FG Münster: Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken
FG Münster, Urteil vom 18.3.2014 - 15 K 4236/11 U
Sachverhalt
Streitig ist, ob die im Streitjahr 2009 von der Klägerin im Rahmen von Krankenhausbehandlungen durchgeführten psychotherapeutischen Leistungen umsatzsteuerfrei sind.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt eine Klinik für Psychotherapie. Das Leistungsspektrum der Klägerin umfasst die Behandlung verschiedener psychischer Krankheitserscheinungen wie der Angst, von Asperger, Essstörungen, Depressionen, Panikstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen sowie Sucht und Zwang. Die Leistungen werden insbesondere in vollstationärer Form erbracht und umfassen die ärztliche Behandlung auf dem Gebiet der psychotherapeutischen Medizin, der Krankenpflege, der Versorgung mit Arzneimitteln sowie Unterkunft und Verpflegung. Die Patienten werden zur Behandlung in Einzelzimmern mit Bad, Balkon, Fernseher und Telefon untergebracht. Die zur Betriebsprüfungsakte des Beklagten genommene Broschüre der Klägerin, auf die Bezug genommen wird, enthält eine exemplarische Abbildung eines Patientenzimmers. Die Klinik steht unter ärztlicher Leitung.
Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, unter der vormaligen Firma C mbH, vom 27.11.1992 (UR-Nr. .../1992 des Notars I) ist
"(1) Gegenstand des Unternehmens [...] die Anwendung wissenschaftlicher Methoden der Klinischen Psychologie in der Krankenbehandlung, in der Forschung und in der Aus- und Weiterbildung durch den Betrieb entsprechender klinischer Einrichtungen zur stationären und ambulanten Krankenversorgung.
[...]
(3) Das Unternehmen strebt einen wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch und eine Kooperation auf dem Gebiet der klinisch-psychologischen Forschung mit der D-Stiftung, N, auf einer seitens der Stiftung selbstlosen und gemeinnützigen Basis an."
Die Klägerin war für den Streitzeitraum weder in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden noch hatte sie einen Versorgungsvertrag i. S. von § 108 Nr. 3 des fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) abgeschlossen. Sie erwirtschaftete seit ihrer Gründung weder Gewinne noch wurde sie kostendeckend tätig. Ausweislich des Bescheids über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer vom 22.7.2010 erhöhte sich der steuerliche Verlust von ... € zum 31.12.2008 laut Steuerbescheid für 2009 um weitere ... €. Der im Streitzeitraum bestellte Geschäftsführer und leitende Arzt der Klägerin erhielt 2007 eine Vergütung i. H. von ... € und in 2008 eine Vergütung i. H. von ... €. Die weiteren angestellten Ärzte und Psychologen erhielten Vergütungen unterhalb von ... €; die überwiegende Anzahl deutlich unterhalb dieser Grenze. Ausweislich des Kontennachweises zur Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin für das Jahr 2009 betrugen die Aufwendungen für Gehälter ... € und für Sozialabgaben ... €. Für Rechtsberatung wurden ... € und an Zinsen aufgrund von langfristigen Verbindlichkeiten ... € bezahlt.
In den Jahren 2006 bis 2009 lag der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten, die sich bei der Klägerin einer Krankenhausbehandlung unterzogen, zwischen 34 % und 47 %. Im Streitjahr erzielte sie 35 % ihrer Umsätze mit Leistungen gegenüber gesetzlich krankenversicherten Personen, ca. 24 % mit Leistungen gegenüber Beihilfeberechtigten und ca. 40 % mit Leistungen gegenüber allein privat krankenversicherten Personen. Die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten wurden durch die Sozialversicherungsträger, d. h. insbesondere den Krankenkassen, überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Die Krankenkassen erstatteten den gesetzlich versicherten Patienten die Kosten auf der Grundlage von § 13 SGB V. In dem auf das Streitjahr folgende Jahr 2010 betrug der Anteil behandelter gesetzlich versicherter Patienten am Umsatz 37,85 %, in 2011 31,11 %, in 2012 40,21 % und in 2013 44,50 %.
In der am 7.7.2010 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 erklärte die Klägerin u. a. steuerpflichtige Umsätze i. H. von ... €, steuerfreie Umsätze i. H. von .... € und einen Umsatzsteuerbetrag i. H. von ... €. Aufgrund geleisteter Vorauszahlungen ergab sich ein Erstattungsanspruch i. H. von ... €. Dieser Erklärung stimmte der Beklagte mit Mitteilung vom 19.7.2010 zu.
Der Beklagte führte im März 2010 für die Jahre 2006 bis 2009 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Unter Ziffer 2.2 des Berichts über die Außenprüfung vom 3.9.2010, auf den verwiesen wird, wurden die folgenden Feststellungen getroffen: Die Umsätze der Jahre 2006 bis 2008 seien nach § 4 Nr. 16 Buchst. c) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei, wenn die Leistungen unter ärztlicher Aufsicht erbracht würden und im vorangegangenen Kalenderjahr mindestens 40 % der Leistungen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugutegekommen seien. Diese Voraussetzungen hätten im Jahre 2006 vorgelegen, so dass im Jahr 2007 die Umsätze steuerfrei gewesen seien. In den übrigen Jahren des Prüfungszeitraums sowie im Jahr 2005 seien diese Voraussetzungen nicht gegeben gewesen. Ab 2009 habe sich die Rechtslage geändert. Krankenhausbehandlungen seien ab dem 1.1.2009 nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. nur dann steuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V erbracht würden. Da die Klägerin kein öffentlich-rechtliches und kein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus sei, habe ab 2009 die Umsatzsteuerbefreiung nicht greifen können. Auch auf die von der Finanzverwaltung erlassene Billigkeitsregelung könne sich die Klägerin nicht berufen, da ihre Leistungen nicht bis zum 31.12.2008 unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchst. b) UStG a. F. i. V. mit § 67 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) umsatzsteuerfrei gewesen seien. Danach hätten im Jahr 2008 mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfallen müssen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als in der Bundespflegesatzverordnung festgelegt berechnet worden sei. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, da die Pflegesätze der Klägerin deutlich über den Pflegesätzen des vergleichbaren Universitätsklinikums O gelegen hätten. Während die Klägerin in 2007 Pflegesätze i. H. von 320 €, 340 € und 410 € berechnet habe, seien vom Universitätsklinikum O Pflegesätze i. H. von 330,10 € (Kinder- und Jugendpsychiatrie), 263,66 € (Psychotherapie/Psychosomatik) und 219,54 € (Allgemeine Psychiatrie) abgerechnet worden. Die Klägerin habe daher ein höheres Entgelt als in § 67 AO vorgesehen berechnet. Für 2009 seien daher auch die weiteren Umsätze der Klägerin betreffend Krankenhausbehandlungen i. H. von ... € umsatzsteuerpflichtig.
