R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
08.08.2016
Steuerrecht
FG Düsseldorf: USt-Erstattungsansprüche als Vergütungen für mehrjährige Tätigkeit

FG Düsseldorf, Urteil vom 19.7.2016 – 10 K 2384/10 E

Sachverhalt

Strittig ist, ob der Beklagte aufgrund einer Aufrechnung von Steueransprüchen für das Streitjahr (2006) Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit durch einen an den Kläger gerichteten Einkommensteuerbescheid festsetzen durfte.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn A, der Inhaber mehrerer Spielhallen mit Geldspielgeräten war. Die Spielhallen wurden am 26. August 2004 auf das Betreiben des Finanzamts (FA) B vom Ordnungsamt der Stadt C geschlossen. Anlass dafür waren Steuerschulden von Herrn A. Das Ordnungsamt widerrief aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Erlaubnis zum Betrieb der Spielhallen. Herr A gab seine Erlaubnisurkunden zurück.

Das FA B hatte für die Jahre 1999 bis 2002 Umsatzsteuer aufgrund des Betriebs der Geldspielgeräte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Die Umsatzsteuerverbindlichkeiten für diese Jahre waren vollständig getilgt, als die AOK Rheinland am 20. Oktober 2004 wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Herrn A beantragte. Der Kläger wurde zunächst im Insolvenzeröffnungsverfahren zum vorläufigen Insolvenzverwalter und sodann – nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Herrn A am 17. März 2005 – zum Insolvenzverwalter ernannt. Das FA B meldete am 11. April 2005 unter der St.-Nr. 130/5017/0033 rückständige Steuern in Höhe von 52.101,85 Euro und am 13. April 2005 unter der St.-Nr. 130/5017/1604 rückständige Steuern in Höhe von 183.506,56 Euro zur Insolvenztabelle an. Diese Anmeldungen verminderten sich später aufgrund von Änderungen der festgesetzten Steuern, der Herabsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen, der Berechnung der Einkommensteuer für 2004 und der Verrechnung eines Versteigerungserlöses auf 25.175,62 Euro (St.-Nr. 130/5017/0033) bzw. 135.195,78 Euro (St.-Nr. 130/5017/1604).

Auf Antrag des Klägers, die bisher der Umsatzsteuer unterworfenen Umsätze aus den Spielautomaten in unmittelbarer Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei zu belassen, erließ das FA B mit Datum vom 30. Januar 2006 gegenüber dem Kläger gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) Änderungsbescheide betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 1999 bis 2002, aufgrund derer sich Umsatzsteuererstattungen von 53.545,01 Euro (1999), 55.821,40 Euro (2000), 46.549,13 Euro (2001) und 66.215,98 Euro (2002), insgesamt 222.131,52 Euro, ergaben. Diese verrechnete es mit den nach den Korrekturen der ursprünglichen Anmeldungen zur Insolvenztabelle noch verbliebenen Steuerrückständen in Höhe von (25.175,62 Euro + 135.195,78 Euro =) 160.371,40 Euro und kehrte den Differenzbetrag in Höhe von (222.131,52 Euro ./. 160.371,40 Euro =) 61.760,12 Euro an den Kläger aus. Einspruch und Klage gegen den darüber erteilten Abrechnungsbescheid vom 13. Juli 2006 blieben erfolglos. Die gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 15. Mai 2014  12 K 4478/11 AO (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2014, 1362) eingelegte Revision wies der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 18. August 2015 VII R 29/14 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2016, 87), auf das verwiesen wird, als unbegründet zurück.

Der Beklagte setzte durch Einkommensteuerbescheid vom 31. Oktober 2007 für 2006 Einkommensteuer in Höhe von 85.365 Euro fest. Dieser Festsetzung lagen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 222.131 Euro zugrunde. Auf das zu versteuernde Einkommen wurde der Grundtarif angewandt. Der Bescheid wurde an die Sozietät „…“ als Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn A gerichtet. Der Kläger legte dagegen Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Nach Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zeigte er dem Amtsgericht (AG) D am 10. Dezember 2007 gemäß § 208 der Insolvenzordnung (InsO) an, dass Masseunzulänglichkeit vorliege.

