BFH: Umwandlung eines Regiebetriebs in eine GmbH: Kapitalertragsteuerpflicht für Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 2002
BFH, Urteil vom 30.1.2018 – VIII R 75/13
ECLI:DE:BFH:2018:U.300118.VIIIR75.13.0
Volltext:BB-ONLINE BBL2018-1237-1
Leitsätze
Bei einem Betrieb gewerblicher Art in der Form des Regiebetriebs führen in 2001 erzielte Gewinne nicht zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG, die der Kapitalertragsteuer unterliegen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 11. Juli 2007 I R 105/05, BFHE 218, 327, BStBl II 2007, 841). Werden solche Gewinne in Rücklagen eingestellt, führt deren spätere Auflösung zu außerbetrieblichen Zwecken ebenfalls nicht zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen.
Sachverhalt
I.
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhielt bis zum Streitjahr 2002 den Regiebetrieb "X" (im Folgenden: BgA), einen Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), für den der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Einbringung des BgA in eine Kapitalgesellschaft für den Anmeldungszeitraum 2002 Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag festsetzte.
Der BgA verpachtete im Rahmen einer Betriebsaufspaltung Anlagen für den Betrieb der X an die ... GmbH (im Folgenden: D-GmbH), eine Tochtergesellschaft der ... GmbH (im Folgenden: E-GmbH), an der die Klägerin zu 100 % beteiligt war und deren Anteile zum Betriebsvermögen des BgA gehörten.
Am 29. November 2001 fasste der Rat der Klägerin den Beschluss zur Umwandlung des BgA in eine Kapitalgesellschaft. Mit notarieller Urkunde vom 7. Januar 2002 brachte die Klägerin den BgA gemäß § 20 des Umwandlungssteuergesetzes in der Fassung vor Änderung durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782; im Folgenden: UmwStG a.F.) mit Wirkung zum 6. Januar 2002, 24:00 Uhr, im Wege der Einzelrechtsnachfolge zu Buchwerten in die ... mbH (im Folgenden: F-GmbH) ein. Einzige Gesellschafterin der F-GmbH war die Klägerin.
4 Der BgA legte zur Ermittlung des steuerlichen Gewinns für die Jahre 2001 und 2002 Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vor, deren Positionen aus der kameralistischen Buchführung abgeleitet waren. Danach erzielte der BgA zum 31. Dezember 2001 einen Jahresüberschuss in Höhe von 174.401.434,61 DM, der in Höhe von 174.401.000 DM (89.169.815,37 EUR) als Kapitalrücklage ausgewiesen wurde. Für das Rumpfgeschäftsjahr 2002 (1. bis 6. Januar 2002) ergab sich unter Berücksichtigung einer nur handelsrechtlich zulässigen Instandhaltungsrückstellung gemäß § 249 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in Höhe von 1.300.000 EUR ein Jahresüberschuss in Höhe von 12.289.028,91 EUR. Die ausgewiesene Kapitalrücklage blieb unverändert.
5 Für das Jahr 2002 meldete die Klägerin am 30. Oktober 2002 unter Verweis auf die Zuführung des Jahresüberschusses 2001 zu den Rücklagen Kapitalerträge in Höhe von 0 EUR an. Für das Jahr 2003 meldete die Klägerin in 2003 den Jahresüberschuss 2002 zur Kapitalertragsteuer an. Daraus folgte eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.228.902,80 EUR zuzüglich Solidaritätszuschlag.
