GmbH als Organgesellschaft bestehenden Organschaft sowie der andererseits zwischen der Y GmbH als Organgesellschaft und der Klägerin als Organträgerin bestehenden Organschaft war das Einkommen der Z GmbH der Klägerin als Organträgerin zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).

Die außerbilanzielle Minderung des Einkommens um gemäß § 8b Abs. 1 i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG (zu 95 %) steuerbefreite Dividenden ist deshalb (im Grundsatz) zutreffend im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Veranlagung der Klägerin rückgängig gemacht worden, da § 8b Abs. 1 (i.V.m. § 8b Abs. 5) KStG auf der Ebene der Organträgerin zur Anwendung gelangt und --insoweit zutreffend-- auf dieser Ebene auch in den originären, gegenüber der Klägerin ergangenen Steuerbescheiden für 2008 berücksichtigt worden ist (vgl. §§ 14, 15 Satz 1 Nr. 2 Sätze 1 und 2 KStG). Auch die streitige Anrechnungsverfügung ist methodisch zutreffend bei der Klägerin erfolgt, da die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen ebenfalls auf der Ebene der Organträgerin vorzunehmen ist (§ 19 Abs. 5 KStG).

b. Zwar hat die Z GmbH neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 1 AO) an den ihr darlehensweise übertragenen Aktien erlangt; die von der Z GmbH und der X-Bank eingegangenen Wertpapierdarlehensgeschäfte stellen jedoch (einzeln und insgesamt) einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO dar. Der bei Wahl einer angemessenen rechtlichen Gestaltung steuerlich zu berücksichtigende Sachverhalt besteht allein in der Erzielung von (bei der Klägerin § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG unterliegenden) Dividenden; der Eintritt der von der Z GmbH bzw. der Klägerin (als Organträgerin) begehrten weiteren steuerlichen Folgen in Gestalt des Betriebsausgabenabzugs in Höhe der Dividenden-Kompensationszahlungen und des Beratungsentgeltes bleibt jedoch außer Betracht.

c. Entgegen der Annahme des Beklagten ist die Z GmbH nicht nur zivilrechtliche Eigentümerin, sondern aufgrund der ihr eingeräumten Befugnisse auch wirtschaftliche Eigentümerin der darlehensweise überlassenen Aktien geworden (§ 39 Abs. 1 AO).

aa. Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG bleiben nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG unter den weiteren in § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4, Abs. 7 bis 10 KStG genannten Voraussetzungen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz.

Nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG gelten von den Bezügen des § 8b Abs. 1 KStG, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Nach § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG ist § 3c Abs. 1 EStG nicht anzuwenden.

Die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung von gemäß § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden sowie von damit im Zusammenhang stehenden und gemäß § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG abziehbaren Betriebsausgaben setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Dividenden ihrer Organgesellschaft, der Z GmbH, steuerrechtlich zuzurechnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2015 I R 88/13, BFH/NV 2016, 341). Die persönliche Zurechnung von Dividenden richtet sich nach § 20 Abs. 5 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie an bergbautreibenden Vereinigungen, die die Rechte einer juristischen Person haben.

Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt nach § 20 Abs. 5 Satz 1 EStG der Anteilseigner. Anteilseigner ist nach § 20 Abs. 5 Satz 2 EStG derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Sind die Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG einem Nießbraucher oder Pfandgläubiger zuzurechnen, gilt er als Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 3 EStG).

bb. Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. "Eigentümer" im Sinne dieser Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsgutes (BFH-Urteile vom 18. August 2015 I R 88/13, BFH/NV 2016, 341; und vom 29. September 2021 I R 40/17, BFHE 274, 463). Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass die Zurechnung an die Person erfolgt, die die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass sie den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Bei Treuhandverhältnissen sind die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).

cc. In seinem Urteil vom 18. August 2015 (I R 88/13, BFH/NV 2016, 341) hat der BFH zu einer Wertpapierleihe entschieden, dass zwar --unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 (I R 97/00, BFHE 197, 63)-- bei einer Wertpapierleihe regelmäßig mit dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums auch das wirtschaftliche Eigentum übergehe, das wirtschaftliche Eigentum aber ausnahmsweise beim Verleiher verbleibe, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände ausnahmsweise lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition, eine leere Eigentumshülle, an den Aktien verschafft werde. Dabei legte der BFH zur Beurteilung des fehlenden Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums im Wesentlichen folgende Kriterien zugrunde:

(i) die Transaktionen sind nicht darauf angelegt der Entleiherin in einem wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den Aktien zukommen zu lassen;

(ii) für den Entleiher entstehen aus den Geschäften keine Liquiditätsvorteile;

(iii) angesichts des kurzfristigen Umschlags und des Austauschs der Aktien ist nicht erkennbar, dass es dem Entleiher darauf ankommt, Stimmrechte auszuüben oder das Darlehenskapital wirtschaftlich zu nutzen;

(iv) die Chancen und Risiken der Wertpapiere werden nicht mit übertragen, so dass sich weder Wertsteigerungschancen noch Wertminderungsrisiken aus dem Geschäft im abstrakten Sinne ergeben.