Nach Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom 31. Oktober 2007 wegen fehlerhafter Bekanntgabe erließ der Beklagte am 20. November 2009 einen allein an den Kläger als Insolvenzverwalter für Herrn A gerichteten Einkommensteuerbescheid für 2006, in dem die Einkommensteuer erneut auf 85.365 Euro festgesetzt wurde.

Mit dem dagegen eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, die Umsatzsteuererstattungen für die Jahre 1999 bis 2002 seien der Insolvenzmasse nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe von 61.760,12 Euro zugeflossen. Dies ergebe sich aus dem Abrechnungsbescheid vom 13. Juli 2006. Nach diesem Bescheid seien Erstattungsansprüche von insgesamt 222.131,52 Euro mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerrückständen von insgesamt 160.371,40 Euro verrechnet worden. Lediglich der verbleibende Betrag von 61.760,12 Euro sei erstattet worden und damit der Insolvenzmasse zugeflossen. Da der Insolvenzmasse lediglich dieser Betrag zugeflossen sei, könne es nicht richtig sein, eine Masseverbindlichkeit von insgesamt 98.168,07 Euro (Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag) geltend zu machen.

Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2010 als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, die Einkommensteuer für 2006 sei zu Recht als Masseverbindlichkeit gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen von Herrn A festgesetzt worden. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2009, 682) habe der Insolvenzverwalter mit der ab der Verfahrenseröffnung bestehenden Aufgabe, die Insolvenzmasse zu verwerten, auch die dem Steuerschuldner zugewiesene Aufgabe des „Steuereinnehmers“ übernommen. Hierzu gehöre neben der Geltendmachung des Umsatzsteueranspruchs auch die ertragsteuerliche Versteuerung der nach Verfahrenseröffnung vereinnahmten Umsatzsteuererstattungen. Aufgrund der seitens des Klägers abgegebenen berichtigten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2002 seien im Jahr 2006 Erstattungsansprüche im Gesamtbetrag von 222.131 Euro ausgezahlt bzw. verrechnet worden. Für die Prüfung der Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseforderungen komme es nach Ansicht des BFH darauf an, zu welchem Zeitpunkt die den Steueranspruch begründenden Tatsachen vollständig verwirklicht seien. Insoweit seien allein die jeweiligen steuerrechtlichen Vorschriften, nicht aber diejenigen des Insolvenzrechts maßgebend. Gemäß § 36 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entstehe die Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums. Die Einkommensteuer des Jahres 2006 sei mit Ablauf des 31. Dezember 2006 und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Herr A habe seinen Gewerbebetrieb bereits im Jahr 2004 eingestellt. Bei einer Betriebsaufgabe sei für den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe gemäß § 16 EStG ein Aufgabegewinn oder verlust zu ermitteln. Zu diesem Zeitpunkt hätten auf Erstattung der Umsatzsteuer gerichtete Forderungen noch nicht aktiviert werden dürfen, weil die Forderungen bestritten gewesen seien. Als unbestritten hätten sie frühestens nach Ergehen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, C-453/02 und C-462/02 (Slg. 2005, I-1131 = EU:C:2005:92) behandelt werden können. Bei Umsatzsteuererstattungen nach Betriebsaufgabe handele es sich nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Juli 2006 IV B 2 – S 2141 – 7/06 (BStBl I 2006, 418) um nachträgliche Einkünfte im Zeitpunkt des Zuflusses. Erst der Zufluss führe zur Entstehung des Steueranspruchs, sodass entsprechende Einkünfte im Streitjahr zu erfassen seien. Die Ansprüche seien somit nach Insolvenzeröffnung entstanden, sodass die auf die Umsatzsteuererstattungen entfallende Einkommensteuer insgesamt eine Masseforderung darstelle, auch wenn nur ein Betrag von 61.760,12 Euro zugunsten der Insolvenzmasse ausgekehrt worden sei.

