FG Köln: Umsatzsteuerbefreiung bei Postdienstleistungen
FG Köln, Urteil vom 9.12.2015 – 2 K 1715/11
Nichtamtliche Leitsätze
1. Alleine die Leistung „Postzustellungsauftrag“ stellt keine Post-Universaldienstleistung und auch keinen Teilbereich der Universaldienstleistungen dar, deren flächendeckende Anbietung eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG rechtfertigen könnten.
2. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung aufzunehmen, ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere widerspricht sie nicht den europarechtlichen Vorgaben.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG betreffend die Umsatzsteuerfreiheit von Post-Universaldienstleistungen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin betrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahre 2011 – neben weiteren mit ihr über die gemeinsame Muttergesellschaft (B ... AG) verbundenen Unternehmen der B-Gruppe – ein Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand insbesondere die Ausführung von Postzustellungsaufträgen (PZA) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2010, ergänzt durch Schreiben vom 12. Juli 2010 (vgl. Bl. 3, 23 der vom Beklagten geführten Verwaltungsakte -VA-) beantragte die Insolvenzschuldnerin beim Beklagten eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG in der ab dem 1. Juli 2010 geltenden Fassung über die „Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge (PZA) gemäß §§ 176 ff. ZPO“. Zur Begründung führte die Insolvenzschuldnerin aus, dass das Produkt „Postzustellungsauftrag“ dem Post-Universaldienst zuzuordnen sei. Zwar sei der Postzustellungsauftrag namentlich nicht in der Post-Universaldienstleistungsverordnung erwähnt, dies sei jedoch nicht nachvollziehbar. Die umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung des Postzustellungsauftrags im Vergleich etwa zum Einschreiben sei nicht gerechtfertigt, da sich ein Postzustellungsauftrag nicht von einem Einschreiben unterscheide. Insoweit sei die bestehende Regelungslücke bislang noch nicht vom Gesetzgeber geschlossen worden.
Des Weiteren erklärte die B ... AG als Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 12. Juli 2010 (Bl. 23 der VA) gegenüber dem Beklagten, dass sich – neben weiteren Konzerngesellschaften – auch die Insolvenzschuldnerin im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG gegenüber dem Beklagten verpflichte, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einen Teilbereich der Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (sog. Post-Richtlinie) in der jeweils geltenden Fassung, d.h. konkret bundesweit flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.
Diesen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4. August 2010 (Bl. 35 der VA) ab mit der Begründung, dass das Produkt „Postzustellungsauftrag“ keine Post-Universaldienstleistung im Sinne der vorgenannten Vorschrift darstelle. Die Post-Universaldienstleistungen seien abschließend in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG (Post-Richtlinie) geregelt. Das Produkt „Postzustellungsauftrag“ gehöre jedoch nicht zu den dort genannten drei Teilbereichen. Zustellungsaufträge seien in der Post-Richtlinie nicht erwähnt und gehörten somit nicht zum gemeinschaftsweiten Mindestuniversaldienst.
Hiergegen wandte sich die Insolvenzschuldnerin und legte mit Schreiben vom 20. August 2010 Einspruch gegen die ablehnende Entscheidung ein (vgl. Bl. 43 der VA). Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011 (Bl. 6 der Gerichtsakte -GA-) als unbegründet zurück.
Mit Beschluss des Amtsgerichts C vom .... April 2011 (Geschäfts-Nummer ...) wurde Herr Rechtsanwalt D, aus C, in dem auf Antrag der A GmbH eröffneten Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der A GmbH zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt (vgl. Bl. 4 der GA). Mit weiterem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. Mai 2011 wurde dem vorläufigen Insolvenzverwalter die alleinige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eingeräumt (vgl. Bl. 3 der GA). Am .... Juli 2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger das Begehren, zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG zu erlangen, weiter. Zur Klagebegründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor:
Die Insolvenzschuldnerin erbringe im Rahmen ihres Unternehmens Postdienstleistungen, insbesondere Postzustellungsaufträge gemäß §§ 176 ff. ZPO sowie den Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder. Die Postzustellungsaufträge biete die Insolvenzschuldnerin über Subunternehmer und Tochtergesellschaften der B-Gruppe bundesweit flächendeckend an. Das Interesse an der Erteilung der Bescheinigung über die Umsatzsteuerbefreiung bestehe trotz zwischenzeitlich eingetretener Insolvenz nach wie vor fort, da jedenfalls für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine entsprechende Bescheinigung zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin auszustellen sei. Die Insolvenzschuldnerin habe in den erstellten Rechnungen über die von ihr erbrachten Postdienstleistungen keine Umsatzsteuer ausgewiesen.
In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung ergänzte der Kläger den Vortrag im Hinblick auf den Gegenstand des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin dahingehend, dass die Insolvenzschuldnerin neben den Postzustellungsaufträgen auch andere Postdienstleistungen (wie z.B. einfache Briefsendungen bis 50 g – sog. weiße Post, Einschreibesendungen, Wertsendungen sowie Paketsendungen bis 1 kg) erbringe bzw. erbracht habe. Hierzu verweist der Kläger auf eine Auflistung der von der Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 erzielten Produktumsätze sowohl für Postzustellungsaufträge als auch für die weiteren erbrachten Postdienstleistungen (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15. November 2015 nebst dazugehöriger Anlagen, Bl. 138 ff. der GA).
Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei den von der Insolvenzschuldnerin ausgeführten Postzustellungsaufträgen um Post-Universaldienstleistungen im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG, wie auch die Entscheidung des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 16. September 2010, 327 O 507/10, Bl. 53 ff. der VA) bestätige. Das Umsatzsteuergesetz selbst definiere den Begriff der Post-Universaldienstleistungen nicht, sondern verweise auf Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG (Post-Richtlinie). Zwar enthalte Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie bei der Festlegung des Mindestangebots eines Universaldienstes nicht den Begriff des Postzustellungsauftrags. Hierbei sei zu beachten, dass die Richtlinie nur eine allgemeine Beschreibung dessen liefern könne, was in den einzelnen Ländern der Europäischen Gemeinschaft unter den Post-Dienstleistungen verstanden werde. Jedoch folge aus den weiteren Regelungen der Post-Richtlinie, dass auch der Postzustellungsauftrag zum Universaldienst zähle. Dies ergebe sich daraus, dass für den Anwendungsbereich der Post-Richtlinie in Art. 2 Nr. 5 der Begriff der Zustellung und in Art. 2 Nr. 9 der Begriff der Einschreibsendung definiert werde. Hiernach sei unter einer Einschreibsendung eine Postsendung zu verstehen, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender, gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und/oder ihrer Aushändigung an den Empfänger erteilt wird. Für einen Postzustellungsauftrag müsse Entsprechendes gelten, denn auch bei einem Postzustellungsauftrag werde durch die Zustellungsurkunde, die an den Absender zurückgehe, die Aushändigung an den Empfänger oder eine entsprechende Ersatzzustellung bestätigt. Für den Postzustellungsauftrag sei charakteristisch, dass durch ein Schriftstück der urkundliche Nachweis über die Zustellung geführt werde. Die Zustellungsurkunde bestätige die Aushändigung an den Empfänger bzw. eine entsprechende Ersatzzustellung. Insoweit unterscheide sich der Postzustellungsauftrag gerade nicht von einem Einschreiben im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Post-Richtlinie, sondern stelle eine spezielle Ausgestaltung des Einschreibens dar. Hierfür sei nicht erforderlich, dass Postzustellungsauftrag einerseits und Einschreibsendung andererseits in allen Einzelheiten vergleichbar seien. Ein Unterschied bestehe allein in der Beweiskraft der Zustellungsbestätigung, da das Einschreiben mit Rückschein eine Privaturkunde (im Sinne von § 416 ZPO), hingegen der Postzustellungsauftrag eine öffentliche Urkunde (im Sinne von § 418 ZPO) darstelle. Dies sei jedoch eine Besonderheit des deutschen Verfahrensrechts, die vom EU-Gesetzgeber, der nicht sämtlichen Variationen möglicher Zustellungen Rechnung tragen könne, nicht berücksichtigt werden könne.
