R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
17.03.2014
Steuerrecht
FG Baden-Württemberg: Veräußerung von Anteilen an einer Aktiengesellschaft - Besteuerung mit dem Halbeinkünfteverfahren

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.1.2014 - 4 K 244/11


Sachverhalt


Streitig ist, ob Einnahmen des Klägers (Kl) aus der Veräußerung von Anteilen an einer Aktiengesellschaft mit dem Halbeinkünfteverfahren zu besteuern sind.


Der Kl hat mit Aktienkaufverträgen vom 20. September 1999 (Bl. 11 bis 28 der Finanzgerichts( FG)-Akten Band I) und vom 02. Juni 2000 (Bl. 32 bis 42 der FG-Akten Band I) Anteile an der früheren X Aktiengesellschaft (AG) bzw. Y AG veräußert. An der vorgenannten AG war der Kl seit seinem Anteilserwerb am 21. Juli 1997 bis zur Veräußerung mit mehr als 25 v.H. beteiligt.


Als Kaufpreis verpflichtete sich die Erwerberin jeweils zur Zahlung von Leibrenten.


Im Streitjahr erzielte der Kl aus den vorgenannten Veräußerungsvorgängen unter Ausübung des Wahlrechts nach R 140 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. R 139 Abs. 11 Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 2001 insgesamt Einnahmen in Höhe von 402.980 €.


Der Kl, der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wird, erklärte in ihrer gemeinsamen ESt-Erklärung für das Streitjahr in der Anlage GSE aus den Aktienverkäufen einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 201.490 €. In einer „Anlage GSE zur ESt-Erklärung 2004 zu Zeile 22 und 23" führte der Kl hierzu aus, dass seine Rentenzuflüsse aufgrund der Aktienkaufverträge vom 20.9.1999 und 02.06.2000 nach § 24 Nr. 2 i.V.m. § 15 EStG zu berücksichtigen seien. Die Einkünfte unterlägen dem Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 c) i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG. Wegen der Ermittlung wird auf die sich anschließende Tabelle des Kl Bezug genommen (Bl. 5 der ESt-Akten des Beklagten -Bekl-). Dieser Rechtsauffassung folgte der Bekl im Bescheid für 2004 über ESt, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 06. Juli 2005 nicht und setzte die Einkünfte des Kl aus Gewerbebetrieb mit 402.980 € an.


Der hiergegen gerichtete Einspruch des Kl vom 21. Juli 2005 wurde mit Einspruchsentscheidung des Bekl vom 20. Dezember 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Inhalts dieser Entscheidung wird auf sie Bezug genommen (Bl. 28 bis 32 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).


Mit seiner Klage vom 18. Januar 2011 lässt der Kl vortragen, dass er in 1999/2000 wesentliche Beteiligungen im Sinne von § 17 EStG veräußert habe. Der Verkauf sei außerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG erfolgt. Der Steuerpflichtige habe dabei ein Wahlrecht zwischen der Sofortversteuerung und einer nachträglichen Versteuerung. Der Kl habe die nachträgliche Versteuerung gewählt. Er könne daher den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn als nachträgliche Einnahme im Sinne von §§ 17, 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.


Die Finanzverwaltung habe in der Vergangenheit aus Vereinfachungsgründen darauf verzichtet, Rentenzahlungen in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen. Der volle Rentenbetrag sei als nachträgliche Betriebseinnahme behandelt worden. Zwischenzeitlich sei jedoch klar gestellt, dass bei der Veräußerung einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG gegen eine Leibrente die Rentenzahlungen in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen seien (Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 03. August 2004, BStBl I, S. 1187). Daraus folge, dass der in den laufenden Zahlungen enthaltene Tilgungsanteil nachträgliches Veräußerungsentgelt im Sinne des § 17 i.V.m. §§ 15, 24 Nr. 2 EStG sei. Der in den laufenden Zahlungen enthaltene Zinsanteil sei ein auf die Laufzeit der wiederkehrenden Leistungen zu verteilendes Entgelt für die Stundung des Veräußerungspreises. Mit ihrem Zinsanteil unterlägen die Rentenzahlungen entweder als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3a) EStG oder als Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung. Die Besteuerung des Zinsanteils erfolge im Fall einer Rente nach § 22 EStG, im Falle einer dauernden Last nach § 20 EStG.


Im Streitfall stelle sich die Frage, ob der Zufluss nach dem in diesem Jahr anwendbaren Halbeinkünfteverfahren zu versteuern sei. Die hierzu vom Bekl vertretene Auffassung, dass im Falle einer vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens erfolgten Veräußerung die ab dem Jahr 2002 zufließenden nachträglichen Leistungen in voller Höhe zu versteuern seien, sei spätestens seit Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. November 2009 (IX R 57/08, BStBl II 2010, 607) nicht mehr haltbar. Der BFH habe hier für den Fall einer im Jahr 2001 veräußerten Beteiligung entschieden, dass die im Jahr 2002 zufließenden und in diesem Jahr gemäß § 22 Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbaren Einnahmen dem Halbeinkünfteverfahren unterlägen. Die maßgebliche Übergangsregelung des § 52 Abs. 4b EStG nehme nach Auffassung des BFH nicht auf die Veräußerung, sondern auf den daraus fließenden Ertrag Bezug. Für nachträgliche Einkünfte im Sinne von § 17 EStG sei die Rechtslage insoweit völlig vergleichbar mit § 23 EStG, denn hierfür gelte dieselbe Übergangsregelung. Damit unterlägen die Tilgungszuflüsse dem Halbeinkünfteverfahren.


Der Bekl halte das genannte BFH-Urteil mit der Begründung für nicht einschlägig, dass im Rahmen des § 17 EStG die Besteuerung nach dem Zuflussprinzip nicht kraft Gesetzes, sondern fakultativ erfolge. Diese Auffassung verkenne, dass die fakultative Zuflussbesteuerung zwingend dazu führe, dass für die Besteuerung die im jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgebenden Vorschriften - sei es zur Gewinnermittlung, zum anzuwendenden Steuertarif oder auch zu einschlägigen Befreiungsvorschriften - zu beachten seien, soweit sich aus dem Gesetz keine andere Regelung ergebe. Für die hier streitige Frage der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens treffe das Gesetz in § 52 Abs. 4b EStG 2004 eine ausdrückliche Regelung, die vom Bekl jedoch ignoriert werde. Bei der Frage der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens komme es nach dieser gesetzlichen Regelung auf die Rechtslage im jeweiligen Veranlagungszeitraum des Zuflusses der Einnahmen an. Die vom Bekl angeführte Kommentierung in Schmidt berücksichtige das erst im Jahr 2010 veröffentlichte BFH-Urteil vom 11. November 2009 nicht und sei überholt. Die vom Finanzamt angeführten BFH-Beschlüsse vom 14. Februar 2006 (VIII B 107/04, BStBl II 2006, 523) und vom 01. September 2004 (VIII B 64/04, BFH/NV 2004, 1650) würden sich mit hier nicht einschlägigen Fragestellungen befassen.


Was die Besteuerung des Zinsanteils anbelange, hänge deren Besteuerung davon ab, ob es sich bei den wiederkehrenden Leistungen um eine Rente oder um eine dauernde Last handele. Vorliegend seien monatliche Leibrenten vereinbart, die lebenslänglich, mindestens jedoch für eine bestimmte Zeitdauer zu entrichten seien. Die Leibrenten seien allerdings variabel ausgestaltet. Danach lägen keine konstanten Rentenzahlungen, sondern der Höhe nach variable - nach oben und unten veränderbare - Leistungen vor. Die Renten würden und werden dementsprechend regelmäßig nach oben und auch nach unten angepasst. Im Ergebnis handele es sich somit vorliegend um dauernde Lasten, der Ertragsanteil der wiederkehrenden Leistungen sei folglich nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieses Schriftsatzes mit Anlagen wird auf ihn Bezug genommen (Bl. 2 bis 8 der FG-Akten Band I).


Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2012 ließ der Kl ergänzend zur Besteuerung des Zinsanteils noch vortragen, dass selbst wenn im Streitfall keine dauernde Last vorläge, der in der Kaufpreisrente enthaltene Zinsanteil im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern wäre. Dies lasse sich aus den beiden BFH-Urteilen vom 15. Juni 2005 (X R 64/01, BStBl II 2006, 245) und vom 20. Juni 2006 (X R 3/06, BStBl II 870) ableiten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts dieses Schriftsatzes wird auf ihn Bezug genommen (Bl. 85 bis 87 der FG-Akten Band II).


Der Kl beantragt,


den ESt-Bescheid 2004 vom 06. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen auf 371.239 € vermindert wird,


hilfsweise die Revision zuzulassen


und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.


Der Bekl beantragt,


die Klage abzuweisen,


hilfsweise die Revision zuzulassen.


Er stellt den Antrag des Kl der Höhe nach unstreitig und verweist zur Begründung seines Antrags auf seine Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2012 führt er ergänzend noch aus, dass gegen die Herabsetzung des Sparerfreibetrags gemäß § 20 Abs. 4 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2000 nach dem Urteil des FG Hamburg vom 12. September 2003 (II 411/02, EFG 2004, 342) keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden.


Laufende Kapitalerträge seien nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2004 mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d EStG sei im Streitjahr nicht anzuwenden. Eine Aufteilung der Kaufpreisrate in einen Zins- und Tilgungsanteil sei - entsprechend der ESt-Erklärung 2004 - aus Vereinfachungsgründen nicht erfolgt. Eine Berücksichtigung des in der Kaufpreisrate enthaltenen Zinsanteils im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen würde sich aufgrund der Tatsache, dass der Sparerfreibetrag vorliegend bereits voll ausgeschöpft sei, nicht auf die Höhe der festgesetzten ESt 2004 auswirken. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Einzelrichter verzichtet.


Aus den Gründen


Die zulässige Klage ist aus den in der Einspruchsentscheidung des Bekl vom 20. Dezember 2010 dargelegten Gründen, denen das Gericht nach rechtlicher Überprüfung folgt, unbegründet. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird daher gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Wesentlichen abgesehen.


Ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin:


Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1998 VIII B 45/97, BFH/NV 1999, 33-36) handelt es sich bei § 17 EStG um eine Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art, bei der die den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzuordnenden Veräußerungsgewinne ereignisbezogen zu ermitteln sind. Demgemäß ist für den Zeitpunkt der Besteuerung und die Höhe des Gewinns - ebenso wie bei § 16 EStG - grundsätzlich nicht auf den Zufluss des Entgelts abzustellen. Dies bedeutet, dass § 11 EStG hier keine Anwendung findet (Beschluss des BFH vom 01. April 2008 IX B 257/07, BFH/NV 2008, 1331-1332). Die Gewinnermittlung gem. § 17 Abs.2 EStG ist vielmehr - als stichtagsbezogene Gewinnermittlung - nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Veräußerung vorzunehmen (Ebling in Blümich, Kommentar zum EStG, § 17 Anm. 461 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH). Daher ist für die Anwendung von § 3 Nr. 40c EStG bei § 17 EStG der Zeitpunkt der Veräußerung entscheidend, auch bei Wahl nachträglicher Versteuerung wie hier entsprechend der Billigkeitsregelung, die durch die Einkommensteuerrichtlinien gewährt wird (vgl. hierzu Heinicke in Schmidt, Kommentar zum EStG, 32. Aufl. 2013, § 3 Stichwort: Halbeinkünfteverfahren Ziffer 4. (3) unter Hinweis auf die Ausführungen in der 29. Aufl. 2010, gleiche Zitierstelle; Ritzer in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 3 Nr. 40 Anm. 199 mb mit weiteren Hinweisen; im Ergebnis wohl auch Nacke in Herrmann/ Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 3 Nr. 40 Anm. 101). Auch werden Veräußerungen erstmals nach dem Halbeinkünfteverfahren besteuert, wenn die Veräußerung im Jahr 2002 erfolgt. Davor realisierte Auflösungsverluste unterliegen ebenso wie Veräußerungsverluste noch nicht dem Halbeinkünfteverfahren (BFH-Urteil vom 06. April 2011 IX R 29/10, BFH/NV 2011, 2025-2028).


Bereits danach ergibt sich für das Gericht, dass der Kl - selbst wenn er im Streitjahr „Erträge" im Sinne des § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG erwirtschaftet hat - wegen der bereits in 1999 bzw. 2000 vorgenommenen Veräußerung seiner Anteile nicht in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens kommen kann.


Darüber hinaus unterscheidet sich das vom Kl für seine Argumentation herangezogene Urteil des BFH vom 11. November 2009 (IX R 57/08) von dem vorliegenden Streitfall in zweifacher Hinsicht.


So ist - worauf der Bekl zu Recht hinweist - in Fällen des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bei hieraus fließenden Erträgen das Zuflussprinzip kraft Gesetzes zu beachten. Im Streitfall - bei einer fakultativen Zuflussbesteuerung - gilt dieses Prinzip nicht.


Außerdem lag im Fall des der Entscheidung des BFH zugrunde liegenden Sachverhalts eine einheitliche Veräußerung im Jahr 2001 vor. Nur wegen Unstimmigkeiten über die Höhe der Zahlungsansprüche wurde ein damals vor dem Landgericht geführter Prozess erst im März des Folgejahres (2002) mit einem Vergleich beendet mit der Folge, dass in 2002 die dort streitigen Erträge flossen. Vorliegend ist die Veräußerung in 1999 bzw. 2000 erfolgt, nur aufgrund einer Billigkeitsmaßnahme, also nicht wegen vom Kl nicht zu vertretenden Umständen, erfolgen die Zahlungen der Erwerber erst in Folgejahren.


Die Entscheidung über die Kostentragung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

stats