EuGH: Vorsteuerabzug - Subvention aus öffentlichen Mitteln
EuGH, Urteil vom 16.5.2013 - C-191/12, Alakor Gabonatermelo˝ és Forgalmazó Kft.
Tenor
Der Grundsatz, wonach Abgaben, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben wurden, zu erstatten sind, ist dahin auszulegen, dass er es diesem Staat nicht verbietet, die Erstattung des Teils der Mehrwertsteuer, dessen Abzug durch eine gegen das Unionsrecht verstoßende nationale Maßnahme verhindert wurde, mit der Begründung abzulehnen, dieser Teil der Steuer sei mit einer dem Steuerpflichtigen gewährten und sowohl von der Europäischen Union als auch von diesem Staat finanzierten Beihilfe subventioniert worden, sofern die mit der Ablehnung des Vorsteuerabzugs verbundene wirtschaftliche Belastung vollständig neutralisiert wurde; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.
Aus den Gründen
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Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Unionsrechts im Bereich der Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge.
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Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Alakor Gabonatermelő és Forgalmazó Kft. (im Folgenden: Alakor) und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Észak-alföldi Regionális Adó Főigazgatósága (Regionale Finanzdirektion Észak-alföld, die zur Nationalen Steuer- und Zollverwaltung gehört, im Folgenden: Főigazgatósága) wegen deren Weigerung, die Vorsteuer, deren Abzug unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt wurde, in vollem Umfang zu erstatten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
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In Regel Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 448/2004 der Kommission vom 10. März 2004 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1685/2000 der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates hinsichtlich der Zuschussfähigkeit der Ausgaben für von den Strukturfonds kofinanzierte Operationen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1145/2003 (ABl. L 72, S. 66) heißt es:
„Regel Nr. 7: Mehrwertsteuer und andere Steuern und Gebühren
1. Die Mehrwertsteuer ist keine zuschussfähige Ausgabe, es sei denn, sie wird tatsächlich und endgültig von dem Endbegünstigten oder dem Einzelempfänger im Rahmen der Beihilferegelungen gemäß Artikel 87 EG-Vertrag und im Fall der Gewährung von Beihilfen durch die von den Mitgliedstaaten benannten Stellen getragen. Rückforderbare Mehrwertsteuer - auf welche Weise auch immer - kann nicht als zuschussfähig angesehen werden, auch wenn der Endbegünstigte oder der Einzelempfänger sie nicht tatsächlich zurückerhält. Der öffentliche oder private Status des Endbegünstigten oder Einzelempfängers spielt keine Rolle für die Entscheidung, ob die Mehrwertsteuer nach den Bestimmungen dieser Regel eine zuschussfähige Ausgabe ist.
2. Mehrwertsteuer, die aufgrund spezifischer einzelstaatlicher Bestimmungen durch den Endbegünstigten oder Einzelempfänger nicht rückforderbar ist, ist nur dann eine zuschussfähige Ausgabe, wenn diese Bestimmungen mit der Sechsten ... Richtlinie 77/388/EWG des Rates [vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie)] voll im Einklang stehen."
Ungarisches Recht
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§ 38 Abs. 1 des Gesetzes LXXIV von 1992 über die Mehrwertsteuer (az általános forgalmi adóról szóló 1992. évi LXXIV. törvény, Magyar Közlöny 1992/128 [XII.19.], im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz), der mit Wirkung vom 1. Januar 2006 aufgehoben wurde, sah vor:
„Der Steuerpflichtige hat in seiner Buchführung die abzugsfähige und die nicht abzugsfähige Vorsteuer getrennt auszuweisen (postenweise Trennung). Der Steuerpflichtige, der eine Subvention aus dem Staatshaushalt erhält, die nicht nach § 22 Abs. 1 und 2 dieses Gesetzes Teil der Besteuerungsgrundlage ist, kann, soweit das Jahreshaushaltsgesetz nichts anderes bestimmt,
a) im Fall von Subventionen für den Erwerb bestimmter Gegenstände sein Abzugsrecht ausschließlich für die auf den nicht subventionierten Teil des betreffenden Erwerbs entfallende Vorsteuer geltend machen;
..."
