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Steuerrecht
26.04.2018
Steuerrecht
FG Baden-Württemberg: Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes für die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 237 i.V.m. § 238 AO

FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.1.20182 V 3389/16

Volltext:BB-ONLINE BBL2018-982-8

Sachverhalt

I. Streitig in dem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über Aussetzungszinsen nach § 237 AO, insbesondere ob die gesetzliche Zinshöhe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von monatlich einhalb Prozent im Zeitraum November 2012 bis September 2016 verfassungswidrig ist.

Die Antragsteller wurden in den Jahren 2007 bis 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller erzielte unter anderem Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Steuerberater mit einer Kanzlei in X. Nach einem Aktenvermerk des Antragsgegners vom 16. Oktober 2015 verwaltete der Antragsteller neben der Steuerberatung für Kunden Wertpapiere (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 83). Aufgrund der Feststellungen einer abgekürzten Außenprüfung ergingen am 23. Oktober 2012 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 6, 9, 12 und 14). Dies beruhte darauf, dass Wertpapiere, anders als erklärt, nicht als (notwendiges) Betriebsvermögen eingestuft wurden (vergleiche Rechtsbehelfsakten Bd. I

Bl. 17). Die Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 führten zu erheblichen Mehrsteuern. In den Jahren 2007, 2008 und 2010 hatte der Antragsgegner in den Erstbescheiden Steuererstattungen errechnet, aus denen nun erhebliche Nachforderungen wurden. Im Einzelnen wiesen die Bescheide folgende zu wenig entrichtete Steuerbeträge aus:

 

 

Jahr   

ESt     

Zinsen zur ESt

SolZ   

KiSt   

2007   

74.354,00 EUR

13.260,00 EUR

4.106,63 EUR

2.220,00 EUR

2008   

31.577,00 EUR

4.732,00 EUR

1.736,73 EUR

840,00 EUR

2009   

30.028,00 EUR

2.700,00 EUR

1.651,54 EUR

0,00 EUR

2010   

23.448,00 EUR

702,00 EUR

1.388,29 EUR

696,00 EUR

 

Gegen die Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 legte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 21. November 2012 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 1). Die Wertpapiere seien (notwendiges) Betriebsvermögen gewesen.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2013 (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 36) setzte der Antragsgegner die Vollziehung hinsichtlich der in der obigen Tabelle genannten Nachforderungsbeträge aus den geänderten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2007 bis 2010 ohne Sicherheitsleistung aus. Die Aussetzung der Vollziehung wurde befristet und endete jeweils einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch bzw. der sonstigen Erledigung des Einspruchsverfahrens. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens gemäß § 237 AO anfallende Zinsen durch gesonderten Bescheid angefordert würden.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens legte der Prozessbevollmächtigte am 11. Januar 2016 hilfsweise eine Neuberechnung für den Wertpapierbestand vor, die zu einer Reduzierung der Steuerforderung führen sollte (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 94 und 97 ff.). Der Antragsteller wechselte zum 1. Januar 2009 die Gewinnermittlungsart hin zur Bilanzierung und behandelte die Wertpapiere als Privatvermögen (vergleiche dazu die Aktenvermerke des Antragsgegners, Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 1).

Auf dieser Basis erließt der Antragsgegner mit Datum vom 19. August 2016 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2010 (vergleiche die Bescheide für die Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010 in der Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 89, 93, 118 und 100, auf die hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird). Für das Jahr 2009 wurde die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt. Dies führte zu Erstattungszinsen in Höhe von 11.647 EUR und insgesamt einem Guthaben von 52.418,56 EUR, das mit den Nachforderungen für die Jahre 2007, 2008 und 2010 verrechnet wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 19. August 2016 (Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 118) verwiesen.

Die Bescheide für die Jahre 2007, 2008 und 2010 wiesen vor Anrechnung von Guthaben, neben offenen Beträgen für Zinsen zur Einkommensteuer sowie Kirchensteuer, folgende noch offenen Beträge für Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag aus:

 

Jahr   

ESt     

        

SolZ   

        

2007   

41.735,00 EUR

        

2.312,59 EUR

        

2008   

35.284,00 EUR

davon von der Vollziehung ausgesetzt: 31.577,00 EUR

1.940,62 EUR

davon von der Vollziehung ausgesetzt: 1.736,73 EUR

2010   

21.397,00 EUR

        

1.275,48 EUR

        

 

Am 23. September 2016 erließ der Antragsgegner einen Bescheid über Aussetzungszinsen nach § 237 AO (Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 103). Für Einkommensteuer der Jahre 2007, 2008 und 2010 sowie Solidaritätszuschläge in diesen Jahren wurden insgesamt Aussetzungszinsen i. H. v. 22.219 EUR festgesetzt. Verzinst wurden die oben genannten Beträge für den Zeitraum ab dem 26. November 2012 bis zum 11. August bzw. 22. September 2016. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.

Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller am 17. Oktober 2016 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 105).

Mit Bescheid vom 8. November 2016  (Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 107) lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab und brachte das Einspruchsverfahren zum Ruhen, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren unter dem Az. III R 10/16 hingewiesen hatte.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2016 begehrte der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller beim FG vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz. Es bestünden ernstliche Zweifel, ob § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungsgemäß sei. Zur Begründung verwies er auf seine Einspruchsbegründung vom 17. Oktober 2016. Dort hatte er ausgeführt, der Zinsbescheid sei rechtswidrig, weil das dem Bescheid zu Grunde liegende Zinsniveau von 0,5 % im Monat gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO nicht verfassungsgemäß sei. Die vor Jahrzehnten in einem völlig anderen wirtschaftlichen Umfeld getroffene feste Zinssatztypisierung von 6 % pro Jahr sei verfassungswidrig. Zweck der Verzinsung sei die Abschöpfung des Vermögensvorteils, den der Steuerpflichtige dadurch erlangt habe, dass er die Steuerzahlung verspätet geleistet habe. Anknüpfungspunkt dafür sei die Möglichkeit der Kapitalnutzung und die Verfügbarkeit eines bestimmten Geldbetrages. Ansatzpunkt für den Abschöpfungsumfang könne daher nur der Zinssatz im Falle der alternativen Vermögensanlage durch den Steuerpflichtigen sein. Bereits in den Jahren 2007 ff. sei ein Zinssatz von 6 % für Kapitalanlagen am Markt nachhaltig nicht mehr zu erzielen gewesen. Der Bescheid über die Aussetzungszinsen sei außerdem auch summenmäßig unzutreffend.

Ergänzend führte der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 20. März 2017 (FG-Akte Bl. 64 ff.) in Erwiderung auf ein Berichterstatterschreiben vom

14. Februar 2017 aus, an dem Zinsniveau für Dispokredite dürfe der Gesetzgeber den Zinssatz nicht orientieren, da es sich um eine nicht repräsentative, besonders teure Form des Verbraucherkredits handle. Dass der Zinssatz bei Steuererstattungen auch dem Steuerpflichtigen zugutekommen könne, sei für die Streitfrage irrelevant, da der mit Abstand faktisch Hauptbegünstigte der bestehenden Verzinsungsregelung die Finanzverwaltung sei. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, wieso die verfassungswidrige Belastung des einen Steuerpflichtigen durch eine verfassungswidrige Begünstigung eines anderen Steuerpflichtigen kompensiert werden solle. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe unter Hinweis auf unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen die Revision bezüglich der Frage der Angemessenheit des Zinsniveaus zugelassen (BVerwG-Beschluss vom 23. Januar 2017 2 B 65/16, Buchholz 449 § 56 SG Nr. 6).

Der Maßstab „ernstliche Zweifel“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO gelte gleichermaßen für einfachrechtliche wie für verfassungsrechtliche Fragestellungen. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 115 FGO - gemeint ist wohl dabei die Revisionszulassung im Urteil des FG Düsseldorf vom

10. März 2016 16 K 2976/14 AO, EFG 2016, 1053 - stelle ein gewichtiges Indiz für eine ernstliche Zweifelhaftigkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO dar. Wenn das BVerfG entschieden habe (Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. Mai 2015 1 BvR 2096/13, HFR 2015, 697), dass ein Gericht sich widersprüchlich verhalte, wenn es von der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ausgehe, aber gleichwohl Prozesskostenhilfe versage, müsse dies auch dann gelten, wenn es um die Aussetzung der Vollziehung gehe. Denn die „hinreichende Aussicht auf Erfolg“, die das Gesetz für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verlange, entspreche den „ernstlichen Zweifeln“ bei der Frage der Aussetzung der Vollziehung.