In weiteren Urteilen (vom 29. September 2021 I R 40/17, BFHE 274, 463, BStBl II 2023, 127; und vom 13. November 2024 I R 3/21, juris) hat der BFH die obenstehenden Grundsätze dahingehend präzisiert, dass es bei der Untersuchung, ob das wirtschaftliche Eigentum ebenfalls beim zivilrechtlichen Eigentümer der Wertpapiere liegt oder (ausnahmsweise) von einem Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums beim Darlehensgeber auszugehen ist, auf die (objektiv bestehenden) rechtlichen Befugnisse des Darlehensnehmers ankommt. Nicht maßgeblich ist, ob bzw. dass der Darlehensnehmer trotz der ihm zustehenden (umfassenden) rechtlichen Befugnisse subjektiv nicht die Absicht hat, diese Befugnisse auszuüben (BFH-Urteil vom 13. November 2024 I R 3/21, juris).

Von der Verschaffung einer lediglich formalen zivilrechtlichen Rechtsposition, die sich bei Gesamtwürdigung als "leere Eigentumshülle" erweist und dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums entgegensteht, kann demnach nicht ausgegangen werden, wenn die mit den Aktien verbundenen Kurschancen und Kursrisiken auf den Darlehensnehmer übergegangen sind, weil er an einer Verfügung über die Wertpapiere weder rechtlich noch faktisch gehindert ist und er folglich eine Änderung des Kurswerts durch Veräußerung der Aktien am Markt und spätere Wiederbeschaffung von Aktien der gleichen Gattung realisieren könnte (BFH-Urteil vom 29. September 2021 I R 40/17, BFHE 274, 463, BStBl II 2023, 127).

Bedeutsam dafür, ob bei einem Wertpapierdarlehen wirtschaftliches Eigentum im Sinne des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO übergeht, ist nach der Rechtsprechung des BFH demnach insbesondere der Umstand, ob der Darlehensnehmer rechtlich und tatsächlich über die überlassenen Wertpapiere verfügen kann (wirtschaftliche Dispositionsbefugnis, vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 2022 I R 22/20, BFHE 276, 20, BStBl II 2022, 324); dies wird insbesondere durch Vereinbarungen über die zeitliche Befristung der Überlassung und die Ausgestaltung des Kündigungsrechts mitbestimmt. Aus der Zusammenschau entsprechender Vereinbarungen kann sich im Einzelfall ergeben, dass der Darlehensnehmer ungeachtet rechtlicher Möglichkeit faktisch nicht sinnvoll über die Wertpapiere verfügen kann, weil er diese --für ihn unvorhersehbar-- innerhalb kürzester Zeit zurückübertragen muss (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2024 I R 3/21, juris).

dd. Nach diesen Grundsätzen, denen sich der erkennende Senat anschließt, ist die Z GmbH sowohl zivilrechtliche und als auch wirtschaftliche Eigentümerin der ihr darlehensweise überlassenen Aktien geworden.

Zwar war keiner der xx Einzelabschlüsse darauf angelegt, der Z GmbH als Darlehensnehmerin in einem wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den Aktien zukommen zu lassen. Die Z GmbH erhielt im Rahmen eines jeden Einzelabschlusses stets eine Dividendenausschüttung, da die Überlassung der Wertpapiere gleichermaßen für jedes Einzelgeschäft über den Dividendenstichtag erfolgte; die Erträge waren jedoch stets in identischer Höhe in Form einer Kompensationszahlung an die X-Bank weiterzureichen.

Aufgrund des Einbehalts und der Abführung der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag erlitt die Z GmbH zunächst auch einen Liquiditätsnachteil, der infolge der Organschaft erst durch die (später erfolgte) Anrechnung auf die Steuerschuld der Klägerin (und ggf. Erstattung) ausgeglichen wurde.

Es ist zudem nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Z GmbH die ihr darlehensweise überlassenen Aktien in irgendeiner Form (aktiv) wirtschaftlich genutzt hat, z.B. zur Zwischenfinanzierung oder im Rahmen von Termingeschäften. Dies war nach Auffassung des erkennenden Senats angesichts der (xx) identisch verlaufenden Einzelabschlüsse auch gar nicht beabsichtigt.

Die Z GmbH war in Bezug auf die ihr übereigneten Aktien indes stimmberechtigt; darauf, dass zur Überzeugung des Senats nie eine Absicht der Z GmbH bestand, gesellschafterbezogene Organisationsrechte bei den jeweiligen Aktiengesellschaften wahrzunehmen, kommt es nicht an.