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In § 124/C des Gesetzes XCII von 2003 über die Besteuerung (az adózás rendjéről szóló 2003. évi XCII. törvény, Magyar Közlöny 2003/131 [XI. 14.], im Folgenden: Gesetz über die Besteuerung) heißt es:
„(1) Stellt das Verfassungsgericht, die Kúria oder der Gerichtshof der Europäischen Union rückwirkend fest, dass eine Vorschrift, die eine steuerliche Pflicht begründet, gegen das Grundgesetz oder einen verbindlichen Rechtsakt der Europäischen Union oder, wenn es sich um eine Gemeindesatzung handelt, gegen jegliche andere Rechtsvorschrift verstößt, und begründet diese gerichtliche Entscheidung für den Steuerpflichtigen einen Erstattungsanspruch, führt die Finanzbehörde erster Ebene auf Antrag des Steuerpflichtigen die Erstattung - entsprechend den in der betreffenden Entscheidung festgelegten Modalitäten - gemäß den Bestimmungen dieses Paragrafen durch.
(2) Der Steuerpflichtige kann den Antrag innerhalb von 180 Tagen nach der Veröffentlichung oder der Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichts, der Kúria oder des Gerichtshofs ... schriftlich bei der Finanzbehörde einreichen; wird die Frist versäumt, ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung nicht zulässig. Die Finanzbehörde lehnt den Antrag ab, wenn bis zum Tag der Veröffentlichung oder der Zustellung der Entscheidung der Anspruch auf Festsetzung der Steuer verjährt ist. ...
(3) In dem Antrag sind über die zur Identifizierung des Steuerpflichtigen erforderlichen Angaben hinaus die bis zur Einreichung des Antrags gezahlten Steuern, deren Erstattung begehrt wird, und der Vollstreckungstitel, auf dem die Zahlung der Steuern beruht, anzuführen; der Antrag muss außerdem auf die Entscheidung des Verfassungsgerichts, der Kúria oder des Gerichtshofs ... Bezug nehmen und eine Erklärung darüber enthalten, dass
a) der Steuerpflichtige die Steuer, deren Erstattung er beantragt, bis zur Einreichung des Antrags nicht auf eine andere Person abgewälzt hat,
..."
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§ 124/D dieses Gesetzes sieht vor:
„(1) Soweit in dieser Vorschrift nichts anderes bestimmt ist, gelten für Erstattungsanträge, die auf das Vorsteuerabzugsrecht gestützt werden, die Bestimmungen des § 124/C.
(2) Der Steuerpflichtige kann seinen Anspruch nach Abs. 1 mit einer ... ergänzenden Erklärung geltend machen.
(3) Ergibt die in der ergänzenden Erklärung berichtigte Berechnung, dass dem Steuerpflichtigen ein Erstattungsanspruch zusteht, ... wendet die Finanzbehörde auf die zu erstattende Steuer einen Zinssatz in Höhe des Leitzinses der Zentralbank an ...
(5) Eine Abwälzung im Sinne von § 124/C Abs. 3 Buchst. a liegt auch vor, wenn dem Steuerpflichtigen eine Beihilfe gewährt wurde, die - unter Berücksichtigung des Verbots des Vorsteuerabzugs - die Mehrwertsteuer mitfinanziert, oder wenn ihm eine ergänzende staatliche Beihilfe zum Ausgleich der nicht abzugsfähigen Vorsteuer gewährt wurde.
..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
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Im Jahr 2005 schloss Alakor mit dem Földművelésügyi és Vidékfejlesztési Minisztérium (Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, im Folgenden: Beihilfegeber) einen Subventionsvertrag, der ihr die Finanzierung eines Vorhabens im Rahmen des Operativprogramms für die Landwirtschaft und die ländliche Entwicklung für das zweite Halbjahr 2005 ermöglichen sollte (im Folgenden: Beihilfe).
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Aufgrund von § 38 Abs. 1 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes in seiner zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung konnte die Vorsteuer für Ausgaben im Zusammenhang mit dem subventionierten Vorhaben in Höhe des der Beihilfe entsprechenden Anteils nicht abgezogen werden.
