R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
31.01.2014
Steuerrecht
FG Hessen: Steuerschuldnerschaft bei Lieferung betriebsbereiter Photovoltaikanlagen

FG Hessen, Urteil vom 26.9.2013 - 1 K 2198/11


Sachverhalt


Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin Steuerschuldnerin nach den Vorschriften der umgekehrten Steuerschuldnerschaft gemäß § 13b Abs. 5 und Abs. 2 Nr. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist.


Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft und wurde mit notariellem Vertrag vom ... gegründet und am ... im Handelsregister des Amtsgerichts ... unter HRB ... eingetragen. Laut Handelsregistereintragung ist der Gegenstand des Unternehmens


a) der Erwerb, der Vertrieb, der An- und Verkauf sowie der Import und Export von Solaranlagen und entsprechenden Komponenten und Zubehör,


b) die Vermittlung von regenerativen Energieanlagen auf/an Gebäudeteilen und Freiflächen, die Vermittlung von Flächen für die Gewinnung von Alternativenergien sowie die Projektierung, Entwicklung und das Betreiben von Solaranlagen,


c) die Unterstützung, Beratung, technische Überwachung und Wartung im Rahmen des Betreibens von Solaranlagen.


Als auf den Vertrieb und den Aufbau von schlüsselfertigen Photovoltaikdachanlagen spezialisiertes Unternehmen bedient sich die Klägerin der Hilfe anderer (Sub-)Unternehmer.


Freistellungsbescheinigungen nach § 48b Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wurden am 17.05.2010 und am 21.04.2011 erteilt.


Im Oktober 2010 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum Mai-Juli 2010 statt. Seitens der Betriebsprüfung wurde die Auffassung vertreten, der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Subunternehmer Fa. B sowie Fa. C sei zu versagen, da es sich hierbei um Umsätze im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG gehandelt habe und die Klägerin als Leistungsempfängerin die Steuer schulde. Diesen Rechnungen lagen Tätigkeiten der genannten Unternehmen zugrunde, die sie als Subunternehmer für die Klägerin bei der Anbringung von Photovoltaikanlagen erbracht hatten. Die Subunternehmer hatten zunächst die Umsatzsteuer selbst an das Finanzamt abgeführt. Da die Klägerin selbst ein Bauleistungsunternehmen sei, hätten die Rechnungen der Subunternehmer gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 S. 2 UStG ohne Umsatzsteuer gestellt werden müssen, da die Steuer vom Leistungsempfänger geschuldet würde. Die Betriebsprüferin beanstandete die Vorgehensweise für die Vergangenheit jedoch nicht, da die Umsatzsteuer von den leistenden Unternehmen (Fa. B, Fa. C) gezahlt worden und insoweit kein steuerlicher Schaden entstanden sei.


Mit Schreiben vom 11.11.2010 bat die Klägerin die Subunternehmer, die Vorschrift des § 13b UStG in Zukunft zu beachten und entsprechende Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis zu erstellen. Im Nachgang dazu reichten die Subunternehmer berichtigte Rechnungen bei den für sie zuständigen Finanzämtern ein und forderten die bezahlte Umsatzsteuer zurück.


Daraufhin fand bei der Klägerin im Zeitraum vom 26.04.2011 bis 02.05.2011 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Prüfungszeitraum Januar bis Dezember 2010 (Umsatzsteuer-Voranmeldungen) und eine abgekürzte Außenprüfung für Umsatzsteuer 2009 statt. Die bei dieser Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen führten zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2009 mit Bescheid vom 24.05.2011 und der Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2010 mit Bescheid vom 23.05.2011. Darin wurde die Umsatzsteuer 2009 in Höhe von ... € festgesetzt, wobei aufgrund bereits geleisteter Vorauszahlungen eine Zahllast in Höhe von ... € entstand. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2010 wurde auf ... € festgesetzt, wobei nach Abrechnung bereits getilgter Steuer eine Zahllast in Höhe von ... € verblieb. Am 05.03.2012 erließ das beklage Finanzamt (nachfolgend FA) einen Bescheid über Umsatzsteuer 2010. Darin wurde die Umsatzsteuer auf ... € festgesetzt. Darin waren Umsätze aus Leistungen im Sinne des § 13b UStG waren in Höhe von ... EUR enthalten.