Die Z GmbH hatte trotz der --tatsächlich-- kurzen Laufzeiten der Einzelabschlüsse, die zur Überzeugung des erkennenden Senats ausschließlich darauf gerichtet waren, die Dividendenausschüttung zu erlangen und dadurch den im Rahmenvertrag bestimmten Wertaustausch mit den begehrten steuerlichen Folgen auszulösen, eine umfassende Verfügungsbefugnis über die ihr darlehensweise überlassenen Aktien. Auch wenn das Zeitfenster nicht zuletzt infolge der kurzen Kündigungsfrist seitens der X-Bank für eine Realisierung der mit der Inhaberschaft der Aktien verbundenen Chancen und Risiken entsprechend klein war, hätte die Z GmbH, ohne hieran rechtlich oder tatsächlich durch die X-Bank oder andere Umstände gehindert zu sein, die Aktien z.B. mit Gewinn oder Verlust veräußern und die Rückgabeverpflichtung durch Erwerb neuer, gleichartiger Aktien erfüllen können. Dass die Z GmbH von ihrer Verfügungsbefugnis tatsächlich nie Gebrauch machte und die zwischen den Vertragsparteien durchgeführten Transaktionen weder einzeln noch in ihrer Gesamtheit darauf angelegt waren, dass dies jemals geschehen würde, ist im Kontext des § 39 AO nicht relevant.

d. Die konkrete Ausgestaltung und der Vollzug der Einzelabschlüsse im Rahmen des Wertpapierleihgeschäfts durch die Z GmbH beurteilt der Senat jedoch als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

aa. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt ein Missbrauch dann vor, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B. BFH-Urteile vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789; vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186).

§ 42 AO setzt voraus, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschrift zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO grundsätzlich kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980 m.w.N.). Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BFHE 221, 231, BStBl II 2008, 789). Der Steuerpflichtige kann sich auf die von ihm gewählte Gestaltung nicht berufen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhaltes und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in dieser Weise verfahren wären (BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729 m.w.N.). Eine Gestaltung, die überhaupt keinen erkennbaren wirtschaftlichen Zweck hat, kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden; sie ist per se unangemessen (BFH-Urteil vom 21. August 2012 VIII R 32/09, BFHE 239, 31, BStBl II 2013, 16 m.w.N.).

Mit Urteil vom 21. November 2013 (6 K 366/12, EFG 2014, 494) hat der 6. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ein mit dem vorliegenden Fall vergleichbar gestaltetes Wertpapierdarlehensgeschäft als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO eingestuft (vgl. nachfolgend BFH-Urteil vom 18. August 2015 I R 88/13, BStBl II 2016, 961: bereits kein wirtschaftliches Eigentum des Darlehensnehmers im Sinne von § 39 Abs. 1 AO). Mit Urteil vom 13. November 2024 (I R 3/21, juris) hat der BFH (im Zusammenhang mit verbundenen Wertpapiergeschäften nebst Sicherheitengestellung in Form von Aktien) unter Präzisierung der für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums zu prüfenden Grundsätze, insbesondere im Hinblick auf die hierfür als maßgeblich erachteten objektiv bestehenden Befugnisse unter Außerachtlassen tatsächlich vorgenommener Handlungen oder erfolgter Verfügungen in Bezug auf die überlassenen Aktien sowie diesbezüglich (nicht) bestehender subjektiver Absichten, Kriterien einer Prüfung unter dem Gesichtspunkt des § 42 AO angeführt. Weist demnach eine Gestaltung überhaupt keinen über die Verschaffung eines Steuervorteils hinausgehenden eigenen wirtschaftlichen Zweck auf, ist vor allem das Vorliegen außersteuerlicher Gründe bedeutsam. Gegen das Bestehen derartiger Gründe spricht es nach Ansicht des BFH z.B., wenn für (im dortigen Fall) zur Sicherheit überlassene Aktien eine Arrangierungsgebühr zu leisten ist, die sich an den für die (jeweils über den Dividendenstichtag übereigneten) Aktien ausgeschütteten Dividenden orientiert, so dass im Wesentlichen nicht die Gestellung von Sicherheiten für andere Wertpapiergeschäfte, sondern der (infolge der Kombination mit einer Kompensationszahlung durch den Sicherungsnehmer) entstehende Steuervorteil vergütet wird.

bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt zur Überzeugung des erkennenden Senats ein Missbrauch im Sinne von § 42 AO vor. Die gewählte Gestaltung im Streitfall ist wirtschaftlich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Steuerersparnis nachvollziehbar.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist bzw. war die xx mal vollzogene Übereignung von Aktien durch die X-Bank auf die Z GmbH, gefolgt von der Rückübereignung und dem Abschluss eines weiteren, sich über den Dividendenstichtag erstreckenden Wertpapierdarlehens sinnlos; lediglich aufgrund des eintretenden steuerlichen Vorteils war dies für die Z GmbH und im steuerlichen Ergebnis für die Klägerin von wirtschaftlicher Bedeutung. Die mit den Aktien erzielten Dividenden waren in Form von Kompensationszahlungen an die X-Bank weiterzuleiten, was einen entsprechenden Betriebsausgabenabzug bei der Z GmbH nach sich zog. Es kam der Z GmbH (und der Klägerin) zur Überzeugung des erkennenden Senats allein darauf an, einen durch diese Betriebsausgaben entstehenden, steuerlichen Vorteil zu erzielen. Dies wird insbesondere deutlich an dem häufigen und regelmäßigen Austausch der Aktien, der jeweils darauf angelegt war, besonders viele Stichtage der Dividendenberechtigungen abzudecken, um den steuerlichen Vorteil (Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG mit dem jeweils einhergehenden Betriebsausgabenabzug) zu maximieren.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann insbesondere angesichts der kurzen Laufzeit der Einzelabschlüsse und ihres stets identischen Verlaufs (Übertragung der Aktien auf die Darlehensnehmerin, Vereinnahmung der Dividende, Entrichtung der Kompensationszahlung, Rückübertragung der Aktien) nicht davon ausgegangen werden, dass der Z GmbH daran gelegen war, für sich oder die Klägerin mit den Wertpapierdarlehensgeschäften einen tatsächlichen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen oder auch nur ein nach Gesichtspunkten wirtschaftlichen Denkens nachvollziehbares, auf einen außersteuerlichen Vorteil gerichtetes Geschäft zu tätigen. Es ging vielmehr um das Generieren eines (sich aufgrund der Organschaft bei der Klägerin auswirkenden) steuerlichen Verlustes, und zwar durch die kombinierte Vereinnahmung zu 95 % steuerfreier Dividenden mit einem Betriebsausgabenabzug in Höhe der jeweiligen Brutto-Dividende. Zwar orientierte sich das Darlehensentgelt vorliegend am Kurswert der überlassenen Aktien (und nicht etwa wie im oben zitierten Urteil des BFH vom 13. November 2024 (I R 3/21, juris) an der jeweiligen Dividende); dieser Gesichtspunkt führt angesichts der relativen Geringfügigkeit des Darlehensentgeltes im Verhältnis zu den übrigen Zahlungen nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch nicht zu einer anderen Beurteilung der Wertpapierdarlehen, sei es einzeln betrachtet oder in ihrer Gesamtheit.

Der Vortrag der Klägerin, die Ausführungen des für die Feststellung der Voraussetzungen eines Missbrauchs im Sinne von § 42 AO objektiv beweisbelasteten Beklagten trügen nicht den von ihm angenommenen Missbrauchstatbestand, verfängt angesichts der xx-fachen Durchführung eines nach Auffassung des erkennenden Senats wirtschaftlich sinnlosen Vorgangs nicht. Der damit (einzig) begehrte steuerliche Vorteil liegt auf der Hand.

Infolge der mittelbaren Organschaft im Verhältnis zur Z GmbH hat die Klägerin steuerfreie Dividenden durch eine unangemessene Gestaltung erlangt. Würde die Steuer unter Freistellung der Dividende und gewinnmindernder Berücksichtigung der Aufwendungen aus den Kompensationszahlungen festgesetzt, so würde dies im Vergleich mit einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen. Mit der in § 8b Abs. 1 KStG geregelten Steuerbefreiung für Dividenden hatte der Gesetzgeber nicht die Absicht, Unternehmen eine Möglichkeit zu schaffen, durch kombinierte Anlagemodelle nicht nur die Dividenden steuerfrei zu belassen, sondern durch einen zusätzlich "generierten" Betriebsausgabenabzug in gleicher Höhe auch anderweitig erzielte Erträge aus dem operativen Geschäft der Besteuerung zu entziehen (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 21. November 2013 6 K 366/12, EFG 2014, 494).

Weder die Klägerin noch die Z GmbH haben für den Senat nachvollziehbare außersteuerliche Gründe für die Wertpapierdarlehensgeschäfte, insbesondere für deren Anzahl und zeitliche Abfolge, dargelegt.

cc. Die Anwendbarkeit von § 42 AO ist nicht durch die spezialgesetzliche, auf bestimmte Wertpapierdarlehensgeschäfte zielende Vorschrift des § 8b Abs. 10 KStG ausgeschlossen (s. auch § 42 Abs. 1 Satz 2 AO).

§ 8b Abs. 10 KStG vermag § 42 AO im Streitjahr schon mangels zeitlicher Anwendbarkeit auf die hier gegebene Konstellation, die erst infolge einer weiteren Ergänzung des § 8b Abs. 10 KStG [...] von dieser Vorschrift erfasst ist, nicht als spezialgesetzliche Missbrauchsvermeidungsvorschrift (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Dezember 2013 I R 25/12, BFH/NV 2014, 904) zu verdrängen.