Mit der daraufhin erhobenen Klage hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass der angefochtene Bescheid sowohl aus verfahrensrechtlichen als auch aus materiell-rechtlichen Gründen fehlerhaft sei. Das Gericht hat durch Zwischenurteil vom 8. Juli 2014 entschieden, dass die Umsatzsteuererstattungen aufgrund des EuGH-Urteils vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, C-453/02 und C-462/02 (Slg. 2005, I-1131) nach der Betriebsaufgabe im Jahr 2004 als nachträgliche Einkünfte in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips zu ermitteln sind. Der BFH hat die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 28. Januar 2015 X B 103/14 (BFH/NV 2015, 702) als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten – auch hinsichtlich des Vorbringens des Klägers bis zum Ergehen des Zwischenurteils – wird auf dieses sowie den BFH-Beschluss verwiesen.

Der Kläger hat sodann nach Zustellung BFH-Beschlusses vom 28. Januar 2015 X B 103/14 (BFH/NV 2015, 702) mit Schriftsatz vom 3. März 2016 wie folgt ergänzend vorgetragen: Aus dem BFH-Urteil vom 18. August 2015 VII R 29/14 (BFH/NV 2016, 87) ergebe sich, dass der Anspruch auf Umsatzsteuererstattung bereits vor Insolvenzeröffnung begründet gewesen sei und daher mit Insolvenzforderungen habe aufgerechnet werden können. Das Aufrechnungsverbot nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestehe nicht, wenn die Forderung „ihrem Kern nach“ bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet gewesen sei. Dies sei der Fall, wenn sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung des Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt gewesen seien. Dies habe aber      – anders als im BFH-Urteil vom 15. November 2011 I R 96/10 (BFH/NV 2012, 991), wonach Steuererstattungsansprüche erst dann in der Bilanz auszuweisen seien, wenn sie einen durchsetzbaren gegenwärtigen Vermögenswert verkörperten – zur Folge, dass der Erstattungsanspruch noch in einer seitens des Insolvenzschuldners aufzustellenden Schlussbilanz hätte aktiviert werden müssen. Erstattungsansprüche, die aufgrund eines gegen EU-Recht verstoßenden Gesetzes beruhten, könnten nämlich nicht mit einer anderweitig bestrittenen Forderung gleichgesetzt werden. Somit sei es falsch, im Streitfall allein auf den Zufluss nach Insolvenzeröffnung abzustellen. Nach Insolvenzeröffnung stelle sich der Vorgang neutral dar, weil bereits zuvor eine Aktivierung hätte erfolgen müssen.

Soweit der Beklagte die Steuererstattungsansprüche mit Insolvenzforderungen aufgerechnet habe, liege hinsichtlich der Einkommensteuer für 2006 keine Masseverbindlichkeit vor. Er – der Kläger – habe diese Aufrechnung nicht verhindern können. Die durch den Zufluss verursachte Verbindlichkeit sei daher nicht, wie von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO für eine Masseverbindlichkeit gefordert, durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden. Eine Masseverbindlichkeit müsse aber stets wenn nicht auf eine Handlung, so doch auf eine Verwaltungs- oder Verwertungsmaßnahme des Insolvenzverwalters mit Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Auch nach Auffassung des BFH (Urteil vom 15. März 1995 I R 82/93, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 177, 257) seien Einkommensteuerforderungen aufgrund der nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzschuldner erzielten Einkünfte nur dann Massekosten, wenn die Einkünfte aus der Verwertung der Konkursmasse resultierten und die entsprechenden Vermögensmehrungen zur Konkursmasse gelangten. Im Streitfall hätten die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche aber, soweit sie unmittelbar mit Insolvenzforderungen verrechnet worden seien, nicht zu entsprechenden Vermögensmehrungen der Insolvenzmasse geführt. Die Ansprüche seien auch nicht durch die Verwertung der Insolvenzmasse entstanden. Der Rechtsanspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer sei vielmehr kraft Gesetzes ohne weitere Rechtshandlung eines Beteiligten in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die Umsatzsteuer für diese Umsätze entrichtet worden sei, mithin ohne Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters und bereits vor Insolvenzeröffnung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