Mit Schreiben vom 20.06.2011 legte die Klägerin Einspruch ein und stellte beim FA einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.


Zur Begründung führte sie an, dass sowohl „Aufdachanlagen" als auch „dachintegrierte" Photovoltaikanlagen steuerlich als Betriebsvorrichtungen anzusehen seien bzw. wie Betriebsvorrichtungen zu behandeln und somit als selbständige, vom Gebäude losgelöste bewegliche Wirtschaftsgüter einzuordnen seien. Gemäß Abschnitt 13b. 1 Abs. 5 USt-Anwendungserlass (UStAE) müssten sich Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, d.h. es müsse eine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, Substanzbeseitigung oder Substanzerhaltung am Gebäude bewirkt werden. Dies sei jedoch bei bloßen Montageleistungen an der Betriebsvorrichtung Photovoltaikanlage nicht der Fall. Diese Auffassung würden auch die Oberfinanzdirektionen Münster und Rheinland vertreten.


Im Übrigen habe die zuständige Betriebsprüferin des Finanzamts in der Schlussbesprechung der ersten Prüfung mangels Gefährdung des Steueraufkommens vorgeschlagen, die Klägerin könne sich mit ihren Subunternehmern dahingehend einigen, dass die gesetzlich grundsätzlich vorgesehene Rechnungsberichtigung unterbleibe und damit eine Rückabwicklung der bereits gezahlten Steuer nicht erfolgen müsse. Nachdem die Klägerin dies mündlich mit ihren Subunternehmern vereinbart hatte, habe die Prüferin dieser Vorgehensweise ausdrücklich zugestimmt. Die Klägerin sei daher von der Rechnungskorrektur der anderen Unternehmer sowie der vom Finanzamt gezogenen Konsequenzen überrascht worden. Ihr müsse daher aufgrund der Absprachen mit dem Finanzamt im Rahmen der Betriebsprüfung Vertrauensschutz gewährt werden, da sie sich auf die getroffenen Absprachen verlassen habe.


Mit Entscheidung vom 12.08.2011 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin schulde die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG, da sie als Unternehmerin Bauleistungen erbracht habe. Bauleistungen seien alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten (vgl. § 48 Abs. 1 S. 3 EStG). Der Begriff der Bauleistung sei bei der Anwendung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG und beim Steuerabzug nach §§ 48 ff. EStG weitgehend gleich auszulegen. Er sei weit auszulegen und umfasse nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen (vgl. Tz. 5 des BMF-Schreibens vom 27.12.2002, BStBl I 2002, 1399). Zu den Bauwerken gehörten somit neben Gebäuden auch Betriebsvorrichtungen sowie sonstige unselbständige Gebäudeteile. Insbesondere werde im BMF-Schreiben vom 27.12.2002 auch die Installation von Lichtwerbeanlagen zu den Bauleistungen gezählt, die laut Verwaltungsauffassung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main mit der Installation von Photovoltaik- und Solaranlagen vergleichbar sei (OFD Frankfurt, Verfügung vom 13.08.2009, S 7279 A - 14- St 113).


Da die Klägerin mit ihren Kunden Verträge über die Lieferung voll funktionsfähiger Solaranlagen abschließe, erbringe sie eine Werklieferung an den Endkunden. Dabei handele es sich um die Herstellung eines Bauwerks, da eine Betriebsvorrichtung als solches anzusehen sei. Ob eine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, -beseitigung oder -erhaltung an einem Gebäude bewirkt werde, sei irrelevant. Im Übrigen habe die Klägerin seit Mai 2010 Freistellungsbescheinigungen nach § 48b EStG beantragt mit der Begründung, sie erbringe Bauleistungen nach § 48 ff. EStG.


Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da während der Betriebsprüfung keine Zusage durch das FA dahingehend erfolgt sei, die Umsatzsteuerfestsetzung nicht zu ändern. Vielmehr sei darüber gesprochen worden, aus Vereinfachungsgründen das bisherige Verfahren für die Vergangenheit nicht zu beanstanden, da die Umsatzsteuer von den Subunternehmern zunächst ordnungsgemäß abgeführt worden und daher kein steuerlicher Schaden entstanden sei. Das FA sei von dieser Regelung auch nicht abgewichen. Erst nachdem die leistenden Subunternehmer ihre Rechnungen berichtigt hätten, habe das FA entsprechende Konsequenzen ziehen müssen. Die Möglichkeit einer Rechnungsberichtigung durch die leistenden Subunternehmer und einer folgenden Rückabwicklung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer sei indes während der Betriebsprüfung nicht angesprochen worden.