Des Weiteren verweist der Kläger auf die – vom deutschen Recht abweichende – Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben etwa in Österreich, wenn § 7 Abs. 1 des österreichischen Postgesetzes ausdrücklich normiert, dass „die Zustellung von Schriftstücken der Gerichte und Verwaltungsbehörden nach dem Zustellgesetz (…) zu den im Rahmen des Universaldienstes zu erbringenden Leistungen (zählt)“ (vgl. Bl. 51 der GA). Im Übrigen erkläre sich der Umstand, dass die Post-Richtlinie den Postzustellungsauftrag nicht explizit erwähne, auch daher, dass im Unterschied zu Deutschland oder Österreich in den Rechtsordnungen vieler anderer EU-Mitgliedstaaten förmliche Zustellungen nicht geregelt seien. Allerdings müsse die Auslegung des Begriffs der umsatzsteuerrechtlich begünstigten Gemeinwohlinteressen in allen EU-Mitgliedstaaten gleich ausfallen mit der Folge, dass der Postzustellungsauftrag einheitlich zum umsatzsteuerbefreiten Post-Universaldienst zu zählen sei.
In diesem Zusammenhang sei bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH könne die Post-Richtlinie nur Anhaltspunkte für die Auslegung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bieten. Nach Art. 132 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sei die Steuerbefreiung für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vorgesehen, so auch für die Umsätze von öffentlichen Posteinrichtungen. Hierzu habe der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seiner Entscheidung vom 23. April 2009 im Verfahren „TNT Post UK“ (Aktenzeichen C-357/07) festgestellt, dass der Begriff „öffentliche Posteinrichtung“ dahingehend auszulegen sei, dass er für öffentliche oder private Betreiber gelte, die sich verpflichten, in einem Mitgliedstaat den gesamten Universaldienst oder Teile davon gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG zu gewähren. Der EuGH betone hierbei explizit die Bestimmungen der Post-Richtlinie sowie die Förderung der dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten und das Grundbedürfnis der Bevölkerung, postalische Dienstleistungen zu ermäßigten Kosten in Anspruch nehmen zu können. Der Postzustellungsauftrag diene, auch wenn er von der Allgemeinheit nicht direkt wahrgenommen werde, aufgrund seiner Bedeutung für ein geordnetes Gerichts- oder Verwaltungsverfahren mittelbar – über die Behörden und Gerichte – dem Gemeinwohl und dem Grundbedürfnis der Bevölkerung, da hierdurch eine flächendeckende und zuverlässige Zustellung zu ermäßigten und nicht durch eine anfallende Mehrwertsteuer erhöhten Preisen ermöglicht werde. Eine sichere Zustellungsform sei auch Ausfluss einer gesetzlichen Verpflichtung, wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe. Die Gewährleistung einer verlässlichen und ordnungsgemäßen Rechtspflege diene der „Grundversorgung der Bevölkerung“.
Da keine dem Postzustellungsauftrag entsprechende sichere Zustellungsmöglichkeit existiere, diene dieser Gemeinwohlinteressen. Den Bürgern stehe der Postzustellungsauftrag mittelbar zur Verfügung, da sie darauf angewiesen seien, sich zur Durchsetzung ihrer Rechte an staatliche Institutionen zu wenden. Die Gerichte, deren Arbeit unzweifelhaft dem Allgemeinwohl diene, hätten auch nicht die Wahl, auf andere Produkte auszuweichen, da die Zivilprozessordnung, die Abgabenordnung und die Finanzgerichtsordnung die Zustellung mittels Postzustellungsauftrag zwingend vorschreiben würden.
Darüber hinaus stehe es jedem Bürger frei, einen Postzustellungsauftrag zu erteilen, insbesondere in Fällen, in denen der Empfänger kein Interesse daran habe, ein Einschreiben entgegenzunehmen. In diesen Fällen verbiete sich nicht nur das Übergabe-Einschreiben, bei dem der Empfänger den Erhalt mit seiner Unterschrift bestätigen müsse, sondern auch das Einwurf-Einschreiben. Die sicherste Zustellungsform mit Beweiskraft sei für den Bürger die Zustellung per Gerichtsvollzieher, wie dies auch § 132 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorsehe.
Schließlich halte auch die Deutsche Post AG seit 1. Juli 2010 an der Umsatzsteuerbefreiung für Postzustellungsaufträge fest. Da bislang lediglich die Deutsche Post AG und kein Postdienstleister die Bescheinigung über die Umsatzsteuerbefreiung erhalten habe, lasse die im deutschen Umsatzsteuergesetz seit dem 1. Juli 2010 enthaltene Regelung zur Umsatzsteuerfreiheit von Postdienstleistungen nur einen einzigen Monopolisten – die Deutsche Post AG – zu und entspreche folglich nicht den europäischen Grundsätzen. Eine Rechtfertigung dafür, die Umsatzsteuerbefreiung ausschließlich der Deutsche Post AG zuzusprechen, sei jedoch nicht ersichtlich. Aus Gründen der Wettbewerbsneutralität müssten für alle konkurrierenden Marktteilnehmer gleiche Verhältnisse gelten. Ergänzend verweist der Kläger hierzu auf die Stellungnahme der Monopolkommission zu den Herausforderungen des Post-Universaldienstes in Deutschland vom 19. Dezember 2014 (vgl. Bl. 145 ff. der GA).