Aus der bereits vor dem bzw. für das Streitjahr erfolgten Einführung des § 8b Abs. 10 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ergibt sich auch nicht im Umkehrschluss, dass entsprechende Sachverhaltskonstellationen, auf die diese spezialgesetzliche Regelung abzielt, zuvor nicht vom Tatbestand des § 42 AO umfasst gewesen sein können (ebenso Hessisches FG, Urteil vom 28. Januar 2020 4 K 890/17, EFG 2020, 1160), oder dass eine Anwendung von § 42 AO auf anfänglich von § 8b Abs. 10 KStG nicht erfasste Fallgestaltungen ausscheidet.

Anderenfalls wäre dem Gesetzgeber die Verwirklichung weiterer, mit einer spezialgesetzlichen Missbrauchsvermeidungsregelung verbundener legitimer Ziele --wie einer Verwaltungsvereinfachung-- versagt, wenn er bekannt gewordene konkrete Gestaltungen nachträglich legitimieren und damit auf ein erhebliches Steueraufkommen verzichten wollte (BFH-Urteil vom 13. November 2024 I R 3/21, juris).

Selbst dann, wenn eine besondere Sachverhaltskonstellation bereits von § 42 AO umfasst war, besteht angesichts der in § 42 Abs. 1 Satz 2 AO angeordneten, relativ unbestimmten Rechtsfolge, nach der der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre, ein Bedürfnis des Gesetzgebers, über die Zielsetzung der allgemeinen Missbrauchsvermeidung hinaus eine für die Verwaltung in der Praxis handhabbare Rechtsfolge zur Korrektur konkret bekannt gewordener häufig praktizierter Gestaltungen anzuordnen (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2024 I R 3/21, juris). So zeigt sich z.B. in den von § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG erfassten Fällen, dass der Gesetzgeber als Rechtsfolge bestimmter Wertpapierdarlehensgeschäfte nicht die Besteuerung der Dividende, sondern ein Abzugsverbot der Kompensationszahlung beim Entleiher als spezialgesetzliche Rechtsfolge postuliert hat.

Des Weiteren dürfte der Gesetzgeber nicht zuletzt in dem Bewusstsein handeln, dass angesichts der äußerst restriktiven Anwendung des § 42 AO den von ihm als Missbrauch wahrgenommenen Gestaltungen im Zweifel mit einer spezialgesetzlichen Vermeidungsnorm begegnet werden muss, ohne dass hiermit ein Präjudiz für die Einstufung einer bestimmten (und ggf. noch nicht berücksichtigten) Konstellation als ein den Tatbestand von § 42 AO verwirklichender Sachverhalt einhergehen soll, und zwar weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht. Dies gilt insbesondere auch für den vorliegenden Sachverhalt, in der die hier zu beurteilende missbräuchliche Gestaltung erst durch eine nach dem Streitjahr [...] erfolgte "Nachbesserung" von § 8b Abs. 10 KStG [...] erfasst worden ist.

Dass der Gesetzgeber § 8b Abs. 10 KStG nicht ausdrücklich als eine "Missbrauchsvorschrift" deklariert hat, steht einer Anwendung von § 42 AO auf von § 8b Abs. 10 KStG anfänglich nicht erfasste Gestaltungen überdies nicht entgegen.

dd. Da nach Auffassung des erkennenden Senats eine missbräuchliche Gestaltung im Sinne des § 42 AO gegeben ist, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

Dies bedeutet im konkreten Fall, dass die Z GmbH sich direkt an den DAX-Unternehmen beteiligt und (auf der Ebene der Klägerin als Organträgerin) nach § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG steuerfreie Dividenden erzielt hätte, ohne dass dem eine Kompensationszahlung sowie das für diese missbräuchliche Gestaltung gezahlte Beratungsentgelt gegenüberstünde (a.A. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28. Januar 2020 4 K 890/17, juris: alle wechselseitigen Übertragungen im Rahmen des "Gesamtplans" bleiben unberücksichtigt). Demgegenüber sind die Kompensationszahlungen in Höhe von x € und auch das mit den Wertpapierdarlehensgeschäften in ihrer Gesamtheit verknüpfte, an die A GmbH geleistete Beratungsentgelt in Höhe von insgesamt x € steuerlich nicht anzuerkennen. Das Beratungsentgelt hängt unmittelbar mit der missbräuchlichen Gestaltung und den hierauf gerichteten wechselseitigen Rechtsgeschäften im Rahmen eines "Gesamtplans" zusammen und muss aus diesem Grund ebenfalls steuerlich unberücksichtigt bleiben. Dies gilt auch hinsichtlich des außerbilanziell dem Einkommen der Klägerin hinzugerechneten Darlehensentgeltes in Höhe von insgesamt x €, denn bei Zugrundelegung direkter Beteiligungen wären auch diese Aufwendungen nicht entstanden.

Die Annahme einer Direktbeteiligung als angemessene wirtschaftliche Gestaltung unter Nichtberücksichtigung der Kompensationszahlung entspricht zudem der vom Gesetzgeber in § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG statuierten Behandlung von Wertpapierleihgeschäften.