Mit Änderungsbescheid vom 22.10.2010 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer - entsprechend den Prüfungsfeststellungen - auf ... € fest.
Die Klägerin legte am 18.11.2010 Einspruch dagegen ein. Zur Begründung führte sie aus, dass für sie die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. zwar dem Wortlaut nach nicht greife. § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. enthalte jedoch keine richtlinienkonforme Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie - MwStSystRL -). Sie könne sich daher unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL berufen, mit der Folge, dass die von ihr erbrachten psychotherapeutischen Leistungen umsatzsteuerfrei seien. Danach seien die Umsätze aus Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar seien, und von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt bzw. bewirkt würden, umsatzsteuerfrei. Die psychotherapeutischen Leistungen der Klägerin würden jeweils im Rahmen einer Krankenhausbehandlung i. S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL erbracht. Die Umsetzung der Richtlinienvorschrift durch § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. sei nicht richtlinienkonform, weil der deutsche Gesetzgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt habe. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.3.2007 V R 55/03 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 217, 48; Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2008, 31) müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität gewahrt werden und deshalb müssten "für alle ... Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen die gleichen Bedingungen für ihre Anerkennung in Bezug auf die Erbringung vergleichbarer Leistungen gelten." Eine solche Gleichbehandlung ergebe sich aus § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. nicht. Würden nämlich psychotherapeutischen Leistungen, wie sie die Klägerin erbringe, von einer anderen privatrechtlichen Einrichtung erbracht, die nach § 108 SGB V zugelassen sei oder die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehme oder für die die Regelungen nach § 115 SGB V gelten würden, so wären diese Leistungen umsatzsteuerfrei. Auch wenn die gleichen Leistungen, wie sie die Klägerin erbringe, von einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus erbracht würden, so wären diese Leistungen ebenfalls umsatzsteuerfrei. Die Erbringung vergleichbarer Leistungen werde damit unterschiedlich behandelt. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen. Schließlich werde durch diese Ungleichbehandlung der Zweck der Richtlinienvorschrift vereitelt, nämlich die Kosten der Heilbehandlung insgesamt, und damit auch für die Sozialversicherungsträger, zu senken.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2.11.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Bericht über die Außenprüfung ergänzend Folgendes aus: § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. könne mangels Zulassung der Klägerin i. S. des § 108 SGB V nicht greifen. Auch finde die Billigkeitsregelung für private Krankenhäuser, die bis zum 31.12.2008 unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. b) UStG a. F. i. V. mit § 67 Abs. 2 AO steuerbefreit gewesen seien, im vorliegenden Fall keine Anwendung. Zum einen sei nicht erkennbar, ob im Kalenderjahr 2008 mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet worden sei. Zum anderen sei die weitere Voraussetzung für die Anwendung dieser Billigkeitsregelung, dass eine Zulassung der Klägerin nach § 108 SGB V nur deshalb unterblieben sei, weil für sie im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf bestehe und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid belegt werden könne, nicht erfüllt. Die gesetzliche Regelung sei außerdem richtlinienkonform. In Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL würden die Einrichtungen aufgeführt, die umsatzsteuerfreie Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen durchführen könnten. Dies seien Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar seien. Die Vorschrift begünstige nur Krankenhäuser des öffentlichen Rechts oder die sogenannten Sozialkrankenhäuser, die für die medizinische Grundversorgung der Allgemeinheit zur Verfügung stünden. Zusätzlich sei dabei zu berücksichtigen, dass die Steuerbefreiungsvorschriften nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sowie des BFH eng auszulegen seien. In der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Krankenhausleistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Sozialkrankenhäuser erbracht würden, im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die Krankenhausleistungen erbringen würden, sei kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot zu erkennen, da unterschiedliche Gruppen unterschiedlich behandelt würden. Diese gewollte Unterscheidung der beiden vorgenannten Gruppen sei bereits in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL angelegt.
Am 29.11.2011 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Zur Begründung führt sie - unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Vorverfahren - ergänzend wie folgt aus: Aus der Europarechtswidrigkeit von § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. folge zwar nicht automatisch, dass die psychotherapeutischen Leistungen der Klägerin umsatzsteuerfrei seien. Konsequenz sei zunächst, dass sich die Klägerin auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL berufen könne. Bei unmittelbarer Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL seien aber die Umsätze der Klägerin aus der Erbringung psychotherapeutischer Leistungen umsatzsteuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen der Vorschrift erfülle. Bei den Leistungen handele es sich nämlich um ärztliche Heilbehandlungen, die eine Krankenanstalt, die nach deutschem Recht zur Erbringung der psychotherapeutischen Heilbehandlungsleistungen zugelassen sei, erbringe. Diese Leistungen würden unter Bedingungen erbracht, die mit der Erbringung der gleichen Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar seien. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 6.11.2003 C-45/01 Dornier, Rn. 72, 76 Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs ‑ Slg. ‑ 2003, I-12911; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ‑ HFR ‑ 2004, 70) sei den nationalen Behörden und Gerichten die Aufgabe zugewiesen, zu bestimmen, ob Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anzuerkennen seien. Dabei seien verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu gehörten das mit den Tätigkeiten des Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen würden, sowie der Umstand, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen würden. Diese Kriterien seien vorliegend erfüllt.