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Dagegen umfassten die „zuschussfähigen Kosten" eines subventionierten Vorhabens gemäß den Richtlinien des Finanzministeriums für die Zwecke der Berechnung der Beihilfe den Teil der Mehrwertsteuer, der dem Anteil des mit dieser Beihilfe finanzierten Vorhabens entsprach. Somit waren im vorliegenden Fall in den beihilfefähigen Kosten des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorhabens, die sich auf insgesamt 207 174 606 ungarische Forint (HUF) beliefen, 18 645 714 HUF nicht abzugsfähige Vorsteuer enthalten. Der Beihilfegeber gewährte zur Finanzierung dieses Vorhabens eine Beihilfe in Höhe von 90 000 000 HUF, was 43,44 % der zuschussfähigen Kosten des Vorhabens entsprach, wobei 75 % dieser Beihilfe durch Gemeinschaftsmittel und die verbleibenden 25 % zulasten des nationalen Haushalts finanziert wurden.
Die Abrechnung der Mehrwertsteuer für die Entwicklungsausgaben erfolgte in den monatlichen Mehrwertsteuermeldungen für September und November 2005 und, als auf den Folgezeitraum vortragbarer Saldo, in den Mehrwertsteuermeldungen für Dezember 2005 und Januar 2006. Gemäß § 38 Abs. 1 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzes konnte die Klägerin des Ausgangsverfahrens die in den Rechnungen für die Entwicklungsausgaben ausgewiesene Vorsteuer in der Erklärung für September 2005 in Höhe von 4 440 000 HUF und in der Erklärung für November 2005 in Höhe von 13 282 000 HUF nicht abziehen, was einen Betrag von insgesamt 17 722 000 HUF ergab.
Mit Urteil vom 23. April 2009, PARAT Automotive Cabrio (C‑74/08, Slg. 2009, I‑3459), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die im Fall des Erwerbs von mit Geldern aus dem Staatshaushalt subventionierten Gegenständen einen Abzug der darauf angefallenen Mehrwertsteuer nur für den nicht subventionierten Teil dieses Erwerbs erlaubt".
Vor dem Hintergrund dieses Urteils vertrat Alakor die Auffassung, dass sie die für ihre steuerbaren Umsätze gezahlte Mehrwertsteuer in voller Höhe als Vorsteuer abziehen dürfe und dass die zuvor als nicht abzugsfähig betrachtete Mehrwertsteuer nicht mehr Teil der zuschussfähigen Kosten des in Rede stehenden Vorhabens sein könne. Alakor zahlte dem Beihilfegeber daher am 21. Juli 2009 den der nicht abzugsfähigen Vorsteuer entsprechenden Betrag zurück und beantragte eine Änderung des Beihilfevertrags. Der Beihilfegeber lehnte diesen Antrag ab und zahlte Alakor den erhaltenen Betrag zurück.
Am 22. Juli 2009 reichte Alakor bei der Finanzbehörde für die Monate September, November und Dezember 2005 sowie Januar 2006 ergänzende Erklärungen ein, in denen sie unter Berufung auf das Urteil PARAT Automotive Cabrio beantragte, ihr die zuvor der Beschränkung des Vorsteuerabzugs unterliegende Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 17 722 000 HUF nebst Verzugszinsen zu erstatten.
Die Finanzbehörde erster Ebene beschied diesen Antrag dahin, dass sie die abzugsfähige Steuer und die der Klägerin des Ausgangsverfahrens zu erstattenden Beträge niedriger ansetzte als die von dieser in ihren ergänzenden Erklärungen angegebenen Beträge. Die Főigazgatósága bestätigte diese Entscheidungen mit dem Hinweis, dass die Klägerin den 43,44 % der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer entsprechenden Betrag bereits als Beihilfe erhalten habe. Dieser Betrag sei folglich als nach § 124/C Abs. 3 Buchst. a und § 124/D Abs. 5 des Gesetzes über die Besteuerung abgewälzt anzusehen.