Auf der Grundlage der vom Senat angenommenen, angemessenen Gestaltung und den daraus zu ziehenden steuerlichen Schlussfolgerungen resultiert aus dem Antrag zu 1. trotz des nach Anwendung von § 42 AO angenommenen Dividendenbezugs durch die Z GmbH und dessen Einbeziehung in das Einkommen der Organträgerin keine Änderung der Steuerfestsetzung bei der Klägerin, da sich in Bezug auf die Dividende und die damit kombinierte Kompensationszahlung bei Wiederherstellung der (von Außenprüfung und Beklagtem allein rückgängig gemachten) Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 KStG auf der Ebene der Klägerin als Organträgerin die Kompensationszahlung steuermindernd zugunsten der Klägerin auswirken würde und wiederum eine entsprechende Hinzurechnung um x € erfolgen müsste.

ee. Der Beklagte durfte den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO ändern, denn der Bescheid stand zum Zeitpunkt der Änderung unter einem wirksamen Vorbehalt der Nachprüfung.

Der zuerst ergangene Körperschaftsteuerbescheid vom xx.xx.xxxx stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt gemäß § 164 Abs. 4 Satz 1 AO, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.

Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) für die Körperschaftsteuer 2008 begann mit Ablauf des Jahres, in dem die Klägerin die Steuererklärung abgab (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO; 2010). Der Ablauf der Festsetzungsfrist war gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den Beginn der Außenprüfung im xxxx gehemmt. Nach dieser Vorschrift läuft die Festsetzungsfrist für Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind.

Im Zeitpunkt sämtlicher, nachfolgender Änderungen des Körperschaftsteuerbescheides 2008 war demnach der Ablauf der Festsetzungsfrist aufgrund der Außenprüfung gehemmt. Dies umfasst die Änderungen vom xx.xx.xxxx, xx.xx.xxxx und xx.xx.xxxx und schließlich die Änderungen mit Bescheiden vom xx.xx.xxxx und vom xx.xx.xxxx sowie vom xx.xx.xxxx. Im jeweiligen Zeitpunkt dieser Änderungen war entweder die Außenprüfung noch nicht abgeschlossen oder waren die infolge der Außenprüfung zu erlassenden Bescheide (infolge des laufenden Einspruchs- bzw. Klageverfahrens) noch nicht unanfechtbar. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist erst mit dem am xx.xx.xxxx ergangenen (und damit streitgegenständlichen) Änderungsbescheid aufgehoben worden.

Weder ein zugunsten der Klägerin bestehender Vertrauensschutz noch der Grundsatz von Treu und Glauben standen der (wiederholten) Änderung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides entgegen. Es ist gerade Sinn und Zweck des Vorbehalts der Nachprüfung, der Finanzbehörde die abschließende Prüfung z.B. im Rahmen einer Außenprüfung zu ermöglichen und hieraus die als zutreffend erachteten steuerlichen Folgen zu ziehen. Des Weiteren kann sich die Klägerin angesichts des Vorliegens der Voraussetzungen des § 42 AO nicht auf einen Vertrauensschutz im Sinne von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO im Zusammenhang mit einer etwaigen Änderung der Rechtsprechung des BFH zum "subjektiven Fehlerbegriff" oder aber zu § 39 AO berufen.

B. Hauptantrag zu 2.

a. Der Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO für 2008 vom xx.xx.xxxx in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom xx.xx.xxxx ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte war nicht (mehr) dazu befugt, die (zugrundeliegende) Anrechnungsverfügung hinsichtlich der einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag zu ändern bzw. aufzuheben, denn sowohl für eine Rücknahme gemäß § 130 Abs. 2 AO als auch für einen Widerruf gemäß § 131 Abs. 2 AO war die jeweils maßgebliche Jahresfrist (§ 130 Abs. 3 AO bzw. § 130 Abs. 3 i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 2 AO) zum Zeitpunkt der Änderung der Anrechnungsverfügung am xx.xx.xxxx bereits abgelaufen.

b. Die Änderungsvorschriften für Steuerbescheide gelten nicht in Bezug auf die Anrechnungsverfügung; insoweit richten sich die Voraussetzungen einer Änderung bzw. Aufhebung nach den §§ 130, 131 AO (vgl. Rüsken in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 130 Rz. 11). Die Klägerin hat im Anschluss hieran zutreffend einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO für 2008 beantragt und hiergegen Einspruch eingelegt.

c. Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Für begünstigende (rechtswidrige) Verwaltungsakte gilt dies nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO, z.B. wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO) oder wenn die Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (§ 130 Abs. 2 Nr. 4 AO).