Die Klägerin biete nämlich ein vergleichbares Leistungsspektrum an wie öffentliche Kliniken bzw. nach § 108 SGB V zugelassene Kliniken, die diese Leistungen umsatzsteuerfrei erbringen würden. Dies ergebe sich aus einer Übersicht, in der das von der Klägerin angebotene Leistungsspektrum mit dem Leistungsspektrum umsatzsteuerlich begünstigter Kliniken verglichen werde. Nur in quantitativer Hinsicht biete die Klägerin im Gegensatz zu begünstigten Kliniken, die lediglich bis zu zwei Einzeltherapiesitzungen pro Woche anbieten würden, bis zu vier Einzeltherapiesitzungen am Tag an.
Da es sich bei diesen Vergleichskliniken um öffentlich-rechtliche Krankenhäuser oder um nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser handele, sei mit ihren Tätigkeiten bei der Behandlung der psychischen Krankheitserscheinungen ein Gemeinwohlinteresse verbunden. Dann müsse die gleiche Tätigkeit bei der Klägerin zwangsläufig ebenfalls mit einem Gemeinwohlinteresse verbunden sein. Allein die Tatsache, dass die Klägerin kein zugelassenes Krankenhaus sei, könne das Gemeinwohlinteresse an ihren Leistungen nicht ausschließen. Dass ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit an der Erbringung der Leistungen der Klägerin bestehe, ergebe sich u. a. aus ihrem Angebot der "Vor Ort Therapie". So heiße es z. B. in einer Kostenzusage der B (= eine gesetzliche Krankenkasse) vom 12.10.2010: "Diese Privatklinik in O bietet in Deutschland einzigartig eine Behandlung im häuslichen Umfeld an."
Die Klägerin sei auch in sozialer Hinsicht vergleichbar mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL. Sie erbringe nämlich Leistungen in nicht unerheblichem Umfang an gesetzlich krankenversicherte Patienten. Die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten der Klägerin würden durch die Sozialversicherungsträger, d.h. insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen, überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 6.11.2003 C 45/01 Dornier, Slg. 2003, I-12911; HFR 2004, 70) rechtfertige der Umstand, dass die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten nicht in allen Fällen vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen würden, keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Umsatzsteuerpflicht. Die Erstattung der Kosten der Klägerin sei möglich, da gesetzlich Versicherte nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V nach Zustimmung der jeweiligen Krankenkassen anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen könnten. Damit könne sich grundsätzlich jeder gesetzlich Versicherte mit Kostenerstattung durch die Krankenkasse bei der Klägerin behandeln lassen, soweit die jeweilige Krankenkasse zustimme. In ihrem Internetauftritt weise die Klägerin lediglich auf den Umstand hin, dass es sich bei der Entscheidung nach § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V um eine Ermessensentscheidung der Krankenkasse handele, einem Patienten die Kosten der psychotherapeutischen Behandlung zu erstatten, wenn medizinische oder soziale Gründe die Behandlung rechtfertigen würden, so dass die Erstattung nicht in jedem Fall gewiss sei. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass die Klägerin grundsätzlich von einer Ablehnung der Kostenübernahme ausgehe.
Auch würden alle Patienten - unabhängig davon, ob gesetzlich oder privat versichert - gleichbehandelt. Es gebe insbesondere keine Chefarztbehandlung als Wahlleistung. Darüber hinaus bestehe für den einzelnen Patienten auch keine Wahlmöglichkeit in Bezug auf den behandelnden Therapeuten. Dieser werde dem Patienten nach Verfügbarkeit zugeordnet. Die Therapiedichte hänge allein von der ärztlichen Diagnose und den medizinischen Erfordernissen ab.
Dafür, dass die Klägerin ihre Krankenhausbehandlung zu Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar seien, spreche auch, dass ihre Vergütungssätze angemessen seien. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der Beihilfestelle P-Kreis vom 4.3.2010, das einen Vergleich mit den Pflegesätzen der Universitätsklinik G enthalte, die über den Pflegesätzen der Klägerin lägen. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass die Klägerin mit bis zu 20 individuell angepassten Einzeltherapien pro Woche effektiver und wirtschaftlicher agiere, wenn sich dadurch eine schnellere Gesundung einstelle als bei öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern, die durchschnittlich nur zwei Einzeltherapien pro Woche erbringen würden.
Die Tätigkeit der Klägerin sei im Vergleich zu den von der Umsatzsteuer befreiten Einrichtungen nicht auf übermäßiges Gewinnstreben ausgerichtet. Die Klägerin habe in den letzten Jahren nicht kostendeckend arbeiten können.
Außerdem würden Regelleistungen ohne jeden Luxuscharakter erbracht, wie sie in Plankrankenhäusern üblich seien. Die Ausstattung der Zimmer mit normalem WC, Dusche, kleinem Fernseher und Telefon entspreche der Regelausstattung eines Plankrankenhauses. Möbel, Betten und Teppichböden würden von 1992/1993 datieren und seien daher renovierungsbedürftig. Auch sei die Beschreibung der Zimmerausstattung in ihrem Internetauftritt als „modern" eine Selbstverständlichkeit, die auch auf Plan- und Vertragskrankenhäuser zutreffe. Modern bedeute zeitgemäß und nicht luxuriös. Soweit die Klinik lediglich Einbettzimmer anbiete, werde dies im Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie und Psychosomatik selbst von den gesetzlichen Krankenkassen lediglich als guter Standard angesehen. Vergleiche man die Ausstattung der Klägerin mit der i. S. von § 108 SGB V zugelassenen Klinik L, so biete diese ebenfalls nur Einbettzimmer an, die über einen "traumhaften Blick auf das Bayrische ... oder auf die ..." verfügen würden. Die Einbettzimmer seien bei der Klägerin auch nicht nur Privatpatienten vorbehalten, sondern jeder - auch gesetzlich versicherte Patienten - würden in Einbettzimmern untergebracht.