6 Nach den Ergebnissen der Betriebsprüfung, die auf Grundlage der Prüfungsanordnung vom 25. Januar 2005 in den Jahren 2005/2006 durchgeführt worden war, ergab sich eine --im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffene-- Minderung des Jahresüberschusses 2001 auf 160.762.052 DM (82.196.332 EUR) und eine Erhöhung des Jahresüberschusses 2002 auf 13.857.053 EUR. Die Gewinne seien im Jahr 2002 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c und § 43a Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (EStG) einer 10 %-igen Kapitalertragsteuer zu unterwerfen, da mit der Einbringung des BgA in die F-GmbH dessen gesamtes Vermögen in Höhe von 235.185.140,98 EUR in den hoheitlichen Bereich übergegangen sei und dies abzüglich des steuerlichen Einlagekontos in Höhe von 139.564.666 EUR Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 96.053.385 EUR ergebe. Dieser Betrag entspreche der Summe der Jahresüberschüsse 2001 und 2002. Hinsichtlich des Jahresüberschusses 2001 habe die Einbringung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG zu einer Auflösung der aus diesem Jahresüberschuss gebildeten Neurücklage geführt. Der Jahresüberschuss 2002 habe entweder als laufender Gewinn des Jahres 2002 oder ebenfalls als mit der Einbringung aufgelöste Neurücklage die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG erfüllt.
7 Das FA erließ daraufhin für den Anmeldungszeitraum 2002 unter Hinweis auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) einen Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer vom 10. Dezember 2008, mit dem es Kapitalertragsteuer in Höhe von 9.605.338,50 EUR zuzüglich Solidaritätszuschlag festsetzte. In den Erläuterungen verwies das FA auf den Betriebsprüfungsbericht vom 25. Januar 2007. Die Klägerin schulde die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag gleichermaßen als Schuldnerin und Gläubigerin der Kapitalerträge. Zeitgleich hob das FA die Festsetzung für den Anmeldungszeitraum 2003 auf. Der gegen den Bescheid für 2002 gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
8 Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Einbringung des BgA habe nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG geführt. Die durch das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) ergänzte Fassung, die für den Fall der Einbringung gemäß § 20 UmwStG a.F. eine fiktive Auflösung der Rücklagen vorsehe, sei im Streitfall noch nicht anwendbar. Es gelte vielmehr § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz --StSenkG--) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433). Die danach erforderliche Auflösung der Rücklage zu Zwecken außerhalb des BgA liege bei einer Einbringung gemäß § 20 UmwStG a.F. nicht vor, da das Vermögen --wie auch bei der Einbringung eines Betriebs in eine Kapitalgesellschaft durch eine natürliche Person-- unmittelbar auf die aufnehmende Kapitalgesellschaft übertragen werde, d.h. es komme nicht zu einer vorherigen Totalausschüttung in das Hoheitsvermögen. Allerdings sei Kapitalertragsteuer auf den laufenden Jahresgewinn 2002 (13.857.053 EUR) festzusetzen. Die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung selbst davon ausgegangen, dass dieser Gewinn nicht in eine Rücklage eingestellt worden sei. Die Gründe des FG sind in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 619 veröffentlicht.
9 Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es fehle die Rechtsgrundlage für ihre Inanspruchnahme mit Kapitalertragsteuer. Gemäß § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG sei zwischen dem Betrieb gewerblicher Art als Schuldner und dessen Trägerkörperschaft als Gläubigerin der Kapitalerträge zu unterscheiden. Sofern es --wie im Streitfall-- um die Beendigung eines Betriebs gewerblicher Art gehe, gebe es aber keinen Schuldner der Kapitalerträge mehr. Erst mit dem JStG 2007, mit dem § 44 Abs. 6 Satz 4 EStG um einen Verweis auf § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG ergänzt worden sei, könne die Trägerkörperschaft auch als Gläubigerin der Kapitalerträge in Anspruch genommen werden. Die in § 52 Abs. 53 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2007 angeordnete Rückwirkung verstoße allerdings gegen die Verfassung.
10 Im Übrigen sei zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsakts Festsetzungsverjährung eingetreten. Eine Anlaufhemmung wegen Ausbleibens der Anzeige gemäß § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG scheide aus, da aufgrund der Beendigung des BgA durch die Einbringung kein Anzeigepflichtiger bestanden habe. Eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO komme nicht in Betracht, da sich die Prüfungsanordnung gegen den BgA als Schuldner der Kapitalerträge und nicht gegen die Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge gerichtet habe. Schließlich sei der Gewinn für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. bis 6. Januar 2002, der nach dem Urteil des FG der Kapitalertragsteuer unterliege und zur teilweisen Abweisung der Klage geführt habe, nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids.