Das mit Klagen auf Änderung bzw. Aufhebung der von der Finanzbehörde erlassenen Entscheidungen befasste Gericht des ersten Rechtszugs erklärte die Klagen für begründet, hob die fraglichen Entscheidungen auf, weil sie in rechtswidriger Weise das Recht auf Vorsteuerabzug unter Missachtung des Urteils PARAT Automotive Cabrio eingeschränkt hätten, und verpflichtete die Finanzbehörde erster Ebene, das Verwaltungsverfahren erneut durchzuführen.
Die Főigazgatósága legte Rechtsmittel ein und macht insbesondere geltend, Alakor habe einen Teil der Mehrwertsteuer, deren Erstattung sie mit ihren ergänzenden Erklärungen begehre, bereits als Beihilfe erhalten. Folglich dürfe sich die Erstattung nur auf den Teil der Mehrwertsteuer beziehen, der nicht durch diese Beihilfe kompensiert werde.
Alakor macht geltend, die §§ 124/C und 124/D des Gesetzes über die Besteuerung verstießen gegen das Unionsrecht, und die Entscheidungen der Finanzbehörde seien mit Regel Nr. 7 der Verordnung Nr. 448/2004 unvereinbar. Die Finanzbehörde habe folglich gegen das Unionsrecht verstoßen, da sie das Recht auf Vorsteuerabzug eingeschränkt und nicht die gesamte Mehrwertsteuer erstattet habe, sondern einen anteilmäßig berechneten Betrag. Alakor laufe außerdem Gefahr, die Beihilfe wegen Verstoßes gegen die für Beihilfen zur ländlichen Entwicklung geltenden Vorschriften zurückzahlen zu müssen.
Unter diesen Umständen hat die Kúria beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Kann es nach dem Unionsrecht - bei einem Vorsteuerabzugsverbot - der Abwälzung der Mehrwertsteuer gleichstehen, wenn ein Steuerpflichtiger eine Beihilfe, mit der auch die Mehrwertsteuer finanziert wird, bzw. eine ergänzende staatliche Beihilfe zum Ausgleich der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer erhalten hat?
2. Sollte die Frage bejaht werden: Gilt dies auch, wenn der Steuerpflichtige die Beihilfe nicht von dem Mitgliedstaat oder der Finanzbehörde des Mitgliedstaats erhalten hat und sie stattdessen - auf der Grundlage des mit dem Beihilfegeber geschlossenen Vertrags - aus Beihilfemitteln der Union und dem Zentralhaushalt des Mitgliedstaats gezahlt wurde?
3. Werden die Grundsätze der Mehrwertsteuererstattung auf der Grundlage der Steuerneutralität, der Effektivität, der Äquivalenz und der Gleichbehandlung sowie das Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung beachtet, wenn die Finanzbehörde des Mitgliedstaats - aufgrund einer Regelung des Rechts auf Vorsteuerabzug, die gegen das Unionsrecht verstößt - dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Erstattung oder Schadensersatz nur in Höhe des Teils oder des Anteils stattgibt, der nicht zuvor mit der in den ersten beiden Fragen genannten Beihilfe finanziert wurde?
Zu den Vorlagefragen
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Grundsatz, wonach Abgaben, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben wurden, zu erstatten sind, dahin auszulegen ist, dass er es diesem Staat erlaubt, die Erstattung des Teils der Mehrwertsteuer, dessen Abzug durch eine gegen das Unionsrecht verstoßende nationale Maßnahme verhindert wurde, mit der Begründung abzulehnen, dieser Teil der Steuer sei mit einer dem Steuerpflichtigen gewährten und sowohl von der Union als auch von diesem Staat finanzierten Beihilfe subventioniert worden.
Dem Ausgangsrechtsstreit liegt die Anwendung des § 38 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes in seiner zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltenden Fassung zugrunde, wonach der Steuerpflichtige, der eine Subvention erhalten hat, sein Abzugsrecht ausschließlich für die auf den nicht subventionierten Teil des betreffenden Erwerbs entfallende Vorsteuer geltend machen konnte.
