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Steuerrecht
26.10.2017
Steuerrecht
FG Hamburg: Verlustabzug bei Kapitalgesellschaften verfassungswidrig?

FG Hamburg, Beschluss vom 29.8.20172 K 245/17

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2017-2582-1

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 8c Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.08.2007 (Bundesgesetzblatt I 2007, 1912) mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes insoweit vereinbar ist, als bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 50 Prozent (im Streitfall 80 %) des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste vollständig nicht mehr abziehbar sind.

Sachverhalt

Teil A: Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt und Vortrag der Beteiligten)

Die Klägerin ist eine GmbH, sie ist Rechtsnachfolgerin der A GmbH (im Folgenden A). Diese Gesellschaft wurde durch notariellen Vertrag vom ... 2005 mit der B GmbH als Vorratsgesellschaft mit einem Stammkapital von ... € errichtet, das zu 100 % von der C GmbH übernommen wurde. Gemäß notarieller Urkunde vom ... 2006 teilte die Alleingesellschafterin ihren Geschäftsanteil in zwei Teilgeschäftsanteile von nominell ... € und ... €; letzteren übertrug sie an die D AG. In der Gesellschafterversammlung vom selben Tag wurde die Umfirmierung in A beschlossen und der Gegenstand des Unternehmens in „...“ geändert. Am ... 2008 veräußerte die C GmbH ihren Geschäftsanteil von nominell ... € zu einem Kaufpreis von ... € an die E AG. In der Folgezeit wurde die A als übertragender Rechtsträger mit Verschmelzungsvertrag vom ... 2010 mit der E AG, der Klägerin, verschmolzen. Während des Klageverfahrens ist die Klägerin im Wege des Formwechsels nach Maßgabe des Beschlusses der Hauptversammlung vom ... 2012 mit Änderung vom ... 2012 in eine GmbH umgewandelt worden.

Die A unterhielt zunächst keinen aktiven Geschäftsbetrieb. 2006 erwarb sie ein Grundstück mit dem Ziel, darauf einen Servicebetrieb für den F-Konzern zu errichten. Seit der Gründung bis zum 31. Dezember 2007 erwirtschaftete sie Verluste; der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2007 weist einen Betrag von ... € aus. Mit der Fertigstellung des Servicebetriebes erzielte die A ab ... 2008 Mieterträge und erwirtschaftete in diesem Jahr, dem Streitjahr, einen Jahresüberschuss von ... €, im Folgejahr von ... €.

Mit ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr begehrte die A die Berücksichtigung des festgestellten Verlustvortrages, die der Beklagte unter Hinweis auf die schädliche Anteilsveräußerung im Sinne von § 8c Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (KStG a. F./jetzt § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) mit Körperschaftsteuerbescheid vom 28. Juli 2010 ablehnte und die Körperschaftsteuer auf ... € festsetzte. Dementsprechend stellte er mit Bescheid vom selben Tag den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2008 mit 0 € fest. Das hiergegen gerichtete Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der Klage vom 25. Februar 2011 berief sich die Klägerin zunächst darauf, dass die Verrechnung von im laufenden Jahr bis zum Beteiligungserwerb erwirtschafteten Gewinnen mit den festgestellten Verlustvorträgen zulässig sei. Abgesehen davon, dass auch nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Juli 2008 (IV C 7-S 2745-a/08/100001, BStBl I 2008, 736, Rn. 31) jedenfalls die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erwirtschafteten laufenden Gewinne noch mit den festgestellten Verlusten verrechnet werden dürften, sei § 8c KStG a. F. verfassungswidrig. Die Versagung des Verlustabzuges verletze das objektive Nettoprinzip als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips und damit des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Als Rechtfertigung könne nicht die Missbrauchsvermeidung herangezogen werden, denn die Regelung beschränke sich nicht auf spezifische Missbrauchsfälle, sondern richte sich pauschal gegen jegliche Anteilsübertragung. Eine Änderung im Bestand der Gesellschafter habe keine Bedeutung für die wirtschaftliche oder finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaft; die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft werde nicht durch das wirtschaftliche Engagement eines Anteilseigners bestimmt.

Nachdem das Klageverfahren zunächst mit Rücksicht auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren I R 14/11 im Hinblick auf die Frage geruht hatte, ob auch die bis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung erwirtschafteten Gewinne der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG a. F. unterfallen, hat der Beklagte die Folgerungen aus dem am 30. November 2011 in dieser Sache ergangenen Urteil (BStBl II 2012, 360) gezogen und den Erlass von Änderungsbescheiden veranlasst.

Bezüglich der jetzt noch streitigen Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 8c Satz 2 KStG a. F. ist das Verfahren bzgl. des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer wieder aufgenommen worden und wird streitig fortgeführt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Bescheid vom 28. Juli 2010 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 zu ändern und den verbleibenden Verlustvortrag auf ... € festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält § 8c Satz 2 KStG a. F. nicht für verfassungswidrig.

Aus den Gründen

Teil B: Vorlageentscheidung

Die für die Entscheidung des Klageverfahrens maßgebliche Vorschrift des § 8c Satz 2 KStG a. F. ist zur Überzeugung des Senats insoweit verfassungswidrig, als bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 50 Prozent (im Streitfall 80 %) des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb) die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste nicht mehr abziehbar sind. Das Verfahren ist deshalb gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.

I. Anwendung von § 8c Satz 2 KStG a. F. im Streitfall und Rechtsentwicklung

1.) § 8c Satz 2 KStG a. F. versagt den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei Körperschaften, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehenden Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt (schädlicher Beteiligungserwerb), in der Weise, dass die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste nicht mehr abziehbar sind. Folgt man dieser gesetzlichen Vorgabe, hat der Beklagte zu Recht die auf den 31. Dezember 2007 festgestellten vortragsfähigen Verluste der Klägerin mit null festgestellt. Die Klage wäre daher abzuweisen. Erweist sich § 8c Satz 2 KStG a. F. dagegen als verfassungswidrig, wäre ein verbleibender Verlustvortrag in Höhe von ... € festzustellen und der Klage stattzugeben.

2.) Zur Rechtsentwicklung hat das BVerfG auf die Vorlage zu § 8c Satz 1 KStG a. F. in seinem Beschluss vom 29. März 2017 (2 BvL 6/11, BGBl I 2017, 1289 [BB 2017, 1173 Ls]) folgende Feststellungen getroffen, denen sich der vorlegende Senat anschließt und die auch für § 8c Satz 2 KStG a. F. maßgeblich sind:

Durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I S. 1093) wurde erstmals im Körperschaftsteuergesetz in § 8 Abs. 4 eine Regelung über den Verlustabzug getroffen. § 8 Abs. 4 KStG war von der gesetzgeberischen Konzeption her als Ergänzung zu § 10d EStG zu verstehen, indem er für Körperschaften die wirtschaftliche Identität als Voraussetzung der Verlustnutzung bestimmte.

§ 8 Abs. 4 Satz 2 KStG definierte den Verlust der wirtschaftlichen Identität für den Hauptanwendungsfall des Verlustabzugs bei Kapitalgesellschaften anhand eines Regelbeispiels. Danach erfolgte der Ausschluss des verbleibenden Verlustabzugs „insbesondere“, wenn mehr als 75 Prozent der Geschäftsanteile übertragen wurden, überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen wieder aufgenommen wurde. Diese Bedingungen mussten für den wirtschaftlichen Identitätsverlust kumulativ erfüllt sein.

Die Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG erfuhr im Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I S. 2590) eine Verschärfung, weil die bisherige Regelung als nicht ausreichend angesehen wurde, um den missbräuchlichen Handel mit Verlustmänteln zu unterbinden. Da sie nur bei Wiederaufnahme eines vorher vollständig eingestellten Geschäftsbetriebs eingriff, konnte ihre Anwendbarkeit dadurch umgangen werden, dass der Geschäftsbetrieb bis zur Anteilsübertragung in einem minimalen Umfang fortgeführt wurde, so dass das Merkmal der „Einstellung“ nicht erfüllt war.