Sinngemäß ist der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller außerdem der Auffassung, dass der Gewaltenteilungsgrundsatz und das Verwerfungsmonopol des BVerfG dem Aussetzungsbegehren nicht entgegenstehen, da Eilrechtsschutz Individualrechtsschutz und jede Aussetzungsentscheidung eine Einzelfallentscheidung seien. Der Antragsteller gehe auf die 70 Jahre zu und könne die Aussetzungszinsen nicht ohne Weiteres aus laufendem Einkommen bezahlen, da es sich um einen erheblichen Betrag handle.

Der Zinsbescheid sei auch summenmäßig unzutreffend. Die verbleibende Einkommen-steuer für das Jahr 2007 betrage 31.718 EUR. Der Auszahlungsbetrag – bei der Berechnung des noch zu zahlenden Gesamtbetrags wurde berücksichtigt, dass die Finanzkasse den Antragstellern zunächst aufgrund der Erstveranlagung 10.017 EUR ausbezahlt hatte – sei nicht Bestandteil der Aussetzung gemäß der Aussetzungsverfügung vom

16. Januar 2013. Entsprechendes gelte für die Jahre 2008 bis 2010. Im Übrigen habe der Antragsgegner bei der Berechnung des zu verzinsenden Betrages die Verrechnungsbeträge aus der Einkommensteuer 2009 nicht mindernd berücksichtigt. Die Verrechnungssituation habe objektiv bereits bei Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2009 am 23. Oktober 2012 vorgelegen. Die Berechnung der Aussetzungszinsen sei außerdem summenmäßig nicht überprüfbar. Die fehlende Transparenz der Zinsberechnung stelle als Verstoß gegen die Informationspflicht aus

§ 364 AO einen eigenständigen Aussetzungsgrund dar. Solange Besteuerungsgrundlagen nicht in einer Weise mitgeteilt würden, die eine effektive Rechtsverteidigung ermöglichten, sei schon deshalb zwingend die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf die Antragsbegründung vom 17. Oktober 2016 (FG-Akte Bl. 14), die Begründung des Einspruchs vom 21. November 2012 (Rechtsbehelfsakten Bd. I Bl. 1) sowie den Schriftsatz vom

20. März 2017 (FG-Akte Bl. 64) verwiesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Bescheids vom 23. September 2016 vollumfänglich ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller hätten nicht ausgeführt, weshalb die Berechnung der Aussetzungszinsen nicht den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Zwar sei im Hinblick auf das beim BFH unter dem Az. III R 10/16 anhängige Verfahren das Ruhen des Einspruchsverfahrens wegen der Aussetzungszinsen gewährt worden. Die Entscheidung des BFH bleibe abzuwarten. Mit Urteilen vom 1. Juli 2014 (IX R 31/13) sowie vom 14. April 2015 (IX R 5/14) habe der BFH jedoch entschieden, dass die Höhe des Zinssatzes jedenfalls für Verzinsungszeiträume vor dem 1. Januar 2012 nicht gegen das GG verstoße.

Mit Schreiben vom 3. März 2017, das dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zugeleitet wurde und auf das hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, nahm der Antragsgegner eingehend Stellung zur konkreten Berechnung der Zinsen (FG-Akte

Bl. 57 ff.).

Dem Gericht lagen bei der Entscheidung zwei Bände Rechtsbehelfsakten des Antragsgegners vor.

Aus den Gründen

II. Der Antrag ist unbegründet. Die von den Antragstellern begehrte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Zinsbescheides vom 23. September 2016 kann nicht gewährt werden. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids noch hat dessen Vollziehung für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Letzteres steht im vorliegenden Verfahren nicht im Raum. Die Antragsteller haben keine unzumutbare Härte geltend gemacht, und die Aktenlage lässt hierfür nichts erkennen.

Ernstliche Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 20. Januar 2015 XI B 112/14, BFH/NV 2015, 537).

2. Auf der Grundlage dieser Leitlinien der Rechtsprechung ist der angefochtene Zinsbescheid nicht von der Vollziehung auszusetzen. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass § 237 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO verfassungsgemäß ist (dazu a). Selbst bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser Norm wäre die Vollziehung nicht auszusetzen, weil der Antragsteller das hierfür erforderliche besondere berechtigte Interesse nicht hat (dazu b). Außerdem entspricht der Bescheid den einfachgesetzlichen Vorgaben des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO (dazu c).

a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung in § 237 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, dass dann, wenn ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, mit einhalb Prozent monatlich zu verzinsen ist. Zwar wird in Teilen der Literatur vertreten, dass dieser Zinssatz angesichts des seit mehreren Jahren niedrigen Zinsniveaus verfassungswidrig sei (vgl. zuletzt z. B. Strotkemper/Witfeld, BB 2016, 2598; Jonas, DStR 2016, 950; eingehend Seer, DB 2014, 1945; aus der Kommentarliteratur zumindest tendenziell dieser Ansicht sind Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Dokumentenstand 143. Lieferung Januar 2016, § 238 AO, Rn. 2 und Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Dokumentenstand 231. Lieferung Februar 2015, § 238 AO, Rn. 3). Teilweise beziehen sich die Vertreter dieser Ansicht ausdrücklich auf Nachzahlungszinsen, teilweise wird der Zinssatz wohl allgemein für verfassungswidrig gehalten, ohne dass die nach Auffassung des Senats erforderliche Differenzierung zwischen den verschiedenen Verzinsungstatbeständen wie z. B. Nachforderungszinsen oder Aussetzungszinsen bei der Argumentation Berücksichtigung fände. Die Rechtsprechung hat bislang, soweit ersichtlich, in keinem Fall den Zinssatz des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für verfassungswidrig gehalten, sondern die Verfassungsmäßigkeit für alle Zeiträume und alle Verzinsungstatbestände bestätigt (grundlegend aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, für Nachzahlungszinsen und den Zeitraum bis März 2006, aber mit allgemeinen Erwägungen, die auch über diesen Zeitraum hinaus Geltung beanspruchen; in den Zinszeitraum betreffend grundsätzlich chronologisch absteigender Reihe außerdem, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: FG Münster, Urteil vom 17. August 2017 10 K 2472/16,  EFG 2017, 1638, für Nachzahlungszinsen bis Dezember 2015; FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juli 2016 3 V 401/16, juris, für Aussetzungszinsen bis November 2015; FG Köln, Urteil vom 27. April 2017 1 K 3648/14, EFG 2017, 1493, für Nachzahlungszinsen bis September 2014; FG Münster, Beschluss vom 22. Oktober 2015 8 V 2578/15 E, juris, für Aussetzungszinsen bis März 2014; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2014 3 K 3079/13, EFG 2014, 724, für Aussetzungszinsen bis Dezember 2011, allerdings mit dem Hinweis, dass der Zinssatz auch derzeit, d. h. im Januar 2014, verfassungsgemäß sei; nachgehend und diese Auffassung jedenfalls für den Zeitraum bis Dezember 2011 bestätigend, BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 5/14, BStBl II 2015, 986; BFH-Beschluss vom 19. Februar 2016 X S 38/15 (PKH), BFH/NV 2016, 940, für Nachzahlungszinsen bis 2013 mit dem Hinweis, dass die Kritik der Literatur am gesetzlichen Zinssatz weder die Funktion dieses Zinssatzes noch die einschlägige Rechtsprechung hierzu beachte; FG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2016 16 K 2976/14 AO, EFG 2016, 1053, für Nachzahlungszinsen bis Juli 2013, Revision anhängig (Az. beim BFH: III R 10/16) nach Zulassung durch das FG; FG München, Urteil vom 21. Juli 2015 6 K 1144/15, juris, Nachzahlungszinsen bis Juni 2013, Revision anhängig (Az. beim BFH: III R 16/16) nach Zulassung durch den BFH, BFH-Beschluss vom 13. September 2016 III B 79/15, nicht dokumentiert; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Juli 2014 14 A 1196/13, Versorgungswirtschaft 2015, 93, für Nachzahlungszinsen bis August 2012; ebenso für einen offensichtlich späteren, der Entscheidung aber nicht zu entnehmenden Zeitraum danach - Zinsbescheide vom 7. November 2016 - Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. September 2017 14 B 939/17, juris; Thüringer FG, Urteil vom 22. April 2015 3 K 889/13, EFG 2016, 354, für Nachzahlungszinsen bis 21. November 2011; BFH-Beschluss vom 29. Mai 2013 X B 233/12, BFH/NV 2013, 1380, für Nachzahlungszinsen bis mindestens 2011; FG Hamburg, Urteil vom 23. Mai 2013 2 K 50/12, EFG 2013, 1734, für Aussetzungszinsen bis zum 21. März 2011, allerdings mit Bedenken für zukünftige Zeiträume, die das im Revisionsverfahren dazu ergangene BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl II 2014, 925, zu dem Hinweis veranlasste, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten sein kann zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter veränderten Umständen aufrechtzuerhalten ist).