Die Klägerin werde auch auf demselben Markt tätig wie öffentlich-rechtliche oder nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser. Betreffend dieselben Personengruppen (Privatversicherte, gesetzlich Versicherte, Beihilfeberechtigte und durch Unfälle erkrankte Personen, deren Behandlungskosten die Berufsgenossenschaften übernähmen) stehe die Klägerin im Wettbewerb zu den anderen Krankenhäusern.
Eine Grundlage der Auffassung des Beklagten sei der Begriff des Sozialkrankenhauses. Ein solcher Begriff existiere rechtlich nicht. Es gebe nur den Begriff des Krankenhauses nach § 107 SGB V. Das Gesamtbild der Klägerin entspreche dem Begriff des Krankenhauses nach § 107 SGB V. Sie weise somit alle Merkmale auf, die auch bei zugelassenen Krankenhäusern im Sinne des § 108 SGB V vorliegen müssten. Auch dies zeige deutlich, dass sie eine soziale Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL sei.
Außerdem ließe der Umstand, dass § 4 Nr. 16 UStG a. F. nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 8.6.2006 C-106/05 L. u. P., Slg. 2006, I-5123, HFR 2006, 831) als gemeinschaftsrechtskonform angesehen werde, nicht den Schluss zu, dass diese Wertung auch für § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. gelte. Die Voraussetzungen beider Vorschriften seien verschieden. Die Kriterien des § 4 Nr. 16 UStG a. F. hätten durch eigene Anstrengungen erreicht werden können. Plan- oder Vertragskrankenhaus i. S. des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. zu werden, setze hingegen die positive Entscheidung der zuständigen Landesbehörde oder des Landesverbands der Krankenkassen voraus. Diese Entscheidung beruhe aber, wie eine Vielzahl verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen zeige, nicht auf sozialen, sondern auf marktpolitischen, haushaltsbezogenen und finanziellen Erwägungen. Außerdem setze die Zulassung nach § 108 SGB V nur eine gewisse "Leistungsfähigkeit" des Krankenhauses voraus, die nach § 1 KHG vorliege, wenn die Behandlungen der Einrichtung dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und dem Gesetzeswerk entsprechen würden. Diese Voraussetzungen würde die Klägerin ebenfalls erfüllen. Bei einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. greife die 40 %-Grenze des § 4 Nr. 16 UStG a. F. nicht ersatzweise als Rückfallklausel ein.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid des Beklagten für 2009 vom 22.10.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 2.11.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung trägt er Folgendes vor: Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F., der zwingende Voraussetzung für die Gewährung der begehrten Steuerbefreiung sei. Auch die Billigkeitsregelung für private Krankenhäuser finde im vorliegenden Fall keine Anwendung. § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG n. F. sei auch gemeinschaftsrechtskonform. Selbst wenn dem nicht so wäre, erbringe die Klägerin keine Heilbehandlungsleistungen unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht vergleichbar seien. Der Umstand der Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger sei insoweit von besonderer Bedeutung. Nach dem Internetauftritt der Klägerin gehe sie hingegen selbst davon aus, dass Patienten eine Kostenübernahme allenfalls in Einzelfällen erreichen könnten:
"Patient/innen empfehlen wir nach einem Gespräch mit einem/er Therapeuten/in mit dem Kostenvoranschlag rechtzeitig vor einer Aufnahme/Behandlung in der D-Klinik mit der zuständigen Krankenversicherung und (ggfls. auch mit der Beihilfestelle, der Berufsgenossenschaft oder dem Haftpflichtversicherungsträger) abzuklären, ob und ggfls. in welcher Höhe die Kosten für eine Behandlung in der D-Klinik übernommen werden. Da die einzelnen Verträge mit privaten Krankenkassen sehr facettenreich sind, sollten Sie mit unserem Kostenvoranschlag die Höhe der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung klären. Ebenfalls können Patienten einer gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung versuchen, eine Kostenübernahme zu erwirken. Auch dies sollte nach einem Gespräch mit einem Therapeuten mit dem Kostenvoranschlag rechtzeitig vor einer Aufnahme/Behandlung in der D-Klinik vorgenommen werden."
Wenn Krankenversicherungen nicht sämtliche Kosten erstatten würden, bedeute dies, dass bei der Klägerin höhere Kosten anfallen würden, als bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die grundsätzlich verpflichtet seien, gesetzlich versicherte Personen ohne Zusatzkosten zu behandeln. Allein dieser Umstand zeige, dass die Klägerin ihre Krankenhausbehandlung nicht zu Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen für Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar seien. Auch erbringe die Klägerin laut ihrem Internetauftritt Leistungen mit Luxuscharakter und nicht Regelleistungen:
"Unsere Patientinnen und Patienten sind in modern ausgestatteten Einzelzimmern mit Dusche, WC, Balkon, Telefon und Farbfernseher untergebracht. Die persönliche Wertschätzung der Patienten dokumentiert sich in der D-Klinik durch ein angenehmes und freundliches Ambiente, das neben dem professionellen Therapieangebot auch angemessenen Komfort zu bieten hat."
Allein die Tatsache, dass die Klägerin ausschließlich Einzelzimmer anbiete, zeige, dass ihre Leistungen vom allgemeinen Standard eines Krankenhauses des öffentlichen Rechts abweichen würden.
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 18.4.2011, auf den verwiesen wird, den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid vom 22.10.2010 von der Vollziehung ausgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 22.10.2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2.11.2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die im Rahmen von Krankenhausbehandlungen durchgeführten psychotherapeutischen Leistungen der Klägerin sind umsatzsteuerfrei.
