: Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
BFH, Urteil vom 3.4.2008 - V R 76/05
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 28.11.2005 - 14 K 79/04 (EFG 2006, 1110)
LEITSÄTZE
1. Im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft kann von der finanziellen Eingliederung weder auf die organisatorische noch auf die wirtschaftliche Eingliederung geschlossen werden.
2. Der aktienrechtlichen Abhängigkeitsvermutung aus § 17 AktG kommt keine Bedeutung im Hinblick auf die organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zu.
3. Die organisatorische Eingliederung setzt in aller Regel die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen des Organträgers und der Organgesellschaft voraus.
UStG 1999 § 2 Abs. 1, Abs. 2; Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 4
SACHVERHALT
I.
Streitig ist, ob in den Streitjahren (1999 und 2000) eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft zwischen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) als Organgesellschaft und der K-GmbH als Organträgerin bestand.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1999 gegründete und in das Handelsregister eingetragene GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Förderung der Altenhilfe ist. Das Stammkapital der Klägerin beträgt seit Gründung ... € und wurde in den Streitjahren von der K-GmbH in Höhe von 70 % sowie von U und H in Höhe von jeweils 15 % gehalten.
Geschäftsführer der Klägerin waren seit ihrer Gründung ihre Gesellschafter U und H. Sie vertraten die Klägerin gemeinsam. Unbeschadet der im Außenverhältnis unbeschränkten Vertretungsbefugnis waren die Geschäftsführer nach den Anstellungsverträgen in ihrer Geschäftsführung an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden und hatten außerdem vor Abschluss eines der nachstehend genannten Geschäfte die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einzuholen:
- Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten,
- Bestellung sowie Abberufung von Prokuristen und Geschäftsführern, auch von Tochter- und Beteiligungsgesellschaften,
- Abschluss, Beendigung oder Änderung von Verträgen mit Arbeitnehmern und freien Dienstnehmern, denen ein Gehalt von mehr als 100 000 DM/Jahr brutto zusteht, sowie Anstellung von Ehegatten eines Geschäftsführers oder mit diesem verwandter oder verschwägerter Personen,
- Abschluss, Beendigung oder Änderung der Grundsätze der betrieblichen Altersversorgung sowie von Pensionsvereinbarungen im Allgemeinen,
- Eingehung von Wechselverbindlichkeiten und Übernahme von Bürgschaftserklärungen sowie die Abgabe von Garantie-Erklärungen,
- Gewährung von Darlehen und Inanspruchnahme von Darlehen, soweit sie nicht im Finanzplan vorgesehen sind und nicht Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften betreffen,
- Inanspruchnahme und Gewährung von Krediten --ausgenommen übliche laufende Kundenkredite--, die im Einzelfall einen Betrag von 25 000 DM überschreiten,
- Gewährung von Zahlungsbedingungen im Geschäftsverkehr, die über das übliche Maß hinausgehen,
- Abschluss, Beendigung oder Änderung von Verträgen über den Erwerb oder die Veräußerung von gewerblichen Schutzrechten, über Lizenzen, Know-how oder ähnliche Rechte sowie von Verträgen jeglicher Art, durch die die Klägerin im Einzelfall oder für ein Geschäftsjahr mit mehr als 100 000 DM verpflichtet wird,
- Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen oder Betriebsstätten, Erwerb und Veräußerung von Betrieben und Beteiligungen, Veräußerungen des Gesamtbetriebs, von Teilbetrieben oder Beteiligungen.
Das Stammkapital der K-GmbH wurde je zur Hälfte von ihren Geschäftsführern HB und RT gehalten. Die K-GmbH war Geschäftsführerin und persönlich haftende Gesellschafterin diverser Personengesellschaften. Mit Verträgen vom 27. April 1999 erwarb die K-GmbH außerdem jeweils 100 % an der gemeinnützigen Residenz M Seniorenheimbetriebsgesellschaft mbH und an der ebenfalls gemeinnützigen Residenz L Seniorenheimbetriebsgesellschaft mbH (Residenzen), die sie während der Streitjahre 1999 und 2000 unverändert hielt. Eine darüber hinausgehende Tätigkeit übte die K-GmbH nicht aus.
Geschäftsführer der Residenzen waren die Geschäftsführer der Klägerin U und H. Die Residenzen betrieben Seniorenwohnanlagen in M und L. Das hierzu benötigte Grundvermögen war von der K-KG M bzw. der K-KG L gepachtet, deren persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin die K-GmbH war.
Die Klägerin schloss mit den Residenzen Managementverträge ab. Auf der Grundlage dieser Verträge übte sie umfangreiche Geschäftsführungs-, Management- und Beratungsleistungen gegenüber den Residenzen aus. Darüber hinaus übte die Klägerin keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Über ihre Geschäftstätigkeit für die Residenzen erstattete die Klägerin der K-GmbH monatlich Bericht.