Der Senat schließt sich dem für den im vorliegenden Fall streitigen Zeitraum bis zum 22. September 2016 und aus grundsätzlichen Erwägungen auch darüber hinaus jedenfalls im Hinblick auf die allein streitgegenständlichen Zinsen im Falle der Aussetzung der Vollziehung an. Die gesetzliche Regelung verstößt weder gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m.  Art. 20 Abs. 3 GG (dazu aa), noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (dazu bb) oder Art. 19 Abs. 4 GG (dazu cc). Entscheidungen anderer Gerichte, die eine Aussetzung der Vollziehung gebieten würden, liegen nicht vor (dazu dd).

aa) Art. 2 Abs. 1 GG schützt nach ständiger Rechtsprechung die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne, also die Freiheit zu jedem beliebigen Tun und Unterlassen (ständige Rechtsprechung seit BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32). Dies hat auch steuerrechtliche Folgen. Wenn der Staat dem Bürger eine Abgabe auferlegt, greift er in dessen allgemeine Handlungsfreiheit ein. Dieser Eingriff muss eine gesetzliche Grundlage haben und das Übermaßverbot beachten. Wegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG darf ein Steuerpflichtiger deshalb nicht zu einer unverhältnismäßigen Abgabe herangezogen werden (so BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07,BFH/NV 2009, 2115, Orientierungssatz 2a mit weiteren Nachweisen; vergleiche auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. September 1999 1 BvR 1013/99, NJW 2000, 649, wonach die Pflicht zur Entrichtung von Rundfunkgebühren einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit darstellt).

Durch die Pflicht, einhalb Prozent monatlich an Aussetzungszinsen zu bezahlen, wird indessen nicht verfassungswidrig in die allgemeine Handlungsfreiheit des Steuerpflichtigen eingegriffen. Die durch ein formelles Gesetz, § 237 i. V. m. § 238 AO, statuierte Verzinsungspflicht verfolgt verfassungsgemäße Zwecke. Sie ist geeignet, erforderlich und auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) zur Erreichung dieser Zwecke.

 (1) Sinn und Zweck der in § 237 AO enthaltenen gesetzlichen Regelung der Verzinsungspflicht ist es zum einen, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den der Steuerpflichtige dadurch erhält, dass er während der Dauer der Aussetzung  der Vollziehung über eine Geldsumme verfügen kann, die nach dem im angefochtenen Steuerbescheid konkretisierten materiellen Recht „an sich“ dem Steuergläubiger zusteht (so BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl II 2014, 925, unter II.1.a, m. w. N.). Außerdem hat die Verzinsungspflicht bei der Aussetzung der Vollziehung den Zweck, unnötige Steuerprozesse zu vermeiden. § 237 AO geht zurück auf § 251a Reichsabgabenordnung. Als der Gesetzgeber diese Norm neu einfügte (durch Art. 17 Ziffer 11 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961, BGBl I 1961, 996), hatte er im Blick, dass Steuerpflichtige selbst dann, wenn sie die Aussichten eines Rechtsstreits für gering erachteten, die FGe anriefen, da die Prozesskosten in vielen Fällen geringer seien als der Zinsvorteil, der ihnen infolge der Aussetzung der Vollziehung und der damit bedingten späteren Zahlung erwachse (so der Entwurf des Steueränderungsgesetzes 1961, Bundestagsdrucksache 3/2573, Seite 37). Der Gesetzgeber sah die neue Vorschrift als das Gegenstück zu § 155 AO a. F. (eingefügt aufgrund von Art. 17 Ziffer 6 des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961, BGBl I 1961, 995), die als eine der Vorgängervorschriften von § 236 AO die Zahlung von Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge regelte.

Die beiden genannten Zwecke der Regelung widersprechen der Verfassung nicht. Der Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, gebietet es vielmehr, dass diejenigen, die ihre Steuern nicht sogleich bei Fälligkeit entrichten, nicht besser gestellt werden, als diejenigen, die die Steuerschuld sofort begleichen. Die Verzinsung dient somit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (so BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.a)bb)(2)(a)). Soweit ersichtlich ist die grundsätzliche Zulässigkeit einer Verzinsungspflicht deshalb unbestritten.  Außerdem ist es in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verwehrt ist, mit einer Gebührenregelung oder auch einer Verzinsungspflicht neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, unter C.II.2.b)bb)(2)(a) zur Verzinsungspflicht nach Einsprüchen gegen behördliche Kartellbußen, m. w. N. zur ständigen Rechtsprechung).

(2) Die Festlegung eines Zinssatzes von einhalb Prozent monatlich ist geeignet, die oben genannten Ziele zu erreichen. Was das Ziel angeht, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Steuerpflichtige während der Phase der Aussetzung der Vollziehung das Kapital nutzen kann, während dies dem Steuergläubiger nicht möglich ist, so könnte durch den aktuellen Zinssatz eventuell eine Überkompensation eintreten. Dies allerdings ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Grundsätzlich ist die Verzinsungspflicht geeignet, den Ausgleich herbeizuführen. Außerdem ist die Verzinsungspflicht geeignet, den Steuerpflichtigen von leichtfertigen Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung abzuhalten.

(3) Die Verzinsungspflicht mit einem Zinssatz von einhalb Prozent monatlich ist auch erforderlich. Es gibt kein gleich geeignetes milderes Mittel zur Zielerreichung. Im Hinblick auf das Ziel, Aussetzungsanträge zu vermeiden, die der Steuerpflichtige nur stellt, um das Kapital vorübergehend weiter selbst nutzen zu können, ist dies evident. Je höher der Zinssatz für die Aussetzungszinsen ist, desto geeigneter ist er zur Zielerreichung. Ein niedrigerer Zinssatz ist immer weniger geeignet. Was das weitere Ziel angeht, einen Ausgleich für die mögliche Nutzung des Kapitals zu schaffen, so entzieht sich die Frage der Zinshöhe der herkömmlichen Grundrechtsdogmatik. Denn was erforderlich zur Zielerreichung ist, kann nicht ohne Weiteres bestimmt werden. Dies hängt davon ab, in welcher finanziellen Situation sich der Steuerpflichtige befindet und welche Dispositionen er trifft (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, unter III.1.b)bb). Letztlich ist der Zinssatz deshalb am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu messen.

 (4) Die Verzinsungspflicht mit dem Zinssatz von einhalb Prozent ist angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Zinshöhe ist schon per se nicht verfassungswidrig (dazu (a)). Zu berücksichtigen ist bei Aussetzungszinsen außerdem, dass der Steuerpflichtige den als zu hoch empfundenen Zinsen im Regelfall ausweichen kann (dazu (b)).