I. Die in dem angefochtenen Bescheid der Besteuerung unterworfenen psychotherapeutischen Leistungen der Klägerin sind zwar nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (Art. 7 Nr. 4 Buchst. b) des Gesetzes vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, Seite 2794 mit Wirkung vom 1.1.2009) steuerfrei, weil es sich bei der Klägerin nicht um eine Einrichtung des öffentlichen Rechts handelt und sie auch nicht zu den in § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 UStG genannten Einrichtungen gehört.
II. Die Klägerin kann sich aber für die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze mit psychotherapeutischen Leistungen unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL berufen.
Der Ausschluss der Klägerin von der Steuerbefreiung für im Rahmen von Krankenhausbehandlungen erbrachte psychotherapeutischen Leistungen durch die in § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 UStG aufgestellten Voraussetzungen ist nicht mit der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL geregelten Steuerbefreiung vereinbar (1.). Die Unvereinbarkeit führt zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinienvorschrift (2.), deren Voraussetzungen die Klägerin erfüllt (3.).
1. Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen sowie damit eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden, von der Steuer.
Nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG sind steuerfrei die
Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden.
Diese Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von
aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch,
bb) Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
cc) Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,
dd) Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ee) Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 21 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ff) Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten, oder
gg) Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, oder
hh) von Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes erbracht werden.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388), der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL, legt die Vorschrift die Bedingungen und Modalitäten der einzelnen Anforderungen an die Steuerbefreiung nicht fest, sondern es ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen Einrichtungen, die keine öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sind, in den Genuss der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe b) Richtlinie 77/388 bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL vorgesehenen Steuerbefreiung kommen können. Dabei ist ihnen ein Ermessen eingeräumt, das jedoch von den nationalen Gerichten darauf hin zu überprüfen ist, ob die durch das Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen eingehalten worden sind (EuGH-Urteile vom 10.9.2002 C-141/00 Kügler, Slg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146 Rn. 54).
Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die innerstaatliche Regelung den Grundsatz der steuerlichen Neutralität als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes wahrt, der es insbesondere verbietet, dass Wirtschaftsteilnehmer, die die gleichen Leistungen unter vergleichbaren Umständen bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (EuGH-Urteil vom 10.9.2002 C-141/00 Kügler, Slg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146, Rn. 56). Darüber hinaus hat sich die innerstaatliche Regelung an der Zielsetzung der umzusetzenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung zu orientieren. Zielsetzung des vorliegend einschlägigen Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL ist es, die Kosten der Heilbehandlung schlechthin zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen (EuGH-Urteil 8.6.2006 C-106/05 L. u. P., Slg. 2006, S. I-05123, HFR 2006, 831, Rn. 25 m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL ist die nunmehr allein an Kriterien des Sozialrechts bzw. des SGB anknüpfende Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG nicht richtlinienkonform (so auch Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht ‑ FG ‑, Urteil vom 17.7.2013 4 K 104/12, EFG 2013, 1884; Hessisches FG, Beschluss vom 10.6.2013 1 V 1700/12, juris; Stadie in Kommentar zum UStG, 2. Auflage 2012, § 4 Nr. 14, Rn. 25, 27, 32; Hölzer in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG Stand April 2011, § 4 Nr. 14, Rn. 47, 195; Staschewski/Drüen, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2009, 361; Dennisen/Frase, Betriebs-Berater - BB - 2009, 531; Schmitz/Erdbrügger, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2010, 846; a. A. Huschens in Vogel/Schwarz, Kommentar zum UStG Stand Januar 2011, § 4 Nr. 14, Rn. 213; Sterzinger, UR 2013, 525,).
Eine Privatklinik - wie von der Klägerin betrieben - die nicht die Voraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 Doppelbuchst. aa) bis gg) UStG erfüllt, ist mit ihren Heilbehandlungsleistungen generell von der Umsatzsteuerfreiheit ausgenommen sind, unabhängig davon, wem gegenüber sie ihre Leistungen erbringt und durch wen die Kosten getragen werden, während sämtliche Umsätze von öffentlich-rechtlichen Kliniken bzw. Kliniken i. S. von § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 UStG umsatzsteuerfrei sind oder zumindest mit den Umsätzen steuerbefreit sind, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch bezieht. Insoweit ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Verhältnis der zugelassenen zu den nicht zugelassenen Krankenhäusern in privatrechtlicher Trägerschaft nicht gewahrt. Nicht zugelassene Krankenhäuser können die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 UStG auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie exakt die gleichen Heilbehandlungen zu gleichen Entgeltsätzen erbringen und gegebenenfalls aufgrund individueller Kostenübernahmevereinbarung (§ 13 Abs. 2 SGB V) mit einer gesetzlichen Krankenkasse für die gleiche Leistung eine Kostenerstattung in gleichem Umfang erhalten. Eine derartige umsatzsteuerrechtliche Ungleichbehandlung ist sachlich nicht begründbar (Hessisches FG, Beschluss vom 10.6.2013 1 V 1700/12, juris; Schmitz/Erdbrügger, Umsatzsteuerbefreiung für Privatkliniken, DStR 2010, 846).
Dies gilt umso mehr, als der EuGH in seinem Urteil vom 6.11.2003 (C-45/01 Dornier, Slg. 2003, I-12911, HFR 2004, Rn. 70) ausgeführt hat, dass der bloße Umstand, dass die Kosten einer Leistung nicht vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen werden, keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt.
Zudem sind bei zugelassenen Krankenhäusern auch die Wahlleistungen Arztwahl und Unterkunft von der Umsatzsteuer befreit (BMF-Schreiben vom 29.6.2009 BStBl. I 2009, 756, Abschn. 3.10 Abs. 2), während die nicht zugelassenen Krankenhäuser auch insoweit von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen sind. Auch diese Ungleichbehandlung erscheint insbesondere hinsichtlich des Erfordernisses der Vergleichbarkeit mit einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung in sozialer Hinsicht zumindest zweifelhaft (Hessisches FG, Beschluss vom 10.6.2013 1 V 1700/12, juris).