Wegen der weiteren Einzelheiten des klägerischen Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 5. September 2011 (Bl. 47 der GA), vom 9. Dezember 2011 (Bl. 65 der GA), vom 15. November 2015 (Bl. 134 der GA) und vom 24. November 2015 (Bl. 165 der GA) nebst dazugehöriger Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger regt an, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vorzulegen, ob die Postdienstleistung des Postzustellungsauftrags noch unter die Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie) fällt, weil sie zwar nicht in der Richtlinie 97/67/EG genannt ist, aber gleichwohl dem Gemeinwohl dient, oder ob sie der Einschreibsendung gemäß der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 97/67/EG einer Postsendung zuzuordnen ist, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender, gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und/oder ihrer Aushändigung an den Empfänger erteilt wird.
Des Weiteren regt der Kläger an, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des BFH in dem von der Muttergesellschaft der Insolvenzschuldnerin geführten Revisionsverfahren V R 30/15 ruhen zu lassen.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 4. August 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011 zu verpflichten, der A GmbH die Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG zu erteilen,
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin lägen nicht vor. Das Gesetz knüpfe hinsichtlich des Umfangs der von der Umsatzsteuer zu befreienden Post-Universaldienstleistungen ausschließlich an Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie und der darin genannten Mindestversorgung mit postalischen Diensten an. Hiernach müsse ein Universaldienst mindestens das Angebot umfassen,
(1.) Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg, (2.) Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg sowie
(3.) Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.
Die besondere Versendungsart der Postzustellungsaufträge sei weder in Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie noch in § 1 Abs. 1 und 2 der die Post-Richtlinie konkretisierenden Post-Universaldienstleistungsverordnung als Universaldienst genannt.
Entgegen der Ansicht des Klägers schließe die Definition der „Einschreibsendung“ aufgrund wesensmäßiger Unterschiede das Produkt „Postzustellungsauftrag“ gerade nicht ein. Die Einschreibsendung sei durch das Element der pauschalen Haftung für Verlust, Entwendung oder Beschädigung der Sendung geprägt. Dies sei beim Postzustellungsauftrag eher ein Nebenaspekt. Der qualitative Mehrwert und damit maßgebliche Unterschied zur Einschreibsendung liege beim Postzustellungsauftrag darin, dass dem Absender nicht einfach nur eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung bzw. deren Aushändigung an den Empfänger erteilt werde, sondern die Zustellung mittels einer besonderen öffentlichen Urkunde mit höherer Beweiskraft dokumentiert werde. Damit gehe der Postzustellungsauftrag inhaltlich über das hinaus, was von der Post-Richtlinie für die Grundversorgung der Bevölkerung mit einem Mindestinhalt an Universaldienstleistungen gefordert werde. Schließlich seien Leistungsempfänger des Produkts „Postzustellungsaufträge“ nicht die Letztverbraucher, sondern in den meisten Fällen öffentliche Einrichtungen. Dem entspreche auch die Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 11b UStG, wenn hiernach unter dem Begriff der „Grundversorgung der Bevölkerung“ nur solche Dienstleistungen verstanden worden seien, die für den durchschnittlichen Nachfrager eines Privathaushaltes bestimmt seien (vgl. Bundestags-Drucksache -BT-Drucksache- 17/506, S. 31). Hierzu zählten nur Leistungen, die als allgemein und unabdingbar angesehen werden, weil sie standardmäßig von Bürgerinnen und Bürgern nachgefragt werden. Bei einem durchschnittlichen Privathaushalt bestehe allerdings kein Bedarf an förmlichen Zustellungen. Für die Belange der Privatpersonen genüge das Produkt „Einschreiben“.
Ein lediglich mittelbares Gemeinwohlinteresse an einer funktionierenden Rechtspflege könne für das Vorliegen eines Post-Universaldienstes nicht genügen. Allein der Umstand, dass ein Dritter (etwa die Gerichte im Rahmen der Rechtspflege) mit seinen Leistungen dem Gemeinwohl dienen könne, bewirke noch nicht, dass alle damit im Zusammenhang stehende Postdienstleistungen als Teil der Grundversorgung der Bevölkerung mit postalischen Diensten im Sinne des Post-Universaldienstes anzusehen seien. Die Postzustellungsaufträge stellten im Rahmen der Rechtspflege eines von vielen Instrumenten der Gerichte dar. Hinzu komme, dass es im vorliegenden Fall um die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungsbeziehung zwischen den Postdienstleistern und den Gerichten als Empfänger der Leistungen und nicht um die Leistungsbeziehung zwischen den Gerichten und den Bürgern gehe. Mithin könne in einer speziell den Gerichten und Verwaltungsbehörden angebotenen Leistung nicht das originäre, im Postwesen begründete Gemeinwohl erkannt werden.
Dies habe auch der EuGH im Urteil „TNT Post UK“ bestätigt, da unter einer Post-Universaldienstleistung inhaltlich ein flächendeckendes Angebot von postalischen Dienstleistungen, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, zu verstehen sei. Letztendlich böten auch Sinn und Zweck sowohl der Post-Richtlinie als auch der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine Rechtfertigung einer Umsatzsteuerbefreiung des Produkts „Postzustellungsauftrag“. Beide Richtlinien verfolgten das Ziel, mit der Steuerbefreiung letztendlich die Möglichkeit dafür zu schaffen, dass Unternehmer, die einen höheren Infrastrukturaufwand für das flächendeckende Erbringen von Post-Universaldienstleistungen im gesamten Gebiet eines Mitgliedstaats vorhalten müssten, den Preis für diese Leistungen trotz höherer Kosten vermindern könnten, so dass er für die Nutzer erschwinglich bleibe (vgl. BT-Drucks. 17/506, S. 31).
Die sonstigen, von der Insolvenzschuldnerin erbrachten Postdienstleistungen seien – unabhängig davon, dass dies erstmals mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15. November 2015 vorgetragen worden sei – nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Sowohl im Antrags- als auch im Rechtsbehelfsverfahren habe der Kläger bzw. die Insolvenzschuldnerin lediglich die Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG bezogen auf die erbrachten Postzustellungsaufträge begehrt. Dies sei auch für das vorliegende Finanzgerichtsverfahren maßgeblich.
Schließlich hegt der Beklagte Zweifel, dass die Insolvenzschuldnerin eine ausreichende Verpflichtungserklärung im Sinne von § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG abgegeben habe, da vorliegend keine Verpflichtungserklärung durch die Insolvenzschuldnerin selbst, sondern stellvertretend durch ihre (inzwischen ebenfalls insolvente) Muttergesellschaft abgegeben worden sei. Darüber hinaus fehle es an einer berücksichtigungsfähigen Selbstverpflichtung der Insolvenzschuldnerin, selbst wenn man mit dem Kläger Postzustellungsaufträge als Einschreiben im Sinne von Art. 3 Abs. 4 Post-Richtlinie ansehen würde, da sich die Insolvenzschuldnerin gerade nicht verpflichtet habe, den gesamten Teilbereich der Einschreibsendung flächendeckend für alle Nutzer anzubieten. Die Insolvenzschuldnerin habe sich ausschließlich verpflichtet, das Sonderprodukt „Postzustellungsaufträge“ nach §§ 176 ff. ZPO flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten. Erforderlich sei im Mindesten, dass sich die Insolvenzschuldnerin zum flächendeckenden Angebot des allumfassenden Produktes „Einschreiben“ verpflichtet hätte, was jedoch nicht erfolgt sei.