Nach § 131 Abs. 2 Satz 1 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalte ist (Nr. 1), wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2), oder wenn die Finanzbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre (Nr. 3).

d. Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden oder eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme bzw. der Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig (§ 130 Abs. 3 AO, § 131 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 130 Abs. 3 AO).

aa. Nach Maßgabe dieser Vorschrift kann es nach Auffassung des erkennenden Senats dahinstehen, ob vorliegend die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf der Anrechnungsverfügung vorliegen, denn in beiden Fällen war die Jahresfrist --bei der es sich um eine Ausschlussfrist handelt-- im Zeitpunkt der Änderung der Anrechnungsverfügung mit Bescheid vom xx.xx.xxxx bereits abgelaufen.

bb. Obwohl vorliegend einem Fristbeginn und -ablauf im Sinne von § 130 Abs. 3 AO entgegengebracht werden könnte, dass angesichts der streitigen Behandlung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag bei Kenntnis sämtlicher tatsächlichen Umstände vornehmlich Rechtsfragen die Diskussion prägten und keine die Widerrufs- bzw. Rücknahmefrist auslösende Kenntnis von Tatsachen mehr im Vordergrund gestanden haben mag, ist § 130 Abs. 3 AO dennoch anwendbar. § 130 Abs. 3 AO ist nämlich auch auf solche Fälle auszudehnen, in denen die Behörde nicht nur von tatsächlichen Ereignissen Kenntnis erlangt hat, sondern auch von rechtlichen Umständen, die die Behörde auf die Rechtswidrigkeit des konkreten Verwaltungsaktes hinweisen. Die Frist des § 130 Abs. 3 AO gilt demnach auch für reine Rechtsanwendungsfehler. Dass vorliegend die Abgrenzung zwischen tatsächlichen und rechtlichen Umständen, die zum Widerruf bzw. zur Aufhebung der Anrechnungsverfügung führten (z.B. die Wertung, dass die Nichterfassung der Dividenden bei der Z GmbH als tatsächlicher Umstand behandelt werden kann, während die Frage, ob die Kapitalertragsteuer nicht trotzdem anrechenbar bleibt, eine Rechtsfrage darstellt), nicht trennscharf erfolgen kann, steht demnach der Anwendbarkeit von § 130 Abs. 3 AO nicht entgegen.

cc. Im Rahmen des § 130 Abs. 3 AO ist umstritten, ob es sich bei der darin bestimmten Frist um eine Bearbeitungsfrist oder um eine Entscheidungsfrist handelt. Teilweise wird entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift ausschließlich auf die Kenntnis der für die Rücknahme bzw. den Widerruf relevanten tatsächlichen Fakten abgestellt (dahingehend Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 130 AO Rz. 51), so dass bei Rechtsanwendungsfehlern die Frist bereits mit dem Zeitpunkt des Erlasses des jeweiligen Verwaltungsaktes beginnt (hier: 26. Juli 2010). Die überwiegende Mehrheit sieht demgegenüber den Zeitpunkt als entscheidend an, ab dem die Behörde alle tatsächlichen und rechtlichen Umstände kennt, die für die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit des jeweiligen Verwaltungsaktes erforderlich sind (BFH-Urteil vom 28. September 1993 VII R 107/92, BFH/NV 1994, 751; Wernsmann in HHSp, AO/FGO, § 130 Rz. 193; Rüsken in Klein, AO 18. Aufl. 2024, § 130 Rz. 66). Demnach würde § 130 Abs. 3 AO eine Bearbeitungsfrist normieren. Der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichtes -BVerwG- hat (zu § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes) entschieden, die Frist beginne erst dann zu laufen, wenn der zuständige Beamte von allen rechtlichen und tatsächlichen Umständen erfahre, die nicht nur die Rücknahmemöglichkeit des Verwaltungsaktes indizieren, sondern darüber hinaus auch das Rücknahmeermessen beeinflussen (BVerwG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1984 GS 1/84, GS 2/84, BVerwGE 70, 356). Nach dieser Ansicht handelt es sich bei § 130 Abs. 3 AO um eine Entscheidungsfrist.

i. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 130 Abs. 3 AO als Bearbeitungsfrist zu verstehen. Bei Annahme einer Entscheidungsfrist geht der mit § 130 Abs. 3 AO bezweckte Vertrauensschutz verloren, da der Fristbeginn zu weit nach hinten gerückt würde. Stellt man mit der sich streng am Wortlaut orientierenden, engen Ansicht demgegenüber nur auf die volle Tatsachenkenntnis ab, erscheint dies mit Blick auf die Berücksichtigung auch von Rechtsanwendungsfehlern widersprüchlich (s. Wernsmann in HHSp, AO/FGO, § 130 Rz. 191).

ii. Bei Annahme einer Bearbeitungsfrist (und im Übrigen auch bei Annahme einer Entscheidungsfrist) ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die Frist spätestens mit Abschluss der Erörterungen im xxx hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag begann. Mit Schreiben vom xx.xx.xxxx erhielt der Beklagte die Weisung vom LSt, die Rückforderung der Kapitalertragsteuer auf § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO zu stützen. Die Weisung geht ersichtlich davon aus, dass eine Erörterung und inhaltliche Abstimmung über die Verfahrensweise hinsichtlich der Kapitalertragsteuer in der streitigen Konstellation stattgefunden hatte und das Ergebnis durch den Beklagten nunmehr umgesetzt werden sollte. Eine weitergehende Bearbeitung bzw. Würdigung war nicht gefragt und nicht erforderlich.