In seinem Urteil PARAT Automotive Cabrio hat der Gerichtshof zunächst in Randnr. 15 darauf hingewiesen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug als integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist, das grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. In Randnr. 20 dieses Urteils hat er sodann festgestellt, dass eine nationale Regelung, die eine allgemeine Beschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug beinhaltet, die für jeden Erwerb eines Gegenstands gilt, der mit Geldern aus dem Staatshaushalt subventioniert worden ist, nach Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie unzulässig ist. Schließlich hat der Gerichtshof in den Randnrn. 33 bis 35 des genannten Urteils darauf hingewiesen, dass Art. 17 Abs. 2 für die Einzelnen Rechte begründet, auf die sie sich vor den nationalen Gerichten berufen können, um einer mit dieser Vorschrift unvereinbaren nationalen Regelung entgegenzutreten, und dass der einer solchen Maßnahme unterworfene Steuerpflichtige seine Mehrwertsteuerschuld gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie neu berechnen können muss, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet wurden.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte darstellt, die den Einzelnen aus den Bestimmungen des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Die Mitgliedstaaten sind also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (vgl. u. a. Urteil vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a., C‑591/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Folglich muss der Mitgliedstaat die Mehrwertsteuer, an deren Abzug der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen das Unionsrecht gehindert wurde, grundsätzlich in vollem Umfang erstatten.
Der Anspruch auf Rückzahlung der rechtsgrundlos gezahlten Beträge soll also die Folgen der Unvereinbarkeit der Abgabe mit dem Unionsrecht dadurch beheben, dass die mit ihr zu Unrecht auferlegte wirtschaftliche Belastung des Wirtschaftsteilnehmers, der sie letztlich tatsächlich getragen hat, neutralisiert wird (Urteil vom 20. Oktober 2011, Danfoss und Sauer-Danfoss, C‑94/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 23).
Ausnahmsweise kann jedoch eine solche Rückzahlung abgelehnt werden, wenn sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Berechtigten führt. Der Schutz der in diesem Bereich durch die Unionsrechtsordnung garantierten Rechte verlangt daher nicht die Erstattung von unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuern, Gebühren oder Abgaben, wenn die zur Zahlung dieser Abgaben herangezogene Person sie nachweislich tatsächlich auf andere abgewälzt hat (Urteil vom 6. September 2011, Lady & Kid u. a., C‑398/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 18).
In Ermangelung einer Unionsregelung für die Erstattung von Abgaben ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen zu regeln, unter denen eine solche Erstattung verlangt werden kann; diese Voraussetzungen müssen allerdings den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität entsprechen (Urteil Danfoss und Sauer-Danfoss, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Insoweit gebietet die Beachtung des Grundsatzes der Effektivität in Anbetracht des in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Zwecks des Anspruchs auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, dass die Voraussetzungen für die Geltendmachung dieses Anspruchs von den Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie so festgelegt werden, dass die wirtschaftliche Belastung, zu der die nicht geschuldete Abgabe geführt hat, neutralisiert werden kann (vgl. Urteil Danfoss und Sauer-Danfoss, Randnr. 25).
Folglich kann ein Mitgliedstaat die Erstattung eines Teils einer Abgabe dann mit der Begründung ablehnen, die Erstattung würde zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen, wenn die wirtschaftliche Belastung, zu der die zu Unrecht erhobene Abgabe für ihn geführt hat, vollständig neutralisiert wurde.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass § 124/D Abs. 5 des Gesetzes über die Besteuerung, der nach Erlass des Urteils PARAT Automotive Cabrio verabschiedet wurde, es erlaubt, die Erstattung eines Teils der Mehrwertsteuer, der unter Verstoß gegen das Unionsrecht nicht abgezogen werden konnte, mit der Begründung abzulehnen, der Steuerpflichtige habe bereits einen Ausgleich in Form einer Beihilfe für den auf den subventionierten Erwerb entfallenden Teil der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer erhalten.
Die Frage, ob die im Ausgangsverfahren begehrte Erstattung nur die wirtschaftliche Belastung durch die nicht geschuldete Abgabe neutralisieren soll oder ob sie zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Abgabepflichtigen führen würde, ist eine Sachverhaltsfrage, die in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt, das in der Würdigung der ihm vorgelegten Beweise nach einer wirtschaftlichen Analyse, bei der alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt werden, frei ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Oktober 2003, Weber's Wine World u. a., C‑147/01, Slg. 2003, I‑11365, Randnrn. 96 und 100).