§ 8 Abs. 4 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform lautete nunmehr:

Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d des Einkommensteuergesetzes ist bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt. Die Zuführung neuen Betriebsvermögens ist unschädlich, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs dient, der den verbleibenden Verlustabzug im Sinne des § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG verursacht hat, und die Körperschaft den Geschäftsbetrieb in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortführt. Entsprechendes gilt für den Ausgleich des Verlustes vom Beginn des Wirtschaftsjahres bis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung.

Nach der Neuregelung lag die für den Verlustabzug erforderliche wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen wurde und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführte oder wieder aufnahm. Eine Einstellung und anschließende erneute Aufnahme des Geschäftsbetriebs war nicht mehr erforderlich. Verluste konnten jetzt auch dann untergehen, wenn ein laufender Betrieb übernommen wurde. Satz 3 der Neuregelung enthielt einen Ausnahmetatbestand in Form einer Sanierungsregelung. Danach ließ die Zuführung neuen Betriebsvermögens die Verlustnutzung der Körperschaft unberührt, wenn sie allein der Sanierung des Geschäftsbetriebs diente, der den verbleibenden Verlustabzug verursacht hatte (verlustquellenbezogene Sanierung), und dieser in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wurde.

Die Vorschrift des § 8 Abs. 4 KStG erwies sich in der Folgezeit als in hohem Maße auslegungsbedürftig und streitanfällig, einerseits aus der Sicht der Steuerpflichtigen wegen der Unsicherheiten darüber, welche Betriebsvermögenszuführungen als schädlich angesehen werden würden, andererseits auch aus der Sicht der Finanzverwaltung wegen der Beschränkung des § 8 Abs. 4 KStG auf unmittelbare Anteilsübertragungen. Der Gesetzgeber entschied sich deshalb im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I S. 1912, im Folgenden: UntStReformG 2008) für eine grundlegende Neuregelung der Verlustnutzung durch Körperschaften und ersetzte § 8 Abs. 4 KStG durch die Nachfolgevorschrift des § 8c KStG.

§ 8c KStG (i. d. F. des UntStReformG 2008) lautet:

Werden innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (schädlicher Beteiligungserwerb), sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar. Unabhängig von Satz 1 sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. Als ein Erwerber im Sinne der Sätze 1 und 2 gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen. Eine Kapitalerhöhung steht der Übertragung des gezeichneten Kapitals gleich, soweit sie zu einer Veränderung der Beteiligungsquoten am Kapital der Körperschaft führt.

Die Neuregelung des § 8c KStG war vom Gesetzgeber als „einfachere und zielgenauere Verlustabzugsbeschränkung“ (vgl. BRDrucks 220/07, S. 123) konzipiert und bezweckte eine Vereinfachung der Rechtsanwendung. § 8c KStG stellte fortan auf den Anteilseignerwechsel als maßgebliches Kriterium für das Eingreifen der Verlustabzugsbeschränkung ab; auf eine damit verbundene Zuführung von Betriebsvermögen sollte es nicht mehr ankommen. Die Vorschrift ist gemäß § 34 Abs. 7b KStG (i. d. F. des UntStReformG 2008) erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 und auf Anteilsübertragungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2007 vollzogen werden.

Durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12. August 2008 (BGBl I S. 1672) sollte § 8c KStG um einen seinen Anwendungsbereich einschränkenden Absatz 2 ergänzt werden. § 8c KStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wurde dadurch zu Absatz 1. Absatz 2 stand jedoch nach Art. 8 Abs. 2 MoRaKG unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Europäischen Kommission, die aus beihilferechtlichen Gründen versagt wurde (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/09/1449 vom 1. Oktober 2009), so dass § 8c Abs. 2 KStG (i. d. F. des MoRaKG) keine Wirksamkeit erlangt hat.

Im Rahmen des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl I S. 1959) wurde § 8c KStG um eine Sanierungsklausel erweitert (Abs. 1a). Danach werden Anteilserwerbe im Rahmen einer Sanierung unter bestimmten Voraussetzungen von der Anwendung des Absatzes 1 ausgenommen. Die Vorschrift wurde durch Beschluss der Europäischen Kommission vom 26. Januar 2011 (K 2011 275, ABl. L 235 vom 10. September 2011, S. 26) als verbotene staatliche Beihilfe eingestuft.

Die Sanierungsklausel wurde deshalb durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz - BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I S. 2592) in ihrer Anwendbarkeit ausgesetzt bis zur gerichtlichen Klärung, ob es sich hierbei um eine nach Unionsrecht unzulässige Beihilfe handelt (§ 34 Abs. 6 KStG). Das Gericht der Europäischen Union hat durch zwei Urteile vom 4. Februar 2016 (Rechtssachen T-287/11, Heitkamp BauHolding / Kommission und T-620/11, GFKL Financial Services / Kommission) Klagen gegen die Kommissionsentscheidung zurückgewiesen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel (C-203/16 P und C-208/16 P sowie C-209/16 P und C-219/16 P) sind noch beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängig.

Durch das Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22. Dezember 2009 (BGBl I S. 3950) ergänzte der Gesetzgeber § 8c KStG um zwei weitere Ausnahmen von der Verlustabzugsbeschränkung.

Mit § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG fügte er eine Konzernklausel ein, die wie folgt lautet:

Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nicht vor, wenn an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.

Darüber hinaus regelte der Gesetzgeber in § 8c Abs. 1 Sätze 6 bis 8 KStG eine Ausnahme von der Verlustabzugsbeschränkung für den Fall, dass in der betreffenden Körperschaft stille Reserven vorhanden sind:

Ein nicht abziehbarer nicht genutzter Verlust kann abweichend von Satz 1 und Satz 2 abgezogen werden, soweit er bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 1 die anteiligen und bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 2 die gesamten, zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandenen stillen Reserven des inländischen Betriebsvermögens der Körperschaft nicht übersteigt. Stille Reserven im Sinne des Satzes 6 sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem anteiligen oder bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 2 dem gesamten in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesenen Eigenkapital und dem auf dieses Eigenkapital jeweils entfallenden gemeinen Wert der Anteile an der Körperschaft, soweit diese im Inland steuerpflichtig sind. Bei der Ermittlung der stillen Reserven ist nur das Betriebsvermögen zu berücksichtigen, das der Körperschaft ohne steuerrechtliche Rückwirkung, insbesondere ohne Anwendung des § 2 Absatz 1 des Umwandlungssteuergesetzes, zuzurechnen ist.

Nach § 34 Abs. 7b Satz 2 KStG in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes finden die Konzernklausel und die Stille-Reserven-Klausel erstmalig auf Beteiligungserwerbe Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2009 vollzogen werden.

b) Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1768) wurde die Regelung zum Verlusterhalt in Höhe der vorhandenen stillen Reserven der Verlustkörperschaft hinsichtlich des zu berücksichtigenden Betriebsvermögens angepasst. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist nunmehr die inländische Steuerpflicht des Betriebsvermögens.

§ 8c Abs. 1 Satz 6 KStG (i. d. F. des JStG 2010) lautet:

Ein nicht abziehbarer nicht genutzter Verlust kann abweichend von den Sätzen 1 und 2 abgezogen werden, soweit er bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 1 die anteiligen und bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 2 die gesamten zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandenen im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft nicht übersteigt.

Darüber hinaus führte der Gesetzgeber eine Sonderregelung zur Bestimmung der stillen Reserven in den Fällen des Vorhandenseins eines negativen Eigenkapitals bei der Verlustkörperschaft neu in das KStG ein (Abs. 1 Satz 8). Der bisherige Absatz 1 Satz 8 wurde dadurch zu Absatz 1 Satz 9.