Das Vorbringen des Beklagten, man habe erst die Entscheidung über den Erlassantrag über die resultierende (erhöhte) Körperschaftsteuer abwarten wollen bzw. müssen, um eine endgültige Entscheidung über die Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer treffen zu können, verfängt nicht. Es ist nicht ersichtlich, wie angesichts der eindeutigen Weisungslage nach Abschluss der Erörterungen (und damit dem Vorliegen aller relevanten tatsächlichen und rechtlichen Umstände) die vom Beklagten zu treffende Entscheidung von dem Ausspruch eines Erlasses abhängig sein konnte. Wenn für den Fristbeginn nach § 130 Abs. 3 AO auf derartige (hier nicht nachvollziehbare) Abhängigkeiten zu anderen Verfahren abgestellt würde bzw. werden kann, liefe der mit der Vorschrift bezweckte Vertrauensschutz leer. Aus den in Bezug genommenen, in den Akten enthaltenen Schriftstücken ist nicht ersichtlich, dass eine Abhängigkeit der Rückforderung der erstatteten Kapitalertragsteuer bzw. die Änderung der Anrechnungsverfügung von einer Entscheidung über den Erlassantrag über die resultierende Mehrsteuer bestand, und zwar auch nicht aus dem Schreiben des LSt vom xx.xx.xxxx an den Beklagten. Vielmehr gingen die beteiligten Behörden schon während der Erörterung der Erlassfrage bereits davon aus, dass die Kapitalertragsteuer zurückzufordern war (vgl. die Formulierung "... aus der rückgängig zu machenden Anrechnung ..." im Schreiben des LSt vom xx.xx.xxxx).

Eine die Frist des § 130 Abs. 3 AO auslösende Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht erst mit der Änderung des Körperschaftsteuerbescheides nach § 164 Abs. 2 AO als Grundlagenbescheid (mit der dortigen Nichteinbeziehung der Dividenden) für die Anrechnungsverfügung eintreten (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2008 VII R 43/07, BStBl II 2009, 344). Bei dieser Sichtweise, die den Fristbeginn trotz Kenntnis der maßgeblichen Umstände durch Abstellen auf den konkreten Änderungszeitpunkt des Grundlagenbescheides der "Kontrolle" durch die Finanzbehörde unterstellte, würde § 130 Abs. 3 AO in seiner Schutzfunktion bedeutungslos. Insbesondere ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die rechtlichen Erwägungen und die Sachverhaltswürdigung betreffend den Körperschaftsteuerbescheid und die Anrechnungsverfügung parallel erfolgten. Wenn die Aufhebung der Anrechnungsverfügung hinausgezögert werden könnte, indem eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides zunächst unterbleibt, liefen trotz voller Kenntnis der zur Änderung berechtigenden Tatsachen und ihrer abgeschlossenen rechtlichen Interpretation gerade diese fristauslösenden Umstände leer.

Des Weiteren hat das Finanzamt, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, bereits am xx.xx.xxxx einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2008 gegenüber der Z GmbH erlassen, dem die Ergebnisse der Außenprüfung zugrunde lagen.

e. Abgesehen von der verfahrensrechtlichen Unzulässigkeit des Widerrufs bzw. der Rücknahme der Anrechnungsverfügung ist die Anrechnungsbefugnis der Klägerin auch unter Berücksichtigung der vom Senat zu § 42 AO vertretenen Auffassung, wonach als eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene rechtliche Gestaltung eine direkte Beteiligung der Z GmbH an den verschiedenen DAX-Unternehmen zugrunde zu legen ist, nach § 19 Abs. 5 KStG gegeben. Die Kapitalertragsteuer und der hierauf entfallende Solidaritätszuschlag sind demnach auch in materiell-rechtlicher Hinsicht i.E. zutreffend für Rechnung der Z GmbH einbehalten und abgeführt worden; dies zieht eine entsprechende Anrechnungsbefugnis auf der Ebene der Organträgerin nach sich.

C. Über die Hilfsanträge zu 3., 4. und 5. war angesichts der Stattgabe hinsichtlich des Klageantrags zu 2. nicht zu entscheiden.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 FGO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

IV. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin durch Beschluss vom 4. Juni 2025 gemäß § 107 Abs. 1 FGO das Urteil vom 24. April 2025 dahingehend berichtigt, dass in Satz 6 in Absatz 4 auf Seite 15 das Wort "Kapitalertragsteuerbescheinigungen" durch das Wort "Kapitalertragsteueranmeldungen" ersetzt wird.

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