11 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Bescheid über die Festsetzung von Kapitalertragsteuer vom 10. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2009 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen und weiterhin Kapitalertragsteuer auf einen Betrag in Höhe von 13.857.053 EUR festgesetzt worden ist.
12 Das FA beantragt, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. Darüber hinaus beantragt das FA im Rahmen der von ihm selbst eingelegten Revision, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
13 Die Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Kapitalertragsteuer ergebe sich aus § 44 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Sätze 7 bis 9 EStG. Der angefochtene Bescheid sei innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist ergangen, da diese mangels einer Anzeige gemäß § 44 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 8 EStG erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Entstehung der Steuer, d.h. am 31. Dezember 2005, begonnen habe (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Dass die Pflicht zur Steueranmeldung im Streitfall nicht den Steuerschuldner, sondern den BgA als Schuldner der Kapitalerträge treffe, sei auf Grundlage des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Januar 2003 I R 10/02 (BFHE 202, 1, BStBl II 2003, 687) unerheblich. Darüber hinaus greife im Streitfall die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 AO, da sich die Prüfungsanordnung an die Klägerin als Inhaltsadressatin richte und trotz der Gläubiger-Schuldner-Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG eine Personenidentität zwischen BgA und Trägerkörperschaft bestehe.
14 Im Rahmen seiner eigenen Revision macht das FA geltend, die Einbringung des BgA führe auch hinsichtlich des Gewinns 2001 zu kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG i.d.F. des StSenkG. Das FG habe die ständige Rechtsprechung des BFH missachtet, wonach der BgA im Verhältnis zu seiner Trägerkörperschaft als fiktive Kapitalgesellschaft zu behandeln sei. Da Einbringender nur die Trägerkörperschaft als künftige Inhaberin der an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft gewährten Gesellschafterrechte sein könne, müsse zunächst das gesamte Betriebsvermögen des BgA dem Hoheitsvermögen zufließen (fiktive Totalausschüttung). Dies habe eine Auflösung der Rücklagen für Zwecke außerhalb des BgA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG zur Folge. Darüber hinaus führe die Einbringung des BgA auch ohne Annahme einer Totalausschüttung zur Kapitalertragsteuerpflicht, da sie die Auflösung des BgA zur Folge habe und dessen Rücklagen somit nicht mehr für Zwecke des BgA verwendet werden könnten.
15 Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen
II.
16 Die Revisionen des FA und der Klägerin sind im Ergebnis unbegründet.
17 A. Revision des FA
18 Die Revision des FA gegen die teilweise Stattgabe der Klage durch das FG ist im Ergebnis unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
19 Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Nachforderungsbescheid rechtswidrig ist, soweit darin Kapitalertragsteuer für einen anderen Sachverhalt als den laufenden Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 in Höhe von 13.857.053 EUR festgesetzt wurde. Das FA durfte weder wegen des laufenden Gewinns des BgA für 2001 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG noch wegen einer Auflösung der im Jahr 2001 gebildeten Rücklage zum Ablauf des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG Kapitalertragsteuer erheben.
20 1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines Betriebs gewerblicher Art i.S. des § 4 KStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Weitere Voraussetzungen sind, dass der Betrieb gewerblicher Art nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist und seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt oder mehr als 260.000 EUR Umsatz im Kalenderjahr oder mehr als 25.000 EUR Gewinn im Wirtschaftsjahr hat. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG führt die spätere Auflösung der Rücklagen zu Zwecken außerhalb des Betriebs gewerblicher Art ebenfalls zu einem Gewinn i.S. des Satzes 1 (s.a. die zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen des Senats vom heutigen Tag in den Verfahren VIII R 42/15 und VIII R 15/16).
21 Die zeitliche Anwendungsregelung des § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG sieht vor, dass § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG für Gewinne gilt, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des Betriebs gewerblicher Art erzielt werden, für welches das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist.