1. den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 20. November 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2010 aufzuheben,

2. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens bis zum Ergehen des Zwischenurteils in dieser Sache wird ebenfalls auf das Zwischenurteil Bezug genommen. Zum Schriftsatz des Klägers vom 3. März 2016 hat der Beklagte wie folgt erwidert: Über die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum der Erstattungsanspruch im Streitfall steuerlich zu erfassen sei, habe das Gericht durch das Zwischenurteil vom 8. Juli 2014 rechtskräftig entschieden. Danach seien die Einkünfte in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips als nachträgliche Einkünfte zu ermitteln. Die im Jahr 2006 aufgerechneten bzw. erstatteten Umsatzsteuerbeträge seien daher in diesem Veranlagungszeitraum als nachträgliche Betriebseinnahmen zu erfassen.

Der Einwand des Klägers, die festgesetzte Einkommensteuer sei insoweit keine Masseverbindlichkeit, als sie auf die durch Aufrechnung ausgekehrte Umsatzsteuer entfalle, sei ebenfalls unbegründet. Für die Unterscheidung zwischen Insolvenz- und Masseforderung komme es allein darauf an, ob der Besteuerungstatbestand vor oder nach der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden sei. Dabei sei auch die Art der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Besteuerungstatbestände, die erst nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden seien, führten zu Masseverbindlichkeiten. Dabei spiele es keine Rolle, ob die entsprechenden Einkünfte der Insolvenzmasse tatsächlich zugeflossen seien. Da die Aufrechnung im Jahr 2006 stattgefunden habe und der Gewinn nach den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sei, seien die entsprechenden Beträge als nachträgliche Betriebseinnahmen in diesem Jahr zu erfassen. Damit führe die darauf entfallende Einkommensteuer zweifelsfrei zu einer Masseverbindlichkeit.

Das Gericht hat die den Rechtsstreit betreffenden Steuerakten des Beklagten und des FA B, die Insolvenzakten des AG D im Verfahren 62 IN 404/04 und die Gerichtsakten des Verfahrens des FG Düsseldorf 12 K 4478/11 AO beigezogen.

Aus den Gründen

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Beklagte ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Insolvenzschuldner im Streitjahr aufgrund der Aufrechnung mit den Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen gegen die im Abrechnungsbescheid aufgeführten Insolvenzforderungen und die Auskehrung des danach verbleibenden Restbetrags an den Kläger gewerbliche Einkünfte in Höhe des im angefochtenen Bescheid angesetzten Betrags erzielt hat und es sich bei der Einkommensteuer für 2006 um eine durch Steuerbescheid festzusetzende Masseverbindlichkeit handelt. Bei den gewerblichen Einkünften handelt es sich aber – mit Ausnahme der Erstattungszinsen zu den Umsatzsteuerfestsetzungen – um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten und damit um außerordentliche Einkünfte i. S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Die darauf entfallende Einkommensteuer ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG gemäß den Sätzen 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen. Der Beklagte hätte zudem kein Leistungsgebot erlassen dürfen. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

I. Bei den im angefochtenen Bescheid angesetzten Einkünften handelt es sich um im Streitjahr erzielte Einkünfte (unten 1.), die gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln waren (unten 2.). Die darauf entfallende Steuer ist – mit Ausnahme der Erstattungszinsen zu den Umsatzsteuerfestsetzungen – nach § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen (unten 3.).

1. a) Bei dem Spielhallenbetrieb handelte es sich um einen Gewerbebetrieb, der nach seiner Größe einer kaufmännischen Einrichtung bedurfte, und damit um ein Handelsgewerbe i. S. von § 1 des Handelsgesetzbuchs. Herr A hatte daher seinen Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Buchführung und Bilanzierung zu ermitteln.