In einem Vorabentscheidungsverfahren ist der Gerichtshof, der dem vorlegenden Gericht in sachdienlicher Weise zu antworten hat, allerdings dafür zuständig, auf der Grundlage der Akten des Ausgangsverfahrens und der vor ihm abgegebenen Erklärungen dem vorlegenden Gericht Hinweise zu geben, die ihm die Entscheidung ermöglichen (vgl. entsprechend Urteile vom 9. Februar 1999, Seymour-Smith und Perez, C‑167/97, Slg. 1999, I‑623, Randnr. 68, und vom 26. Juni 2001, Brunnhofer, C‑381/99, Slg. 2001, I‑4961, Randnr. 65).
Insoweit hat das nationale Gericht insbesondere zu prüfen, ob der Betrag der der Klägerin des Ausgangsverfahrens gewährten Beihilfe geringer gewesen wäre, wenn sie nicht daran gehindert gewesen wäre, ihr Recht zum Vorsteuerabzug auszuüben. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht nämlich hervor, dass der Betrag der in Rede stehenden Beihilfe anhand der „zuschussfähigen Kosten" des Vorhabens berechnet wurde, die sowohl dessen Nettokosten als auch die nicht abzugsfähige Mehrwertsteuer umfassen. Das nationale Gericht hat also zu prüfen, ob der Beihilfebetrag bei einer Berechnung der zuschussfähigen Kosten ohne Berücksichtigung der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer geringer gewesen wäre als der tatsächlich gewährte Betrag. Sollte dies der Fall sein, wäre der sich aus dem höheren Beihilfebetrag ergebende Überschuss, der Alakor damit zugutegekommen wäre, die Folge dessen, dass ein Teil der nicht abzugsfähigen Mehrwertsteuer von dieser Beihilfe umfasst war. Die wirtschaftliche Belastung in Form des diesem Überschuss entsprechenden Teils der Steuer würde somit vom Beihilfegeber und nicht von Alakor getragen.
Folglich muss, um die wirtschaftliche Belastung in Form des Verbots des Vorsteuerabzugs zu neutralisieren, der Betrag, dessen Erstattung die Klägerin des Ausgangsverfahrens verlangen kann, der Differenz zwischen dem Betrag der Mehrwertsteuer, die Alakor aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften, deren Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht im Urteil PARAT Automotive Cabrio festgestellt wurde, nicht abziehen konnte, und dem Betrag der Alakor gewährten Beihilfe entsprechen, der den Betrag übersteigt, der ihr gewährt worden wäre, wenn sie nicht an der Ausübung ihres Abzugsrechts gehindert gewesen wäre.
Schließlich hat der Umstand, dass die Finanzierung der in Rede stehenden Beihilfe sowohl aus dem Haushalt der Union als auch aus dem des betreffenden Mitgliedstaats erfolgte, auf die vorstehenden Erwägungen keinen Einfluss. Das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben hat, stellt nämlich, wie sich aus Randnr. 22 des vorliegenden Urteils ergibt und wie die Europäische Kommission hervorhebt, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen aus den Bestimmungen des Unionsrechts erwachsen. Der Erstattungsanspruch kann folglich nicht von der Quelle abhängen, aus der die in Rede stehende Beihilfe finanziert wird.
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass der Grundsatz, wonach Abgaben, die in einem Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts erhoben wurden, zu erstatten sind, dahin auszulegen ist, dass er es diesem Staat nicht verbietet, die Erstattung des Teils der Mehrwertsteuer, dessen Abzug durch eine gegen das Unionsrecht verstoßende nationale Maßnahme verhindert wurde, mit der Begründung abzulehnen, dieser Teil der Steuer sei mit einer dem Steuerpflichtigen gewährten und sowohl von der Union als auch von diesem Staat finanzierten Beihilfe subventioniert worden, sofern die mit der Ablehnung des Vorsteuerabzugs verbundene wirtschaftliche Belastung vollständig neutralisiert wurde; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.