Im Übrigen ist die Umsatzsteuerbefreiung der Heilbehandlungsleistungen durch das Anknüpfen an den Status als Plan- oder Vertragskrankenhaus von der Bedarfsplanung der Länder bzw. dem Willen der Krankenkassen abhängig (Staschewski/Drüen, UR 2009, 361). Dies erweckt den Eindruck, dass es sich bei der Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG vorrangig um eine Begleitmaßnahme im Rahmen der Neugestaltung der Krankenhauslandschaft handelt (Hessisches FG, Beschluss vom 10.6.2013 1 V 1700/12, juris). Außerdem beruht die Entscheidung über die Zulassung nach § 108 SGB V, die sich am "Bedarf" ausrichtet, wesentlich auf marktpolitischen, haushaltsbezogenen und finanziellen Erwägungen (vgl. hierzu z. B. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 23.7.2002 B 3 KR 63/01 R, Entscheidungen des Bundessozialgerichts - BSGE - 89, 294 m. w. N.). Die auf Ermessen beruhende Kontingentierung einer Umsatzsteuerbefreiung aufgrund von im Wesentlichen außerhalb des Umsatzsteuerrechts liegenden Gründen für Unternehmer, die die gleiche Tätigkeit ausüben, ist mit dem Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität nicht vereinbar.
b) Auch die von der Finanzverwaltung getroffene Billigkeitsregelung vom 15.6.2009 (Oberfinanzdirektion - OFD - Münster S 7170 - 35 - St 44 - 32) ist nicht geeignet, einen mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL übereinstimmenden Rechtszustand zu begründen. Eine durch Verwaltungsvorschrift geregelte Verwaltungspraxis, die die Verwaltung naturgemäß beliebig ändern kann und die nur unzureichend bekannt ist, kann nach der Rechtsprechung des EuGH nicht als hinreichende Umsetzung der Richtlinie angesehen werden (vgl. EuGH-Urteil vom 4.6.2009 C-102/08 Salix, Slg. 2009, I-4629, HFR 2009, 844 Rn. 43; Schmitz/Erdbrügger, DStR 2010, 846). Die Verwaltungsvorschrift vermag darüber hinaus ‑ unabhängig vom Vorstehenden ‑ auch in materieller Hinsicht keine Vereinbarkeit mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL herzustellen. Die Finanzverwaltung knüpft zwar mit der von ihr getroffenen Billigkeitsregelung vom 16.9.2009 wieder an die Vorgängerreglung des § 4 Nr. 16 Buchst. b) UStG a. F. an. Danach können private Krankenhäuser unabhängig von den unter § 4 Nr. 14 Buchst. b) Satz 2 Doppelbuchst. aa) bis hh) UStG genannten Kriterien, wenn ihre Leistungen bis zum 31.12.2008 unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 16 Buchst. b) UStG a. F. i. V. mit § 67 Abs. 2 AO umsatzsteuerfrei waren, weil mindestens 40 % der jährlichen Pflegetage auf Patienten entfielen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als nach der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde, die ab dem 1.1.2009 erbrachten Leistungen i. S. von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei erbringen, wenn ihre Zulassung nach § 108 SGB V nur deshalb verweigert wurde, weil für sie als Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Bedarf besteht und dies durch einen entsprechenden Ablehnungsbescheid nachgewiesen wird. Die Billigkeitsregelung begünstigt insoweit nur Kliniken, die diese Voraussetzungen im Jahr 2008 erfüllt haben. Es ist aber nicht zu rechtfertigen, wenn private Krankenhäuser ab 2009 identische Umsätze tätigen und einige dieser Krankenhäuser bevorzugt werden, nur weil sie diese Voraussetzungen im Jahr 2008 erfüllt haben. Nach dem 1.1.2009 neu gegründete Krankenhäuser könnten sich darüber hinaus gar nicht auf die Regelung berufen (Sterzinger, UR 2013, 525). Insoweit kann dahinstehen, ob bereits § 4 Nr. 16 UStG a. F keine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung darstellt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15.3.2007 V R 55/03, BStBl. II 2008, 31, HFR 2007, 779).
2. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht auf eine Bestimmung der MwStSystRL berufen, wenn die entsprechende Bestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist und die innerstaatliche Regelung mit dieser Bestimmung unvereinbar ist. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b) Richtlinie 77/388 als erfüllt angesehen worden (EuGH-Urteil vom 6.11.2003 C-45/01 Dornier, Slg. 2003, I-12911, HFR 2004, 70, Rn. 78, 79).
3. Die Klägerin erfüllt die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL aufgestellten Voraussetzungen. Die Klägerin betreibt eine Krankenanstalt im Sinne der Vorschrift, die ärztliche Heilbehandlungen im Rahmen von Krankenhausbehandlungen erbringt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sind in Bezug auf die Überprüfung der Vergleichbarkeit der Bedingungen in sozialer Hinsicht, unter denen die Leistungen erbracht werden, verschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Dazu zählt das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse (unter a)), die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen (unter b)), sowie, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden (unter c)) (EuGH-Urteil vom 8.6.2006 C-106/05 L. u. P., Slg. 2006, I-5123, HFR 2006, 831, Rn. 53 m. w. N.).
a) An der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit besteht ein hinreichendes Gemeinwohlinteresse. Die Klägerin bietet ein vergleichbares Leistungsspektrum an wie öffentliche Kliniken bzw. nach § 108 SGB V zugelassene Kliniken. Das Leistungsspektrum der Klägerin umfasst die Behandlung insbesondere der psychischen Krankheitserscheinungen der Angst, von Asperger, Essstörungen, Depressionen, Panikstörungen, posttraumatischen Belastungsstörungen, Sucht und Zwang. Die Erbringung von psychotherapeutischen Leistungen im Rahmen von Krankenhausbehandlungen, die von jedem, gleich ob gesetzlich, privat oder gar nicht versichert, in Anspruch genommen werden können, begründet für sich ein Gemeinwohlinteresse. Darüber hinaus besteht ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit an dem konkreten Angebot von Leistungen der Klägerin im Rahmen der sogenannten "Vor Ort Therapie". Der Umstand, dass die Klägerin nicht satzungsgemäß gemeinnützig tätig ist, schließt ein Gemeinwohlinteresse an ihrer Tätigkeit nicht aus, da zahlreiche Plan- und Vertragskrankenhäuser, denen die Steuerbefreiung gewährt wird, ihre Leistungen ebenfalls mit Gewinnerzielungsabsicht erbringen. Ein das Gemeinwohlinteresse ausschließende übermäßiges Gewinnstreben der Klägerin liegt indes nicht vor. Sie erwirtschaftete seit ihrer Gründung weder Gewinne noch wurde sie kostendeckend tätig. Die erlittenen Verluste beruhen außerdem nicht auf übermäßigen Gehältern des Geschäftsführers, der Ärzte und Psychologen. Eine Gewinnverlagerung durch übermäßige Zinszahlungen auf konzernangehörige Gesellschaften konnte - jedenfalls ausgehend von der Bilanz und den Kontennachweisen des Jahres 2009 - nicht festgestellt werden.
b) Nach Auffassung des Senats kommen andere Steuerpflichtige, die die gleichen Leistungen (aa)) unter in sozialer Hinsicht gleichen Bedingungen (bb)) wie die Klägerin erbringen, in den Genuss der Steuerbefreiung.
aa) Die Klägerin erbringt Regelleistungen ohne jeden Luxuscharakter, wie sie in vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern oder in zugelassenen Krankenhäusern i. S. des § 108 SGB V üblich sind. Die Ausstattung der Zimmer mit WC, Dusche, Fernseher und Telefon entspricht der Regelausstattung eines Plankrankenhauses. Soweit der Beklagte geltend macht, die Beschreibung der Zimmer im Internetauftritt der Klägerin als "modern" würde den Luxuscharakter der Leistungen belegen, kann dem nicht zugestimmt werden. Die Beschreibung ist eine werbende Aussage. Der in der Betriebsprüfungsakte des Beklagten enthaltenen Broschüre der Klägerin, die eine Abbildung eines Patientenzimmers enthält, lässt sich eine luxuriöse Ausstattung nicht entnehmen. Der Luxuscharakter dürfte bereits aufgrund der geringen Größe der Zimmer auszuschließen sein. Soweit die von der Klägerin betriebene Klinik lediglich Einbettzimmer anbietet, ist dies im Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie und Psychosomatik lediglich als guter Standard anzusehen. Die Patientenzimmer der Klägerin weisen jedenfalls im Vergleich zu der nach § 108 SGB V zugelassenen Klinik L keinen höheren Standard auf. Außerdem sind die Einbettzimmer nicht lediglich Privatpatienten vorbehalten, sondern jeder - auch gesetzlich versicherte Patienten - werden in Einbettzimmern untergebracht.
Alle Patienten - unabhängig davon, ob gesetzlich oder privat versichert - werden in Bezug auf die psychotherapeutischen Leistungen gleichbehandelt. Die Klinik bietet keine Chefarztbehandlung als Wahlleistung an und ordnet die behandelnden Therapeuten den Patienten nach Verfügbarkeit zu. Die Therapiedichte hängt ausschließlich von der ärztlichen Diagnose und den medizinischen Erfordernissen ab. Die Klägerin geht mit dieser strikten Gleichbehandlung von gesetzlich und privat versicherten Patienten in sozialer Hinsicht sogar über die Leistungserbringung von nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern hinaus.
bb) Die Klägerin erbringt diese Leistungen auch unter Bedingungen, die in sozialer Hinsicht vergleichbar sind mit den Bedingungen, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL erbringen.
(1) Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen eines Krankenhauses i. S. des § 107 SGB V. Sie weist alle Merkmale auf, die auch bei zugelassenen Krankenhäusern im Sinne des § 108 SGB V vorliegen müssen.
(2) Wie die öffentlich-rechtlichen oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser erbringt die Klägerin ihre Leistungen in nicht unerheblichem Umfang an gesetzlich krankenversicherte Patienten. Dass es insoweit an einer rechtlichen Verpflichtung mangelt, gesetzlich Versicherte Patienten aufzunehmen, schadet nicht, da nicht erkennbar ist, dass die Klägerin gesetzlich versicherte Patienten aufgrund ihres Versicherungsstatus ablehnt. Da in den Jahren 2006 bis 2009 der Anteil der gesetzlich versicherten Patienten, die sich bei der Klägerin einer Krankenhausbehandlung unterzogen, zwischen 34 % und 47 % und im Streitjahr bei 35 % lag, ist belegt, dass die Behandlung dieser Versichertengruppe nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Der Klägerin die umsatzsteuerfreie Erbringung der Leistung erst zuzugestehen, wenn die Umsatzschwelle von 40 % behandelter gesetzlich versicherter Patienten überschritten wird, hat keinen Niederschlag in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) MwStSystRL gefunden. Der Senat verkennt nicht, dass der EuGH in seinem Urteil vom 8.6.2005 C-106/05 L. u. P. (Slg 2006, I-05123, HFR 2006, 831, Rn. 54) grundsätzlich die Anknüpfung an das Sozialrecht dergestalt, dass nach § 4 Nr. 16 Buchst. c) UStG a. F. die Befreiung von der Umsatzsteuer davon abhängig gemacht worden war, dass mindestens 40 % der Umsätze gegenüber Personen erbracht wurden, die bei einem Träger der Sozialversicherung versichert waren, als gemeinschaftsrechtskonform angesehen