Selbst wenn man mit dem Kläger annehmen würde, dass ein Postzustellungsauftrag eine Variante des Einschreibens sei, würde die Insolvenzschuldnerin damit noch nicht einen Teilbereich des Post-Universaldienstes im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG anbieten. Der Gesetzgeber habe unter Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie ausdrücklich klargestellt, dass die Umsatzsteuerbefreiung das Angebot zumindest eines der drei Teilbereiche von Post-Universaldienstleistungen voraussetze. Wenn die Insolvenzschuldnerin allerdings ausschließlich Postzustellungsaufträge anbiete, erbringe sie damit nicht den gesamten Teilbereich „Einschreib- und Wertsendungen“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Beklagten wird ergänzend Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 7. November 2011 (Bl. 57 der GA), vom 19. Januar 2012 (Bl. 80 der GA) und vom 23. November 2015 (Bl. 156 der GA).
Aus den Gründen
I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 4. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger – in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, deren ursprünglich geltend gemachten Antrag auf Erteilung der begehrten Bescheinigung er aufrechterhält, – nicht in seinen Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Die Bescheinigung gemäß § 4b Nr. 11b UStG kann der Insolvenzschuldnerin nicht erteilt werden, da die Insolvenzschuldnerin mit dem von ihr angebotenen Produkt des Postzustellungsauftrags keinen für die Umsatzsteuerbefreiung genügenden Teilbereich der Post-Universaldienstleistungen im Sinne der Post-Richtlinie anbietet.
1. a) Gemäß § 4 Nr. 11b UStG in der ab dem 1. Juli 2010 geltenden Fassung (geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8. April 2010, Bundesgesetzblatt -BGBl.-, Teil I 2010, 386, 392) sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Universaldienstleistungen gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (Amtsblatt -ABl.- L 15 vom 21. Januar 1998, S. 14, L 23 vom 30. Januar 1998, S. 39), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (ABl. L 52 vom 27. Februar 2008, S. 3) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen gemäß § 4 Nr. 11b Satz 1 anzubieten (§ 4 Nr. 11b Satz 2 UStG).
b) Die Regelung in § 4 Nr. 11b UStG beruht auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.
aa) Gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (nachfolgend kurz: Mehrwertsteuersystemrichtlinie; ABl. L 347 vom 11. Dezember 2006, S. 1) befreien die Mitgliedstaaten u.a. die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen von der Umsatzsteuer. Entsprechende Vorgaben fanden sich auch in der vorhergehenden Regelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (77/388/EWG – nachfolgend kurz: Sechste Richtlinie; ABl. L 145 vom 13. Juni 1977, S. 1).
bb) Der Gesetzgeber hat bei der Regelung in § 4 Nr. 11b UStG zudem Bezug genommen auf die europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (nachfolgend kurz: Post-Richtlinie; ABl. L 15 vom 21. Januar 1998, S. 14, berichtigt in ABl. L 23 vom 30. Januar 1998, S. 39), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft (ABl. L 52 vom 27. Februar 2008, S. 3).
Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Post-Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass den Nutzern ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer bietet. Gemäß Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie erlässt jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen, damit der Universaldienst mindestens folgendes Angebot umfasst:
- Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg;
- Abholung, Sortieren, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg;
- die Dienste für Einschreib- und Wertsendungen.
c) Der Umsetzung der Post-Richtlinie dienen darüber hinaus weitere nationale Regelungen. Gemäß § 11 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 des Postgesetzes (PostG) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 1997, 3294) in der aktuell geltenden Fassung zählt zu Universaldienstleistungen ein Mindestangebot an Postdienstleistungen nach § 4 Nr. 1 PostG, die flächendeckend in einer bestimmten Qualität und zu einem erschwinglichen Preis erbracht werden. Der Universaldienst ist auf lizenzpflichtige Postdienstleistungen und Postdienstleistungen, die zumindest in Teilen beförderungstechnisch mit lizenzpflichtigen Postdienstleistungen erbracht werden können, beschränkt. Er umfasst nur solche Dienstleistungen, die allgemein als unabdingbar angesehen werden.
Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 PostG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates bedarf, nach Maßgabe des Absatzes 1 des § 11 PostG Inhalt und Umfang des Universaldienstes festzulegen. Hiervon hat die Bundesregierung Gebraucht gemacht und mit § 1 Abs. 1 der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, 2418) als Universaldienstleistungen folgende Postdienstleistungen bestimmt:
1. die Beförderung von Briefsendungen im Sinne des § 4 Nr. 2 des Gesetzes, sofern deren Gewicht 2.000 Gramm und deren Maße die im Weltpostvertrag und den entsprechenden Vollzugsverordnungen festgelegten Maße nicht überschreiten,
2. die Beförderung von adressierten Paketen, deren Einzelgewicht 20 Kilogramm nicht übersteigt und deren Maße die im Weltpostvertrag und den entsprechenden Vollzugsverordnungen festgelegten Maße nicht überschreiten,
3. die Beförderung von Zeitungen und Zeitschriften im Sinne des § 4 Nr. 1 Buchstabe c des Gesetzes. Hierzu zählen periodisch erscheinende Druckschriften, die zu dem Zwecke herausgegeben werden, die Öffentlichkeit über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen durch presseübliche Berichterstattung zu unterrichten.
Gemäß § 1 Abs. 2 PUDLV umfasst die Briefbeförderung auch folgende Sendungsformen:
1. Einschreibsendung (Briefsendung, die pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert ist und gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt wird),
2. Wertsendung (Briefsendung, deren Inhalt in Höhe des vom Absender angegebenen Wertes gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert ist),
3. Nachnahmesendung (Briefsendung, die erst nach Einziehung eines bestimmten Geldbetrages an den Empfänger ausgehändigt wird),
4. Sendung mit Eilzustellung (Briefsendung, die so bald wie möglich nach ihrem Eingang bei einer Zustelleinrichtung durch besonderen Boten zugestellt wird).
2. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung Gemäß § 4 Nr. 11b UStG zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin. Die für die Erteilung einer solchen Bescheinigung erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Insolvenzschuldnerin gegenüber dem Beklagten keine Verpflichtungserklärung dahingehend abgegeben hat, dass sie flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Post-Universaldienstleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie insgesamt oder zumindest einen Teilbereich hiervon anbietet.
a) Der Beklagte ist zur sachlichen Prüfung der abgegebenen Verpflichtungserklärung im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG berechtigt und verpflichtet.
aa) Die Erteilung der Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 11b UStG setzt neben der Abgabe der Verpflichtungserklärung im Sinne der Vorschrift voraus, dass der eine solche Bescheinigung begehrende Antragsteller auch tatsächlich in der Lage ist, entsprechend seiner Verpflichtungserklärung Post-Universaldienstleistungen auszuführen. Dem Beklagten steht vor Erteilung der Bescheinigung diesbezüglich eine sachliche Prüfungskompetenz zu; den Beklagten trifft insoweit sogar eine Prüfungspflicht.
Die dem Beklagten zustehende Prüfungskompetenz folgt zwar nicht aus dem Wortlaut von § 4 Nr. 11b UStG oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. a) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, deren Umsetzung § 4 Nr. 11b UStG dient, ergibt sich jedoch aus Sinn und Zweck der Regelung, Post-Universaldienstleistungen von der Umsatzsteuerpflicht zu befreien.
Die Regelung des Bescheinigungsverfahrens im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG dient dem Zweck, bereits vor Ausführung der Umsätze zu klären, ob diese von der Umsatzsteuer befreit sind, und etwaige Streitigkeiten hierüber vor Ausführung der Umsätze zu beseitigen. Die Gefahr, dass Umsätze zu Unrecht als steuerfrei behandelt werden, soll hierdurch reduziert werden. Würde dem Beklagten kein sachliches Prüfungsrecht zustehen, würde die Norm in der Praxis ausgehöhlt werden können. Wäre eine schlichte Verpflichtungserklärung, die inhaltlich nicht überprüft werden könnte, ausreichend, würden etwaige Streitigkeiten über die Umsatzsteuerbefreiung in das allgemeine Umsatzsteuerverfahren verlagert, so dass diese in der Regel erst nach Ausführung der Leistungen geklärt werden könnten.
bb) Diese Auslegung entspricht der gesetzgeberischen Intention. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 4 Nr. 11b UStG soll das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Steuerbefreiung vom Bundeszentralamt für Steuern festgestellt werden (vgl. BT-Drucks. 17/506, S. 31; ebenso bereits die Begr. zum vorherigen Gesetzentwurf, BT-Drucks. 16/11340, S. 8). Unter „Voraussetzungen“ sind hierbei die sachlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemeint. Dies ergibt sich zunächst aus dem Kontext, insbesondere da die Gesetzesmaterialien sich unmittelbar zuvor hiermit auseinandersetzen.
Für eine entsprechende Prüfungskompetenz des Beklagten spricht zudem, dass in den Gesetzesmaterialien davon die Rede ist, dass das Bundeszentralamt für Steuern die Bescheinigung gegebenenfalls auch rückwirkend zurücknimmt, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (vgl. BT-Drucks. 17/506, S. 31; ebenso König/Hanke, BB 2010, 1578). Wenn eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Kontinuität des Umsatzsteuer-Befreiungstatbestandes bestehen sollte, so muss diese Kompetenz konsequenterweise bereits bei Erlass der Bescheinigung gegeben sein. Der Gesetzgeber beruft sich in diesem Zusammenhang auch auf „vergleichbare“ Regelungen in § 4 Nr. 20 und 21 UStG (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/11340, S. 12, rechte Spalte). Auch dort knüpft die Umsatzsteuerbefreiung an behördliche Bescheinigungen an. Zwar ist die Formulierung dieser Tatbestände anders als die in § 4 Nr. 11b UStG, insbesondere ist keine Verpflichtungserklärung vorgesehen. Jedoch zeigt sich, dass der Gesetzgeber diese Tatbestände und § 4 Nr. 11b UStG als vergleichbar ansieht und mithin eine sachliche Prüfungskompetenz des Beklagten regeln wollte.
b) Die Insolvenzschuldnerin erfüllt die sachlichen Voraussetzungen für die Erlangung einer Bescheinigung über die Umsatzsteuerfreiheit der von ihr angebotenen Postdienstleistungen nicht. Die von der Insolvenzschuldnerin – unter Zugrundelegung der hier allein maßgeblichen, gegenüber dem Beklagten am 12. Juli 2010 (Bl. 23 der VA) abgegebenen Verpflichtungserklärung im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG – angebotene Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ erfüllt nicht die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 4 Nr. 11b UStG, denn der Postzustellungsauftrag als förmliche Zustellung gemäß § 33 PostG zählt nicht zur Post-Universaldienstleistung im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie.
aa) Die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG beruht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. a) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, der – wie bereits die Vorgängerregelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie – die Förderung bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten bezweckt (vgl. insoweit auch die Überschrift von Kapitel 2 in Titel IX der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Dieser allgemeine Zweck mündet im Postbereich in den spezifischeren Zweck ein, postalische Dienstleistungen, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, zu ermäßigten Kosten anzubieten (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK, Amtliche Sammlung -Slg.- 2009, I-3025, Rdnr. 32 f.).
bb) Ein solcher Zweck entspricht im Kern dem Zweck der Post-Richtlinie, einen Universalpostdienst anzubieten, denn gemäß Art. 3 Abs. 1 der Post-Richtlinie entspricht ein Universalpostdienst dem flächendeckenden Angebot postalischer Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK, Slg. 2009, I-3025, Rdnr. 34). Unbeschadet dessen, dass die Post-Richtlinie keine Grundlage für die Auslegung von Art. 132 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bilden kann, stellt die Post-Richtlinie dennoch einen zweckdienlichen Anhaltspunkt für die Auslegung zum Zwecke der Umsatzsteuerfreiheit dar (vgl. EuGH, a.a.O., Rdnr. 35). Es ist daher nicht zu beanstanden und sogar geboten, bei der Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung an den von den Mitgliedsstaaten im Rahmen der Postregulierung getroffen Wertungen festzuhalten.
Hiernach knüpft die Steuerbefreiungsregelung in § 4 Nr. 11b UStG daran an, dass der Dienstleister ein Mindestmaß an postalischen Dienstleistungen erbringt, die den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, und einen Universalpostdienst, wie er in Art. 3 der Post-Richtlinie beschrieben ist, oder einen Teil davon gewährleistet (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK, Slg. 2009, I-3025, Rdnr. 36). Die Steuerbefreiung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Erbringung der qualitativ geforderten flächendeckenden Post-Universaldienstleistung zur Befriedigung des Grundbedürfnisses der Bevölkerung für den Anbieter nicht immer wirtschaftlich von Vorteil ist. Mit der Steuerbefreiung soll hierfür ein Ausgleich geschaffen werden, so dass die Post-Universaldienstleistung trotz höherer Kosten für die Nutzer erschwinglich bleibt (vgl. auch BT-Drucks. 17/506, S. 31).
cc) Vor diesem Hintergrund stellt bei gemeinschaftsrechtkonformer Auslegung von § 4 Nr. 11b UStG die Leistung „Postzustellungsauftrag“ keine Post-Universaldienstleistung und auch keinen Teilbereich der Universaldienstleistungen dar, deren flächendeckende Anbietung eine Umsatzsteuerbefreiung rechtfertigen könnte. Die insoweit vom deutschen Gesetzgeber vorgenommene Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben sowohl nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. der Sechsten Richtlinie als auch nach der Post-Richtlinie und deren Anwendung durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden.