Für die Aktivierung der Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche der Jahre 1999 bis 2002 galten die Grundsätze, die für die Aktivierung bestrittener Forderungen gelten. Bestrittene Forderungen können erst am Schluss des Wirtschaftsjahres angesetzt werden (§ 5 Abs. 1 EStG), der dem Zeitpunkt nachfolgt, zu dem über den Anspruch rechtskräftig entschieden wird (BFH-Urteil vom 26. April 1989 I R 147/84, BStBl II 1991, 213). Dies gilt auch für einen bestrittenen Steuererstattungsanspruch. Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche im Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten, die vom FA bestritten wurden, sind zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren, der auf die vorbehaltlose Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12. Mai 2005 V R 7/02 (BStBl II 2005, 617) im BStBl II vom 30. September 2005 folgt (BFH-Urteile vom 31. August 2011 X R 19/10, BStBl II 2012, 190, und vom 15. November 2011 I R 96/10, BFH/NV 2012, 991).

Herr A hatte seinen gewerblichen Betrieb allerdings bereits Ende August 2004 i. S. von § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG aufgegeben (vgl. Zwischenurteil vom 8. Juli 2014, unter IV. 1.). Die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche konnten, weil seinerzeit noch bestritten, zu diesem Zeitpunkt auch nicht bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt werden (vgl. Zwischenurteil vom 8. Juli 2014, unter IV. 2.). Die Betriebsaufgabe hatte allerdings nicht zur Folge, dass diese – gemäß § 38 AO bereits entstandenen – Ansprüche ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen verloren. Eine nach Grund und Höhe ungewisse betriebliche Forderung kann nicht aus dem Betriebsvermögen entnommen werden; sie bleibt auch nach der Aufgabe des Betriebs Betriebsvermögen. Bei einer solchen Forderung erweist sich erst aus der weiteren Entwicklung der Verhältnisse, ob und in welcher Höhe sie zu einem Gewinn führt. Damit tritt für Besteuerungszwecke der tatsächlich später vereinnahmte Betrag aus der Forderung an die Stelle ihres gemeinen Wertes im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe. Der Betriebsaufgabegewinn wird so ermittelt und besteuert, als sei die Forderung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nach Grund und Höhe unstreitig gewesen. Sachlich gehört der vereinnahmte Betrag, weil er an die Stelle des sonst anzusetzenden gemeinen Wertes der Forderung im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe tritt, zum Betriebsaufgabegewinn. Damit stellt sich der tatsächliche Zahlungseingang auf die bei der Ermittlung des Betriebsaufgabegewinns wegen der Ungewissheit über ihren Grund und ihre Höhe nicht angesetzte Forderung ebenso als rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar wie der Ausfall einer Forderung, die bei der Ermittlung des Betriebsveräußerungsgewinns mit einem Wert angesetzt wurde, der später nicht realisiert werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92, BStBl II 1994, 564, und BFH-Beschluss vom 23. Februar 1995 III B 134/94, BFH/NV 1995, 1060).

Der gegenteiligen Auffassung des BMF im Schreiben vom 5. Juli 2006 IV B 2 – S 2141 – 7/06 (BStBl I 2006, 418, Tz. 7), wonach eine Änderung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns mit den Umsatzsteuererstattungen oder -rückzahlungen nicht verbunden ist, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Das BMF setzt sich bei dieser Aussage nicht mit dem BFH-Urteil vom 10. Februar 1994 IV R 37/92 (BStBl II 1994, 564) auseinander, das durch die Veröffentlichung im BStBl II für allgemein anwendbar erklärt wurde und dessen überzeugende Ausführungen das Gericht teilt.