hatte. Mit der Bestätigung der Gemeinschaftsrechtskonformität der in § 4 Nr. 16 Buchst. c) UStG a. F. enthaltenen 40 %-Schwelle hat der EuGH jedoch keine Aussage darüber getroffen, ob von „vergleichbaren Bedingungen in sozialer Hinsicht" nicht auch unterhalb dieser Umsatzschwelle ausgegangen werden kann. Da die 40 %-Grenze weder ihren Niederschlag in der derzeitigen Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG gefunden hat noch die Billigkeitsregelung, in der diese 40 %-Schwelle aufgenommen wurde, wie bereits ausgeführt (vgl. II. 1. b), als hinreichende Umsetzung des Gemeinschaftsrechts angesehen werden kann, kommt ihr keine verbindliche Wirkung zu. Nach Auffassung des Senats sind jedenfalls die im Streitjahr gegenüber gesetzlich versicherten Patienten erzielten Umsätze mit einem Anteil von 35 % am Gesamtumsatz hinreichend, um von einer Leistungserbringung unter vergleichbaren Bedingungen in sozialer Hinsicht zu sprechen. Der Senat berücksichtigt auch das für jeden Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne bedeutsame Bedürfnis nach Planungssicherheit. Da ein Unternehmer den Anteil der im Jahr zu behandelnden gesetzlich versicherten Patienten nicht sicher vorhersagen kann, würde, wenn die Gewährung der Steuerbefreiung allein von dem Erreichen der Umsatzgrenze eines Jahres abhängen würde, das geringfügige Unterschreiten dieser Schwelle ggfls. existenzbedrohend sein oder zu einem nicht dem Gemeinwohl dienenden Verhalten führen, wie der Ablehnung von privat versicherten Patienten gegen Ende des Jahres, um die Umsatzschwelle gesetzlich versicherter Patienten zu halten. Daher ist es sachgerecht, die dem Streitjahr vorhergehenden und nachfolgenden Jahre mit einem Umsatzanteil gesetzlich versicherter Patienten zwischen 34 % und 47 % in den Jahren 2006 bis 2009 und einem Umsatzanteil von 31 % bis 44 % in den Jahren 2010 bis 2013 bei der Bewertung der Vergleichbarkeit der Bedingungen in sozialer Hinsicht mit zu berücksichtigen.
(3) Dafür, dass die Klägerin ihre Krankenhausbehandlung zu gleichen Bedingungen erbringt, die in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergleichbar sind, spricht auch, dass sich die Vergütungssätze der Klägerin in dem Rahmen bewegen, die von öffentlich-rechtlichen bzw. nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser berechnet werden. Zwar liegen die Vergütungssätze der Klägerin, wie in der von dem Beklagten durchgeführten Außenprüfung für das Jahr 2007 festgestellt wurde, über den Vergütungssätzen des Universitätsklinikums O. Wie sich aus Ermittlungen der Beihilfestelle P-Kreis vom 4.3.2010 ergibt, liegen die Vergütungssätze der Klägerin jedoch unterhalb der Pflegesätze der Universitätsklinik G. Unter Berücksichtigung der besonders personalaufwendigen Leistungserbringung durch die Klägerin mit einer besonders hohen Zahl an Einzeltherapien im Vergleich zu anderen öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern, die durchschnittlich nur zwei Einzeltherapien pro Woche erbringen, halten sich die Vergütungssätze der Klägerin im Rahmen dessen, was öffentlich-rechtliche und nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser üblicherweise berechnen.
(4) Die Klägerin ist auch auf demselben Markt wie öffentlich-rechtliche oder nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser tätig. Betreffend dieselben Personengruppen (Privatversicherte, gesetzlich Versicherte und Beihilfeberechtigte) steht die Klägerin im Wettbewerb zu den anderen Krankenhäusern.
(5) Im Rahmen einer Gesamtschau des Vorstehenden ist der Senat der Überzeugung, dass die Klägerin ihre psychotherapeutischen Leistungen unter Bedingungen erbringt, die in sozialer Hinsicht den Bedingungen entsprechen, die auch für öffentlich-rechtliche Einrichtungen gelten.
c) Auch werden die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten der Klägerin durch die Sozialversicherungsträger, d.h. insbesondere die gesetzlichen Krankenkassen, überwiegend vollständig oder mit Abschlägen getragen. Außerdem rechtfertigt allein der Umstand, dass die Kosten der gesetzlich versicherten Patienten nicht in allen Fällen vollständig von den Trägern der Sozialversicherung übernommen werden, nach der Rechtsprechung des EuGH keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Umsatzsteuerpflicht (Urteil vom 6.11.2003 C 45/01 Dornier, Slg. 2003, I-12911; HFR 2004, 70, Rn. 75). Da grundsätzlich jeder gesetzlich versicherte Patient bei einer stationären Behandlung für jede Übernachtung einen Eigenanteil i. H. von 10 € pro Übernachtung zahlen muss (§§ 31 Abs. 4, 61 SGB V), entspricht es sogar dem gesetzlichen Regelfall, dass nicht alle Kosten - auch nicht bei öffentlich-rechtlichen oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern - von den Sozialversicherungsträgern ersetzt werden. Dass die Kosten nur zu einem geringen Teil oder überwiegend gar nicht von den Sozialversicherungsträgern getragen worden sind, wurde weder vom Beklagten im Rahmen der Außenprüfung festgestellt noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Außerdem ist der Umstand, dass die Klägerin - anders als öffentlich-rechtliche oder nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser - keinen ohne weitere Voraussetzung entstehenden Kostenerstattungsanspruch gegen die Krankenkassen hat, ohne Bedeutung für die Frage, ob die Kosten überwiegend vollständig oder mit Abschlägen von den Sozialversicherungsträgern getragen werden. Da die Erstattung der Kosten der Klägerin auf § 13 Abs. 2 Satz 1 und Satz 6 SGB V beruht, wonach mit vorheriger Zustimmung der jeweiligen Krankenkasse Kosten einer Behandlung ersetzt werden können, erhält die Klägerin im Rahmen der sozialrechtlichen Regelungen - und nicht aus Kulanz oder sonstigen außerrechtlichen Gründen - die Vergütung für ihre psychotherapeutischen Leistungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.