§ 8c Abs. 1 Satz 8 KStG (i. d. F. des JStG 2010) lautet:

Ist das Eigenkapital der Körperschaft negativ, sind stille Reserven im Sinne des Satzes 6 der Unterschiedsbetrag zwischen dem anteiligen oder bei einem schädlichen Beteiligungserwerb im Sinne des Satzes 2 dem gesamten in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesenen Eigenkapital und dem diesem Anteil entsprechenden gemeinen Wert des Betriebsvermögens der Körperschaft.

Die Ermittlung der stillen Reserven ist danach bei negativem Eigenkapital durch Gegenüberstellung des Eigenkapitals der Körperschaft und des gemeinen Werts der Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (anstelle des gemeinen Werts der Anteile) vorzunehmen. Es sollen nur die Fälle erfasst werden, in denen eine Körperschaft betriebswirtschaftlich tatsächlich über stille Reserven in ihren Wirtschaftsgütern verfügt (vgl. BTDrucks 17/3549, S. 25).

Anzuwenden sind diese Änderungen gemäß § 34 Abs. 1 KStG (i. d. F. des JStG 2010) ab dem Veranlagungszeitraum 2010.

Durch das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2. November 2015 (BGBl I S. 1834) wurde die Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) auf Fallkonstellationen erweitert, in denen die Konzernspitze Erwerber oder Veräußerer ist. Es wurde zudem generell neben einer natürlichen oder juristischen Person auch eine Personenhandelsgesellschaft als Konzernspitze zugelassen. Dabei müssen sich die Anteile am Veräußerer oder am Erwerber oder am übertragenden und übernehmenden Rechtsträger jeweils zu 100 Prozent im Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft befinden (BTDrucks 18/4902, S. 47).

§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2015 lautet:

Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt nicht vor, wenn

1. an dem übertragenden Rechtsträger der Erwerber zu 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Erwerber eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist,

2. an dem übernehmenden Rechtsträger der Veräußerer zu 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Veräußerer eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft ist oder

3. an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe natürliche oder juristische Person oder dieselbe Personenhandelsgesellschaft zu jeweils 100 Prozent mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.

§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG ist in dieser Fassung erstmals auf Beteiligungserwerbe anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 erfolgen (§ 34 Abs. 6 Satz 5 KStG).

Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20. Dezember 2016 (BGBl I S. 2998) schuf der Gesetzgeber § 8d KStG, der (weitere) Ausnahmen von der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG vorsieht.

§ 8d KStG lautet:

(1) § 8c ist nach einem schädlichen Beteiligungserwerb auf Antrag nicht anzuwenden, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis im Sinne von Absatz 2 stattgefunden hat. Satz 1 gilt nicht:

1. für Verluste aus der Zeit vor einer Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs oder

2. wenn die Körperschaft zu Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, Organträger oder an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist.

Ein Geschäftsbetrieb umfasst die von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragenen, nachhaltigen, sich gegenseitig ergänzenden und fördernden Betätigungen der Körperschaft und bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen in einer Gesamtbetrachtung. Qualitative Merkmale sind insbesondere die angebotenen Dienstleistungen oder Produkte, der Kunden- und Lieferantenkreis, die bedienten Märkte und die Qualifikation der Arbeitnehmer. Der Antrag ist in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt. Der Verlustvortrag, der zum Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibt, in den der schädliche Beteiligungserwerb fällt, wird zum fortführungsgebundenen Verlust (fortführungsgebundener Verlustvortrag). Dieser ist gesondert auszuweisen und festzustellen; § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend. Der fortführungsgebundene Verlustvortrag ist vor dem nach § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes festgestellten Verlustvortrag abzuziehen.

(2) Wird der Geschäftsbetrieb im Sinne des Absatzes 1 eingestellt, geht der nach Absatz 1 zuletzt festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag unter; § 8c Absatz 1 Satz 6 bis 9 gilt bezogen auf die zum Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorhandenen stillen Reserven entsprechend.

Gleiches gilt, wenn

1. der Geschäftsbetrieb ruhend gestellt wird,

2. der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird,

3. die Körperschaft einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt,

4. die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt,

5. die Körperschaft die Stellung eines Organträgers im Sinne des § 14 Absatz 1 einnimmt oder

6. auf die Körperschaft Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.

Mit der Einführung von § 8d KStG hat der Gesetzgeber die steuerliche Verlustverrechnung bei Körperschaften neu ausgerichtet. § 8d KStG eröffnet einer Körperschaft nunmehr die Option, die Verluste unabhängig von einem schädlichen Anteilseignerwechsel nutzen zu können, solange sie den (näher bestimmten) Geschäftsbetrieb fortführt. Die bisherige Besteuerungspraxis zu § 8c KStG habe gezeigt, dass auch nach Einführung der Stille-Reserven-Klausel und der Konzernklausel Fälle aufgetreten seien, in denen ein Verlustuntergang aus wirtschaftlichen Erwägungen nicht gerechtfertigt und steuersystematisch nicht erforderlich scheine (BTDrucks 18/9986, S. 12). Ziel der Neuregelung sei die Beseitigung steuerlicher Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung, wobei insbesondere auf die Stärkung junger, innovativer Wachstumsunternehmen abgezielt werde (BTDrucks 18/10495, S. 11).

§ 8d KStG ist gemäß § 34 Abs. 6a KStG erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe im Sinne des § 8c KStG anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2015 erfolgen, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft vor dem 1. Januar 2016 weder eingestellt noch ruhend gestellt war.

3.) Mit Beschluss vom 29. März 2017 hat das BVerfG entschieden, dass § 8c Satz 1 KStG a. F. sowie § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom 12. August 2008 und den nachfolgenden Fassungen bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20. Dezember 2016 mit Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar sind, soweit bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 25 Prozent des gezeichneten Kapitals an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb) insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind, und den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2018 rückwirkend zum 1. Januar 2008 eine Neuregelung zu treffen. Sofern der Gesetzgeber seiner Verpflichtung nicht nachkommen sollte, tritt am 1. Januar 2019 im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens die Nichtigkeit von § 8c Satz 1 und § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG ein (BGBl I 2007, 1289)

II. Einfachgesetzliche Beurteilung des Streitfalles und verfassungskonforme Auslegung

1.) Der von der Klägerin begehrte volle Verlustabzug könnte zum Tragen kommen, wenn § 8c Satz 2 KStG a. F. dahin ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift nur auf Fälle missbräuchlicher Gestaltungen - ein solcher ist im Streitfall unzweifelhaft nicht gegeben - anzuwenden wäre. Eine derartige Auslegung ist auf einfachgesetzlicher Ebene indes nicht möglich.