(1) Bereits aus der umsatzsteuerrechtlichen Regelung folgt nicht, dass der Postzustellungsauftrag zur Post-Universaldienstleistung zählt. Zwar wird in § 4 Nr. 11b UStG ausdrücklich an den Regelungsbereich von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie angeknüpft. Allerdings ist der Wortlaut der Post-Richtlinie für die Frage, ob und inwieweit das Produkt „Postzustellungsauftrag“ zu den Universaldienstleistungen zählt, unergiebig, denn der Postzustellungsauftrag ist hierin gerade nicht erwähnt.
(2) Aus den vom deutschen Gesetzgeber geschaffenen Regelungen zur Umsetzung der Post-Richtlinie folgt ebenfalls nicht, dass der Postzustellungsauftrag Teil der Post-Universaldienstleistungen ist.
In der Systematik des Postgesetzes wird unterschieden zwischen „Universaldienstleistungen“, geregelt in Abschnitt 3 des PostG, und „Förmliche Zustellung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften“, normiert in Abschnitt 7 des PostG. Der Universaldienst ist nach § 11 Abs. 1 PostG in Verbindung mit § 4 Nr. 1 PostG auf lizenzpflichtige Postdienstleistungen und Postdienstleistungen, die zumindest in Teilen beförderungstechnisch mit lizenzpflichtigen Leistungen erbracht werden können, beschränkt und umfasst nur solche Dienstleistungen, die allgemein als unabdingbar angesehen werden.
In § 1 Abs. 1, Abs. 2 PUDLV werden in Umsetzung der Ermächtigung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 PostG Inhalt und Umfang des Post-Universaldienstes genauer geregelt und in diesem Zusammenhang die Postdienstleistungen, bei denen es sich nach nationalem Recht um Universaldienstleistungen handelt, konkret aufgeführt. Hierzu zählt die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ nach dem klaren Wortlaut von § 1 Abs. 1, 2 PUDLV nicht (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris; aA von Streit in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 11b Rdnr. 514, 516).
Zudem ist der Postzustellungsauftrag eine von den Postdienstleistungen gemäß § 4 Nr. 1 PostG unabhängige Briefsendung, bei der die Beförderung nur eines von mehreren Dienstleistungselementen darstellt, und daher insbesondere nicht von der Definition der Einschreibsendung im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 1 PUDLV mit umfasst. Der Postzustellungsauftrag umfasst daneben weitere Elemente im Rahmen der Beurkundung der Übergabe, der Ersatzzustellung oder der Niederlegung der Postsendung (mit den sich für den Empfänger nach den verfahrensrechtlichen Zustellungsregelungen ergebenden Konsequenzen), die sonst keine andere Postdienstleistung aufweist (vgl. hierzu ausführlicher OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013, VII-Verg 32/12, VergabeR 2013, 469; ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris).
Anders als die Einschreibsendung ist der Postzustellungsauftrag nicht für jedermann zugänglich. Förmliche Zustellungen können nur Behörden und Gerichte in Auftrag geben. Dies folgt nach den Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung aus der Unterscheidung der Zustellung von Amts wegen (§§ 166 ff. ZPO) und der Zustellung auf Betreiben der Parteien (§§ 191 ff. ZPO). Während die Zustellung von Amts wegen durch die Geschäftsstelle, durch Beauftragung eines Postdienstleisters oder eines Justizbediensteten (vgl. §§ 168 Abs. 1, 176 ZPO), veranlasst wird, erfolgt die Zustellung auf Betreiben der Parteien grundsätzlich durch den Gerichtsvollzieher, der wiederum die Zustellung selbst vornimmt oder hierfür einen Postdienstleister beauftragt (vgl. §§ 192 Abs. 1, 193 Abs. 1, 194 ZPO). Mithin kann eine Zustellung durch Postzustellungsauftrag durch eine Privatperson allenfalls mittelbar durch Inanspruchnahme der Dienste eines Gerichtsvollziehers bewirkt werden.
Im Übrigen spricht gegen die praktische Gleichsetzung mit der Einschreibsendung, dass der Postzustellungsauftrag den Charakter eines Hoheitsakts hat. Die Zustellungsurkunde stellt, anders als die Empfangsbestätigung bei der Einschreibsendung, eine öffentliche Urkunde (§ 418 ZPO) dar. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 PostG ist ein Lizenznehmer, der Briefzustelldienstleistungen erbringt, verpflichtet, Schriftstücke unabhängig von ihrem Gewicht nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist der Postdienstleister mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet und als beliehener Unternehmer tätig (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 PostG).
(3) Die gesetzgeberische Entscheidung, die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 11b UStG aufzunehmen, ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere widerspricht sie nicht den europarechtlichen Vorgaben.
α) Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. die Sechste Richtlinie, deren Umsetzung § 4 Nr. 11b UStG dient, verlangt keine Umsatzsteuerbefreiung für den Bereich des Produkts „Postzustellungsauftrag“, denn dieser Bereich betrifft nicht dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten, deren Förderung durch die Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. die Sechste Richtlinie bezweckt wird (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013, VII‑Verg 32/12, VergabeR 2013, 469; Jacobs, UR 2012, 621; aA FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2011, 9 V 3795/10, EFG 2011, 1368; LG Hamburg, Urteil vom 16. September 2010, 327 O 507/10, Juris; von Streit in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 11b Rdnr. 521). Die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ stellt keine postalische Dienstleistung, die den Grundbedürfnissen der Bevölkerung im Sinne einer Daseinsvorsorge entspricht, dar und dient nicht in ausreichendem Maße der Förderung bestimmter, dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ – wie vorstehend ausgeführt – nicht für jedermann zugänglich ist. Privatpersonen können sich allenfalls mittelbar über einen Gerichtsvollzieher der Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ bedienen. Ein Nutzen des Postzustellungsauftrags für Privatpersonen bzw. Verbraucher zeigt sich lediglich im Hinblick auf die von Gerichten und Behörden vorgenommenen Zustellungen von Amts wegen unter Inanspruchnahme der Postzustellungsaufträge, mithin allein mittelbar in Form einer effektiv funktionierenden Rechtspflege. Dies genügt jedoch nicht, um im Hinblick auf die Versorgung der Bevölkerung mit postalischen Grundbedürfnissen eine Umsatzsteuerbefreiung für Postzustellungsaufträge zu rechtfertigen.