22 2. Der für das Jahr 2001 erzielte Gewinn ist im streitigen Anmeldungszeitraum 2002 nicht nach dem Grundtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen.
23 Zwar wäre eine etwaige Kapitalertragsteuer für den im Jahr 2001 erzielten Gewinn grundsätzlich im Anmeldungszeitraum 2002 anzumelden und festzusetzen gewesen, da sie --auch wenn der Gewinn eines Regiebetriebs der Trägerkörperschaft bereits zeitgleich (phasenkongruent) mit seiner Entstehung zufließt (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 2013 I R 77/11, BFHE 242, 481, BStBl II 2015, 161, Rz 20, m.w.N.)-- gemäß § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG erst im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bzw. spätestens acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres entsteht, d.h. im Streitfall für den Gewinn des Jahres 2001 im Jahr 2002.
24 Nach Auffassung des I. Senats des BFH (Urteil vom 11. Juli 2007 I R 105/05, BFHE 218, 327, BStBl II 2007, 841), der sich der erkennende Senat anschließt, folgt aber aus § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG, dass der laufende Gewinn des Jahres 2001 eines Regiebetriebs wegen des phasenkongruenten Zuflusses bei der Trägerkörperschaft noch nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG erfasst wird. Denn nach § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG werden nur Zuflüsse nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres des Betriebs gewerblicher Art erfasst, für welches das Körperschaftsteuergesetz i.d.F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist. Der körperschaftsteuerliche Systemwechsel des StSenkG ist aber erst zum 1. Januar 2001 eingetreten. Wenn --wie im Streitfall-- das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht und im Jahr 2001 kein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet worden ist, werden damit nur Zuflüsse nach Ablauf des Jahres 2001 von § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG erfasst, d.h. bei einem Regiebetrieb nur die laufenden Gewinne ab dem Jahr 2002 (zur abweichenden Rechtslage bei Eigenbetrieben vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2011 I R 108/09, BFHE 236, 48, BStBl II 2013, 328, Rz 22 f.).
25 3. Darüber hinaus scheiden auch steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG aus der Auflösung von Rücklagen zu Zwecken außerhalb des Betriebs gewerblicher Art aus. Gewinne des Jahres 2001, die wegen § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG nicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG steuerpflichtig gewesen wären, können auch im Fall einer etwaigen Einstellung in die Rücklagen und deren späterer Auflösung (hier: im Zuge der Einbringung) nicht steuerpflichtig sein.
26 Insofern handelt es sich jedenfalls nicht um Rücklagen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG. Denn aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes folgt, dass sich der Begriff der Rücklagen in Satz 2 nur auf Rücklagen i.S. des Satzes 1 bezieht. Diese konnten mangels Geltung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG im Jahr 2001 gemäß § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG noch nicht für Gewinne des Jahres 2001 gebildet werden. Damit liegen keine Rücklagen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG vor, die im streitigen Anmeldungszeitraum 2002 als Folge der Einbringung in die F-GmbH hätten aufgelöst werden können. Dass als Folge dieser Auslegung die Gewinne des Jahres 2001 eines Regiebetriebs auch im Fall einer zunächst gebildeten Rücklage dauerhaft nicht der grundsätzlich für Betriebe gewerblicher Art vorgesehenen zweiten Besteuerungsebene zugeführt werden, muss aufgrund des Wortlauts der gesetzlichen Regelungen hingenommen werden.
27 4. Ob die Einbringung des BgA in die F-GmbH den Besteuerungstatbestand der Auflösung der Rücklagen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG auslösen konnte und ob dabei die Gesetzesfassung des StSenkG oder die ergänzte Fassung des JStG 2007 maßgeblich gewesen wäre, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein als Regiebetrieb geführter Betrieb gewerblicher Art überhaupt Rücklagen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG bilden kann (vgl. hierzu die Senatsurteile VIII R 42/15 und VIII R 15/16 vom heutigen Tag, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
28 B. Revision der Klägerin
29 Die Revision der Klägerin, die sich ausschließlich auf die Kapitalertragsteuer bezieht, ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Entscheidung des FG, der Nachforderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 über Kapitalertragsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2009 sei rechtmäßig, soweit die Bemessungsgrundlage den Gewinn des BgA für das Jahr 2002 betrifft, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FA durfte die Klägerin insoweit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO und §§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c, 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG für eine Entrichtungsschuld in Anspruch nehmen.