Nach dem Wortlaut von § 8c Satz 2 KStG a. F. kommt es im Falle eines schädlichen Beteiligungserwerbs zu einem vollständigen Verlustuntergang. Einzige Tatbestandsvoraussetzung ist eine Anteilsübertragung von mehr als 50 % innerhalb eines bestimmten Zeitraumes an einen bestimmten Erwerber bzw. Erwerberkreis. Weitere Voraussetzungen, etwa eine Missbrauchsabsicht bei der Anteilsübertragung, verlangt die Vorschrift nicht. Eine von diesem klaren Wortlaut abweichende, einengende Auslegung auf missbräuchliche Gestaltungen kommt nur in Betracht, wenn die Vorschrift eine planwidrige, mit dem Gesetzeszweck nicht zu vereinbarende Unvollständigkeit aufweisen würde. Der Gesetzgeber müsste die Absicht gehabt haben, die Begrenzung des Verlustabzugs auf Fälle missbräuchlicher Gestaltungen zu beschränken und diesen Gesetzeszweck nicht erfolgreich umgesetzt haben. Für eine derartige rechtsfortbildende lückenschließende Auslegung besteht aber kein Raum. Vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung zum Problemkreis Mantelkauf, die von den von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Bundesfinanzhofs entwickelten Kriterien für missbräuchliche Gestaltungen bei Anteilsübertragungen bis hin zur ersten Kodifizierung in § 8 Abs. 4 KStG a. F. mit diversen Folgeänderungen und Verschärfungen der Tatbestandsvoraussetzungen reicht, kann bei der Schaffung von § 8c KStG keine planwidrige Lücke festgestellt werden. Vielmehr ging es dem Gesetzgeber darum, eine „einfache“ und breit angelegte Erfassung „schädlicher“ Anteilsübertragungen mit der gesetzlichen Regelung abzudecken. § 8 Abs. 4 KStG sollte durch eine zielgenauere Verlustabzugsbeschränkung ersetzt werden, maßgebliches Kriterium für die Verlustabzugsbeschränkung soll ausweislich der Gesetzesbegründung allein der Anteilseignerwechsel sein, weil „der Neuregelung der Gedanke zugrunde liegt, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteileigners ändert (Bt-Drs. 16/4841, S. 74, 76). Eine Reduzierung des Anwendungsbereiches - contra legem - auf Missbrauchsfälle ist danach nicht möglich. Auch das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 29. März 2017 (a. a. O., Rn. 152) eine Auslegung von § 8c KStG a. F. angesichts des eindeutigen Wortlauts und der Regelungshistorie ausgeschlossen.

2.) Eine Beschränkung der Fälle des schädlichen Beteiligungserwerbs auf missbräuchliche Gestaltungen kann auch nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung erreicht werden.

Eine verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG Beschluss vom 2. April 2001, 1 BvR 355/00, 1 BvR 409/00, 1 BvR 674/00, NJW 2001, 2160). § 8c KStG lässt eine derartige Auslegung aber gerade nicht zu. Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung zu § 8 Abs. 4 KStG a. F. eindeutig formuliert. Der mögliche Wortsinn von § 8c KStG - als Grenze der Auslegung (vgl. BVerfG Beschluss vom 11. Juni 1980, 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277; BFH Vorlagebeschluss vom 19. April 2007, IV R 4/06, BFH/NV 2007, 1780) - ist unmissverständlich. Eine Beschränkung der Regelung auf missbräuchliche Gestaltungen widerspräche dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers (ebenso BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 152).

III. Verfassungsrechtliche Beurteilung

Der Senat ist der Überzeugung, dass § 8c Satz 2 KStG a. F. insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als bei der unmittelbaren Übertragung von mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste nicht mehr abziehbar sind.

1.) Grundrechtsschutz

a) Das BVerfG hat zuletzt in seinem Beschluss vom 29. März 2017 (a. a. O., Rn. 98 ff.) ausgeführt, dass der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dem Gesetzgeber gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 116, 164, 180; 122, 210, 230; 126, 268, 277; 133, 377, 407; stRspr). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (BVerfGE 110, 412. 431; 116, 164, 180; 122, 210, 230; 126, 268, 277). Weiter heißt es dort, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselben Rechtsfolgen knüpft und die er so als rechtlich gleich qualifiziert. Diese Auswahl muss er jedoch sachgerecht treffen (BVerfGE 75, 108, 157; 107, 218, 244; 115, 381, 389; 141, 1, 38 Rn. 93). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (st. Rspr; vgl. BVerfGE 105, 73, 111; 107, 27, 45 f.; 112, 268, 279; 122, 210, 230; 126, 268, 277; 133, 377, 407 Rn. 74; 138, 136, 180 Rn. 121). Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (st. Rspr; vgl. BVerfGE 110, 274, 291; 112, 164, 174; 116, 164, 180; 122, 210, 230; 126, 268, 277; 133, 377, 407 Rn. 74; 138, 136, 180 f. Rn. 121 f.; 141, 1, 38 f. Rn. 93). Differenzierungen bedürfen stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfGE 124, 199, 220; 129, 49, 68; 130, 240, 253; 132, 179, 188 Rn. 30; 133, 59, 86 Rn. 72; 135, 126, 143 Rn. 52; 141, 1, 38 Rn. 93).

b) Art. 3 Abs. 1 GG bindet den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit (BVerfGE 6, 55, 70), der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Das gilt insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (BVerfGE 43, 108, 120; 61, 319, 343 f.; 66, 214, 223; 82, 60, 86; 89, 346, 352; 127, 224, 248). Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. BVerfGE 82, 60, 89; 99, 246, 260; 107, 27, 46 f.; 116, 164, 180; 122, 210, 231; vgl. auch BVerfGE 117, 1, 30; 121, 108, 119 f.; 127, 1, 28; 132, 179, 189 Rn. 32; 141, 1, 40 Rn. 96).

Der Grundrechtsschutz gilt auch für inländische Kapitalgesellschaften, soweit die Grundrechte ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind, Art. 19 Abs. 3 GG. Es ist anerkannt, dass die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit das objektive Nettoprinzip gleichermaßen im Bereich der Körperschaftsteuer gilt (BVerfG Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 [BB 2011, 92 m. BB-Komm. Ribbrock]). Die Körperschaftsteuer bemisst sich nach dem Einkommen der Körperschaft und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das Einkommen und die Einkommensermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Danach unterliegt auch im Bereich der Unternehmensbesteuerung grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, d.h. der Saldo aus Einnahmen und Betriebsausgaben der Besteuerung.

2.) Rechtfertigungsgründe

Abweichungen vom Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einkommensteuerrecht bedürfen nach Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung. Zu den Rechtfertigungsgründen hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 29. März 2017 (a. a. O.) Folgendes ausgeführt:

a) Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfGE 1, 14, 52; 89, 132, 141; 105, 73, 110; 107, 27, 45 f.; 110, 412, 431 f.; 113, 167, 214; st. Rspr). Willkür des Gesetzgebers kann nicht schon dann bejaht werden, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden lässt (BVerfGE 55, 72, 90; 89, 132, 141 f.). Dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, das heißt die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in Bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand (BVerfGE 4, 144, 155; 36, 174, 187; 55, 72, 90). Der Spielraum des Gesetzgebers endet dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfGE 9, 334, 337; 55, 72, 90; 76, 256, 329; 85, 176, 187; 101, 275, 291; 115, 381, 389; 141, 1, 39 Rn. 94). Willkür in diesem Sinne kann erst festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist (BVerfGE 12, 326, 333; 23, 135, 143; 55, 72, 90; 89, 15, 23; 89, 132, 142; 99, 367, 389).

b) Bei der Auswahl des Steuergegenstandes belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (BVerfGE 127, 1, 27; 139, 285, 309 Rn. 72; st. Rspr.). Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem Grundgesetz der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Die Entscheidung des Gesetzgebers ist deshalb nur daraufhin zu überprüfen, ob sie auf sachwidrigen, willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 120, 1, 29; 137, 350, 366 f. Rn. 42).

c) Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfGE 120, 1, 44; 123, 1, 19) verlangt eine Umsetzung der Steuerwürdigkeitsentscheidung, das heißt eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt (vgl. BVerfGE 123, 1, 19; 127, 224, 248).

aa) Unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung der betroffenen Steuerpflichtigen muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig im Sinne von belastungsgleich erfolgen (vgl. BVerfGE 84, 239, 271; 93, 121, 136; 99, 88, 95; 99, 280, 290). Die Bemessungsgrundlage muss - in Einnahmen und Aufwand - den wirtschaftlichen Vorgang sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden (BVerfGE 99, 280, 290). Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung (folgerichtigen Umsetzung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes) bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfGE 105, 73, 125; 107, 27, 46 f.; 110, 412, 433; 116, 164, 180 f.; 122, 210, 231; 123, 111, 120 f.; 124, 282, 294 f.; 126, 268, 277 f.; 126, 40, 417; 127, 1, 27 f.; 132, 179 , 189 Rn. 32; 137, 350, 366 Rn. 41; 138, 136, 181 Rn. 123; 139, 1, 13 Rn. 40; 139, 285, 309 f. Rn. 72; 141, 1, 40 Rn. 96). Der rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht als besonderer sachlicher Grund in diesem Sinne anzuerkennen (vgl. BVerfGE 105, 17, 45; 116, 164, 182; 122, 210, 233; 141, 1, 41 Rn. 96).