Die im angefochtenen Bescheid angesetzten gewerblichen Einkünfte hätten daher gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zum Gegenstand eines Änderungsbescheides betreffend die Einkommensteuer für 2004 gemacht werden müssen.

b) Dem Gericht ist es allerdings aus prozessrechtlichen Gründen untersagt, dies zugunsten des Klägers zu berücksichtigen und deshalb der Klage stattzugeben. Das Gericht ist gemäß § 318 der Zivilprozessordung (ZPO) an die Entscheidung, die in einem von ihm erlassenen Zwischenurteil enthalten ist, gebunden. Diese Vorschrift gilt gemäß § 155 Satz 1 FGO für das finanzgerichtliche Verfahren sinngemäß (ebenso Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 97 FGO Rz. 25). Der Tenor des Zwischenurteils vom 8. Juli 2014 ist dahin auszulegen, dass ein Gewinn, der sich durch die Verrechnung der Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche mit den Insolvenzforderungen des FA B und durch die Auskehrung des danach verbleibenden Betrags an die Insolvenzmasse ergeben hat, nicht Teil des im Jahr 2004 erzielten Aufgabegewinns, sondern Gegenstand nachträglicher, nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermittelnder Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist. Dies folgt zum einen daraus, dass der vormals zuständige 9. Senat des FG Düsseldorf das Vorliegen eines rückwirkenden Ereignisses und damit eine Änderungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO unter IV. 3. des Zwischenurteils ausdrücklich verneint hat. Es ergibt sich zum anderen daraus, dass auch Besteuerungsgrundlagen, die sich als rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellen und deshalb nach dieser Vorschrift Anlass für die Änderung einer früheren Steuerfestsetzung geben, Teil der Einkünfte sind, die im Rahmen der früheren Steuerfestsetzung anzusetzen sind (hier: als Teil des Aufgabegewinns). Da im vorliegenden Fall zudem allein die sich aus der Aufrechnung bzw. der Auskehrung des verbleibenden Betrags ergebenden einkommensteuerlichen Folgen und keine anderen Besteuerungsgrundlagen im Streit sind, kann das Zwischenurteil nur so ausgelegt werden, dass diese Folgen Gegenstand der Einkommensbesteuerung des Streitjahres und nicht des Jahres 2004 sind.

2. Dem Kläger sind im Streitjahr Betriebseinnahmen in Höhe von 222.131 Euro zugeflossen.

Da der Gewinn des Streitjahres gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist, kommt es für den Ansatz von Betriebseinnahmen nach § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 5 EStG auf deren Zufluss an. Eine Aufrechnung ist Ausdruck wirtschaftlicher Verfügungsmacht und führt daher (erst) im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (und nicht schon im Zeitpunkt der Aufrechnungslage) zum Zufluss (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121; Schmidt/Krüger, Einkommensteuergesetz, 35. Aufl., § 11 Rz. 16). Die Aufrechnung erfolgte im Streitjahr. Sie war, wie aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des FG Düsseldorf (Urteil vom 15. Mai 2014  12 K 4478/11 AO, EFG 2014, 1362) und des BFH (Urteil vom 18. August 2015 VII R 29/14, BFH/NV 2016, 87) bindend feststeht, auch wirksam. Sie hat daher ebenso wie die Auskehrung des restlichen Guthabens in Höhe von 61.760,12 Euro zu einem Zufluss von Betriebseinnahmen geführt.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Hauptforderungen, gegen die das FA B mit den Umsatzsteuer-Erstattungsansprüchen des Insolvenzschuldners (Gegenforderungen) aufgerechnet hat, z. T. auch um Steueransprüche handelte, die nach § 12 Nr. 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte nicht abziehbar waren. Auch wenn dies der Fall sein sollte, würde dies nicht bedeuten, dass es insoweit an der betrieblichen Veranlassung des Wertzugangs und damit an einer Betriebseinnahme i. S. von § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG fehlt. Maßgebend ist vielmehr, dass die Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche in vollem Umfang zum Betriebsvermögen gehörten und durch die Aufrechnung erfüllt wurden. Dass sie möglicherweise z. T. zum Ausgleich von Steuern vom Einkommen verwendet wurden, berührt nicht ihre betriebliche Veranlassung, sondern betrifft ausschließlich ihre Verwendung. Insoweit liegt gewissermaßen ein abgekürzter Zahlungsweg vor.