Wie der EuGH (vgl. Urteil vom 23. April 2009 – TNT Post UK, Slg. I-03025) klargestellt hat, sieht Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie Umsatzsteuerbefreiungen lediglich für bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten vor. Dies setzt voraus, dass elementare Lebensbedürfnisse der Bevölkerung befriedigt und die Leistungen häufig von öffentlichen, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichteten Einrichtungen erbracht werden. Soweit hierunter grundsätzlich auch Postdienste gehören, folgt daraus allerdings nicht, dass alle Dienstleistungen und die dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen, die von den öffentlichen Posteinrichtungen ausgeführt werden und die nicht, wie die Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgeschlossen sind, unabhängig von ihrer Natur von der Steuerpflicht befreit sind (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK Ltd, Slg. 2009, I-3025, Rdnr. 43). Es ist nicht ersichtlich, dass für die Nachfolgeregelung in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie etwas anderes gilt. Aufgrund ihres Ausnahmecharakters und zur Wahrung der steuerlichen Neutralität (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK Ltd, a.a.O., Rdnr. 44 f.) sind die Befreiungstatbestände vielmehr eng auszulegen, da die Steuerbefreiung eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt.
Vor diesem Hintergrund gilt die Umsatzsteuerbefreiung nicht für spezifische, von den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse trennbare Dienstleistungen, insbesondere wenn diese den besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern entsprechen (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009, C-357/07 – TNT Post UK Ltd, Slg. 2009, I-3025, Rdnr. 46). Wie aufgezeigt, dient die Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“, die nicht für jedermann zugänglich ist, bereits aufgrund des eingeschränkten Kreises der in Betracht kommenden Nutzer primär Gerichten und Behörden, nicht aber der allgemeinen unmittelbaren Versorgung der Bevölkerung. Die lediglich gegebene allgemeine Förderung des Gemeinwohls genügt nicht für eine Umsatzsteuerbefreiung, da sie nicht der Befriedigung von Grundbedürfnissen der Bevölkerung dient und damit nicht die Zweckrichtung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie verfolgt; auch ohne eine den Gerichten und Behörden zur Verfügung stehende Dienstleistung „Postzustellungsauftrag“ wäre die Grundversorgung der Bevölkerung mit Universaldienstleistungen nicht beeinträchtigt (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris).
Dass der Postzustellungsauftrag als Form der Zustellung mit besonderer Beweisbedeutung im Zusammenhang mit einer funktionierenden Rechtspflege bzw. Verwaltung mittelbar auch der Bevölkerung zugutekommt, ist hierbei ohne Belang. Würde insoweit ein bloß mittelbarer Zusammenhang ausreichen, ließe sich für eine ganze Reihe weiterer gegenüber Gerichten und Behörden erbrachter Dienstleistungen ins Feld führen, diese müssten ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit sein, weil sie die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege bzw. Verwaltung sicherstellen. Dies würde jedoch mit Sinn und Zweck der Umsatzsteuerbefreiung unvereinbar sein und deren Ausnahmecharakter widersprechen.
β) Hinzu kommt, dass der Postzustellungsauftrag – wie ebenfalls bereits ausgeführt – mehr als eine Briefsendung darstellt. Aufgrund der besonderen Bedeutung für die verfahrensrechtlichen Zustellungsregelungen ist der Postzustellungsauftrag von den übrigen Briefsendungen zu unterscheiden. Bei einem Postzustellungsauftrag bedarf es vor allem keiner ausreichenden Anzahl fester Zugangspunkte und zufriedenstellender Bedingungen hinsichtlich der Häufigkeit der Abholung und Zustellung oder der Sicherung tragbarer Preise für alle Nutzer, wie es ein Post-Universaldienst gewährleisten soll (vgl. 11. und 12. Erwägungsgrund der Post-Richtlinie).
Der Postzustellungsauftrag (im Sinne des deutschen Postgesetzes) ist insbesondere nicht als Einschreibesendung im Sinne der Post-Richtlinie anzusehen mit der Folge, dass das Produkt „Postzustellungsauftrag“ den Teilbereich „Einschreibe- und Wertsendungen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie ausfüllen könnte. Zwar enthält die Post-Richtlinie keine Beschreibung des Begriffs des Postzustellungsauftrags, sondern lediglich eine Definition der Begriffe „Zustellung“ (vgl. Art. 2 Nr. 5) und „Einschreibsendung“ (vgl. Art. 2 Nr. 9). Dies dürfte primär daran liegen, dass der Begriff des Postzustellungsauftrags den deutschen Verfahrens- bzw. Zustellungsvorschriften entspricht, hierzu jedoch keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben existieren, zumal die Umsetzung der materiell-rechtlichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und die Ausgestaltung der dazugehörenden verfahrensrechtlichen Regelungen grundsätzlich den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt. Allerdings wird die Zustellung von Schriftstücken für den Bereich der Gerichts- und Verwaltungsverfahren in Art. 8 der Post-Richtlinie explizit erwähnt. Hiernach bleibt von der Regelung in Art. 7 der Post-Richtlinie betreffend die Finanzierung der Universaldienste unter anderem das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Regelungen für den Dienst, der in Einklang mit ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Zustellung von „Einschreibsendungen im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ausführt“, zu treffen. Hieraus lässt sich erkennen, dass der Richtliniengeber bei der allgemeinen Definition von „Zustellung“ und „Einschreibsendung“ in Art. 2 der Post-Richtlinie sowie im Zusammenhang mit der Definition des Mindestumfangs des Post-Universaldienstes in Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie von einem weiteren Verständnis des Begriffs der „Postsendung mit Zustellnachweis“ ausging als bei der Erwähnung des demgegenüber eingeschränkten Bereichs der „Zustellung von Schriftstücken für den Bereich der Gerichts- und Verwaltungsverfahren“ im Sinne von Art. 8 der Post-Richtlinie. Wenn somit nach der Post-Richtlinie ungeachtet der Vorgaben zur Finanzierung der Universaldienste (Art. 7) den Mitgliedstaaten Regelungen für den (eingeschränkten) Bereich der Zustellung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren vorbehalten bleiben, bestätigt dies das vorstehend dargelegte Verständnis der Vorgaben sowohl nach der Post-Richtlinie als auch nach der Mehrwertsteuersystemrichtlinie mit dem Ergebnis, dass ein Postzustellungsauftrag (im Sinne des deutschen Postgesetzes bzw. der deutschen Verfahrensvorschriften) nicht zu dem von der Umsatzsteuer befreiten Post-Universaldienst im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie zählt.