bb) Unabhängig von der Frage, ob sich allein aus dem Erfordernis eines „besonderen sachlichen Grundes“ für Abweichungen von einem steuerrechtlichen Ausgangstatbestand erhöhte Begründungsanforderungen gegenüber einem bloßen „sachlich einleuchtenden Grund“ für die Differenzierung im Sinne des Willkürverbots ergeben (vgl. Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 142; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 3 Rn. 125; Kempny, JöR 64, S. 477, 484 ff.; Schön, JöR 64, S. 515, 535; Thiemann, in: Emmenegger/Wiedmann, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 2, 2011, S. 180, 189 f., 203 f.; ferner Schmehl, in: Demokratie-Perspektiven, FS für Brun-Otto Bryde zum 70. Geburtstag, 2013, 457, 473), steigen allgemein die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen in dem Maße, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann (BVerfGE 122, 210, 230; 126, 268, 277; 138, 136, 181 Rn. 122; 139, 285, 309 Rn. 71; 141, 1, 39 Rn. 94). Das gilt grundsätzlich auch für juristische Personen (BVerfGE 99, 367, 388 f.). Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den rechtfertigenden Sachgrund, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (vgl. BVerfGE 88, 87, 96; 129, 49, 69; 138, 136, 181 Rn. 122) oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (vgl. BVerfGE 88, 87, 96; 124, 199, 220; 131, 239, 256 f.; 133, 377, 408 Rn. 77; 138, 136, 181 Rn. 122; 141, 1, 39 Rn. 94).

cc) Der Gesetzgeber darf allerdings bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. BVerfGE 84, 348, 359; 113, 167, 236; 126, 268, 278 f.; 133, 377, 412 Rn. 86; st. Rspr.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist er berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt (vgl. BVerfGE 11, 245, 254; 78, 214, 227; 84, 348, 359; 122, 210, 232; 126, 268, 278; 133, 377, 412 Rn. 86).

Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 82, 159, 185 f.; 122, 210, 232; 126, 268, 279; 133, 377, 412 Rn. 87). Begünstigungen oder Belastungen können in einer gewissen Bandbreite zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung nach oben und unten pauschalierend bestimmt werden (BVerfGE 111, 115, 137). Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen (BVerfGE 122, 210, 232 f.; 126, 268, 279; 132, 39, 49 Rn. 29; 133, 377, 412 Rn. 87). Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (vgl. BVerfGE 116, 164, 182 f.; 122, 210, 232 f.; 126, 268, 279; 132, 39, 49 Rn. 29; 133, 377, 412 Rn. 87; 137, 350, 375 Rn. 66). Zudem dürfen die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Typisierung den Normzweck nicht verfehlen (vgl. BVerfGE 111, 115, 137; 132, 39, 56 f. Rn. 49; 133, 377, 412 Rn. 87).

Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274, 292; 117, 1, 31; 120, 1, 30; 123, 1, 19; 133, 377, 413 Rn. 88; 137, 350, 375 Rn. 66). Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist (vgl. BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 360; 126, 233, 263 f.; 133, 377, 413 Rn. 88).

3.) Verfassungsverstoß im Streitfall

Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze ist der Senat der Überzeugung, dass § 8c Satz 2 KStG a. F. nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Die Regelung wird den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine folgerichtige Umsetzung der steuerlichen Belastungsentscheidungen nicht gerecht (a). Verfassungsrechtlich hinreichende sachliche Gründe (b) hierfür ergeben sich weder aus dem Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung (aa) noch aus den gesetzgeberischen Typisierungsbefugnissen (bb). Es liegt auch kein verfassungskonformer Systemwechsel vor, der den Gesetzgeber von der Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die folgerichtige Umsetzung steuerlicher Belastungsentscheidungen befreien könnte (cc).

a) Die Anwendung von § 8c Satz 2 KStG a. F. führt in Bezug auf die periodenübergreifende Verlustverrechnung zu einer unterschiedlichen Behandlung von Kapitalgesellschaften mit und ohne Anteilseignerwechsel.

aa) Das BVerfG hat allerdings bislang offengelassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Avs. 1 GG) generell die Möglichkeit eines veranlagungszeitraumübergreifenden Verlustabzugs i. S. von § 10d EStG erfordert (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O.). Der Gesetzgeber ist jedenfalls von Verfassungswegen nicht gehalten, die Verlustverrechnung uneingeschränkt zuzulassen. Die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte Einkunftsarten und damit der Ausschluss anderer Einkunftsarten von jeglichem Verlustvortrag ist ebenso wenig verfassungsrechtlich beanstandet worden wie die Beschränkung des Verlustvortrags auf bestimmte, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Betriebsverluste (BVerfG Beschluss vom 8. März 1978, 1 BvR 117/78, DB 1978, 1764; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 30. Oktober 1980, 1 BvR 785/80, HFR 1981, 181). Unter Berücksichtigung des Verfassungsgrundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Beschränkung des Verlustabzugs auf einen einjährigen Verlustrücktrag und einen fünfjährigen Verlustvortrag gesehen worden (BVerfG Beschluss vom 22. Juli 1991, 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278). Dagegen ist der völlige Ausschluss der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände (§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG 1983) für verfassungswidrig erklärt worden (BVerfG Beschluss vom 30. September 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 [BB 1998, 2508]; siehe dazu auch BFH Beschluss vom 26. August 2010, I B 49/10, BFH/NV 2010, 2356 m. w. N. [BB 2010, 3131 m. BB-Komm. Lindner]).

Wenn der Gesetzgeber danach den Verlustabzug grundsätzlich beschränken darf, muss er sich dabei aber an der folgerichtigen Umsetzung der gesetzlichen Belastungsentscheidung orientieren. Hieran fehlt es im Streitfall, denn der Gesetzgeber benachteiligt damit Kapitalgesellschaften mit Anteilseignerwechsel gegenüber solchen ohne Anteilseignerwechsel, ohne dass ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung vorhanden ist.

bb) In seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit von § 8c Satz 1 KStG a. F. hat das BVerfG festgestellt (Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 110 ff.), dass der Gesetzgeber Körperschaften im Sinne von § 1 KStG, insbesondere Kapitalgesellschaften, eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit zuerkennt, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt ist und unabhängig von dieser besteuert wird. Er misst die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nach deren Einkommen (§§ 7 f. KStG) und damit nach der Ertragskraft des Unternehmens. Damit behandelt der Gesetzgeber unternehmerische Tätigkeiten steuerlich unterschiedlich je nachdem, ob sie in Gestalt von Personen- oder Kapitalgesellschaften ausgeübt werden. Während Gewinne aus einer unternehmerischen Tätigkeit in Form einer Personengesellschaft den Gesellschaftern zugerechnet werden, folgt der Gesetzgeber bei der Kapitalgesellschaft einer formellen Betrachtungsweise, die die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft gegenüber den dahinter stehenden Personen betont und in den Vordergrund rückt (Trennungsprinzip).