3. Bei den gewerblichen Einkünften des Streitjahres handelt es sich – mit Ausnahme der Erstattungszinsen zu den Umsatzsteuerfestsetzungen – um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i. S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, d. h. um außerordentliche Einkünfte. Die darauf entfallende Einkommensteuer ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG nach den Sätzen 2 bis 4 des § 34 Abs. 1 EStG zu berechnen.

Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche, wie sie sich im Streitfall ergeben haben, stellen „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten“ i. S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar. Sie lassen auch typischerweise eine Progressionswirkung erwarten, wie diese Vorschrift sie als Anlass für die Steuersatzmilderung erwartet. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist zudem auch auf die Bezieher von Gewinneinkünften anwendbar, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln. Angesichts eines Zeitraums von vier Jahren (1999 bis 2002), für den die Umsatzsteuer erstattet wurde, liegt auch eine „mehrjährige“ Tätigkeit i. S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vor. Das Gericht verweist dazu auf die Ausführungen im BFH-Urteil vom 25. Februar 2014 X R 10/12 (BStBl II 2014, 668), die es für zutreffend hält und denen es sich deshalb anschließt.

Erstattungszinsen gehören dagegen nicht zu den außerordentlichen Einkünften i. S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG. Sie erfüllen weder den Tatbestand des § 34 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG noch den des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 2013 VIII R 36/10, BStBl II 2014, 168, und vom 25. September 2014 III R 5/12, BStBl II 2015, 220). Die Erstattungszinsen zu den geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen für 1999 bis 2002 belaufen sich nach den Bescheiden vom 30. Januar 2006 auf insgesamt 35.522,42 Euro. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG begünstigt ist daher lediglich ein Betrag in Höhe von (222.131,52 Euro ./. 35.522,42 Euro =) 186.609,10 Euro, abgerundet von 186.609 Euro.

II. Der Beklagte durfte den Einkommensteueranspruch für 2006 zwar durch einen an den Kläger gerichteten Steuerbescheid festsetzen, weil es sich dabei um eine Masseverbindlichkeit handelt, allerdings ohne Leistungsgebot.

1. Nach § 155 Abs. 1 Satz 1 AO werden Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Insolvenzgläubiger können dagegen nach § 87 InsO ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Sie haben ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dementsprechend sind Insolvenzforderungen i. S. von § 38 InsO während eines Insolvenzverfahrens nach § 251 Abs. 3 AO nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern allenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO, die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind (BFH-Urteile vom 29. August 2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145, und vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BStBl II 2009, 682).

a) Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründeten Verbindlichkeiten, die nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gehören.

In Bezug auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung des Steueranspruchs darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand vor oder nach der Insolvenzeröffnung verwirklicht worden ist. Liegt die Verwirklichung nach der Insolvenzeröffnung, sind sonstige Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben, die gemäß § 53 InsO vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind.

Sonstige Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind von den Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) abzugrenzen. Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO solche Forderungen, die bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerrechtliche Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und deren Fälligkeit kommt es nicht an.

Eine Forderung ist insolvenzrechtlich begründet, wenn der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde. Dies ist der Fall, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen.

Maßgebend ist dabei die Art der Gewinnermittlung. Erfolgt sie – wie hier für das Streitjahr – nicht durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG), sondern durch Ermittlung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 3 EStG, gilt das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Danach ist der Tatbestand für die Einkommensbesteuerung erst vollständig verwirklicht, wenn die Einnahmen bezogen sind, d. h. wenn sie dem Steuerpflichtigen zufließen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2014 X R 12/12, BFH/NV 2015, 988 m. w. N.).

