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Steuerrecht
15.09.2011
Steuerrecht
Hessisches FG: Verzinsung von Beträgen nach StraBEG mit anschließender Erstattung

Hessisches FG, Urteil vom 11.4.2011 - 10 K 3043/07

Orientierungssatz

1. Ein auf der Grundlage des Strafbefreiungsgesetzes gezahlter und später dem Steuerpflichtigen (teilweise) zurückerstatteter Betrag ist nicht nach § 233a AO zu verzinsen(Rn.15).

2. § 233a AO regelt enumerativ und abschließend, für welche Steuern Unterschiedsbeträge zu verzinsen sind. § 233a zielt dabei auf die Verzinsung von (laufend) veranlagten (Jahres-)Steuern ab. Dazu zählt die Abgeltungsteuer nach dem StraBEG trotz der Fiktion als Einkommensteuer materiell nicht. Vielmehr handelt es sich materiell um eine Steuerart "sui generis", die abstrahiert von den nach § 1 Abs. 1 StraBEG erfassten, hinterzogenen Steuern als pauschale Abgeltungssteuer zu sehen ist(Rn.19).

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein auf der Grundlage des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) gezahlter und später dem Kläger zurückerstatteter Betrag nach § 233a Abgabenordnung (AO) zu verzinsen ist.

Der Kläger gab am .2004 eine strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG ab. Er meldete für die Jahre von 1993 bis 2001 Einnahmen aus Kapitalvermögen und Veräußerungsgeschäften, zum Teil auch aus Gewerbebetrieb, und für das Jahr 2000 die Errichtung einer Familienstiftung in Liechtenstein mit einer Zustiftung von ... € als Einnahmen im Sinne des § 1 StraBEG. Die zu entrichtende Abgabe (25 %) in Höhe von ... € wurde am

... .2004 gezahlt.

Ebenfalls am .2004 legte der Kläger zeitgleich Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung ein. Zur Begründung machte er geltend, die Besteuerung von Spekulationsgeschäften sei verfassungswidrig und bei der Errichtung der Stiftung sei keine Schenkungsteuer entstanden; insoweit liege bereits keine Steuerhinterziehung vor. Mit Schreiben vom .2006 teilte der Beklagte mit, er wolle dem Einspruch hinsichtlich der privaten Veräußerungsgewinne für 1997 und 1998 (Spekulationsgewinne) und der Stiftungserrichtung abhelfen und für andere Jahre das Verfahren ruhen lassen. Dem stimmte der Kläger im Schreiben vom .. .2006 mit Einschränkungen zu. Unter anderem begehrte er die Verzinsung der zu erstattenden Beträge. Mit Schreiben vom ... .2007 teilte der Beklagte schließlich mit, dass die Abgabe nach dem StraBEG um ... € reduziert werden solle, wovon ... € im Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung in Liechtenstein und ... € im Zusammenhang mit den privaten Veräußerungsgewinnen für 1997 und 1998 standen. Mit Bescheid vom .2007 setzte der Beklagte die Abgabe nach dem StraBEG um ... € auf € herab und teilte mit, dass das Einspruchsverfahren im Übrigen fortgesetzt werde. Mit Bescheid vom .2007 wies der Beklagte den Antrag auf Verzinsung des erstatteten Geldbetrags nach § 233a AO zurück.

Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Der Beklagte wies den Einspruch hinsichtlich Verzinsung des erstatteten Teilbetrags mit Einspruchsentscheidung vom .2007 als unbegründet zurück. Der Erstattungsbetrag sei nicht zu verzinsen. § 233a AO gelte nicht allgemein bei der Erstattung von Beträgen. Das StraBEG selbst sehe keine Verzinsung vor. § 10 Abs. 1 StraBEG fingiere die Abgabe lediglich als Einkommensteuer. Diese Regelung diene der Verfahrensökonomie und sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Abgabe eine Gemeinschaftssteuer sei und das Aufkommen daraus zu verteilen sei. Aus dem Merkblatt des BMF zum StraBEG ergebe sich die Folge der Nichtverzinsung indirekt. Das BMF grenze zwischen Selbstanzeige und strafbefreiender Erklärung ausdrücklich ab und verweise nur für die Selbstanzeige auf die Verzinsungsmöglichkeit.

Mit seiner Klage vom ... .2007 begehrt der Kläger weiterhin die Verzinsung eines Erstattungsbetrags von ... €. Mit Bescheid vom .2008 setzte der Beklagte die Strafbefreiungsabgabe schließlich auf ... € herab. Am ... .2010 erging eine Einspruchsentscheidung bezüglich der Verzinsung des gesamten Erstattungsbetrags, mit der der Beklagte erneut eine Verzinsung ablehnte. Zur Begründung seiner Entscheidung wiederholte der Beklagte seine Argumentation aus der Einspruchsentscheidung vom .2007.

Nach Ansicht des Klägers ist der zu erstattende Betrag für die Zeit vom .2004 bis zum jeweiligen Zahlungseingang zu verzinsen. Das StraBEG schließe die generelle Anwendbarkeit der Abgabenordnung nicht aus. § 10 Abs. 4 StraBEG beziehe sich nur auf die dort ausdrücklich genannten AO-Normen, nicht aber auf § 233a AO. Die Zahlungen nach dem StraBEG seien zumindest aufgrund der Fiktion des § 10 Abs. 1 StraBEG als Einkommensteuer zu behandeln. Folglich handele es sich um Einkommensteuerzahlungen im Sinn des § 233a Abs. 1 AO. Der Hinweis auf § 8 Abs. 1 StraBEG zum Erlöschen sämtlicher Nebenleistungen sei nicht überzeugend, da es hier um die Verzinsung eines Erstattungsanspruchs aus Überzahlung gehe. Da der Kläger hinsichtlich der erstatteten Beträge gerade keine Steuerhinterziehung begangen habe, stehe die Verzinsung derartiger Beträge auch nicht im Widerspruch zu Sinn und Zweck des StraBEG. Bezüglich dieser Erstattungsansprüche sei zunächst überhaupt kein Steuertatbestand zu Gunsten des Beklagten verwirklicht worden. Der Erstattungsanspruch sei erst nach dem 01.01.2003 und damit außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des StraBEG entstanden; er könne damit nicht nach § 8 Abs. 1 StraBEG erloschen sein. Auch der Hinweis des Beklagten auf § 233a Abs. 5 AO gehe fehl. Der ursprüngliche Steuerbescheid müsse nicht zwangsläufig eine Zinsfestsetzung enthalten, damit bei anschließender Änderung des Steuerbescheids (zu Gunsten des Steuerpflichtigen) eine Verzinsung des Erstattungsbetrags in Betracht komme. § 233a Abs. 5 AO schließe eine erstmalige Zinsfestsetzung nicht aus, zumal eine erstmalige Zinsfestsetzung zu Gunsten des Klägers bei Abgabe der strafbefreienden Erklärung ohnehin nicht in Betracht gekommen wäre. Auch der Hinweis auf die Selbstanzeige gehe fehl, weil hinsichtlich der Erstattungsansprüche gerade keine Steuerhinterziehung vorgelegen habe. Im Übrigen beziehe sich Teilziffer 15.3 des Merkblattes des BMF zur strafbefreienden Erklärung nur auf die Selbstanzeige und nicht die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und spreche zudem ausdrücklich die Verzinsung nach § 233a AO an.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 2007 und der Einspruchsentscheidungen vom 2007 und 2010 den Beklagten zu verpflichten, den Erstattungsbetrag von € ab dem 2004 gemäß § 233a AO zu verzinsen,

hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten besteht keine rechtliche Grundlage für eine Verzinsung des Erstattungsbetrags. Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidungen. Ergänzend führt er aus, die Verzinsung eines zu erstattenden Betrags stehe im Widerspruch zu Sinn und Zweck des StraBEG. Das StraBEG sollte bisher Steuerunehrlichen die Möglichkeit geben, gegen Zahlung einer pauschalierten Abgabe unter Verzicht auf die eigentlich verkürzten Steuern in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Für die Vergangenheit sollte Rechtsfrieden geschaffen werden. Dementsprechend sehe insbesondere § 8 Abs. 1 StraBEG vor, dass neben den jeweiligen Steueransprüchen auch die damit zusammenhängenden steuerlichen Nebenleistungen wie insbesondere Zinsansprüche erlöschen. Weiterhin sei keine Steuerfestsetzung mit gleichzeitiger Zinsfestsetzung erfolgt. Damit sei auch kein Fall des § 233a Abs. 5 AO gegeben, denn es sei bereits keine erstmalige Zinsfestsetzung erfolgt - gerade wegen § 8 Abs. 1 StraBEG. Der Kläger habe die Wahl gehabt zwischen strafbefreiender Erklärung und Selbstanzeige, die eine Verzinsung gerade nicht ausschließe. Der Kläger könne sich nicht einerseits für die Steueramnestie entscheiden und andererseits gleichzeitig die Verzinsung in Anspruch nehmen, wie sie bei einer Selbstanzeige in Betracht komme.

Dem Gericht lagen 1 Band Akten „Strafbefreiende Erklärung" vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig, nachdem der Beklagte im Klageverfahren die strafbefreiende Erklärung nochmals geändert hat und mit Erlass der Einspruchsentscheidung vom .2010 die Klage hinsichtlich der Verzinsung des Erstattungsbetrags von € zumindest in die Zulässigkeit erwachsen ist (vgl. BFH, Urteil vom 03.02.2010 IV R 26/07, BStBl II 2010, 751 zu Rz. 19).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Verzinsung der erstatteten Teilbeträge abgelehnt. § 233a AO ist auf nach dem StraBEG zunächst gezahlte und anschließend zurückerstattete Beträge nicht anzuwenden.

Grundlage des Erstattungsanspruchs ist § 37 Abs. 2 AO, da mit Änderung der strafbefreienden Erklärung gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG der Behaltensgrund weggefallen ist (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Auflage 2005, § 10 StraBEG Rz. 16; Rottpeter/Webel in Schwarz, AO, § 10 StraBEG Rz. 7, Stand 15.04.2008; Levedag, FR 2006, 491, 493; Jesse/Geuenich, FR 2004, 497, 501; Stahl, KÖSDI 2004, 14339).

Ob eine derartige Erstattung von nach dem StraBEG geleisteten Beträgen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen ist, wird in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bisher überhaupt nicht behandelt. In der Literatur geht lediglich Kamps in Streck, Beraterkommentar zur Steueramnestie (BK), 2004, § 10 StraBEG Rz. 79, ohne weitere Problematisierung von einer Verzinsung aus, allerdings unter Berücksichtigung der 15-monatigen Karenzzeit ab Eingang der strafbefreienden Erklärung beim Finanzamt.

Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass dem Wortlaut nach eine Verzinsung nicht ausgeschlossen erscheint: Gemäß § 233a Abs. 1 AO ist ein Unterschiedsbetrag bei der Festsetzung von Einkommensteuer zu verzinsen, der nach § 1 StraBEG zu zahlende Betrag gilt gemäß § 10 Abs. 1 StraBEG als Einkommensteuer und die strafbefreiende Erklärung steht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Darüber hinaus schließt § 10 Abs. 4 StraBEG die Anwendung des § 233a AO nicht aus.

Nach Auffassung des Senats fällt ein derartiger Erstattungsanspruch jedoch nicht in den Regelungsbereich des § 233a Abs. 1 AO. § 233a AO regelt enumerativ und abschließend, für welche Steuern Unterschiedsbeträge zu verzinsen sind. § 233a AO zielt dabei auf die Verzinsung von (laufend) veranlagten (Jahres-)Steuern ab (BFH, Urteil vom 18.09.2007 I R 15/05, BStBl II 2008, 332, 333 zu III.1.b.; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO Rz. 17; Kögel in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 233a AO Rz. 5.13). Dazu zählt die Abgeltungssteuer nach dem StraBEG trotz der Fiktion als Einkommensteuer materiell gerade nicht. Vielmehr handelt es sich materiell um eine Steuerart „sui generis"(vgl. FG Hamburg, Urteil vom 12.06.2007 5 K 110/06, EFG 2007, 1556; FG Köln, Urteil vom 24.06.2009 10 K 965/06, EFG 2010, 11; Kamps in Streck, BK, § 10 StraBEG Rz. 5, 35 ; Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 10 StraBEG Tz. 2, 4, 6, Lfg. 113 Juli 2007), die abstrahiert von den nach § 1 Abs. 1 StraBEG erfassten, hinterzogenen Steuern als pauschale Abgeltungssteuer zu sehen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 18.02.2009 VII B 161/08, Juris, Rz. 8). Der nach dem StraBEG festgesetzten Abgeltungssteuer liegt keine nach den Regeln des EStG erfolgte Veranlagung zur Einkommensteuer zu Grunde. Es handelt sich stattdessen um eine Selbstberechnungssteuer, bei der vom Steuerpflichtigen selbst ausgewählte Lebenssachverhalte der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 ohne Bindung an das Prinzip der Abschnittsbesteuerung und das Gebot der vollständigen Erklärung aller Einkünfte angemeldet werden, die zudem verschiedene Steuerarten betreffen können (FG Köln, EFG 2010, 11; Levedag, FR 2005, 1084, 1086). Diese - ansonsten unbekannte - Fiktion einer Steuerart dient der Verfahrensökonomie und bewirkt wegen ihres Charakters als Gemeinschaftsteuer, Art. 106 Abs. 3 GG, eine Verteilung des Steueraufkommens auf Bund, Länder und Gemeinden (Kamps in Streck, BK, § 10 StraBEG, Rz. 5, 6; Seer in Tipke/ Kruse, § 10 StraBEG, Tz. 2).

Im Übrigen liegen unterschiedliche Regelungsgegenstände vor. Die Steueranmeldung nach dem StraBEG lässt nämlich die Festsetzungen der in § 8 Abs. 1 StraBEG genannten Steuern unberührt, § 10 Abs. 2 Satz 2 StraBEG. Die Steueranmeldung nach dem StraBEG stellt keinen geänderten Einkommensteuerbescheid dar (FG Hamburg, EFG 2007, 1556; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 10 StraBEG Tz. 9).

Zudem sieht § 233a AO vor, Nachzahlungen und Erstattungen der dort enumerativ aufgeführten Steuerarten zu verzinsen. § 233a AO zielt mithin auch darauf ab, Zinsvor- und -nachteile im Verhältnis Steuergläubiger und Steuerschuldner auszugleichen (BVerfG, Beschluss vom 03.09.2007 1 BvR 2539/09, BFH/NV 2009, 2115, 2117; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, § 233a AO Rz. 5; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 233a Rz. 6). Die Norm geht also von zwei gleichwertigen, gegenläufigen Verzinsungsmöglichkeiten aus, die im Anwendungsbereich des StraBEG gerade nicht gegeben sind. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erlöschen mit Zahlung des Abgeltungsbetrags unstreitig nicht nur die - hinterzogenen - Steuern, sondern auch die darauf entfallenden Nachzahlungszinsen (und Hinterziehungszinsen) (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 233a AO Rz. 20; Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 StraBEG Rz. 4). Insoweit widerspricht es Sinn und Zweck des StraBEG, dann eine Verzinsung von Erstattungsbeträgen zu ermöglichen. Es gehört zur Risikosphäre des Steuerpflichtigen, wenn er dem Steuergläubiger eine tatsächlich nicht gegebene Steuerhinterziehung anzeigt, um in Zweifelsfällen in den Genuss der Steueramnestie zu kommen (siehe auch Levedag, FR 2006, 491, 493). Auf das vom Kläger angeführte Argument, der Erstattungsanspruch sei außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des StraBEG entstanden, kommt es nicht an. Der Steuerpflichtige hat mit seiner Erklärung den Zusammenhang zum StraBEG selbst hergestellt.

Weiterhin spricht gegen eine Verzinsung, dass es durch die Fiktion der Steuerart Einkommensteuer zur Verzinsung von erstatteten Erbschaft- oder Schenkungsteuerbeträgen käme, die ansonsten nach § 233a AO nicht zu verzinsen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

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