30 1. Das FA hat sich zu Recht auf die Änderungsnorm des § 164 Abs. 2 AO gestützt, da für den streitigen Anmeldungszeitraum 2002 eine Anmeldung i.S. des § 45a EStG eingereicht worden war, die gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich stand und sich auch auf den laufenden Gewinn für das Jahr 2002 bezog.
31 a) Auch wenn das FG hierzu keine ausdrücklichen Ausführungen gemacht hat, ergibt sich die Kapitalertragsteueranmeldung für das Streitjahr 2002 aus den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO). Denn durch den Verweis auf § 164 Abs. 2 AO im streitigen Nachforderungsbescheid vom 10. Dezember 2008 ist auch der Ursprungsbescheid in Gestalt der Steueranmeldung 2002 vom 30. Oktober 2002 von den Feststellungen des FG erfasst. Darüber hinaus verweist das FG gemäß § 105 Abs. 3 FGO auf den Schriftsatz der Klägerin vom 16. Dezember 2009, dem als Anlage 11 die Antwort des FA auf die Anmeldung vom 30. Oktober 2002 beigefügt war.
32 b) Dass in der Anmeldung für das Jahr 2002 lediglich der Gewinn des Jahres 2001 ausdrücklich genannt und für diesen eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 0 EUR erklärt wurde, ändert trotz der sachverhalts- und nicht zeitraumbezogenen Festsetzung der Kapitalertragsteuer (vgl. hierzu Senatsurteil vom 21. September 2017 VIII R 59/14, BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163; BFH-Urteil in BFHE 236, 48, BStBl II 2013, 328) nichts an der Änderbarkeit der Kapitalertragsteueranmeldung für 2002, um den laufenden Gewinn dieses Jahres der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen. Denn auf Grundlage der bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) einschließlich der gemäß § 105 Abs. 3 FGO in Bezug genommenen Unterlagen waren der einheitliche Sachverhaltskomplex der Einbringung zum Ablauf des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 und der direkt vor der Einbringung erzielte laufende Gewinn des Jahres 2002 als nicht steuerpflichtige Vorgänge angemeldet worden.
33 2. Der Bescheid vom 10. Dezember 2008 ist auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO).
34 a) § 119 Abs. 1 AO setzt u.a. voraus, dass der Bescheid die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnet und angibt, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Welche konkreten Anforderungen in dieser Hinsicht an den jeweiligen Steuerbescheid zu stellen sind, hängt nach ständiger Rechtsprechung des BFH von den Umständen des Einzelfalls ab (Senatsbeschluss vom 3. April 2007 VIII B 110/06, BFH/NV 2007, 1273, m.w.N.). Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts, da unzweifelhaft feststehen muss, gegenüber wem der Einzelfall geregelt werden soll. Ist der Inhaltsadressat im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass der Mangel in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte (BFH-Urteil vom 30. September 2015 II R 31/13, BFHE 250, 505, BStBl II 2016, 637, m.w.N.).
35 Welchen Regelungsgehalt ein Verwaltungsakt hat, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln. Maßgebend für die Auslegung eines Verwaltungsakts ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Soweit die tatsächlichen Feststellungen des FG hierzu ausreichen, darf das Revisionsgericht den Inhalt des Verwaltungsakts in eigener Zuständigkeit auslegen (Senatsurteil vom 27. Oktober 2015 VIII R 59/13, BFH/NV 2016, 726, m.w.N.).
36 b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es zunächst unschädlich, dass der Bescheid auf eine Änderung gemäß § 164 Abs. 2 AO Bezug nimmt, ohne den geänderten Bescheid ausdrücklich zu bezeichnen (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. April 2013 II R 53/10, BFHE 241, 63, BStBl II 2013, 755). Denn im Wege der Auslegung war trotz sachverhaltsbezogener Anmeldung und Festsetzung der Kapitalertragsteuer für die Klägerin erkennbar, dass die für den Anmeldungszeitraum 2002 eingereichte Anmeldung vom 30. Oktober 2002, die gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich stand, geändert werden sollte. Dies folgt aus der Bezugnahme auf den Prüfungsbericht vom 25. Januar 2007 im Bescheid, in dem die Kapitalertragsteuerpflicht für den Gewinn 2002 alternativ auf die Auflösung einer zuvor aus diesem Gewinn gebildeten Rücklage in Folge der Einbringung des BgA in die F-GmbH bzw. auf den Grundtatbestand der Besteuerung des vom BgA unmittelbar vor der Einbringung im Rumpfwirtschaftsjahr 2002 erzielten Gewinns gestützt wird. Dieser einheitliche Sachverhaltskomplex war --wie bereits ausgeführt-- Gegenstand der Anmeldung vom 30. Oktober 2002.
37 Darüber hinaus ist es nicht zu beanstanden, dass der an die Klägerin gerichtete Nachforderungsbescheid ohne ausdrückliche Bezugnahme auf den BgA ergangen ist. Denn Steuersubjekt und damit Inhaltsadressatin des Nachforderungsbescheids ist ausschließlich die Klägerin und nicht der BgA, da dem BgA eine rechtliche Organisationsform fehlt, die nach den Regelungen der Abgabenordnung handlungsfähig ist (zur Körperschaftsteuer des Betriebs gewerblicher Art grundlegend BFH-Urteil vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391; zum Streitstand Bott in Ernst & Young, KStG, § 4 Rz 19 ff., und Meier/Semelka in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 KStG Rz 6, jeweils m.w.N.). Dies gilt nicht nur für eine Inanspruchnahme der Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge und Schuldnerin der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 6 Sätze 1 und 4 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG), sondern auch, soweit der BgA gemäß § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG als Schuldner der Kapitalerträge gilt und damit gemäß § 44 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 44 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG die Kapitalertragsteuer zu entrichten hat. Auch insoweit ist allein die Klägerin das Steuersubjekt und damit letztlich Schuldnerin der für den BgA geregelten Entrichtungsschuld. Die Beendigung des BgA durch Einbringung in die F-GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge ändert daran nichts (vgl. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1992 I R 17/92, BFHE 169, 343, BStBl II 1993, 352).
38 Der Ausspruch im Nachforderungsbescheid, die Klägerin schulde die Kapitalertragsteuer "gleichermaßen" als Gläubigerin und als Schuldnerin der Kapitalerträge, stellt ebenfalls keine Verletzung der inhaltlichen Bestimmtheit i.S. des § 119 Abs. 1 AO dar. Zwar gelten für die Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge als Schuldner der Kapitalertragsteuer andere Rechtsgrundlagen als für den Schuldner der Kapitalerträge, der die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat (§ 43 Satz 2 AO). Trotzdem führt die Rechtsprechung des BFH, nach der einem Bescheid eindeutig zu entnehmen sein muss, ob der Steuerpflichtige als Schuldner oder als Haftender in Anspruch genommen werden soll (Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 139/85, BFH/NV 1991, 497), im Streitfall nicht zur inhaltlichen Unbestimmtheit des Bescheids. Da die Klägerin in jedem Fall alleiniges Steuersubjekt und damit auch alleinige Inhaltsadressatin des Nachforderungsbescheids bleibt, handelt es sich letztlich nicht um eine Frage der inhaltlichen Bestimmtheit, sondern lediglich um eine Frage der Begründung des Bescheids.
39 Schließlich durfte das FA durch Bezugnahme auf den Prüfungsbericht vom 25. Januar 2007 offen lassen, ob der Gewinn des Jahres 2002 unter dem Gesichtspunkt der Auflösung einer mit diesem Gewinn gebildeten Rücklage in Folge der Einbringung (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 2 EStG) oder direkt unter dem Grundtatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG zu erfassen war. Zwar hat der BFH im Rahmen der Grunderwerbsteuer entschieden, dass zur inhaltlichen Bestimmtheit i.S. des § 119 Abs. 1 AO für den Betroffenen erkennbar sein muss, welcher Sachverhalt besteuert wird (Urteil vom 22. August 2007 II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II 2009, 754, m.w.N.). Diese Voraussetzung, die jedenfalls wegen der sachverhalts- und nicht zeitraumbezogenen Festsetzung auch für die Kapitalertragsteuer gilt, ist im Streitfall aber erfüllt. Denn der Besteuerung liegt der einheitliche Sachverhaltskomplex zum Ablauf des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 zugrunde, der den für beide Besteuerungstatbestände maßgeblichen Sachverhalt umfasst.
40 3. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der von der Betriebsprüfung korrigierte Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 in Höhe 13.857.053 EUR im Anmeldungszeitraum 2002 zu kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hat (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG i.V.m. §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c, 43a Abs. 1 Nr. 6 EStG) und das FA die Klägerin für die entstandene Kapitalertragsteuer in Anspruch nehmen durfte.
41 a) Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme war jedenfalls die Entrichtungsschuld des BgA (§ 44 Abs. 6 Sätze 1 und 4 i.V.m. Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EStG), die nicht der BgA selbst, sondern die Klägerin als alleiniges Steuersubjekt schuldete und die das FA wegen der fehlerhaften Null-Anmeldung für den Anmeldungszeitraum 2002 durch einen diese Anmeldung ändernden Nachforderungsbescheid festsetzen durfte (§ 164 Abs. 2 i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO). Ob die Klägerin darüber hinaus auch als Gläubigerin der Kapitalerträge und daraus folgend als Schuldnerin der Kapitalertragsteuer in Anspruch genommen werden durfte, kann dahingestellt bleiben. Da die Klägerin in beiden Varianten letztlich das alleinige Steuersubjekt für denselben Betrag an Kapitalertragsteuer ist, handelt es sich lediglich um verschiedene Begründungen des einheitlichen Nachforderungsbescheids und nicht um mehrere Verwaltungsakte in einem Sammelbescheid.
42 b) Die Inanspruchnahme der Klägerin steht nicht unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG, die grundsätzlich bei der Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners der Kapitalertragsteuer durch einen Nachforderungsbescheid zur Anwendung kommen (zu diesen Voraussetzungen vgl. Senatsurteil in BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163, m.w.N.).
43 Zum einen verweist § 44 Abs. 6 Satz 4 EStG bei Betrieben gewerblicher Art ohne eigene Rechtspersönlichkeit nicht auf die Haftungsnorm des § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG, so dass bereits das für die Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners üblicherweise bestehende Wahlrecht zwischen Nachforderungs- und Haftungsbescheid fehlt. Zum anderen führt die auf §§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG beruhende Entrichtungsschuld nicht zur Entrichtung der Kapitalertragsteuerschuld eines Dritten, sondern die Klägerin ist --wie bereits ausgeführt-- trotz der Fiktion des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG sowohl hinsichtlich der Kapitalertragsteuerschuld als auch hinsichtlich der Entrichtungsschuld das alleinige Steuersubjekt und damit auch die alleinige Schuldnerin. Damit ist kein Raum für einschränkende Voraussetzungen, die aus dem Gedanken einer materiellen Haftungsschuld abgeleitet werden.
44 c) Das FG hat die Voraussetzungen des Grundtatbestands des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Insbesondere hat es für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass der BgA nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist, freiwillig einen Betriebsvermögensvergleich vorgenommen hat und der Gewinn des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 tatsächlich nicht einer Rücklage zugeführt worden ist.