Die Klägerin behandelte die von ihr an die Residenzen ausgeführten Management- und Beratungsleistungen als nicht steuerbare Umsätze im Organkreis, weil sie davon ausging, dass sowohl sie selbst als auch die Residenzen umsatzsteuerrechtlich Organe der K-GmbH seien.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung nicht und unterwarf die Leistungen der Klägerin an die Residenzen der Umsatzsteuer.
Hiergegen richtete sich nach erfolglosem Einspruch die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie und die Residenzen seien Organe der K-GmbH. Bei den von ihr, der Klägerin, an die Residenzen erbrachten Leistungen habe es sich deshalb um nichtsteuerbare Vorgänge im Organkreis gehandelt.
Die Klage hatte Erfolg. In seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2006, 1110 veröffentlichten Urteil bejahte das Finanzgericht (FG) eine Organschaft zwischen der K-GmbH und der Klägerin und hob die Einspruchsentscheidung sowie die Umsatzsteuerbescheide für 1999 und für 2000 auf. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, die Klägerin sei finanziell in die K-GmbH eingegliedert gewesen, da diese 70 % der Gesellschaftsanteile der Klägerin gehalten habe.
Auch die Voraussetzungen einer organisatorischen Eingliederung seien gegeben. Eine organisatorische Eingliederung liege vor, wenn sichergestellt sei, dass in der finanziell beherrschten Gesellschaft der Wille des beherrschenden Gesellschafters in der laufenden Geschäftsführung auch tatsächlich durchgeführt werde. In aller Regel folge aus der finanziellen Eingliederung auch die organisatorische Eingliederung. Hierbei sei die gesellschaftsrechtliche Wertung des § 17 des Aktiengesetzes (AktG) für die steuerrechtliche Ausfüllung des Begriffes der organisatorischen Eingliederung heranzuziehen. Ein abhängiges Unternehmen i.S. des § 17 AktG sei ein solches, auf das ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben könne. Von einem im Mehrheitsbesitz stehenden Unternehmen werde vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten Unternehmen abhängig sei (§ 17 Abs. 2 AktG). Diese Vermutung sei auch für die steuerrechtlichen Organschaftsbeziehungen anwendbar und geboten, weil es der Lebenserfahrung entspreche, dass die Geschäftsführungsorgane der finanziell beherrschten Gesellschaft im Regelfall den mutmaßlichen Willen des beherrschenden Gesellschafters ausführen werden. Diese --widerlegbare-- Vermutung für eine organisatorische Eingliederung habe das FA nicht widerlegt.
Auch die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin sei gewährleistet gewesen, weil zwischen ihr und der K-GmbH ein wirtschaftlicher Leistungsverbund bestanden habe, wobei die Klägerin unmittelbar vor Ort tätig geworden sei. Auch die Entstehungsgeschichte weise darauf hin, dass beide Unternehmen ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel gehabt hätten.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 --UStG--) geltend. Das FA trägt vor, die Klägerin sei weder wirtschaftlich noch organisatorisch in die K-GmbH eingegliedert gewesen. Zwar könne eine wirtschaftliche Eingliederung bereits dann vorliegen, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestünden. Vorliegend habe es aber an wirtschaftlichen Leistungsbeziehungen zwischen der Klägerin und der K-GmbH gefehlt. Weder habe die Klägerin Leistungen an die K-GmbH erbracht noch habe sie Leistungen von dieser erhalten. Ohne derartige Leistungsbeziehungen liege aber keine Eingliederung vor.
Auch an der organisatorischen Eingliederung der Klägerin fehle es, weil nicht sichergestellt gewesen sei, dass die Klägerin den Willen der K-GmbH tatsächlich ausführe. Es liege keine Personenidentität zwischen den Leitungsgremien beider Gesellschaften vor und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin in rechtlich erzwingbarer Weise verpflichtet gewesen sei, Weisungen der K-GmbH zu folgen. Die Geschäftsführer der Klägerin seien weitgehend unabhängig gewesen. Die in ihren Anstellungsverträgen vorgesehenen Einwilligungsvorbehalte hätten ihre Befugnisse lediglich bei außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen eingeschränkt. Im Übrigen hätten gemäß § 5 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin die Anstellungsverträge mit ihren Geschäftsführern nur mit 3/4-Mehrheit der Gesellschafterversammlung beendet werden können. Da die K-GmbH über keine solche Mehrheit verfügt habe, seien die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschäftsführer der Klägerin gering gewesen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, sowohl sie, die Klägerin, als auch die Residenzen seien umsatzsteuerrechtlich Organe der K-GmbH gewesen, mit der Folge, dass ihre Geschäftsführungsleistungen an die Residenzen als Leistungen im Organkreis nicht umsatzsteuerbar seien. Ihre finanzielle Eingliederung sei offenkundig, weil die K-GmbH 70 % der Gesellschaftsanteile gehalten habe. Auch die wirtschaftliche Eingliederung habe vorgelegen, weil sie, die Klägerin, für die Residenzen die Geschäfte einschließlich der kaufmännischen Verwaltung, Buchhaltung und Organisation geführt und daher das Unternehmen der K-GmbH gefördert habe. Auch von einer organisatorischen Eingliederung sei auszugehen. Diese erfordere nicht, dass tatsächlich Weisungen erteilt worden seien. Es entspreche vielmehr der Lebenserfahrung, dass die Geschäftsführungsorgane einer in Mehrheitsbesitz stehenden Gesellschaft regelmäßig den mutmaßlichen Willen des beherrschenden Gesellschafters ausführen würden. Auch habe die K-GmbH faktisch die Möglichkeit gehabt, die Geschäftsführer der Klägerin anzuweisen. Das reiche für die Annahme einer organisatorischen Eingliederung, an die keine überzogenen Ansprüche gestellt werden dürften, aus.
AUS DEN GRÜNDEN
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Wege der Organschaft in die K-GmbH eingegliedert gewesen sei und ihre Leistungen an die Residenzen deshalb als Leistungen im Organkreis nicht der Umsatzsteuer unterlägen.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft).
Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage-- (Richtlinie 77/388/EWG) Gebrauch gemacht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Dezember 2007 V R 26/06, BFH/NV 2008, 711, zur Veröffentlichung bestimmt; vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, jeweils m.w.N.), der bestimmt:
"Vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln."
Danach eröffnet das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit, bereits dann mehrere im Inland ansässige Personen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn sie "eng miteinander verbunden sind". Diesen Spielraum nutzt das nationale Recht aber nur teilweise aus. Die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG erforderliche Eingliederung in ein anderes Unternehmen setzt nämlich ein Verhältnis der Über- und Unterordnung der beteiligten Gesellschaften voraus. Die Organgesellschaft muss als Unternehmensteil dem Unternehmen des Organträgers zuzuordnen sein (BFH-Urteile vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671; vom 18. Dezember 1996 XI R 25/94, BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441, unter II.1., m.w.N.).
2. Der Annahme einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft steht nicht bereits entgegen, dass es sich bei der K-GmbH um eine sog. Holdinggesellschaft gehandelt hat. Der Senat kann dabei offenlassen, ob eine Holdinggesellschaft ohne eigene wirtschaftliche Tätigkeit Organträger sein kann (vgl. bereits BFH-Urteil vom 22. Mai 2003 V R 94/01, BFHE 203, 185, BStBl II 2003, 954); denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist das bloße Erwerben und Halten von Gesellschaftsbeteiligungen keine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Richtlinie 77/388/EWG, mit der Folge, dass der Erwerber und Inhaber kein Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Beteiligung mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, einhergeht und die mit diesen Eingriffen verbundenen Leistungen gegen Entgelt erfolgen (EuGH-Urteil vom 27. September 2001 C-16/00, Cibo Participations, Slg. 2001, I-6663, BFH/NV Beilage 2002, 6, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2001, 500; Beschluss vom 12. Juli 2001 C-102/00, Welthgrove BV, Slg. 2001, I-5679, BFH/NV Beilage 2002, 5, UR 2001, 533; Urteil vom 14. November 2000 C-142/99, Floridienne u Berginvest, Slg. 2000, I-9567, BFH/NV Beilage 2001, 37, UR 2000, 530; BFH-Urteil in BFHE 203, 185, BStBl II 2003, 954). Nach den Feststellungen des FG ist die K-GmbH persönlich haftende Gesellschafterin und Geschäftsführerin "zahlreicher Personengesellschaften", u.a. der K-KG M und der K-KG L gewesen. Die Tätigkeit als Geschäftsführerin ist gegen Entgelt ausgeführt worden.
3. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG definiert die umsatzsteuerrechtliche Organschaft eigenständig, ohne auf andere z.B. aktienrechtliche Regelungen zu verweisen (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 711; vom 11. April 1991 V R 126/87, BFH/NV 1992, 140). Maßgeblich ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG allein, ob eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist.
a) Für die Annahme einer Organschaft ist es nicht erforderlich, dass alle drei in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG genannten Merkmale einer Eingliederung (finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch) sich gleichermaßen deutlich feststellen lassen; nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse kann die Selbständigkeit auch dann fehlen, wenn die Eingliederung auf einem der drei Gebiete nicht vollkommen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. November 2001 V R 50/00, BFHE 197, 319, BStBl II 2002, 167; in BFH/NV 2008, 711). Insbesondere ist es unschädlich, wenn bei finanzieller und organisatorischer Eingliederung die wirtschaftliche Eingliederung weniger deutlich zu Tage tritt. Allerdings reicht es nicht aus, dass eine Eingliederung nur in Bezug auf zwei der drei Merkmale besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 711, unter II. 1. b, m.w.N.).