(a) Der in Teilen der Rechtsliteratur vertretenen Auffassung, der Zinssatz von 6 % jährlich weiche so weit von den marktüblichen Zinsen ab, dass er nicht mehr verhältnismäßig sei, kann der Senat jedenfalls im Hinblick auf Aussetzungszinsen nicht zustimmen. Die genannte Auffassung wird teilweise damit begründet, dass Steuerpflichtige am Kapitalmarkt keine auch nur annähernd so hohen Zinserträge erwirtschaften könnten. Dieser Vergleichsmaßstab ist allerdings bei der Frage, ob Aussetzungszinsen sich im Rahmen des Angemessenen halten, nicht sachgerecht. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, den gesetzlichen Zinssatz daran zu orientieren, welche Zinserträge am Kapitalmarkt zu erwirtschaften waren. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er sich stattdessen daran orientiert, welche Zinsen der Steuerpflichtige für ein Darlehen hätte aufbringen müssen. Die Interessenlage bei Aussetzungszinsen unterscheidet sich deutlich von der bei der Verzinsung von Steuernachforderungen. Letztere kann nach längerer Zeit eintreten, ohne dass der Steuerpflichtige dies hätte vorhersehen müssen. Zwar werden in der Regel unzutreffende Angaben in einer Steuererklärung oder falsche rechtliche Würdigungen die Ursache einer Steuernachforderung sein. Allerdings kann es wegen der Komplexität des Steuerrechts oder auch Änderungen in der Rechtsprechung oder der Verwaltungsauffassung zu kaum vorhersehbaren Steuernachforderungen kommen. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, bei Nachzahlungszinsen nur einen Zinsvorteil abzuschöpfen, der durchschnittlich bei generalisierender Betrachtung aller Steuerpflichtigen voraussichtlich erzielt wird. Auch in diesem Zusammenhang ist allerdings eine Beschränkung des Maßstabs auf die Frage, welche Zinserträge der Steuerpflichtige mit einer Geldanlage am Kapitalmarkt hätte erwirtschaften können, kein zwingender oder auch nur tauglicher Vergleichsmaßstab. Denn während der eine Steuerpflichtige eventuell ohne Fremdkapital arbeitet und nur insofern einen Vorteil hat, als er das vorübergehend nicht zur Begleichung der Steuerforderung eingesetzte Kapital selbst hätte anlegen können, ist ein anderer Steuerpflichtiger eventuell für seinen Beruf oder auch seine Lebensführung auf Fremdkapital angewiesen, für das er im Regelfall deutlich höhere Zinsen bezahlen muss, als er selbst am Markt mit einer Geldanlage erwirtschaften könnte. Deshalb geht die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Angemessenheit des Zinses für Steuernachforderungen davon aus, dass der Vergleichsmaßstab sowohl die bei Geldanlagen zu erzielenden Zinsen als auch die für Darlehen zu zahlenden Zinsen sein müssen (BFH-Beschluss vom 29. Mai 2013 X B 233/12 , BFH/NV 2013, 1380, unter 3.; FG Köln, Urteil vom 27. April 2017 1 K 3648/14, EFG 2017, 1493, unter I.1.b)). Dass bei der Ermittlung des angemessenen Zinssatzes zu berücksichtigen ist, welche Zinsen Steuerpflichtige zahlen müssen, wenn sie das Geld zur Bezahlung der streitigen Steuersumme als Darlehen aufnehmen müssen, gilt erst recht bei der Ermittlung des verfassungsrechtlich noch zulässigen Höchstzinssatzes bei Aussetzungszinsen (vgl. in diesem Sinne FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2014 3 K 3079/13, EFG 2014, 724; vgl. auch BFH-Urteil vom 1. Juli 2014 IX R 31/13, BStBl II 2014, 925).

Denn strukturell tritt der Staat bei der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung dem Steuerpflichtigen wie ein Darlehensgeber gegenüber. Der vom Gesetz hierfür statuierte Zinssatz von 6 % ist angesichts der üblichen Zinssätze nicht unverhältnismäßig. Denn bei der Ermittlung eines angemessenen Zinssatzes ist zum einen zu berücksichtigen, dass dem Staat im Steuerrecht von der Verfassung ein weitgehender Gestaltungsspielraum zugestanden wird (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115, m. w. N.). Nicht alles, was eventuell nicht zweckmäßig ist oder der - vermeintlich - gerechtesten Lösung entspricht, stellt zugleich einen Verfassungsverstoß dar. Zum anderen ist zu sehen, dass Darlehen in dem streitigen Zeitraum zwar teilweise zu wesentlich günstigeren Konditionen aufgenommen werden konnten, dies aber vor allem für besicherte Darlehen zu Investitionszwecken gilt. Für Konsumdarlehen wurden demgegenüber Zinssätze verlangt, die eine ähnliche Höhe haben, wie der gesetzliche Zinssatz von 6 %. Auch die Verzugs- oder Prozesszinsen nach § 288 BGB (i. V. m. § 291 Satz 2 BGB) sind höher bzw. ähnlich hoch wie der gesetzliche Zinssatz von 6 % für Aussetzungszinsen. Nochmals höher sind die üblichen Bankzinsen für Dispokredite. Im Einzelnen lassen sich folgende Zahlen für den Streitzeitraum ermitteln:

Der Basiszinssatz betrug im Streitzeitraum zwischen November 2012 und September 2016 zwischen 0,12 % (ab Juli 2012) und -0,88 % (ab Juli 2016) [https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Bundesbank/Zinssaetze/basiszinssatz.html; Ausdruck auf Bl. 68 der FG-Akte.]. Der Verzugszins gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für Verbraucher, der 5 % über dem Basiszinssatz liegt, betrug damit zwischen 5,12 % und 4,12 %. Der Verzugszins bei Rechtsgeschäften, an denen Verbraucher nicht beteiligt sind, liegt seit dem 29. Juli 2014 gemäß § 288 Abs. 2 BGB 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, zuvor 8 % darüber, und lag damit zwischen mindestens 7,27 % (vom 1. bis 28. Juli 2014) und höchstens 8,27 % (vom 29. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014). Dieselben Werte gelten gemäß § 291 Satz 2 BGB für Prozesszinsen.

Der Zins für Dispokredite lag nach einer Untersuchung der Stiftung Wartentest im Juli 2017 (https://www.test.de/Girokonten-Dispozinsen-4586765-0/; Ausdruck auf Bl. 69 der FG-Akte) im Durchschnitt bei 9,78 % und damit 0,1 Prozentpunkte unter dem des Vorjahrs.

In der Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank werden folgende durchschnittliche Zinssätze - Effektivzinssatz - für Konsumentenkredite, Wohnungsbaukredite und Sonstige Kredite (https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Geld_und_Kapitalmaerkte/Zinssaetze_Renditen/S510ATGV.pdf?__blob=publicationFile; Ausdruck auf Bl. 70 ff. der FG-Akte) genannt:

Der Zinssatz für Konsumentenkredite (ohne Überziehungskredite) mit anfänglicher Zinsbindung und variabler Laufzeit oder Laufzeit bis zu einem Jahr (SUD113) lag laut Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank im November 2012 bei 4,63 % und im September 2016 bei 6,04 %, der niedrigste Wert in diesem Zeitraum betrug 3,88 %, der höchste 6,04 %. Für Laufzeiten von 1 bis 5 Jahren (SUD114) betrug der Zinssatz im Streitzeitraum höchstens 5,22 % (Januar 2013) und lag am niedrigsten bei 4,41 % (März 2015). Für Laufzeiten von über 5 Jahren (SUD115) betrug der höchste Wert 8,08 % (Januar 2013) und der geringste 6,79 % (April 2015).

Bei Wohnungsbaukrediten lagen die Werte für Kredite mit variabler Laufzeit oder Laufzeit bis zu einem Jahr (SUD116) höchstens bei 2,91 % (Mai 2013) und mindestens bei 2,01 % (September 2016). Bei Laufzeiten von 1 bis 5 Jahren (SUD117) betrugen die Werte maximal 2,55 % (Dezember 2012) und minimal 1,75 % (September 2016), bei Laufzeiten von 5 bis 10 Jahren (SUD118) höchstens 2,91 % (Oktober 2013) bis minimal 1,48 % (September 2016).

Sonstige Kredite, z. B. für Geschäftszwecke oder Ausbildung, wurden mit variabler Laufzeit oder Laufzeit bis zu einem Jahr (SUD 120) zu einem Zins von höchstens 2,14 % (August 2014) bis zum geringsten Wert von 1,58 % (Mai 2015), für Laufzeiten von 1 bis 5 Jahren (SUD121) für maximal 3,86 % (November 2012) bis minimal 2,58 % (Juni 2016) und bei Laufzeiten von über 5 Jahren (SUD122) für maximal 3,09 % (Oktober 2013) bis minimal 1,81 % (September 2016) vergeben. Wie auch bei den Wohnungsbaukrediten kann davon ausgegangen werden, dass es sich zum weit überwiegenden Teil um besicherte Kredite handelt.

Bei einer Gesamtschau dieser Werte für Darlehenszinsen sieht der Senat keinen Anlass, einen Zinssatz von 6 % als verfassungswidrig anzusehen. Die Verfassung bietet keinen Maßstab, um aus der obigen Aufstellung eine bestimmte Darlehensgruppe als maßgeblich herauszugreifen. Ebenso wenig ist zu erkennen, wie aus den Werten ein Durchschnittswert gebildet werden könnte, an dem der gesetzliche Zinssatz von 6 % jährlich gemessen werden könnte (a. A. FG Münster in seinem Urteil vom 17. August 2017 10 K 2472/16, EFG 2017, 1638, das allerdings im Ergebnis den Zinssatz von 6 % für Nachzahlungszinsen und den Zeitraum 2012 bis 2015 für verfassungsgemäß hält). Damit ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert, sich bei der gesetzlichen Festlegung von Aussetzungszinsen am Dispozins oder auch dem zwischen Bürgern geltenden gesetzlichen Zinssatz für Verzugs- und Prozesszinsen zu orientieren, der gemittelt über 6 % jährlich liegt. Gegen Letzteres wurde eingewendet, dass in Fällen von Nachzahlungen, aber auch Stundung und Aussetzung der Vollziehung kein Verzug vorliege, weil die Steuerforderung nicht fällig sei (so Jonas, DStR 2016, 950, 953 f.). Bei fälligen Steuerforderungen greife vielmehr der Säumniszuschlag. Dem ist entgegenzuhalten, dass die hier alleine streitgegenständlichen Aussetzungszinsen nur dann erhoben werden, wenn die Rechtsbehelfe des Steuerpflichtigen gegen die Steuerfestsetzung endgültig keinen Erfolg gehabt haben. Damit steht aus der Rückschau fest, dass der Steuerpflichtige die Steuer von Rechts wegen von Anfang an geschuldet hat. Nicht anders ist die Ausgangslage bei einem Rechtsstreit zwischen Bürgern, wenn über die Höhe einer Forderung gestritten wird, die letztlich erst durch die Zivilgerichte rechtsverbindlich festgestellt wird. Auch der Beschluss des BVerfG vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, spricht dafür, dass Verzugs- und Prozesszinsen als Vergleichsmaßstab herangezogen werden können. Dem BVerfG lag die Frage zur Entscheidung vor, ob die in § 81 Abs. 6 GWB geregelte Verzinsungspflicht einer durch Bußgeldbescheid der Kartellbehörde festgesetzten Geldbuße, die auch während eines Einspruchsverfahrens gegen den Bußgeldbescheid galt, mit dem GG vereinbar ist. Das BVerfG hat es für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, dass die Norm eine Verzinsung mit dem Verzugszinssatz des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, also mit 5 % über dem Basiszinssatz, anordnet. Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung nicht auf die Aussetzungszinsen zu übertragen. Auch in Kartellverfahren steht erst mit Abschluss des Verfahrens fest, ob die Buße zu Recht verhängt wurde. Sie ist während des Einspruchsverfahrens nicht fällig.

Selbst wenn man nicht alleine auf die Darlehenszinssätze abstellt, sondern bei der Bewertung der Verfassungsmäßigkeit der Aussetzungszinsen berücksichtigt, welche Zinserträge der Steuerpflichtige mit dem Kapital erwirtschaften könnte, ergibt sich nicht eindeutig, dass eine Rendite von 6 % jährlich nicht zu erreichen ist. Zwar liegen die Zins-sätze für Tagesgelder oder auch Festgelder schon seit Jahren weit unter 6 % jährlich. Die Zinssätze für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist betrugen im November 2012 durchschnittlich 1,17 % und sind seitdem bis September 2016 kontinuierlich bis auf 0,26 % gefallen (https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Statistiken/Geld_und_Kapitalmaerkte/Zinssaetze_Renditen/S510ATSPAR3.pdf?__blob=publicationFile; Ausdruck auf Bl. 73 der FG-Akte). Allerdings sind auch derzeit noch deutlich höhere Renditen möglich, ohne dass es sich um unübliche Hochrisikogeschäfte handeln würde. Wer Anfang 2013 in die Aktien des DAX investierte und sie Ende des Jahres verkaufte, hatte eine Rendite von 2,7 %. In den Jahren 2014, 2015 betrugen die Werte 9,6 % bzw. 6,9 % (https://www.boerse.de/grundlagen/aktie/Renditedreieck-Dax-Jaehrliche-Durchschnittsrenditen-seit-1980-8; Ausdruck auf Bl. 74 der FG-Akte). Die DAX-Rendite von Anfang 2013 bis Ende 2015 (neuere Werte lagen dem Gericht nicht vor) betrug durchschnittlich 6,3 %. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass im unternehmerischen Bereich zur Verfügung stehendes Kapital für die eigenen unternehmerischen Zwecke frei ist. Bei den rund 4.500 Familienunternehmen mit Jahresumsätzen von über 50 Millionen Euro lag die Eigenkapitalrendite trotz der Niedrigzinsphase im Zeitraum von 2012 bis 2014 ausweislich einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn im Durchschnitt deutlich über 10 % jährlich (https://www.ifm-bonn.org/uploads/tx_ifmstudies/bdi-familienunternehmen-6-kennzahlenupdate.pdf, Seite 15 folgende, Ausdruck Bl. 76 der FG-Akte). Die Gesamtkapitalrentabilität, die nach der Formel (Jahresüberschuss + Zinsen)/Gesamtkapital zu ermitteln ist, betrug ausweislich der Statistischen Sonderveröffentlichung 5 der Deutschen Bundesbank, Hochgerechnete Angaben aus den Jahresabschlüssen deutscher Unternehmen, in den Jahren 1997 bis 2016 im Durchschnitt aller deutschen Unternehmen zwischen 5,6 % und 8,4 %. Die Werte der Jahre 2013 bis 2016 waren 6,4 %, 6,3 %, 6,0 % und 6,5 % (Vgl. die Zeile 146 mit dem Titel Jahresergebnis und Zinsaufwendungen im Blatt mit dem Titel „1.“ der im Internet unter https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Publikationen/Statistiken/Statistische_Sonderveroeffentlichungen/Statso_5/statistische_sonderveroeffentlichungen_5.html abrufbaren Excel-Tabelle, Ausdruck partiell in der FG-Akte Bl. 77, 78. In die Formel einzusetzen ist nicht der Wert für den Jahresüberschuss, Zeile 28, sondern das Jahresergebnis nach Steuern, Zeile 25, weil die Ergebniszuführungen und Ergebnisabführungen an Mütter -und Tochterunternehmen für die Rentabilitätsberechnung außer Betracht bleiben müssen).

Vor diesem Hintergrund kann von einer Unverhältnismäßigkeit des Zinssatzes von einhalb Prozent monatlich keine Rede sein. Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet es, dass die Rechtsprechung nur bei offensichtlich nicht mehr vertretbaren Entscheidungen des Gesetzgebers eingreift. Dass ein niedrigerer Zinssatz angesichts der andauernden Niedrigzinsphase eventuell dem Gerechtigkeitsgefühl eher entsprechen würde, begründet keinen Verfassungsverstoß. Dieser liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Gebührenrecht nur bei einem groben Missverhältnis zwischen der Kostendeckung als Gebührenzweck und der Gebührenbemessung vor (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 6. November 2012 2 BvL 51/06, BVerfGE 132, 334, der ein solches, zur Verfassungswidrigkeit führendes, grobes Missverhältnis bei einer Rückmeldegebühr i. H. v. 100 DM und gleichzeitigen realen Verwaltungskosten von 42 DM annahm; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 2 BvL 9/98 u. a., BVerfGE 108, 1, das eine Rückmeldegebühr von 100 DM bei einem durchschnittlichen Verwaltungsaufwand in der Größenordnung von 8,33 DM für grundgesetzwidrig hielt). Im Zivilrecht wird ein zur Sittenwidrigkeit führender Wucherzins i. d. R. erst angenommen, wenn der Zinssatz ca. das Doppelte beträgt oder 12 % per annum über dem Marktüblichen liegt (Sack/Fischinger in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 138, Rn. 254, m. w. N.). Ein Vergleich mit dem Zivilrecht wird allerdings dadurch erschwert, dass sich in zivilrechtlichen Streitigkeiten aufgrund des konkreten Ansatzpunktes eines eventuell sittenwidrigen Vertrags ein vergleichbarer marktüblicher Vertrag ermitteln lässt. Demgegenüber stellt sich bei der Bewertung der Aussetzungszinsen nach § 237 i. V. m. § 238 AO bereits die Frage, welcher marktübliche Zinssatz zum Vergleich herangezogen werden soll. Wie oben ausgeführt, schreibt die Verfassung dem Gesetzgeber keinen konkreten Vergleichszins vor. Eine Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 6 % jährlich für Aussetzungszinsen wäre deshalb erst dann zu bejahen, wenn alle möglichen und oben dargestellten Vergleichszinssätze substantiell niedriger wären als 6 % jährlich.

 (b) Hinzu kommt, dass der Steuerpflichtige die Aussetzungszinsen zumindest im Regelfall vermeiden kann, indem er die Steuerschuld bezahlt und sich zu einem günstigeren Zinssatz anderweitig refinanziert. Dieser Umstand ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des Staates zu berücksichtigen (vgl. zur Möglichkeit, Zinszahlungen auf Kartellbußen zu vermeiden, BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, unter C.II.2.b)bb)(2)(b)(bb)(β), ferner zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der sogenannten „neuen Formel“ bei Art. 3 Abs. 1 GG BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.II.3.d)bb) sowie BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, HFR 2005, 56, Leitsatz 2c, m. w. N.). Eine Aussetzung der Vollziehung wird in der Regel auf Antrag des Steuerpflichtigen gewährt. Der Hinweis, dass das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 362 Abs. 2 Satz 1 AO auch ohne Antrag des Steuerpflichtigen anordnen und ihm damit die Aussetzung aufdrängen könne, geht fehl. Abgesehen davon, dass die aufgedrängte Aussetzung der Vollziehung nach richtiger Auffassung ermessensfehlerhaft ist (so mit eingehender Begründung FG Köln, Urteil vom 8. September 2010 13 K 960/08, EFG 2011, 105; zustimmend Rätke in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 361 Rn. 56, m. w. N.), kann der Steuerpflichtige die Verzinsungspflicht vermeiden, indem er den Steueranspruch erfüllt (BFH-Urteil vom 22. Mai 2007 X R 26/05,BFH/NV 2007, 1817, unter II.4.a; BFH-Beschluss vom 28. Juni 2010 III B 97/09, BFH/NV 2010, 1784). Ist dem Steuerpflichtigen das nicht möglich, so indiziert dies, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse schwierig sind und er wegen des damit verbundenen Risikos günstigere Zinssätze nicht erlangen kann (ähnlich auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2014 3 K 3079/13, EFG 2014, 724). Dem Senat erschließt sich nicht, warum der Staat in diesen Fällen besonders günstige, für den konkreten Betroffenen am Markt nicht zu erlangende Zinssätze, gewähren soll, obwohl ein Ausfall der Steuerforderung durch eine Insolvenz des Steuerschuldners droht.

bb) Die gesetzliche Regelung zu den Aussetzungszinsen verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

 (a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dies gilt für die Auswahl des Steuergegenstands und auch für die Bestimmung des Steuersatzes. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten des einzelnen Falls vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115).

(b) Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist unter Berücksichtigung dieser verfassungsgerichtlichen Leitlinien nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist es legitim, zwischen den Steuerschuldnern, die die festgesetzten Steuern sogleich bezahlen, und denjenigen, die Einspruch einlegen und eine Aussetzung der Vollziehung beantragen, zu differenzieren. Die sich daran anknüpfende Ungleichbehandlung überschreitet das zulässige Maß nicht, wie oben dargelegt wurde. Die in der Anwendung des Zinssatzes von 6 % jährlich zutage tretende Ungleichbehandlung ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil sie an einen atypischen Fall anknüpfen würde. Vielmehr sind im unternehmerischen Bereich auch heute noch Renditen von 6 % nicht ungewöhnlich. Im Privatbereich wiederum sind Darlehenszinssätze von ähnlicher Höhe Teil der wirtschaftlichen Realität. Der Gesetzgeber ist, wie oben ausgeführt, nicht von Verfassungs wegen gezwungen, sich an besonders niedrigen Zinssätzen, z. B. für Spareinlagen oder für langfristige Immobiliendarlehen, zu orientieren.

Der pauschalierende Zinssatz von 6 % verstößt auch nicht gegen das Gebot der Folgerichtigkeit. In der Rechtsordnung hat der Staat keine Regelungen getroffen, die vergleichbare Personengruppen wesentlich anders behandeln würden. Im Privatrecht hat er mit den Verzugszinsen und Prozesszinsen Zinssätze festgelegt, die denjenigen der Aussetzungszinsen nahekommen oder sie sogar übersteigen. Steuerpflichtige werden somit nicht schlechter behandelt als Bürger, die Forderungen anderer Bürger nicht begleichen und deshalb von Gesetzes wegen zinspflichtig werden. Gesetzliche Regelungen, die einen Zinssatz von 6 % zwischen Bürgern für unzulässig erklären würden, existieren nicht. Ein Wucherzins nach zivilrechtlichen Grundsätzen liegt nicht vor.

cc) Art. 19 Abs. 4 GG wird durch die gesetzliche Regelung der Aussetzungszinsen ebenfalls nicht verletzt. Nach einer teilweise in der Literatur und auch in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung gerät der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in Gefahr, wenn im Falle eines späteren endgültigen Unterliegens eine übermäßige Belastung mit Zinsen auf den ausgesetzten Steuerbetrag droht (FG Hamburg, Urteil vom 23. Mai 2013 2 K 50/12, EFG 2013,1704). Dies trifft hier zwar im Ansatz zu, doch liegt keine übermäßige Belastung vor.

 (a) Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG steht demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen, allerdings nicht schrankenlos. Im Zusammenhang mit der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Gesetzgeber den Zugang zu den Gerichten von der Zahlung von Gerichtskosten abhängig machen kann, hat das BVerfG herausgearbeitet, dass Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nur im Rahmen der jeweils geltenden Prozessordnungen gewährleistet (so schon BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1960 1 BvL 17/59, BVerfGE 10, 264). Der Rechtsweg bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Rechtsschutz ist eine staatliche Leistung, deren Voraussetzungen erst geschaffen, deren Art näher bestimmt und deren Umfang im Einzelnen festgelegt werden müssen. Art. 19 Abs. 4 GG gibt dem Gesetzgeber dabei nur die Zielrichtung und die Grundzüge der Regelung vor, lässt ihm im Übrigen aber einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, unter C.II.1.). Allerdings muss die normative Ausgestaltung des Rechtswegs das Ziel eines wirkungsvollen Rechtsschutzes verfolgen und muss im Hinblick hierauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein. Dies verbietet Maßnahmen, die darauf abzielen oder geeignet sind, den Rechtsschutz des Betroffenen zu vereiteln. Zu einem effektiven Rechtsschutz gehört es auch im Steuerrecht, dass ein Eilrechtsschutz zur Verfügung steht, durch den es vermieden wird, dass vollendete, irreversible Tatsachen geschaffen werden (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22. September 2009 1 BvR 1305/09, HFR 2010, 70). Dem Gesetzgeber ist es jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt, mit einer Gebührenregelung neben der Deckung der dem Staat entstehenden Kosten auch das Ziel zu verfolgen, einer leichtfertigen oder gar missbräuchlichen Einlegung von Rechtsbehelfen entgegenzuwirken. Allerdings darf die Bemessung der Verfahrenskosten nicht in einer Weise erfolgen, die es den Betroffenen praktisch unmöglich macht, das Gericht anzurufen. Hierzu muss die Höhe der Kosten gesetzlich so geregelt sein, dass sie vorher überschaubar ist und bei vernünftiger Abwägung mit den Erfolgsaussichten nicht von vornherein rechtsschutzhemmend wirkt. Außerdem dürfen die Kosten nicht außer Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert stehen, den das gerichtliche Verfahren für die einzelnen Beteiligten hat. Eine an sich gerechtfertigte Regelung darf schließlich nicht so gestaltet werden, dass sie in ihrer tatsächlichen Auswirkung tendenziell dazu führt, Rechtsschutz vornehmlich nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu eröffnen. Diese Grundsätze, die im Beschluss des BVerfG vom 19. Dezember 2012 aus der ständigen Rechtsprechung zusammengefasst werden, gelten ausweislich dieses Beschlusses auch für die Frage, ob Kartellbußen während eines Gerichtsverfahrens zu verzinsen sind (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, unter C.II.2.b)bb)(2)).

(b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt, weil der Pflicht zur Bezahlung von Aussetzungszinsen keine unzumutbare rechtsschutzhemmende Wirkung zukommt. Die Höhe der zu bezahlenden Zinsen ist für den Rechtsschutzsuchenden berechenbar. Den Zinslauf kann er jederzeit durch die Bezahlung der ausgesetzten Steuer beenden. Die Zinsen sind auch nicht so hoch, dass sie dem Steuerpflichtigen den Rechtsweg verwehren oder auch nur spürbar erschweren könnten. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter II.2.a)aa)(4)(a) verwiesen, insbesondere auch auf den Aspekt, dass der Steuerpflichtige im Regelfall die Zinsen durch die Bezahlung der ausgesetzten Steuerforderung vermeiden kann, indem er anderweitig ein günstigeres Darlehen aufnimmt. Das BVerfG hat in der Ausgangsentscheidung für Kartellbußen die Verzinsungspflicht mit dem Zinssatz für Verzugszinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB von 5 % über dem Basiszinssatz für unbedenklich gehalten (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1, unter C.II.2.b)bb)(2)(bb)(γ)).

dd) Entscheidungen anderer Gerichte, die eine Aussetzung der Vollziehung gebieten würden, liegen nicht vor.

 (1) Der Senat ist nicht gehalten, die Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, weil beim BFH zwei Revisionsverfahren, die die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes betreffen, anhängig sind, nämlich die Verfahren III R 10/16 gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 10. März 2016 16 K 2976/14 AO nach Zulassung durch das FG und das Verfahren III R 16/16 gegen das Urteil des FG München vom 21. Juli 2015 6 K 1144/15 nach Revisionszulassung durch den BFH mit Beschluss vom 13. September 2016 III B 79/15 auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger. Eine Revisionszulassung setzt nicht voraus, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Norm oder eines Urteils bestehen. Die für die Revision erforderliche grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache alleine rechtfertigt die Aussetzung der Vollziehung nicht. Im Übrigen betreffen beide beim BFH nunmehr anhängigen Revisionsverfahren die Verzinsung von Steuernachforderungen.

(2) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller lässt sich aus dem im stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG vom 4. Mai 2015 1 BvR 2096/13, HFR 2015, 697, aufgestellten Rechtsgrundsatz, dass sich ein Gericht widersprüchlich verhält, wenn es einerseits die Revision zulässt und andererseits Prozesskostenhilfe verwehrt, nicht darauf schließen, dass wegen einer Revisionszulassung auch eine Aussetzung der Vollziehung geboten wäre. Denn die Aussetzung der Vollziehung und die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben unterschiedliche Voraussetzungen und dienen der Durchsetzung unterschiedlicher Interessen des Bürgers. Während eine Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen behördlichen Entscheidung voraussetzt, ist für eine Gewährung von Prozesskostenhilfe eine „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erforderlich. Diese setzt in rechtlicher Hinsicht nur voraus, dass der Rechtsstandpunkt des die Prozesskostenhilfe Begehrenden vertretbar ist (BGH-Beschluss vom 14. Dezember 1993 VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160, m. w. N.). Schwierige Rechtsfragen dürfen im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe deshalb nicht entschieden werden, weil die Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung der von Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit dient (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 4. Mai 2015 1 BvR 2096/13, HFR 2015, 697). Die Klärung einer Rechtsfrage wird dem Bürger aus wirtschaftlichen Gründen unter Umständen unmöglich gemacht, wenn ihm keine Prozesskostenhilfe gewährt wird. Demgegenüber hat die Verweigerung der Aussetzung der Vollziehung ganz andere Folgen. Der Rechtsschutz als solcher kann auch im Hauptsacheverfahren durchgesetzt werden.

Im Übrigen ist es auch hier von maßgeblicher Bedeutung, dass die beim BFH anhängigen Revisionsverfahren die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes im Hinblick auf Steuernachforderungen betreffen.

(3) Nicht entscheidungsrelevant ist ferner der Umstand, dass das BVerwG in seinem Beschluss vom 23. Januar 2017 2 B 65/16, Buchholz 449 § 56 SG Nr. 6, die Revision zur Klärung der Frage zugelassen hat, ob es auch angesichts der derzeitigen langjährigen Niedrigzinsphase noch zulässig ist, einen Zins i. H. v. 4 % für die Stundung von Rückzahlungsforderungen zu erheben. Denn die Verzinsung bei der Rückforderung von Ausbildungskosten nach einem Ausscheiden eines Zeitsoldaten bei der Bundeswehr, um die es in dem vom BVerwG noch zu entscheidenden Fall geht, beruht nicht auf einem gesetzlich festgelegten Zinssatz, sondern auf der (analogen) Anwendung des § 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 BHO, wonach die Stundung gegen eine angemessene Verzinsung gewährt werden soll (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 12. November 2015 2 KO 171/15, ThürVGRspr 2017, 37). Damit hat die Verwaltungsbehörde ein Ermessen bei der Bestimmung des Zinssatzes.

 (4) Schließlich begründet der Umstand, dass das FG Köln mit Beschluss vom 12. Oktober 2017 10 K 977/17, DStR 2017, 2792, dem BVerfG die Frage vorgelegt hat, ob der Rechnungszinsfuß von 6 % zur Ermittlung von Pensionsrückstellungen in § 6a EStG im Jahr 2015 verfassungswidrig ist, keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des § 237 i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Auch wenn bei der Bewertung der Verfassungsmäßigkeit der jeweiligen Zinssätze die aktuellen Marktzinssätze von Bedeutung sind, so sind doch die Voraussetzungen und Folgen der Verzinsung bei beiden Rechtsinstituten so unterschiedlich, dass ein direkter Vergleich der Verfassungsmäßigkeit der beiden Zinssätze nicht möglich ist.

2. Selbst wenn der Senat der Auffassung wäre, dass ernstliche Zweifel an der  Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes von einhalb Prozent monatlich bestünden, würde dies eine Aussetzung der Vollziehung nicht rechtfertigen. Zwar können ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 und 3 FGO auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm sein. Wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes kommt in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen, eine Aussetzung der Vollziehung allerdings nur in Betracht, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 21. Juli 2016 V B 37/16, BStBl II 2017, 28, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur, auch zur gegenteiligen Ansicht und den BFH-Entscheidungen aus neuerer Zeit, die es offen lassen, ob ein besonderes Interesse erforderlich ist).

Das besondere berechtigte Interesse hat der BFH in verschiedenen Fallgruppen als erfüllt angesehen (vgl. die Zusammenstellung im BFH-Beschluss vom 21. Juli 2016 V B 37/16, BStBl II 2017, 28, unter II.2.b)aa), m. w. N. zur Rechtsprechung) und zwar, wenn

- das zuständige Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Vorschrift überzeugt ist und diese deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat,

- ein beim BFH anhängiges Verfahren, das für die Beantwortung von Rechtsfragen vorgreiflich ist, im Hinblick auf mehrere beim BVerfG anhängige Verfahren der konkreten Normenkontrolle ruht,

- dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug irreparable Nachteile drohen,

- das zu versteuernde Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt,

- das BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte,

- der BFH die vom Steuerpflichtigen als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hatte.

Keine dieser Fallkonstellation ist im vorliegenden Verfahren gegeben.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass für eine Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines formellen Gesetzes ein besonderes berechtigtes Interesse erforderlich ist. Vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes und des Demokratieprinzips kann eine Aussetzung der Vollziehung, die weit in die gesetzgeberischen Kompetenzen eingreift, nur in besonderen Fallkonstellationen in Betracht kommen. Zur gerichtlichen Kontrolle des parlamentarischen Gesetzgebers ist grundsätzlich das BVerfG, das die alleinige Verwerfungskompetenz hinsichtlich formeller Gesetze hat, und nicht die Fachgerichte berufen. Eine Aussetzung der Vollziehung sämtlicher Zinszahlungen auf Steuerforderungen hätte eine erhebliche Auswirkung auf die Haushaltslage der Öffentlichen Hand. Ausweislich der Antwort der Bundesregierung vom 7. Oktober 2014 auf eine Kleine Anfrage im Bundestag wurden im Jahr 2013 über 1,2 Milliarden Euro an Zinsen vereinnahmt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/2795, Seite 4). Der Fall der Verzinsung zeigt deutlich die gewaltenteilungsrechtliche Problematik einer richterlichen Regelung: Mit der Festlegung eines bestimmten, vom aktuellen Zinssatz abweichenden Zinssatzes würden sich die Gerichte rechtsetzungsgebende Kompetenzen und einen dem Gesetzgeber vorbehaltenen Gestaltungsspielraum anmaßen. Eine Aufhebung der Verzinsungspflicht ginge über das hinaus, was selbst die Kritiker der aktuellen Zinshöhe verlangen. Denn wie bereits ausgeführt (vgl. oben unter II.2.a)aa)(1)) ist eine Verzinsung von Art. 3 Abs. 1 GG sogar geboten, um einen Ausgleich zwischen den Steuerpflichtigen zu schaffen, die ihre Steuern bei Fälligkeit begleichen, und denen, die dies später tun. Im Übrigen müsste der Verzinsungsanspruch des Bürgers für Steuererstattungen unberührt bleiben, so dass ein Ungleichgewicht entstünde, weil Bürger gegen den Staat einen Verzinsungsanspruch hätten, umgekehrt aber keine Verzinsungspflicht bestünde. Diese Aspekte sprechen dafür, dass das BVerfG selbst dann, wenn es die Zinshöhe für unverhältnismäßig hielte, dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist für eine Anpassung einräumen würde (vgl. zur Lösung einer Unvereinbarkeitserklärung mit Nachbesserungsfrist zuletzt z. B. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2016 1 BvL 6/14 u. a., BVerfGE 143, 216). Der BFH hat bereits entschieden, dass in diesem Fall eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht kommt, obwohl das BVerfG die Verfassungswidrigkeit der den Bürger belastenden Ermächtigungsgrundlage festgestellt hat (BFH-Beschluss vom 19. November 1990 III S 6/90, BFH/NV 1991, 459).

Im Vergleich mit dem erheblichen Eingriff in das Gewaltenteilungs- und das Demokratieprinzip, der mit der Aussetzung der Vollziehung wegen mutmaßlicher Verfassungswidrigkeit eines formellen Gesetzes einherginge, ist der Eingriff in Art. 19 Abs. 4 GG bei der Verweigerung einer Aussetzung der Vollziehung von geringem Gewicht. Die Norm ist in ihrem Kerngehalt nicht betroffen, weil Rechtsschutz in der Hauptsache erlangt werden kann und der Eilrechtsschutz v. a. die Bedeutung hat, irreversible Tatsachen zu verhindern (vgl. zu Letzterem Burghart in Leibholz/Rinck, GG, Dokumentenstand 75. Lieferung Oktober 2017, Art. 19, Rn. 449, mit umfangreichen Nachweisen zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Diese sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Drohten irreversible Nachteile, läge nach der Rechtsprechung des BFH ein besonderes berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung vor.

c) Der angefochtene Bescheid entspricht der geltenden Rechtslage. Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen.

 (1) Die zu verzinsenden Beträge wurden korrekt angesetzt. In dem Bescheid zur Aussetzung der Vollziehung vom 16. Januar 2013 wurden jeweils höhere Beträge von der Vollziehung ausgesetzt. Im Zinsbescheid hat der Antragsgegner berücksichtigt, dass die Einsprüche teilweise Erfolg hatten und entsprechend dem Gesetz nur insoweit einen zu verzinsenden Betrag angesetzt, als dies nicht der Fall war. Die zu verzinsenden Beträge wurden entsprechend den in den Änderungsbescheiden vom 19. August 2016 geänderten Steuerfestsetzungen angesetzt. Die Beträge hat der Antragsgegner, wie § 238 AO es verlangt, jeweils auf volle 50 EUR nach unten abgerundet. Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller war der insgesamt zu verzinsende Betrag nicht um das Erstattungsguthaben zu vermindern, das sich aus der geänderten Einkommensteuerfestsetzung für 2009 ergab. Denn in dem Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2009 vom 19. August 2016 hat der Antragsgegner Erstattungszinsen zu Gunsten der Antragsteller festgesetzt. Würde man rückwirkend und damit mit Auswirkung auf die Berechnungsgrundlage für die Aussetzungszinsen das Erstattungsguthaben mit den zu zahlenden Steuern verrechnen, so dürfte man keine Zinsen für das Guthaben ansetzen. Andernfalls käme es zu einer doppelten Berücksichtigung zu Gunsten des Steuerpflichtigen.

(2) Auch den Zinslauf hat der Antragsgegner richtig oder jedenfalls nicht falsch zu Ungunsten der Antragsteller ermittelt. Wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs ausgesetzt, beginnt gemäß § 237 Abs. 2 Satz 2 AO die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Aussetzung der Vollziehung beginnt. Rechtsfehlerfrei hat der Antragsgegner im Bescheid vom 16. Januar 2013 die Aussetzung der Vollziehung vom Fälligkeitstag an angeordnet. Dies ist die für die Antragsteller günstigste Lösung, da gemäß § 240 Abs. 1 AO die für jeden angefangenen Monat nach Fälligkeit anfallenden Säumniszuschläge i. H. v. 1 %  in diesem Fall zu erlassen sind (vgl. Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, Dokumentenstand 143. Lieferung Januar 2016, § 237 AO, Rn. 16 und § 240 AO, Dokumentenstand 144. Lieferung April 2016, Rn. 24, m. w. N.).

Zu Recht bzw. zu Gunsten der Antragsteller ging der Antragsgegner in dem Zinsbescheid davon aus, dass der Zinslauf hinsichtlich eines Teilbetrages von 46.800 EUR am 11. August 2016 und im Übrigen am 22. September 2016 endete. Denn nach § 237 Abs. 2 Satz 1 AO werden Zinsen bis zu dem Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet, erhoben. Die Aussetzung der Vollziehung endete ausweislich des Bescheids vom 16. Januar 2013 einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch. Unter Berücksichtigung der Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO wurden die Änderungsbescheide vom 19. August 2016 am 22. August 2016 bekannt gegeben, so dass die Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich am 22. September 2016 endete. Zu Gunsten der Antragsteller ging der Antragsgegner partiell bereits von einer früheren Beendigung des Zinslaufs aus. Dies ist jedenfalls im Ansatz richtig. Erfüllt der Steuerpflichtige den Anspruch schon vor dem Ende der Aussetzung der Vollziehung, endet der Zinslauf mit der Erfüllung (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 1991 X R 103/89, BStBl II 1992, 319, unter 3.b). Wie sich aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 3. März 2017 ergibt, wurden die Erstattungsbeträge aus dem Änderungsbescheid für das Jahr 2009 mit den Nachzahlungsbeträgen aus den Änderungsbescheiden für die Jahre 2007, 2008 und 2010 zum Stichtag 11. August 2016 verrechnet, weil an diesem Tag die maschinelle Verarbeitung (Rechentermin) der auf den 19. August 2016 datierten Änderungsbescheide erfolgte. Dies ist rechtlich zweifelhaft, weil das Erstattungsguthaben vor der Bekanntgabe der Änderungsbescheide nicht existierte. Doch wirkt sich diese Art der Berechnung zu Gunsten der Antragsteller aus.

Der Antragsgegner war nicht gehalten, einen noch höheren Teil der ausgesetzten Beträge durch Verrechnung zu tilgen. Aus der geänderten Steuerfestsetzung für das Jahr 2009 ergab sich ein Erstattungsanspruch der Antragsteller inklusive Zinsen i. H. v. 52.418,56 EUR. Dieser Betrag wurde verteilt, wie aus dem Einkommensteueränderungsbescheid für 2009 vom 19. August 2016 (Rechtsbehelfsakten Bd. II Bl. 118) ersichtlich. Teilbeträge hat der Antragsgegner dabei so verrechnet, dass sie nicht von der Vollziehung ausgesetzte Beträge betrafen und deshalb kein früheres Ende des Zinslaufs zur Folge hatten. Für die evangelische Kirchensteuer der Jahre 2007, 2008 und 2010, die in Höhe von insgesamt 1.836 EUR durch Verrechnung mit dem Erstattungsguthaben für das Jahr 2009 getilgt wurde, fielen nach § 21 Abs. 3 KiStG Baden-Württemberg keine Aussetzungszinsen an. Ebenfalls nicht mit Aussetzungszinsen belastet war ein Nachzahlungsbetrag für Einkommensteuer 2008 in Höhe von 3.711 EUR. Denn der Änderungsbescheid für dieses Jahr vom 19. August 2016 führte zu einer höheren Steuer im Vergleich zum angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 2012 und einer Leistungspflicht von 35.288 EUR (18.503 EUR verbleibende Steuer zzgl. 16.785 EUR von der Finanzkasse ausgezahlter Steuer). Von diesem Betrag war nur ein Teilbetrag von 31.577 EUR von der Vollziehung ausgesetzt worden und deshalb zu verzinsen. Den überschießenden Betrag von 3.711 EUR hat der Antragsgegner durch Verrechnung getilgt.

Dass der Antragsgegner mithin einen Betrag von insgesamt 5.547 EUR so verrechnet hat, dass er auf den Zinslauf keinen Einfluss hatte, begegnet allerdings keinen rechtlichen Bedenken. § 226 Abs. 1 AO verweist, soweit nichts anderes bestimmt ist, für die Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Weder aus Vorschriften der AO noch des bürgerlichen Rechts lässt sich ableiten, dass der Antragsgegner gehalten gewesen wäre, den Betrag von 5.547 EUR z. B. vorrangig mit der Einkommensteuerforderung 2008 zu verrechnen und so für diesen Teilbetrag einen um einen Monat kürzeren Zinslauf zu bewirken (vgl. Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 226 Rn. 6, m. w. N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Beschwerde wird zugelassen, da die Voraussetzungen des § 128 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO vorliegen. Zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des BFH zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe auch und gerade im Hinblick auf die Fallkonstellation der Aussetzungszinsen erforderlich. Zwar ist bereits eine Vielzahl von Entscheidungen, die zumindest für frühere Zeiträume die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe bestätigt haben, ergangen. Doch fehlt es an einer Grundsatzentscheidung, die hinreichende Maßstäbe dafür bietet, an welchen Vergleichszinssätzen der gesetzliche Zinssatz zu messen ist und bei welcher Überschreitung der gesetzliche Zinssatz verfassungswidrig wäre.

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