45 Hinsichtlich der Höhe des kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinns stellt das FG zutreffend auf den handelsrechtlichen Gewinn gemäß § 275 HGB ab (vgl. BFH-Urteil in BFHE 242, 481, BStBl II 2015, 161, Rz 21, m.w.N.). Dies zeigt die Berücksichtigung der nur handelsrechtlich zulässigen Instandhaltungsrücklage in Höhe von 1.300.000 EUR. Außerdem hat das FG zutreffend auf die durch die Betriebsprüfung korrigierte Höhe des Gewinns 2002 abgestellt, da fehlerhafte Bilanzansätze bei Regiebetrieben im Jahr der Fehlbuchung und nicht erst im Zeitpunkt der Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz zu korrigieren sind (BFH-Urteil in BFHE 242, 481, BStBl II 2015, 161, Rz 24; a.A. Schiffers, Deutsche Steuer-Zeitung 2015, 144, 147). Im Streitfall muss dies im Übrigen schon deshalb gelten, weil nach Ablauf des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 in Folge der Einbringung in die F-GmbH kein Betrieb gewerblicher Art mehr vorhanden war, bei dem die Korrekturen im Rahmen der laufenden Buchführung hätten berücksichtigt werden können.
46 d) Auf Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass für den fiktiv an die Klägerin ausgeschütteten Gewinn 2002 ganz oder teilweise das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt und damit die Ausnahmevoraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 5 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt sind. Denn im Rahmen des gemäß § 27 Abs. 7 KStG sinngemäß anzuwendenden § 27 Abs. 1 bis 6 KStG ist auch die Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu beachten. Danach kommt es nur dann zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos, wenn die Leistungen den ausschüttbaren Gewinn i.S. des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG übersteigen, den die Finanzverwaltung bei Betrieben gewerblicher Art als "Neurücklage" bezeichnet (Bürstinghaus in Hidien/Jürgens, Die Besteuerung der öffentlichen Hand, § 5 Rz 896).
47 e) Die Kapitalertragsteuer für den Gewinn 2002 ist im Anmeldungszeitraum 2002 entstanden.
48 Gemäß § 44 Abs. 6 Satz 2 EStG entsteht die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt der Bilanzerstellung, spätestens aber acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres. Im Streitfall liegen beide Zeitpunkte im Anmeldungszeitraum 2002, da das für den Gewinn 2002 maßgebliche Rumpfwirtschaftsjahr 2002 wegen der Einbringung des BgA in die F-GmbH bereits am 6. Januar 2002 endete.
49 f) Schließlich war zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Änderungsbescheids der Vorbehalt der Nachprüfung noch nicht wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist entfallen (§ 164 Abs. 4 AO).
50 Die Festsetzungsfrist von vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann hinsichtlich der Kapitalertragsteuer des laufenden Gewinns des Rumpfwirtschaftsjahres 2002 mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem eine diesen Sachverhalt erfassende Steueranmeldung eingereicht worden war (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO), d.h. bei Berücksichtigung der am 30. Oktober 2002 eingereichten Steueranmeldung für den Anmeldungszeitraum 2002 frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres 2002. Damit endete die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres 2006.
51 Da nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) in den Jahren 2005 und 2006 für den BgA eine Betriebsprüfung durchgeführt worden ist, die sich auf die Kapitalertragsteuer der Anmeldungszeiträume 2002 und 2003 erstreckte, ist eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO eingetreten. Dies gilt sowohl für die den Schuldner der Kapitalerträge treffende Entrichtungsschuld als auch für die Kapitalertragsteuerschuld des Gläubigers der Kapitalerträge. Die vom BFH im Hinblick auf § 171 Abs. 4 AO für den Steuerschuldner einerseits und den Entrichtungs- bzw. Haftungsschuldner andererseits vorgenommene Differenzierung (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2011 II R 26/10, BFHE 236, 212, BStBl II 2013, 596, zur Versicherungsteuer, m.w.N.) ist nicht auf den Streitfall übertragbar, da die Klägerin sowohl für die Entrichtungsschuld als auch für die Kapitalertragsteuerschuld das alleinige Steuersubjekt ist.
52 C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.