Das Körperschaftsteuerrecht basiert danach auf dem Grundgedanken des Trennungsprinzips: Wer Beteiligter der Kapitalgesellschaft ist, hat keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die Kapitalgesellschaft schirmt ihre Vermögenssphäre gegenüber ihren Anteilseignern ab. Diese Abschirmung bewirkt, dass in der abgeschirmten Vermögenssphäre eine eigenständige und objektive Leistungsfähigkeit entsteht, die von der individuellen und subjektiven Leistungsfähigkeit der hinter der Kapitalgesellschaft stehenden Personen getrennt und unabhängig von ihr besteuert werden darf (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O.; siehe auch Beschlüsse vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 198 f.; und vom 12. Oktober 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 250 [BB 2011, 92 m. BB-Komm. Ribbrock]; Drüen, GmbHR 2008, 393, 398). Das Steuerrecht nimmt damit bei der Bestimmung verschiedener Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit - verfassungsrechtlich unbedenklich - die zivilrechtliche Grundentscheidung auf, nach der bei Personengesellschaften das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zugerechnet wird (vgl. § 718 des Bürgerlichen Gesetzbuches i. V. m. § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB)), während das Vermögen der Kapitalgesellschaften gegenüber dem Vermögen ihrer Gesellschafter grundsätzlich selbständig ist (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 12. Oktober 2010, 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393 m. w. N. [BB 2011, 92 m. BB-Komm. Ribbrock]; vom 21. Juni 2006, 2 BvL 2/99, DStR 2006, 1316). Der Gesetzgeber muss das Trennungsprinzip und damit die originäre Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft als einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen und darf hiervon nur aufgrund sachlicher Gründe abweichen (BVerfG Urteil vom 9. Dezember 2008, 2 BvL 1/07, BFH/NV 2009, 338).

cc) § 8c KStG behandelt Kapitalgesellschaften bzgl. der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich je nachdem, ob ein schädlicher Beteiligungserwerb erfolgt ist oder nicht. Das BVerfG hat hierin für § 8c Satz 1 KStG a. F. eine systemwidrige Abweichung von der gesonderten Besteuerung der Körperschaft gesehen, für die es keinen sachlich rechtfertigen Grund gibt (Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 115 ff., 145).

Gleiches gilt auch für § 8c Satz 2 KStG a. F., auch in dieser Fallgestaltung wird das Trennungsprinzip durchbrochen. Für die Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts Kapitalgesellschaft wird ebenfalls auf die Ebene der Anteilseigner durchgegriffen. Der Gesetzgeber verfolgt mit Satz 2 dieselben objektiven Zwecke wie mit Satz 1 und bedient sich derselben Systematik. Er knüpft in Satz 2 lediglich strengere Rechtsfolgen - vollständiger Verlustuntergang - an engere Tatbestandsmerkmale - es werden mehr als 50 % der Anteile übertragen anstatt nur mehr als 25 % - (vgl. Kessler/Egelhof/Probst, DStR 2017, 1289, 1295). Die Frage, wer Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist und wer sie kontrolliert, hat aber nichts mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft zu tun. Das für den Verlustuntergang maßgebliche Tatbestandsmerkmal der Veräußerung der Beteiligung erfüllt nur der Anteilseigner und kann von der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht einmal beeinflusst werden (in diesem Sinne auch Thiel, FS für Schaumburg, 2009, 515, 532; Hey, BB 2007,1303, 1306; Wiese, DStR 2007, 741, 744; Suchanek in H/H/R § 8c Rz. 5; Frotscher/Frotscher, KStG, § 8c Rz. 11; Drüen, Ubg 2010, 543; Oenings, FR 2008, 606; Schwedhelm, GmbHR 2008, 404, Lenz/Ribbrock, BB 2008, 587; Hans, FR 2007, 775). Die Beteiligung ermöglicht es dem Anteilseigner, die Geschicke der Kapitalgesellschaft zu bestimmen, ermöglicht aber nicht umgekehrt der Kapitalgesellschaft, die Entscheidungen der Anteilseigner zu beeinflussen (Thiel, FS Schaumburg, 515, 532; Hohmann, Beschränkung des subjektiven Verlusttransfers im Kapitalgesellschaftsrecht, 177).

Besonders problematisch ist der Durchgriff auf die Anteilseignerebene vor dem Hintergrund, dass es zu einem unwiderruflichen und vollständigen - nicht nur anteiligen - Untergang der Verluste der Kapitalgesellschaft kommt.

b) Sachliche Rechtfertigungsgründe sind - ebenso wenig wie bei der Anordnung des quotalen Verlustuntergangs nach § 8c Satz 1 KStG a. F. - nicht erkennbar.

aa) Das BVerfG hat für den anteiligen Verlustuntergang entschieden, dass bei der Übertragung von mehr als 25 % der Anteile gem. § 8c Satz 1 KStG a. F. bereits ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt, weil es an einem sachlich einleuchtenden Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O. Rn. 121). Konzipiert als einfachere und zielgenauere Verlustabzugsbeschränkung bei Körperschaften als Ersatz für die bis dahin geltende sog. Mantelkaufregelung des § 8 Abs. 4 KStG a. F. diene § 8c KStG jedenfalls auch der Vermeidung von Gestaltungen zur Steuerumgehung, deren Eindämmung beim Verlustabzug sich in der Zeit vor Schaffung von § 8c KStG als notwendig, aber nach dem vormaligen Konzept nicht als praktikabel erwiesen hatte. Die Grenzen zulässiger Typisierung seien überschritten, wenn zur Erfassung solcher Gestaltungen allein an die Übertragung eines Anteils von mehr als 25 % angeknüpft werde. Eine gesetzliche Typisierung dürfe sich nicht einen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern müsse sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O. und in BVerfGE 116, 164, 182 f.; 122, 210, 232 f.; 126, 268, 279; 132, 39, 49 Rn. 29; 133, 377, 412 Rn. 87; 137, 350, 375 Rn. 66). Daran fehlt es, soweit § 8c Satz 1 KStG a. F. eine Missbrauchsverhinderung bezweckt (ebenso Suchanek, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8c KStG Rn. 5; Drüen, StuW 2008, 3, 13; ders., Ubg 2009, 23, 28; Ernst, IFSt-Schrift Nr. 470, 63; Hey, BB 2007, 1303, 1305; dies., StuW 2008, 167, 171; Thiel, FS für Schaumburg, 2009, 515, 536 f.; Wiese, DStR 2007, 741, 744). Der typische Missbrauchsfall „Mantelkauf“ ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Kapitalgesellschaft, die noch über Verlustvorträge verfügt, aber mangels Geschäftsbetriebs und nennenswerten Betriebsvermögens sonst nur einen leeren Mantel darstellt, von einem Investor mit einer neuen gewinnträchtigen Aktivität gefüllt wird, um die Verluste nutzbar zu machen. Diese Missbrauchskonstellation hat im Tatbestand des § 8c Satz 1 KStG a. F. keinen Niederschlag gefunden (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 128).

Diese Erwägungen gelten - letztlich noch verstärkt - auch für die hier streitige Regelung des vollständigen Verlustunterganges bei einer Anteilsübertragung von mehr als 50 % nach Maßgabe von § 8c Satz 2 KStG a. F. Der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 50 % an einer Kapitalgesellschaft indiziert alleine ebenso wenig wie der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 25 % eine missbräuchliche Gestaltung. Für die Übertragung einer derartigen Beteiligung an einer (Verlust-) Gesellschaft kann es vielfältige Gründe geben, die nicht regelmäßig in der Intention bestehen, die Verluste für ein anderes Unternehmen des neuen Anteilseigners nutzbar zu machen, etwa Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. § 8c Satz 2 KStG a. F. liegt damit ebenso wenig wie Satz 1 ein typischer Missbrauchsfall als Ausgangspunkt für eine generalisierende Regelung zugrunde (ebenso zuletzt Keßler/Egehof/Probst, DStR 2017,1289, 1296; Gosch, GmbHR 2017, 695, 697; Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623, 1626; Suchanek, FR 2017, 587; Roth, Ubg 2017, 366, 371; Mirbach, kösdi 2017, 20330, 20332; Dreßler, Der Konzern 2017, 326, 330). So bildet auch und gerade der Streitfall nicht den Missbrauchsfall, sondern einen „Normalfall“ ab, das Entstehen von Anfangsverlusten in den ersten beiden Jahren seit der Gründung der Gesellschaft, der Aufnahme eines Minderheitsgesellschafters in der Folgezeit sowie schließlich der Übertragung des Anteils des Mehrheitsgesellschafters an eine Konzerngesellschaft.

Wie gravierend und in der Wirkung überschießend die Regelung ist, wird auch daran deutlich, dass bereits die Übertragung von 50,01 % der Anteile als missbräuchliche Gestaltung anzusehen ist mit der Folge des vollständigen Verlustuntergangs, während bei der Übertragung von 50 % der Anteile nur ein anteiliger Verlustuntergang entsprechend § 8c Satz 1 KStG a. F. vorgesehen war.

bb) Auch die Grundannahme des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von § 8c KStG, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners (oder Anteilseignerkreises) ändert und deshalb die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste unberücksichtigt bleiben, soweit sie auf dieses neue wirtschaftliche Engagement entfallen (Bt-Drs. 16/4841, S. 76), vermag den Wegfall des Verlustabzugs nicht zu rechtfertigen. Zum einen widerspricht die so formulierte Annahme bereits einer Regelung, ab einem Erwerb von mehr als 50 % den Verlustabzug vollständig entfallen zu lassen, sie könnte allenfalls für einen quotalen Verlustuntergang, wie in § 8c Satz 1 KStG a. F. geregelt, herangezogen werden. Zum anderen und vor allem verkennt diese Annahme die Grundsätze der wirtschaftlichen Identität des Steuersubjekts Kapitalgesellschaft.

Bei der Ausgestaltung von § 8c KStG hat sich der Gesetzgeber von dem im Steuerrecht anerkannten Grundsatz leiten lassen, dass beim steuerlichen Verlustabzug dasjenige Steuersubjekt, das den Verlustabzug nutzen möchte, mit demjenigen Steuersubjekt identisch sein muss, das den Verlust erlitten hat (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 130 ff. unter Hinweis auf BFH Urteil vom 8. Januar 1958, I 131/57 U, BStBl III 1958, 97; Beschluss des Großen Senats vom 17. Dezember 2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608 [BB 2008, 1038 m. BB-Komm. Schulte/Knief]). Bei der Beurteilung der für den Verlustabzug erforderlichen steuerrechtlichen Personengleichheit von Körperschaften kommt es nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (BFH Urteile vom 8. Januar 1958, I 131/57 U, BStBl III 1958, 97; vom 15. Februar 1966, I 112/63, BStBl III 1966, 289; vom 17. Mai 1966, I 141/63, BStBl III 1966, 513, vom 19. Dezember 1973, I R 137/71, BStBl II 1974, 181) seit jeher nicht allein auf die bürgerlich-rechtlichen Gegebenheiten an. Ausschlaggebend ist in diesem Zusammenhang vielmehr eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Sie berücksichtigt die Besonderheiten der tatsächlichen Gestaltung und den Zweck der Steuernorm und ist vom BVerfG vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich gebilligt worden (BVerfG Beschluss vom 26. März 1969, 1 BvR 512/66, BStBl II 1969, 331).

Der Begriff der „wirtschaftlichen Identität“ ist nicht eindeutig. Der BFH sah ihn als schwierig und zweifelhaft an (Urteil vom 8. Januar 1958, I 131/57 U, BStBl III 1958, 97). In der Folgezeit vor der Änderung der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29. Oktober 1986, I R 318/83, I R 319/83, I R 318-319/83, BStBl II 1987, 310), die zum Erlass von § 8 Abs. 4 KStG geführt hat, stellte er auf die Identität des persönlichen und des sachlichen Substrats der Kapitalgesellschaft im Jahre des Entstehens und des Abzugs des Verlustes ab (vgl. im einzelnen BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 130 ff.). Die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft werde nicht allein durch die Personen der Anteilseigner, sondern jedenfalls auch, wenn nicht sogar nur (vgl. BFH Urteil vom 20. August 2003, I R 61/01, BStBl II 2004, 616 [BB 2004, 143]) durch den Unternehmensgegenstand und das Betriebsvermögen geprägt (vgl. BFH Urteile vom 28. Mai 2008, I R 87/07, BFH/NV 2008, 2129; vom 12. Oktober 2010, I R 64/09, BFH/NV 2011, 525). Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG entschieden, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Identität der Kapitalgesellschaft nicht typisierend angenommen werden kann, wenn alleiniges Anknüpfungsmerkmal die Übertragung eines Anteils von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals innerhalb von fünf Jahren ist (Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O.).

Ein Verlust der wirtschaftlichen Identität kann aber ebenso wenig definiert und normativ erfasst werden, wenn als alleiniges Merkmal auf eine Übertragung von mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals abgestellt wird. Zwar ermöglicht der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung dem Anteilseigner, unmittelbar Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen und ggfs. die Verluste durch entsprechende unternehmerische Entscheidungen zu eigenen Zwecken zu nutzen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn nicht nur kapitalmäßig eine Mehrheitsbeteiligung erworben wird, sondern damit zugleich eine Mehrheit der Stimmrechte verbunden ist (vgl. Kessler/Egelhof/Probst, DStR 2017, 1289, 1296). Entscheidend ist aber, dass die Gesellschaft allein durch die Möglichkeit einer Einwirkung auf die unternehmerischen Entscheidungen nicht zu einer „anderen“ wird, vielmehr kann dies erst anhand von Maßnahmen beurteilt werden, die die Gesellschafter tatsächlich treffen (siehe dazu auch BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O. Rn. 140).

Die unwiderlegbare Vermutung, dass bereits die Möglichkeit der Einflussnahme des Anteilserwerbers für die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft maßgeblich sein soll, trägt ebenso wenig bei dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung wie einer Minderheitsbeteiligung im Falle von § 8c Satz 1 KStG a. F. (ebenso Kessler/Egelhof/Probst, DStR 2017, 1289, 1296; Roth, Ubg 2017, 366, 371; Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623, 1626; Gosch, GmbHR 2017, 695, 697; Mirbach, kösdi 2017, 20330, 20332; Dreßler, Der Konzern 2017, 326, 330). Die Motivlage für den Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung kann vielgestaltig sein, neben strategischen Investoren, die eigene operative, unternehmerische Interessen verfolgen und deshalb häufig Umstrukturierungen bei der Zielgesellschaft vornehmen werden, um Synergieeffekte zu maximieren, gibt es auch Finanzinvestoren, z. B. Private-Equity-Investoren, die lediglich ihre Beteiligung mittelfristig mit Gewinn veräußern wollen und keinen größeren Einfluss auf die Unternehmenspolitik anstreben (z. B. Kessler/Egelhof/Probst, DStR 2017, 1289, 1296, m. w. N.). Auch bei dem „Extrembeispiel“ einer tiefgestaffelten Gesellschafterstruktur stellt sich in besonderem Maße die Frage, warum sich die Identität einer juristischen Person ändern soll, nur weil sich durch „Umhängen“ der Beteiligten auf einer dritten oder vierten Beteiligungsebene die personalen Verhältnisse ändern (vgl. Gosch in Kube/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, FS für Kirchhof, 2013, S. 306).

Vor diesem Hintergrund kann nicht typisierend angenommen werden, dass sich allein infolge des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft ändert (ebenso Kessler/Egelhof/Probst, DStR 2017, 1289, 1296, Mirbach, kösdi 2017, 20330, 20332; Ernst/Roth, Ubg 2017, 366, 371; Gosch, GmbHR 2017, 697; Kenk/Uhl-Ludäscher, BB 2017, 1623, 1627). Der Verzicht auf jegliche weitere Voraussetzungen, die an das Substrat der Gesellschaft wie deren Betriebsvermögen und/oder Unternehmensgegenstand anknüpfen, reicht zur Überzeugung des vorlegenden Senats auch im Falle der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile nicht aus, den Fall der Änderung der wirtschaftlichen Identität realitätsgerecht zu erfassen.

Ebenso wie bei § 8c Satz 1 KStG werden mit dem alleinigen Abstellen auf das Merkmal der Übertragung von mehr als 50 % der Anteile nicht nur in einem Randbereich Fälle erfasst, in denen Betriebsvermögen, Unternehmensgegenstand und der Geschäftsbetrieb von der Anteilsübertragung nicht berührt und nicht verändert werden sollen. In diesen Konstellationen, zu denen auch der Streitfall gehört, verfehlt es den Normzweck der Erfassung von Änderungen der wirtschaftlichen Identität einer Kapitalgesellschaft und ist deshalb als alleiniges Typisierungsmerkmal ungeeignet (s. a. BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 143).

Dass die Fokussierung auf die Anteilsübertragung letztlich nicht tragfähig ist, belegt auch die mit Wirkung vom 1. Januar 2016 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20. Dezember 2016 (BGBl I S. 2998) eingeführte Regelung des § 8d KStG zum „Fortführungsgebundenen Verlustvortrag“, der maßgeblich auf die Unternehmensfortführung abstellt, das Unterhalten ausschließlich desselben Geschäftsbetriebes, mit dem die vom Gesetzgeber erkannte überschießende Wirkung von § 8c Satz 1 und 2 KStG a. F. eingedämmt werden sollte (vgl. Engelen/Bärsch, Der Konzern 2017, 22).

Soweit Frotscher (in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8c Rn. 11d; im Ergebnis ähnlich, ohne nähere Begründung FG Sachsen, Urteil vom 16. März 2011, 2 K 1689/10, EFG 2011, 1457, Rev. I R 31/11) es demgegenüber nicht für „schlechthin“ sachwidrig hält, an die durch den Erwerb einer Beteiligung von mehr als 50 % indizierte Beherrschungsmöglichkeit, die es dem Gesellschafter auch erlaube, mittelbar über die Nutzung der Verlustvorträge zu verfügen, eine ungünstige steuerliche Regelung zu knüpfen, kann dem nicht gefolgt werden. Auch wenn an eine Beteiligung von mehr als 50 % anderenorts bestimmte steuerliche Folgerungen geknüpft werden, wie z. B. die Möglichkeit der Organschaft aufgrund finanzieller Eingliederung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) und der Konsolidierung in der Konzernrechnungslegung (§ 290 Abs. 2 HGB), und damit dort eine Abweichung vom Trennungsprinzip vollzogen werden mag, rechtfertigt dies nicht die streitgegenständliche Regelung bzw. vollständige Aufgabe des Trennungsprinzips. Unabhängig von der Frage, inwieweit durch die genannten Regelungen das Trennungsprinzip tatsächlich berührt wird, handelt es sich um Spezialbestimmungen im Rahmen von organschaftlichen oder Konzernstrukturen, die im Zusammenhang mit letztlich den Steuerpflichtigen begünstigenden Regelungen stehen. Demgegenüber wirkt der Wegfall jeglichen Verlustabzugs bei der Übertragung eines Anteils von mehr als 50 % ausschließlich nachteilhaft. Immerhin hält auch Frotscher § 8c Satz 2 KStG dann für verfassungswidrig, soweit Anteilsübertragungen sich auf Gesellschafter auswirken, die an den Anteilsübertragungen nicht beteiligt sind (Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG § 8c KStG, Rn.11 l; s. a. Hohmann, Beschränkung des subjektbezogenen Verlusttransfers im Kapitalgesellschaftsteuerrecht, S. 207 f.).

cc) Ein sachlicher Differenzierungsgrund ergibt sich - ebenso wenig wie bei § 8c Satz 1 KStG a. F. - aus dem Gedanken der Unternehmeridentität als Voraussetzung für den Verlustabzug.

Wie das BVerfG zu § 8c Satz 1 KStG a. F. entschieden hat (Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O.), dient die Kapitalgesellschaft zwar ungeachtet ihrer rechtlichen Eigenständigkeit wirtschaftlich den Erwerbszwecken der Gesellschafter. § 8c KStG a. F. stellt aber für die Verlustverrechnung auf die Verhältnisse der Gesellschafter ab. Bei diesem Verständnis der Norm kommt es zu einer Verschiebung im Zusammenspiel von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer; die Besteuerung von Kapitalgesellschaften wird gesetztechnisch derjenigen von Personengesellschaften angenähert, die grundsätzlich nach dem Transparenzprinzip erfolgt. Diese Annäherung ist jedoch nur ein Einzelaspekt, die weder nach ihrem Ziel noch nach ihrer Wirkung auf eine transparente Besteuerung von Kapitalgesellschaften ausgerichtet ist. Weil sie nicht nur zu einer Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften, sondern auch zu einer neuen Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften einerseits und Personengesellschaften und Einzelunternehmern andererseits führt, bietet sie keinen sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonst sachlich einleuchtenden Grund für die gesetzliche Differenzierung.

Eine Annäherung an die transparente Besteuerung von Personengesellschaften war vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. Vielmehr soll es nach Gesetzesbegründung für die Besteuerung der Körperschaft als solcher auf die Identität der Gesellschaft und nicht auf die der Gesellschafter ankommen. Der Wechsel der Anteilseigner sollte nur der Maßstab für die Änderung der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft sein (BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O., Rn. 147).

Noch deutlicher als im Falle des quotalen Verlustuntergangs nach § 8c Satz 1 KStG a. F. betrifft der vollständige Wegfall des Verlustabzugs nach Satz 2 auch die verbleibenden Altgesellschafter, weil wegen der eigenen Steuerpflicht der Körperschaft auch ihr Gewinnanteil belastet wird. Anders als beim ausscheidenden Gesellschafter einer Personengesellschaft und beim Einzelunternehmer, der sein Unternehmen veräußert, geht der Verlustabzug des ausscheidenden Gesellschafters der Kapitalgesellschaft endgültig unter, eine Verrechnung mit dem Veräußerungserlös und zukünftigen Einnahmen ist ausgeschlossen.

Das BVerfG hat allerdings festgestellt, dass es ohne die Regelung in § 8c KStG anders als bei Personengesellschaften auch jenseits von Mantelkaufmissbrauchsfällen zu einer Monetarisierung von Verlusten kommen könne, weil die Möglichkeit des Verlustabzugs den Wert des Anteils erhöht und mit dem Kaufpreis vergütet wird. Der ausscheidende Gesellschafter könne dadurch den Wert des Verlustabzugs sofort realisieren, ohne dass es in seiner Person auf künftige Einkünfte oder Einschränkungen durch eine Mindestbesteuerung ankomme. Darin ist aber kein Missbrauch der Verlustnutzung zu sehen, solange sich die (wirtschaftliche) Identität der Gesellschaft nicht ändert, sondern eine systembedingte Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für eine gesonderte Besteuerung der Körperschaft, an der er auch nach Einführung von § 8c KStG festgehalten habe, während umgekehrt § 8c KStG von dieser Entscheidung systemwidrig abweiche (Rn. 149).

dd) Als Rechtfertigungsgrund für eine Abweichung von dem das Körperschaftsteuerrecht beherrschende Trennungsprinzip scheidet schließlich auch der rein fiskalische Zweck der Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform 2008 (Vgl. Bt-Drs. 16/4841, S. 33 ff., 43) aus (vgl. zuletzt BVerfG Beschluss vom 29. März 2017, a. a. O. Rn. 150).

IV. Weitere Verfassungsverstöße

Ob und inwieweit § 8c KStG a. F. auch unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Art. 14 GG verfassungswidrig ist, lässt der Senat offen. Die zuvor dargelegte Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG reicht aus, um die Vorlage zu rechtfertigen (Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Rz. 114). Die Beurteilung sonstiger verfassungsrechtlicher Fragen und Vorfragen obliegt allein dem BVerfG; sie gehört nicht zur Begründung des Vorlagebeschlusses (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91, BStBl II 1995, 655, 660; Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 80 Rz. 277, 296 ff.).

 

 

 

 

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