Von der --im Streitfall aufgrund der 70 %-Beteiligung der K-GmbH an der Klägerin vorliegenden-- finanziellen Eingliederung kann daher weder auf die wirtschaftliche Eingliederung noch auf die organisatorische Eingliederung geschlossen werden (BFH-Beschluss vom 20. September 2006 V B 138/05, BFH/NV 2007, 281 zur wirtschaftlichen Eingliederung; BFH-Urteile vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258; in BFH/NV 2008, 711, unter II. 1. b). Die aktienrechtliche Abhängigkeitsvermutung nach § 17 AktG hat deshalb --entgegen der Auffassung des FG-- keine Bedeutung in Bezug auf einzelne Eingliederungsvoraussetzungen, insbesondere auch nicht für das Merkmal der organisatorischen Eingliederung (ausführlich BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 711, unter II. 1., m.w.N.).
b) Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung wirklich wahrgenommen wird (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258). Es kommt deshalb darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht (BFH-Urteile in BFH/NV 2008, 711, unter II. 2.; vom 9. Oktober 2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375) oder aber zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt ist, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (BFH-Urteile vom 13. März 1997 V R 96/96, BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580; in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258; vom 16. August 2001 V R 34/01, BFH/NV 2002, 223; vom 1. April 2004 V R 24/03, BFHE 204, 520, BStBl II 2004, 905, und BFH-Beschluss vom 13. Juni 2007 V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936). Die organisatorische Eingliederung geschieht in aller Regel durch die personelle Verflechtung der Geschäftsführungen (z.B. BFH-Urteile vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, und in BFH/NV 2008, 711, m.w.N.).
c) Das FG ist mit seiner Auffassung, die aktienrechtliche Konzernvermutung nach § 17 AktG sei für die organschaftliche Eingliederung von Bedeutung, von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil war deshalb aufzuheben.
4. Die Sache ist spruchreif, so dass der Senat nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO entscheiden kann. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in der Gestalt der Einspruchsentscheidung sind entgegen der Auffassung des FG rechtmäßig, da eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG unter keinem denkbaren Gesichtspunkt besteht. Es fehlt bereits am Erfordernis der organisatorischen Eingliederung der Klägerin, weil § 17 AktG im Rahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ohne Bedeutung ist (s. oben 3. c). Im Streitfall liegt auch keine Personenidentität in den Vertretungsorganen vor, denn Geschäftsführer der Klägerin waren U und H, Geschäftsführer der K-GmbH waren HB und RT. Ob und inwieweit die organisatorische Eingliederung darüber hinaus auch durch rein organisatorische Maßnahmen (vgl. BFH in BFH/NV 2008, 711, unter II. 3.) erfolgen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn weder die mit der finanziellen Eingliederung zwangsläufig einhergehende Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss (vgl. hierzu Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 37 Rz 18) noch regelmäßige (hier: monatliche) Berichte über die Geschäftsführung, auch wenn diese auf einer vertraglichen Pflicht zur Berichterstattung beruhen, reichen zur Sicherstellung der organisatorischen Eingliederung aus. Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Auf die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden.
5. Dem Hilfsantrag der Klägerin, die Sache an das FG zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts zurückzuverweisen, konnte nicht entsprochen werden. Es fehlt insoweit an einer wirksamen Gegenrüge der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Steuerpflichtiger, der im finanzgerichtlichen Verfahren obsiegt hat, als Revisionsbeklagter befugt, tatsächliche oder lückenhafte Feststellungen des FG, die zu einer ihm ungünstigen Entscheidung des BFH führen können, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung mit Verfahrensrügen (Gegenrüge) anzugreifen. An die Zulässigkeit dieser Rügen sind jedoch die gleichen formellen Anforderungen zu stellen wie an Verfahrensrügen des Revisionsklägers (BFH-Urteile vom 11. Februar 2004 II R 43/01, BFH/NV 2004, 922; vom 8. Mai 2003 IV R 54/01, BFHE 202, 219, BStBl II 2003, 854; vom 7. Juli 1992 VIII R 56/88, BFH/NV 1993, 25). Wird --wie im Streitfall-- geltend gemacht, der Sachverhalt bedürfe angesichts des vom Revisionsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkts noch weiterer Aufklärung, ist u.a. vorzutragen, welche Tatsachen noch einer Aufklärung bedürfen und sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme durch das FG voraussichtlich ergeben würden. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Klägerin nicht. Sie hat keine entscheidungserheblichen konkreten Tatsachen genannt, die noch aufklärungsbedürftig sind.