b) Danach stellt sich die Einkommensteuer für 2006 als Masseverbindlichkeit i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Sie geht darauf zurück, dass der Kläger den Antrag gestellt hat, die in den Jahren 1999 bis 2002 der Umsatzsteuer unterworfenen Umsätze steuerfrei zu belassen. Dieser Antrag hat zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für diese Jahre und als Folge geänderter Abrechnungen zu Erstattungsansprüchen geführt. Deren Tilgung durch Aufrechnung und Auskehrung des Restguthabens an den Insolvenzverwalter hat wiederum den Zufluss von Betriebseinnahmen im Streitjahr und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt. Die dadurch entstandenen gewerblichen Einkünfte gehen somit unmittelbar auf eine Handlung des Klägers i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO zurück. Dass der Zufluss teilweise durch eine Aufrechnung des FA B bewirkt wurde, ist unerheblich. Maßgebende Ursache für die Realisierung des Einkünftetatbestandes (§ 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) war der Antrag des Klägers, die Umsätze der Jahre 1999 bis 2002 steuerfrei zu belassen und die Erstattungen zur Insolvenzmasse zu ziehen, wobei die Aufrechnung der (Aus)Zahlung gleichsteht.

Unerheblich ist, dass die Erstattungen, soweit sie mit Insolvenzforderungen verrechnet wurden, i. E. nicht in die Insolvenzmasse gelangt sind. Der BFH (Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602) hat zwar unter Geltung der Konkursordnung entschieden, dass Einkommensteueransprüche nur insoweit Masseverbindlichkeiten sind, als der Steuergegenstand zur Konkursmasse gelangt. Die der Masse zufließenden Betriebseinnahmen seien nur im Umfang der Massemehrung mit Einkommensteuer als Massekosten behaftet. Diese Rechtsprechung hat er jedoch für die sich seit Inkrafttreten der InsO ergebende Rechtslage aufgegeben (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BStBl II 2013, 759).

2. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 20. November 2009 ist allerdings insoweit rechtswidrig, als er ein Leistungsgebot i. S. von § 254 Abs. 1 Satz 1 AO enthält.

Das Leistungsgebot i. S. von § 254 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt, der bereits zum Erhebungsverfahren gehört, aber noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung darstellt, sondern zeitlich zwischen der Festsetzung der geschuldeten Leistung und der Vollstreckung liegt (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 254 AO Tz. 4 f.). Handelt es sich – wie im Streitfall – um eine Masseverbindlichkeit, so darf sie zwar grundsätzlich mittels Leistungsgebotes festgesetzt werden (vgl. BMF-Schreiben vom 20. Mai 2015 IV A 3 – S 0550/10/10020 – 05, BStBl I 2015, 476; Loose, a. a. O., § 254 AO Tz. 26; MünchKommInsO-Hefermehl, 3. Aufl., § 55 RdNr. 80). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Insolvenzverwalter vor der Festsetzung der geschuldeten Leistung Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Ein derartiges Leistungsgebot steht seit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Widerspruch zum Vollstreckungsverbot des § 210 InsO, weil es den Übergang zum Vollstreckungsverfahren einleitet (vgl. BFH-Beschluss vom 29. März 2016 VII E 10/15, BFH/NV 2016, 1068).

Der Kläger hat dem Insolvenzgericht am 10. Dezember 2007 die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt. Der angefochtene Bescheid datiert demgegenüber vom 20. November 2009.

III. Die Steuerberechnung war gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten zu übertragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Das Revisionsverfahren X R 12/12, auf das der BFH im Beschluss vom 28. Januar 2015 X B 103/14 (BFH/NV 2015, 702) hingewiesen hat, ist mittlerweile durch Urteil vom 9. Dezember 2014 (BFH/NV 2015, 988) abgeschlossen. Gleiches gilt für das Revisionsverfahren IX R 23/14 (Urteil vom 10. Februar 2015, BFHE 249, 202). Das Revisionsverfahren X R 25/14 betrifft die Rechtsfragen, ob die Einkommensteuerschuld, die auf einen Veräußerungsgewinn entfällt, der sich aus dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft ergeben hat, eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit darstellt, wenn der Gewinn entsteht, weil der Gesellschafter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Personengesellschaft aus dieser ausscheiden muss, und ob sich die Beteiligung an der Personengesellschaft, aus der der Gesellschafter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen ausscheidet, wenn auch nur eine logische Sekunde in der Insolvenzmasse befindet. Über derartige Rechtsfragen war im Streitfall nicht zu entscheiden. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 FGO liegen daher nicht vor.

stats