Hierbei kann offengelassen werden, ob sich an dem Verständnis des Begriffes des Universaldienstes dadurch etwas geändert hat, dass sich in der Post-Richtlinie statt der ursprünglichen Regelungen zur „Harmonisierung der reservierbaren Dienste“ in Kapitel 3 nunmehr Vorgaben zur „Finanzierung der Universaldienste“ finden und hiernach für die Einrichtung und Erbringung von Postdiensten grundsätzlich keine ausschließlichen oder besonderen Rechte mehr gewährt werden sollen (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Post-Richtlinie in der Fassung vom 20. Februar 2008). Nach wie vor findet sich in Art. 8 der Post-Richtlinie eine Regelung, wonach die Mitgliedstaaten besondere Regelungen treffen können für den Dienst, der Zustellungen im Rahmen von Gerichts- und Verwaltungsverfahren ausführt. Hieraus folgt nicht, dass auch der Postzustellungsauftrag als Teil des Universaldienstes im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie angesehen wird. Soweit hieraus allenfalls geschlossen werden kann, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, abweichend von den allgemeinen Definitionen in Art. 2 Nrn. 5 und 9 der Post-Richtlinie den Postzustellungsauftrag dem Post-Universaldienst zuzuordnen, folgt hieraus allenfalls eine fakultative Möglichkeit, von der der deutsche Gesetzgeber, anders als der österreichische Gesetzgeber (vgl. § 7 Abs. 1 des österreichischen Postgesetzes), keinen Gebrauch gemacht hat und nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch nicht machen musste (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris).
γ) Dieses Verständnis des von der Steuerbefreiungsregelung in § 4 Nr. 11b UStG umfassten Post-Universaldienstes wird in einem ausgewogenen Verhältnis den mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. der Sechsten Richtlinie einerseits und der Post-Richtlinie andererseits verfolgten Zielen gerecht.
Dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber den Bereich des „Postzustellungsauftrags“ nicht von der Mehrwertsteuerbefreiung erfasst hat, ging er nicht über den für den Bereich der Mehrwertsteuer durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie aufgrund der maßgeblichen Gemeinwohlbelange vorgegebenen Rahmen hinaus. Gleichzeitig beachtete der Gesetzgeber die Vorgaben der Post-Richtlinie. Der Postzustellungsauftrag ist nach den Vorgaben der Post-Richtlinie weder explizit als Teil der Post-Universaldienstleistungen geregelt noch folgt aus den Umständen, dass der Postzustellungsauftrag als Teil des Universaldienstes anzusehen ist (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013, VII-Verg 32/12, VergabeR 2013, 469; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 11b Rdnr. 30).
δ) Zudem obliegt es gerade den einzelnen Mitgliedstaaten, im Rahmen der Vorgaben der Post-Richtlinie diejenigen Postdienstleistungen festzulegen, die im Interesse des Gemeinwohls gewährleistet sein müssen. Dem entspricht insbesondere auch der 10. Erwägungsgrund der Post-Richtlinie, wenn danach gemäß dem Subsidiaritätsprinzip auf Gemeinschaftsebene ein Bestand an allgemeinen Grundsätzen festzulegen ist; gleichzeitig wird jedoch betont, dass es den Mitgliedstaaten überlassen ist, die Verfahren im Einzelnen festzulegen und das für ihre Situation geeignetste System zu wählen. Dabei muss dann hingenommen werden, wenn es im Detail zu Abweichungen bei der Definition der zum Universaldienst gehörenden Dienste und ihrer Leistungsmerkmale kommt, die sich auch auf die Mehrwertsteuerbefreiung der Postdienstleistungen auswirken (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013, VII-Verg 32/12, VergabeR 2013, 469). Die Post-Richtlinie will mit dem Universaldienst gerade nur gewährleisten, dass ein Mindestangebot an Postdiensten einer bestimmten Qualität für alle Nutzer unabhängig von ihrer Ansässigkeit im Gemeinschaftsgebiet besteht (so 11. Erwägungsgrund der Post-Richtlinie).
Dieses für den Bereich der Postdienste wiederholte Subsidiaritätsprinzip bestätigt schließlich die in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union enthaltene Grundregel, wonach eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt.
Verlangt hiernach die Dienstleistung „Postzustellungsaufträge“ nicht zwingend eine Umsatzsteuerbefreiung, da diese nicht in ausreichendem Maße eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit darstellt, entspricht dies gerade der bei der Neufassung von § 4 Nr. 11b UStG zum 1. Juli 2010 vom Gesetzgeber verfolgten Intention. Unter Anknüpfung an die europarechtlichen Vorgaben durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sowie unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 23. April 2009 (C-357/07 – TNT Post UK Ltd) sollten von der Steuerbefreiungsvorschrift nicht alle Postdienstleistungen, sondern nur dem Gemeinwohl, konkret der Grundversorgung der Bevölkerung dienende Tätigkeiten erfasst sein (vgl. die Gesetzesbegründung, BT‑Drucks. 17/506, S. 30; hieran anknüpfend auch der Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/939, S. 5).
ε) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass der Postzustellungsauftrag etwa als besondere Einschreibsendung im Sinne von § 4 Nr. 11b UStG bzw. Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie verstanden werden könnte.
Zum einen würde auch dies nicht den Anspruch auf Erteilung der begehrten Bescheinigung begründen. Die Umsatzsteuerbefreiung erfordert gemäß § 4 Nr. 11b UStG die Erbringung zumindest eines Teilbereichs der Universaldienstleistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie, etwa der „Dienste für Einschreib- und Wertsendungen“. Die Ausführung lediglich des Dienstleistungssegments „Postzustellungsaufträge“, wozu sich die Insolvenzschuldnerin verpflichtet hat, genügt hierfür nicht. Zum anderen ist – wie dargelegt – der Postzustellungsauftrag (im Sinne des deutschen Postgesetzes) nicht als Einschreibesendung im Sinne der Post-Richtlinie zu verstehen mit der Folge, dass das Produkt „Postzustellungsauftrag“ den Teilbereich „Einschreibe- und Wertsendungen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Post-Richtlinie ausfüllen könnte.
c) Schließlich kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen, ob der Deutsche Post AG unberechtigterweise die Umsatzsteuerbefreiung für das von ihr erbrachte Dienstleistungssegment des Postzustellungsauftrags gewährt wird und insoweit eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber der Insolvenzschuldnerin gegeben ist. Dieser Einwand ist für die im vorliegenden Verfahren allein zu beurteilende Frage, ob der Insolvenzschuldnerin die Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 4b Nr. 11b UStG zu bescheinigen ist, ohne Belang und kann allenfalls im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen bzw. konkurrentenrechtlichen Streitverfahrens vorgebracht werden (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. August 2015, 9 K 403/12, Juris).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.
IV. Eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an den EuGH war nicht geboten, da der Senat aus den dargelegten Gründen keine Zweifel an der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nach der Post-Richtlinie und der Mehrwertsteuersystemrichtlinie bzw. der Sechsten Richtlinie und deren Anwendung insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH hat.
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes.