FG München : Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre wegen Steuerhinterziehung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nur für den anteiligen Steuerbetrag
FG München, Urteil vom 29.7.2019 – 7 K 2779/16
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2391-1
Leitsatz der Redaktion
Die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre wegen Steuerhinterziehung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO gilt nur für den anteiligen Steuerbetrag, der tatsächlich Gegenstand der Steuerhinterziehung ist, im Übrigen bleibt es bei der vierjährigen Frist.
Sachverhalt
I.
Streitig sind die Rückstellungen für Provisionen und die Passivierung von Darlehenszinsen für die Jahre 1998-2001 (Streitjahre).
Die Klägerin ist eine GmbH. Ihr Stammkapital beträgt 50.000 €. Zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer ist S bestellt worden. Gegenstand des Unternehmens ist u.a. der Handel mit Industrie- und Konsumwaren.
Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn nach §§ 4 Abs. 1, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 8 Körperschaftsteuergesetz (KStG) durch Betriebsvermögensvergleich. Das Wirtschaftsjahr entspricht dem Kalenderjahr.
Für den Streitzeitraum 1998-2001 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt (Beginn Außenprüfung: 24. Januar 2005). Dabei wurde festgestellt, dass Rückstellungen für noch nicht bezahlte Provisionen ausländischer Vertreter für vermittelte Umsätze gebildet wurden (1998: 2.901.711,58 DM, 1999: 2.687.812,86 DM, 2000: 3.373.853,17 DM, 2001: 3.868.290,70 DM). Bei den Provisionsempfängern sollte es sich um Mitarbeiter der belieferten … in Osteuropa handeln. Den Vermittlungsprovisionen lagen Verträge in russischer Sprache zugrunde, in denen bestimmt war, dass die Höhe der Provisionen an die Vermittler für jeden zustande gekommenen Vertrag gesondert abgestimmt werde. Weitere Unterlagen, wie sich die Rückstellungen zusammensetzen und auf welcher Grundlage sie sich berechnen, wurden dem Prüfer nicht vorgelegt. Der Prüfer erkannte die Rückstellungen nicht an und löste sie in voller Höhe auf.
Zudem wurden Darlehenszinsen in folgender Höhe als Verbindlichkeiten passiviert: 1998: 1.499.876 DM, 1999: 381.458 DM, 2000: 549.706 DM, 2001: 583.438 DM. Als Grund für die passivierten Darlehenszinsen wurde die Gewährung von Darlehen durch verschiedene im Ausland ansässige Personen, die teilweise auch als Vermittler für die Klägerin tätig gewesen seien, sowie von nahestehenden Personen der Klägerin (Ehefrau und Kinder des Gesellschafters) angegeben. Das von den ausländischen Personen zur Verfügung gestellte Fremdkapital betrug zum 31.12.2001 insgesamt 8.251.912,18 DM. In den vorgelegten Darlehensverträgen wurde kein fester, sondern ein variabler Zinssatz vereinbart. Weitere Unterlagen, insbesondere Vereinbarungen über die anzuwendenden Zinssätze oder Zinsabrechnungen wurden nicht vorgelegt. Nach Feststellung des Prüfers wurden einige Verträge von den Darlehensgebern nicht unterschrieben. Zudem stellte der Prüfer fest, dass die gebuchten Zinsen aufgrund der Buchung auf ein Sammelkonto nicht mehr einem bestimmten Darlehen zugeordnet werden konnten. Der Prüfer löste die Zinsverbindlichkeiten in voller Höhe auf.
Das Finanzamt schloss sich den Feststellungen der Betriebsprüfung an und erließ am 28. Juli 2006 für das Jahr 1998 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und für die Jahre 1999-2001 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 7. September 2016).
Hiergegen richtet sich die Klage. Es wird geltend gemacht, dass hinsichtlich der angefochtenen Änderungsbescheide für das Jahr 1998 zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide am 28. Juli 2006 eine Änderung nicht mehr zulässig gewesen sei, da die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Die Steuererklärungen für 1998 seien am 20. September 2000 eingereicht worden. Mit Ablauf des 31. Dezember 2000 habe damit die Festsetzungsfrist zu laufen begonnen. Sie habe am 31. Dezember 2004 geendet. Die Festsetzungsfrist habe sich nicht gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf zehn Jahre verlängert, da keine Steuerhinterziehung nachgewiesen sei.
Eine Ablaufhemmung sei nicht eingetreten, insbesondere sei mit der Betriebsprüfung erst am 24. Januar 2005 und somit nach Ablauf der Festsetzungsfrist begonnen worden. Soweit sich das Finanzamt darauf berufe, dass mit Verfügung vom 20. Februar 2006 ein Strafverfahren gegen die Geschäftsführerin der Klägerin wegen des Verdachts der Körperschaftssteuerhinterziehung 1999-2001 zugunsten der Klägerin eingeleitet worden sei, so rechtfertige dies schon deshalb keine Änderung der Bescheide für das Jahr 1998, weil für das Jahr 1998 gerade kein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Dies impliziere, dass aus Sicht der Bußgeld- und Strafsachenstelle für das Jahr 1998 gerade nicht der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung vorgelegen habe.
Die bloße Behauptung einer Steuerhinterziehung auch im Jahr 1998 genüge nicht den Anforderungen an die der Beklagten obliegenden Feststellungslast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Im Übrigen stehe der Sachverhalt, dessentwegen ein Strafverfahren für die Veranlagungszeiträume 1999-2001 eingeleitet worden sei, in keinerlei Zusammenhang mit der im vorliegenden Verfahren streitigen Frage der Berücksichtigung von Rückstellungen und des Zinsaufwandes. Nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO verlängere sich die Festsetzungsfrist nur soweit eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliege. Somit sei zumindest Teilfestsetzungsverjährung eingetreten, da hinsichtlich der streitgegenständlichen Rückstellungen und Darlehenszinsen das Vorliegen einer Steuerhinterziehung nicht einmal von der Beklagten behauptet werde.
Zu den Rückstellungen für Vermittlungsprovisionen trägt die Klägerin Folgendes vor:
Der Gründungsgesellschafter S verfüge über weitreichende Kontakte zu den führenden Ingenieuren der … in den GUS-Staaten und Westeuropa. In den Jahren 2000-2008 hat die Klägerin Technologien für … entwickelt und … Patente angemeldet. Bereits Ende der Neunzigerjahre habe sie Lizenzvereinbarungen mit … zum Beispiel in Russland und der Ukraine für die Anwendung bestimmter Technologien und Vereinbarungen über die Belieferung bestimmter … abgeschlossen. Sie habe die Mitwirkung externer Patententwickler an den Erfindungen über Provisionen vergütet. Dabei habe sie Rahmenvereinbarungen über Auftragsforschung abgeschlossen. Aus diesen ergäben sich zu den Bilanzstichtagen noch nicht erfüllte Verpflichtungen, die den gebildeten Rückstellungen zugrunde gelegt worden seien. Die Voraussetzungen für die Bildung pauschaler Rückstellungen lägen vor, da es sich um gleichartige Verbindlichkeiten handelt und dabei eine Vielzahl von Personen an der theoretischen und praktischen Entwicklung der Technologien, der Vorbereitung der Unterlagen zur Patentanmeldung und der Durchführung der Patentanmeldeverfahren sowie der Vermarktung der Technologien am Markt beteiligt gewesen seien.
Nach der Rechtsprechung habe der Steuerpflichtige ein Wahlrecht, ob er gleichartige Risiken einzeln, pauschal oder gemischt bewertet. Die pauschale Bewertung von Rückstellungen sei zulässig, wenn - wie im Streitfall - die individuelle Ermittlung des Werts und der Risiken einzelner Bewertungsobjekte unmöglich, schwierig oder unzumutbar erscheine. Da der Kaufmann bei der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden alle erkennbaren Risiken berücksichtigen müsse, komme der Nichtausweis einer bestehenden Verbindlichkeit erst dann in Betracht, wenn nach den Erfahrungen in der Vergangenheit darauf geschlossen werden könne, dass aus dem Gesamtbetrag der Verpflichtungen ein bestimmter Teil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geltend gemacht werde. Diese Voraussetzungen lägen hier jedoch nicht vor. Bei der Bemessung der Rückstellungsbeträge für die einzelnen Erfindungen sei der Betrag berücksichtigt worden, den der jeweilige Patentautor zur Entwicklung des Patents geleistet habe. Bei der Bewertung der gebildeten Rückstellungen seien sämtliche Schritte zur Patententwicklung und zur Durchführung des Patentanmeldeverfahrens berücksichtigt worden, die einen schöpferischen Beitrag zu der gemeinschaftlichen Erfindung geleistet hätten.
Anlass für die Pauschalierung bei der Bewertung der Rückstellungen sei, dass ein Patent in der Regel nur zusammen mit anderen Patenten und Materialien vermarktet werden könne. Der Mehrwert für …, Materialien bei der Klägerin einzukaufen, ergebe sich aus dem Einsatz der besonderen Technologien, über die die Klägerin verfüge. Kunden der Klägerin hätten für das Gesamtpaket, bestehend aus der Technologie und den Materialien, die für den Ausbau und den Betrieb der … Aggregate eingesetzt werden, bezahlt. Eine unmittelbare Zuordnung der Zahlungen von den Kunden an die Klägerin zu den Vergütungszahlungen der Klägerin an einzelne Patentautoren für die jeweiligen Patente bzw. Erfindungsbeiträge wäre aufgrund der Vielzahl der Kundenbeziehungen und der unterschiedlichen Kombination der eingesetzten Technologien unter Berücksichtigung des individuellen Beitrags des jeweiligen Miterfinders schwerlich realisierbar. Aus diesem Grund sei eine pauschalierte Rückstellungsbildung unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit erfolgten Auszahlungen an Erfinder nach vernünftigem kaufmännischem Ermessen zulässig. In welcher Höhe die Klägerin von den Patentautoren tatsächlich auf Zahlungen in Anspruch genommen worden sei, sei aus der Aufstellung über Auszahlungen an Patentautoren in den Jahren 2001-2010 ersichtlich. Eine schriftliche Vereinbarung über die Zahlungen in Höhe des für den einzelnen Patentautoren gebildeten Rückstellungsbetrags sei für die steuerliche Anerkennung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nicht erforderlich.
Soweit das Finanzamt geltend macht, dass unter den eingereichten Verträgen Kaufverträge über den Erwerb von Erfindungen enthalten seien und diese wegen § 5 Abs. 4b EStG nicht zur Bildung von Rückstellungen führen dürften, so sei dies zwar zutreffend, betrifft aber nur den als Anlage K 21 vorgelegten Vertrag. Für diesen sei keine Rückstellung gebildet worden. In allen übrigen Fällen (Anlagen K 22 bis K 33) schuldeten die Vertragspartner der Klägerin unterschiedliche Dienstleistungen. Neben Vertriebsdienstleistungen gehörten hierzu Beratungsdienstleistungen und sonstige Hilfsdienste im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen in Ländern Ost- und Westeuropas und den Einsatz von Facharbeitern für Montagearbeiten, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Erbringung von Marketingforschungen von Märkten durch Angebotsanalyse, Vorbereitung von Vertragsformularen und Vermittlung von Rechtsberatung sowie Vorbereitung von Materialien zur Erstellung von Patentanträgen und Veröffentlichungen. Unter den Begriff der „Provisionen„seien folglich alle Zahlungen zusammengefasst worden, zu denen sie vertraglich verpflichtet gewesen sei, ohne zwischen Handelsvertreterprovisionen und sonstigen Entgelten, die sie für Dienstleistungen schulde, zu unterscheiden. Auch setzten sich die Zahlungen an die einzelnen Vertragspartner der Klägerin aus verschiedenen Komponenten zusammen. Sie seien für einzelne oder mehrere von Vertrag zu Vertrag unterschiedlich kombinierte Gegenleistungen erbracht worden. Teilweise sei für die einzelne Tätigkeit ein Fixbetrag vereinbart worden, teilweise habe sich die Vergütung nach dem entstandenen Aufwand oder nach mündlichen oder schriftlichen Zusatzvereinbarungen gerichtet. Aufgrund der hohen Anzahl der Verträge und der Vielzahl der unterschiedlichen Vergütungskonzepte sei es äußerst schwierig, den konkreten Rückstellungsbetrag für jeden Einzelfall zu ermitteln. Dies sei ein Grund dafür, die Bewertung der Rückstellungen zu pauschalieren und diese durch Schätzung auf Grundlage der Erfahrungen der Vergangenheit zu ermitteln.
Sie sei auch insoweit zur Rückstellungsbildung berechtigt, als sich diese auf Zahlungen für die Vermittlung von Geschäften bezieht, denn die Verpflichtung des Unternehmens zur Zahlung von Provisionen entsteht nicht erst mit der Ausführung des vermittelten Geschäfts, vielmehr sei nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) bereits der rechtswirksame Abschluss eines Vertrags provisionspflichtig. Der Zeitpunkt der Ausführung des vermittelten Geschäfts sei dagegen für die Provisionspflicht grundsätzlich unbeachtlich, denn die Vorschrift des § 87a Abs. 1 HGB regle lediglich die Fälligkeit des Provisionsanspruchs. Diese sei jedoch keine Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung. Gemäß den Verträgen stehe die Provisionsverpflichtung auch nicht unter der aufschiebend bedingten Verpflichtung der Ausführung des Geschäfts durch den Geschäftsherrn. Zudem könne eine von § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB abweichende Regelung gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB getroffen werden; eine solche liege im hier vorliegenden Falle vor.
Zur Passivierung von Darlehenszinsen trägt die Klägerin vor:
Die Zinsverbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern seien aufgrund der vorgelegten Darlehensverträge wirksam begründet worden. Es bestehe zu den Bilanzstichtagen ein Erfüllungsrückstand. Bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtung der abgeschlossenen Darlehensverträge stellten auch die am Bilanzstichtag noch geschuldeten zukünftigen Zinszahlungen die Gegenleistung für das jeweils von den Darlehensgebern überlassene Kapital dar. Der gesamte Zinsaufwand sei daher anteilig durch den am jeweiligen Bilanzstichtag zurückliegenden Zeitraum wirtschaftlich verursacht, auch wenn die Zinsansprüche für die Folgejahre zivilrechtlich noch nicht fällig gewesen seien.
Auf die Anordnungen des Gerichts gemäß § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 1. Februar 2019 erklärte die Klägerin:
Für die Vereinbarung vom 29. September 1992 mit Herrn B sei keine Rückstellung gebildet worden, da insoweit keine Zahlungen für den Erhalt der Patente geleistet werden mussten. Im Übrigen sei die Klägerin nicht imstande, die angeforderten Belege, Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Der BFH habe jedoch mehrfach entschieden, dass, soweit die Höhe der Rückstellungen rechtfertigende Unterlagen nicht mehr vorgelegt werden können, dies nicht zwangsläufig dazu führe, dass die Bildung einer Rückstellung zu unterbleiben habe. Bestehe eine Rechtspflicht zur Leistung aufgrund vertraglicher Vereinbarung und sei nachgewiesen, dass der Steuerpflichtige auch tatsächlich aufgrund dieser Vereinbarung in Anspruch genommen worden sei, berechtige dies zur Bildung einer Rückstellung. Das Gericht habe dann den voraussichtlichen Aufwand zu schätzen. In Anlage K 56 habe die Klägerin dargestellt, dass in den Jahren 2001-2010 Auszahlungen aufgrund der vorgelegten Verträge in Höhe von 5.646.334,43 € erfolgt seien. Die Auszahlungszeiträume der als Anlage K 22-33 vorgelegten Verträge ergäben sich ebenfalls aus der Anlage K 56. Dort sei angegeben, wann eine erstmalige Inanspruchnahme aus den vorgelegten Verträgen erfolgt sei.
Hinsichtlich der Darlehenszinsen sei die Klägerin ebenfalls nicht in der Lage, die angeforderten Belege, Unterlagen und Nachweise zu übersenden. Da sie sich jedoch auch mit diesen Zahlungen in Erfüllungsrückstand befunden habe und unstreitig sei, dass Zinsen an die Darlehensgeber gezahlt und für Darlehen getilgt worden seien, habe auch insoweit das Gericht eine Schätzung vorzunehmen. Die variablen Zinssätze seien entsprechend den Soll-Zinsen der Banken bei ungesicherten Ratenkrediten abgerechnet worden.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Körperschaftsteuer 1998-2001 und Gewerbesteuermessbetrag 1998-2001, jeweils vom 28.7.2006 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 7.9.2016 dahingehend zu ändern, dass die Körperschaftsteuer für das Jahr 1998 um 1.599.895 DM auf 168.338 DM, die Körperschaftsteuer für das Jahr 1999 um 510.413,48 € auf 101.163,70 €, die Körperschaftsteuer für das Jahr 2000 um 727.957,44 € auf 176.031,15 €, die Körperschaftsteuer für das Jahr 2001 um 532.831,07 € auf 672.123,86 €, der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 1998 um 178.280 DM auf 25.455 DM, der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 1999 um 64.223,38 € auf 15.377,10 €, der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2000 um 91.843,36 € auf 22.003,45 € und der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2001 um 106.566,01 € auf 133.863,88 € herabgesetzt wird.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt macht geltend, die Änderung der Bescheide für 1998 sei zulässig gewesen, da sich die Festsetzungsfrist wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängert habe. Gegen die Geschäftsführerin der Klägerin sei ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Körperschaftssteuerhinterziehung 1999-2001 zugunsten der Klägerin eingeleitet worden, weil sie bestimmte, auch im Streitjahr 1998 vorliegende Sachverhalte, nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen erklärt habe. Damit sei die Festsetzungsfrist zu Beginn der Außenprüfung noch nicht abgelaufen gewesen.
Zur Frage der Provisionsrückstellungen trägt das Finanzamt vor:
Nach Sichtung der eingereichten Verträge ergäben sich zwei Gruppen von vertraglichen Vereinbarungen, zum einen Kaufverträge über den Erwerb von Erfindungen, zum anderen Provisionsverträge für Vermittlungstätigkeiten, technische Beratungen und Markteinführungen. Die Kaufverträge könnten wegen § 5 Abs. 4b EStG nicht zur Bildung von Rückstellungen führen. Soweit in den Verträgen unterschiedliche Dienstleistungen vereinbart worden seien, so sei in sämtlichen Verträgen eine Vermittlungsvergütung erst nach Abschluss bzw. nach Abschluss und Erfüllung der abgeschlossenen Verträge zu leisten. Nach ständiger Rechtsprechung könnten für Provisionsverpflichtungen aus vermittelten und am Bilanzstichtag noch nicht ausgeführten Geschäften grundsätzlich keine Rückstellung gebildet werden. Soweit Verträge als Verträge über Vermittlungs- und Beratungsleistungen tituliert seien, seien über die Vergütung unterschiedliche Vereinbarungen getroffen worden. Hierfür sei zum jeweiligen Bilanzstichtag eine Einzelbewertung durchzuführen. Unterlagen und Berechnungen, wie die Rückstellungen dem Grunde und der Höhe nach ermittelt wurden, seien nicht vorgelegt worden. Ein Raum für die Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten im Schätzungswege bestehe nicht.
Zur Frage der Passivierung von Darlehenszinsen trägt das Finanzamt vor:
Die eingereichten Darlehensverträge begründeten auch bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise keine Passivierung von Darlehenszinsen. In den vorgelegten Verträgen seien mit Ausnahme der Anlage K 41 variable Zinssätze vereinbart worden. Es mangle jedoch an geeigneten Unterlagen über die jeweils anzuwendenden Zinssätze oder Zinsabrechnungen, obwohl monatliche oder jährliche Zinsabrechnungen in den Darlehensverträgen vereinbart worden seien. Darüber hinaus würden die Darlehensverträge nicht die Feststellungen der Betriebsprüfung entkräften, da Zinsen kaum ausbezahlt worden seien und aufgrund der Buchung auf ein Sammelkonto nicht mehr einem bestimmten Darlehen zugeordnet werden könnten. Es sei folglich nicht glaubhaft gemacht worden, dass generell Zinsverbindlichkeiten bzw. Zinsverbindlichkeiten in der streitigen Höhe bestanden hätten.
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2019, die Einspruchsentscheidung vom 7. September 2016, die vom Finanzamt vorgelegten Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Soweit sich die Klage gegen die Änderungsbescheide i.S. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag vom 28. Juli 2006 für das Streitjahr 1998 richtet, ist sie begründet. Das Finanzamt war zu einer Änderung der Bescheide nicht berechtigt, da im Zeitpunkt der Änderung (28. Juli 2006) die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten war.
Die Körperschaftsteuererklärung nebst Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs sowie der in § 47 Abs. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) genannten Besteuerungsgrundlagen für 1998 und die Erklärung zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 1998 gingen an 20. September 2000 beim Finanzamt ein. Da die Klägerin zur Abgabe dieser Erklärungen verpflichtet war, begann die Festsetzungsfrist damit nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) mit Ablauf des Jahres 2000 und endete nach Ablauf von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) mit Ablauf des 31.12.2004.
Zwar beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Aus der Formulierung „soweit„ergibt sich jedoch, dass die Festsetzungsfrist von fünf bzw. zehn Jahren sich nur auf denjenigen anteiligen Steuerbetrag bezieht, der tatsächlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung ist. Bezieht sich die Steuerhinterziehung bzw. leichtfertige Steuerverkürzung nur auf Sachverhalte, die einen Teil der festgesetzten Steuer betreffen, bleibt es im Übrigen bei der vierjährigen Frist, sodass insoweit Teilfestsetzungsverjährung eintritt (BFH-Urteil vom 20. November 2012 IX R 30/12, BFHE 240, 4, BStBl II 2013, 995).
Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass hinsichtlich der vom Finanzamt nicht anerkannten Rückstellungen für Provisionen und der passivierten Darlehenszinsen der Tatbestand einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung vorliegt. Das Finanzamt, dem insoweit die Feststellungslast trifft, hat hierzu nichts vorgetragen. Die Frage, ob hinsichtlich des vom Finanzamt vorgetragenen Sachverhalts der im Rahmen der Außenprüfung festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen für das Streitjahr 1998 der Tatbestand einer Steuerhinterziehung vorliegt, kann dahinstehen, da dieser Sachverhalt nicht Gegenstand der im Klageverfahren geltend gemachten geänderten Steuerfestsetzungen ist.
2. Hinsichtlich der Streitjahre 1999, 2000 und 2001, für die die Festsetzungsfrist bei Änderung der Bescheide unstreitig noch nicht abgelaufen war, ist die Klage nur hinsichtlich der Provisionsrückstellungen in den Streitjahren 2000 und 2001 teilweise begründet.
Die von der Klägerin in der Bilanz zum 31.12.1999 gebildeten Provisionsrückstellungen wurden zu Recht in vollem Umfang aufgelöst, da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass für diese Rückstellungen die Voraussetzungen für ihre Bildung zum Bilanzstichtag vorgelegen haben. Zu den Bilanzstichtagen 31.12.2000 und 31.12.2001 sind dagegen Rückstellungen für Provisionen zu berücksichtigen, jedoch in geringerer Höhe als beantragt.
2.1. Nach den geltenden handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (§§ 238 ff Handelsgesetzbuch - HGB), die nach § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Ermittlung des Gewinns der Klägerin maßgebend sind, dürfen Rückstellungen für eine dem Grund und/ oder der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit gebildet werden (§ 249 HGB).
Steuerrechtlich zulässig sind solche Rückstellungen allerdings nur, wenn das Be- bzw. Entstehen der Verpflichtung an sich überwiegend wahrscheinlich ist. Hinzukommen muss, dass mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist. Rückstellungen für ungewisse Schulden setzen deshalb in tatsächlicher Hinsicht voraus, dass die Verbindlichkeiten, für die die Rückstellungen gebildet werden sollen, mit einiger Wahrscheinlichkeit bestehen oder entstehen werden und der Steuerpflichtige ernsthaft damit rechnen muss, in Anspruch genommen zu werden. Hingegen reicht die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit zur gewinnmindernden Bildung einer Rückstellung in der Steuerbilanz nicht aus (BFH-Urteil vom 25. April 2006 VIII R 40/04, BFHE 213, 364, BStBl II 2006, 749). Ob eine Verbindlichkeit mit einiger Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, ist nach objektiven, am Bilanzstichtag vorliegenden und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbaren Tatsachen zu prüfen. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen setzt grundsätzlich voraus, dass der Gläubiger seinen zur Verpflichtung führenden Anspruch am Bilanzstichtag kennt (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 34/9, BFH/NV 2002, 486).
Darüber hinaus muss die Verbindlichkeit in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht sein (BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251). Der Tatbestand, an den das Gesetz das Entstehen der Verpflichtung knüpft, muss am Schluss des Bilanzstichtags im Wesentlichen bereits verwirklicht sein (BFH-Urteil vom 30. November 2005 I R 110/04, BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251). Vorausgesetzt wird, dass die Erfüllung der Verpflichtung nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt (BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150, 140, BStBl II 1987, 848).
Soweit das Entstehen einer Verbindlichkeit sicher und nur die Höhe ungewiss ist, muss der Wert mit der größten Eintrittswahrscheinlichkeit, also nicht der höchste denkbare Wert angesetzt werden (Reddig in: Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, § 5 EStG Rz. 180). Aus dem Einzelbewertungsgrundsatz des § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB folgt, dass der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderliche Rückstellungsbetrag grundsätzlich als Einzelrückstellung gebildet werden muss. Pauschalrückstellungen (Sammelrückstellungen) werden handelsrechtlich für zulässig erachtet worden, wenn es sich um die Bewertung einer Vielzahl gleichartiger Geschäfte (Garantie-, Urlaubsrückstellungen, Rückstellungen für Bankbürgschaften, Wechselobligo, versicherungstechnische Rückstellungen) handelt, wenn insoweit substanziierte Erfahrungswerte aus der Vergangenheit vorgelegen haben (Reddig in: Kirchhof, EStG, 18. Aufl. 2019, § 5 EStG Rz. 182).
Der Steuerpflichtige trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die von ihnen behauptete gewinnmindernde Bildung von Rückstellungen (BFH-Urteil vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).
2.2. Die von der Klägerin zur Begründung der Rückstellungsbildung vorgelegten Verträge K21 bis K33 und K57 waren Grundlage von schwebenden Geschäften, aus denen in der Bilanz Verbindlichkeiten und Rückstellungen grundsätzlich nicht ausgewiesen werden dürfen. Ein Bilanzausweis ist nur dann geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist oder aus diesem Geschäft ein Verlust droht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BFHE 183, 199, BStBl II 1997, 735, m.w.N.).
Dabei lassen sich die vorgelegten Verträge wie folgt differenzieren:
- Vertrag über den Verkauf von Rechten auf bestimmte patentgeschützte Erfindungen an die Klägerin gegen die Zahlung einer Vergütung in Höhe von 120.000 bis 180.000 € (K21),
- Verträge über Vermittlungsleistungen, bei denen Vertragsgegenstand die Vermittlungstätigkeit des Vertragspartners zwischen der Klägerin und Unternehmen der GUS Länder ist. Die Höhe der Vermittlungsprovision wird für jeden zustande gekommenen Vertrag gesondert abgestimmt (K22, K25, K31, K33, K57).
- Verträge über Vermittlungsleistungen und technische Beratungen. Die Höhe der Vergütung wird für jeden erfüllten Vertrag zwischen der Klägerin und dem Vermittler gesondert vereinbart (K23, K24, K27).
- Vertrag über fachliche Zusammenarbeit als Grundlage für den Abschluss von weiteren Verträgen, ohne dass sich aus dem Vertrag bereits konkrete Rechte und Pflichten ergeben (K 26).
- Verträge über Beratungs- und Vermittlungsdienste mit dem Schwerpunkt auf wissenschaftlich-technische Entwicklung technologischer Lösungen. Das Honorar wird für jede zustande gekommene neue technische Lösung, für andere Dienste sowie auch für abgeschlossene Kontrakte zwischen der Klägerin und anderen Firmen mündlich oder schriftlich einzeln vereinbart (K28, K29, K30, K32).
In einem Fall war neben dem vertragsabhängigen Honorar ein jährliches Mindesthonorar vereinbart (25.000 € bei K29). Für die Vergütung von spezialisierten Mitarbeitern waren teilweise Tages- oder Stundensätze vereinbart (K30), teilweise waren auch einmalige Vergütungen für bestimmte Arbeiten vorgesehen (K 31, K 33).
2.3. Aus den vorgelegten Verträgen lässt sich ein Erfüllungsrückstand nicht in der Höhe der geltend gemachten Provisionsrückstellungen nachvollziehen. Hierfür hätte die Klägerin zunächst darlegen müssen, inwieweit der jeweilige Vertragspartner am jeweiligen Bilanzstichtag bereits vergütungspflichtige Leistungen erbracht hat, welches Honorar für die jeweilige Leistung vereinbart worden ist - diese Frage ist in den vorgelegten Verträgen einer späteren Vereinbarung vorbehalten worden - und schließlich, welcher Anteil des vereinbarten Honorars auf die bereits erbrachten Leistungen entfällt. Im Rahmen einer ordnungsgemäßen Buchführung müssen einem Kaufmann diese Daten zur Verfügung stehen, da er ansonsten nicht in der Lage ist, seine Kreditoren abzuwickeln.
Die Klägerin wurde mit gerichtlicher Aufforderung nach § 79b Abs. 2 FGO mit Schreiben vom 1. Februar 2019 aufgefordert, detailliert darzustellen, in welcher Höhe am jeweiligen Bilanzstichtag hinsichtlich jeder einzelnen Vertragsbeziehung eine Verpflichtung bestand. Dabei sollten die Voraussetzungen der Rückstellungsbildung am jeweiligen Bilanzstichtag anhand objektiv nachprüfbarer Unterlagen nachvollzogen werden können. Da die Klägerin dem nicht nachgekommen ist, können die vorgelegten Verträge die Höhe eines Erfüllungsrückstands in der begehrten Rückstellungshöhe nicht gelegen.
2.4. Ausgehend von den vorgelegten Unterlagen kann zu den Bilanzstichtagen 31.12.2000 und 31.12.2001 im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 FGO i.V.m. § 162 AO) lediglich Rückstellungen für Provisionsverbindlichkeiten i.H.v. 125.173,12 DM (64.000 €) bzw. 702.142,97 DM (359.000 €) zum Ansatz kommen.
Aus der als Anlage K 56 eingereichten Übersicht über Auszahlungen an Empfänger im Ausland in den Jahren 2001 bis 2010 ist ersichtlich, dass insgesamt (in den Jahren 2001 bis 2010) ein Betrag von 7.533.017,68 € zur Auszahlung gekommen ist. Hieraus leitet das Gericht bei den in 2001 und 2002 erfolgten Auszahlungen an solche Empfänger, für die die Klägerin die Verträge über Beratungs- und/oder Vermittlungsleistungen vorgelegt hat (konkret handelt es sich um die Verträge K22, K23, K25, K27, K28, K29, K31, K32 und K33) eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ab, dass diese teilweise auf Leistungen entfallen, die am Bilanzstichtag des Vorjahres bereits erbracht worden sind.
Da die Schätzung im Hinblick auf die den Steuerpflichtigen treffende Darlegungs- und Beweislast sich im unteren Rahmen bewegen muss, hält das Gericht einen zur Bildung einer Rückstellung bestehenden Erfüllungsrückstand in Höhe eines Viertels des im darauffolgenden Jahr zur Auszahlung kommenden Betrags für glaubhaft. Somit ist zum 31.12.2000 eine Rückstellung in Höhe von 125.173,12 DM (1/4 von 256.000 € = 64.000 €) und zum 31.12.2001 in Höhe von 702.142,97 DM (1/4 von 1.436.000 € = 359.000 €) für gerechtfertigt.
Dagegen kann zum Bilanzstichtag 31.12.1999 keine Rückstellung angesetzt werden, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die von den Vertragspartnern erbrachten Leistungen über einen längeren Zeitraum als 1 Jahr nicht abgerechnet wurden. Aus dem gleichen Grund geht das Gericht auch davon aus, dass die ab dem Jahr 2003 erfolgten Auszahlungen nicht mehr in den Streitjahren und damit zu den streitgegenständlichen Bilanzstichtagen wirtschaftlich verursacht worden sind.
2.5. Ein höherer Ansatz von Provisionsrückstellungen ist nicht unter Verweis auf die Möglichkeit vom Pauschalrückstellungen veranlasst. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen für die Bildung von Pauschalrückstellungen nicht vor.
Pauschalrückstellungen kommen - entgegen dem Grundsatz der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) - nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich dann, wenn es um die Bewertung einer Vielzahl gleichartiger Geschäfte geht und substanzielle Erfahrungswerte aus der Vergangenheit bestehen, dass der Steuerpflichtige mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn gegenüber einer nicht individualisierbaren und zahlenmäßig nur schätzbaren Vielzahl von Personen wirtschaftlich bereits in der Vergangenheit verursachte Verbindlichkeiten wahrscheinlich entstehen werden, beispielsweise, wenn Garantieleistungen zugesagt worden sind (BFH-Urteil vom 30. Juni 1983 IV R 41/81, BStBl II 1984, 263 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall in Bezug auf das Bestehen eines Erfüllungsrückstands aus den streitgegenständlichen Vertragsbeziehungen nicht vor, da sich ein solcher nur individuell, bezogen auf jeden einzelnen Vertrag, bestimmen und der Höhe nach ermitteln lässt und er sich damit aus Erfahrungswerten nicht ableiten lässt.
3. Zu Recht hat das Finanzamt die Passivierung der streitigen Darlehenszinsen in den Streitjahren nicht anerkannt.
Zinsverbindlichkeiten sind nach den Grundsätzen über die Bilanzierung schwebender Verträge grundsätzlich nicht zu passivieren, obwohl der Anspruch bereits mit der Auszahlung des Darlehens entstanden ist. Sie sind jedoch dann zu passivieren, soweit zum Bilanzstichtag die Zinsen für einen Zeitraum geschuldet werden, der vor dem Bilanzstichtag liegt. Darauf, ob die Zinsen zu dem Zeitpunkt fällig sind, kommt es für die Bilanzierung nicht an (BFH-Urteil vom 24. Mai 1984 I R 166/78, BFHE 141, 176, BStBl II 1984, 747).
Die Klägerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass hinsichtlich der passivierten Darlehenszinsen die Voraussetzungen für ihre Passivierungsfähigkeit vorliegen. Aus den als Anlagen K34 bis K45 vorgelegten Darlehensverträgen lässt sich die Höhe der Zinsverbindlichkeiten zu den Bilanzstichtagen nicht berechnen, da weder bekannt ist, ob und wann die Darlehen ausbezahlt worden sind. Auch ist die Zinshöhe nicht bekannt. Es ist lediglich angegeben, dass die Darlehen variabel verzinst werden. Auch die tatsächliche Umsetzung der teilweise nicht unterschriebenen Darlehensverträge ist nicht nachprüfbar. Sämtliche Darlehensgeber sind im Ausland, insbesondere in den ehemaligen Sowjetrepubliken ansässig. Auch ist es nicht möglich, die gebuchten Zinsen aufgrund der Buchung auf ein Sammelkonto bestimmten Darlehen zuzuordnen.
Der Aufforderung des Gerichts vom 2. Februar 2019, eine Berechnung der streitigen Zinsverbindlichkeiten vorzulegen und dabei die anzuwendenden Zinssätze, den Zeitpunkt der Darlehensausreichungen und die Zinszahlungen anzugeben und außerdem die in den Verträgen genannten jährlichen Zinsabrechnungen vorzulegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen und hat vielmehr darauf verwiesen, dass sie sich außerstande sieht, diese Nachweise zu erbringen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht möglich, den Zinsaufwand für die Darlehenszinsen nach § 162 Abs. 1 AO zu schätzen, da bereits das grundsätzliche Bestehen entsprechender Verbindlichkeiten nicht nachgewiesen ist bzw. nicht nachgewiesen ist, dass die Klägerin mit einer Inanspruchnahme tatsächlich rechnen musste.
4. Die Berechnung der festzusetzenden Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge wir dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Gegenläufig zum Saldo der Gewinnänderungen ist die Gewerbesteuerrückstellung entsprechend anzupassen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.