Nachdem die Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, setzte das Hessische Finanzgericht mit Beschluss vom 24.01.2012 die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2009 und des Bescheides über Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2010 bis einen Monat nach Zustellung einer das hiesige Klageverfahren abschließenden Entscheidung aus (1 V 1907/11).


Mit der am 15.09.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führte sie ergänzend an, die den streitgegenständlichen Bescheiden zugrunde liegenden Leistungen beträfen überwiegend Solaranlagen auf Flachdächern. Sie selbst liefere dafür lediglich einzelne Solarmodule, die mit geringem Materialaufwand und wenigen Komponenten und Einzelteilen auf einfachen Unterkonstruktionen montiert würden, welche wiederum selbst nicht fest mit der Dachfläche verbunden seien, sondern lose bzw. schwebend auf der Dachfläche ruhten. Die Dachhaut werde weder verändert noch verletzt. Bei der Unterkonstruktion handele es sich um das ...system der Firma ... in ... . Dieses ...system liege lose auf dem Dach und bedürfe keiner mechanischen Befestigung mit dem Dach. Halt und Stabilität würden durch die Ausnutzung aerodynamischer Effekte erreicht. Durch einen Sogdruck entstehe ein Unterdruck unter dem ...system, wodurch die Solaranlage allen Witterungsverhältnissen Stand halten könne. Die Montagearbeiten hätten eine völlig untergeordnete Rolle gespielt, da sie weder aufwendig noch gewichtig gewesen seien. Darüber hinaus seien die Photovoltaikanlagen auch nicht mit dem Erdboden verbunden. Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung ergebe sich auch aus der Verfügung der OFD Frankfurt vom 13.08.2009, S 7279 A - 14 St 113 nicht, dass es sich bei den hier in Frage stehenden Photovoltaikanlagen um Bauleistungen handele, da in dieser Verfügung nicht auf das Erfordernis einer Auswirkung auf die Substanz des Bauwerkes verzichtet werde.


Unabhängig davon bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bereits deshalb, weil die Vorschrift des § 13b UStG möglicherweise nicht europarechtskonform ausgelegt worden sei. So gehe aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -EuGH- (Urteil vom 13.12.2012 C-395/11) hervor, dass das erkennende Gericht Maßnahmen zu ergreifen habe, die erforderlich seien, um die nachteiligen Folgen einer gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit oder der Rechtssicherheit verstoßenden Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften auszugleichen. Dabei sei zu beachten, dass Mehrwertsteuerausfälle insbesondere im Baugewerbe sowie im Gebäudereinigungsgewerbe festgestellt worden seien, die Klägerin aber in keinem der beiden Gewerbe tätig sei.


Gestützt werde die Auffassung der Klägerin auch durch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach es sich bei Montage und Lieferung von Photovoltaikanlagen um Kaufverträge mit Montageverpflichtung und nicht um Werkverträge handele (BGH-Urteile vom 22.07.1998 VIII ZR 220/97, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1998, 3197 und vom 03.03.2004 V III ZR 76/03 NJW-RR 2004, 850). Somit habe keine Bauleistung vorgelegen.


Schließlich sei das FA zum Zeitpunkt der Einreichung der berichtigten Rechnungen sozusagen „Herr der Umsatzsteuerabwicklung" gewesen und hätte bis zur Klärung der offenen Fragen die Rückzahlung zurückhalten können, wozu es verpflichtet gewesen wäre, um das Steueraufkommen nicht zu gefährden.


Die Klägerin beantragt,


die Umsatzsteuerbescheide 2009 vom 24.05.2011 und 2010 vom 05.03.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.08.2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2009 auf ... Euro und die Umsatzsteuer 2010 auf ... Euro herabgesetzt wird;
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.


Das FA beantragt,


die Klage abzuweisen.


Das FA hält an seiner Begründung der Einspruchsentscheidung fest und trägt darüber hinaus vor, dass sich auch nach dem Anwendungserlass zur Umsatzsteuer Abschn. 13b.1. Abs. 5 die Leistung auf die Substanz des Bauwerkes auswirken müsse. Dies sei hier der Fall, da die Solaranlage auf einer Unterkonstruktion befestigt sei, welche wiederum mit dem Gebäude verbunden werde. Damit werde im Ergebnis die Substanz des Gebäudes durch die Solaranlage erweitert. Auf welche Art und Weise die Unterkonstruktion mit dem Gebäude verbunden werde, spiele keine Rolle. Im Übrigen müsse sich die Leistung nicht unmittelbar auf die Substanz des Bauwerkes auswirken. Vielmehr genüge es, dass die Leistungen im Sinne von § 13b Abs. 1 Nr. 4 UStG der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienten. Letztlich könne es nicht entscheidungserheblich sein, ob die Photovoltaikanlage auf Flach- oder Schrägdächern montiert werde. Eine solch differenzierende Betrachtung führe zu einer komplexen Einzelfallbeurteilung, die dem Ziel der Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG, Steuerausfälle bei Bauleistungen zu vermeiden, zuwider liefe. Sollte es entgegen der vom FA vertretenen Ansicht doch auf eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Dachtypen ankommen, so obliege es der Klägerin, mitzuteilen, in welchen Fällen auf Flachdächern das System ... verwendet worden sei und wie die Konstruktion bei Schrägdächern aussehe. Auch die Unterkonstruktion des Modells ... diene durch ihre Befestigung unter Ausnutzung ihres Eigengewichts sowie aerodynamischer Effekte einer Substanzerweiterung des Gebäudes.


Ungeachtet dessen stelle die auf dem Dach installierte Solar- oder Photovoltaikanlage bereits für sich ein selbständiges Bauwerk dar, so dass bereits des


halb die Voraussetzungen des § 13b UStG erfüllt seien.


Unabhängig davon führten auch europarechtliche Bedenken nicht zur Rechtswidrigkeit der streitigen Umsatzsteuerbescheide. Das von der Klägerin angeführte Vorlageverfahren (BFH-Beschluss vom 30.06.2001 V R 37/10, BFH/NV 2011, 1633), welches der EuGH mit Urteil vom 13.12.2012 C-395/11 entschieden habe, sei für den hier zu entscheidenden Fall nicht entscheidungserheblich. So beziehe es sich auf die Frage, ob auch die Lieferung von Gegenständen unter den Begriff der Bauleistungen falle. Hier stellten jedoch die Leistungen der Subunternehmer keine Werklieferungen, sondern Dienstleistungen dar. Abgesehen davon betreffe die Vorlage des BFH Fragen zur Auslegung der auf Art. 27 der Richtlinie 1977/188/EWG gestützten Ausnahmeermächtigung 2004/290/EG für den Mitgliedstaat Deutschland. Die im hier vorliegenden Verfahren streitigen Bescheide für 2009 und 2010 unterlägen jedoch der Regelung des Art. 199 der Richtlinie 2006/112/EG und nicht der Ermächtigung 2004/290/EG. Wie sich aus der Begründungserwägung 42 zur Richtlinie 2006/112/EG ergebe, hätten die Mitgliedstaaten einer weiten Auslegung des Begriffs der Bauleistungen zugestimmt, um Steuerausfälle zu vermeiden. Dem Urteil des EuGH lasse sich jedoch entnehmen (so in Tz. 25 der Entscheidungsgründe), dass bei der Auslegung des Begriffs der Bauleistung die Ziele, die mit der Regelung des § 13b UStG verfolgt werden sollen und deren praktische Wirksamkeit berücksichtigt werden müssten.


Selbst wenn § 13b UStG nicht zur Anwendung kommen sollte, seien die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG auch dann nicht (mehr) erfüllt, da zumindest für die Umsatzsteuer 2010 berücksichtigt werden müsse, dass wegen der geänderten Rechnungen eines Subunternehmers in 2010 ein etwaiger Vorsteueranspruch der Klägerin in Höhe von ... € wegfalle, so dass diesbezüglich eine die Umsatzsteuerfestsetzung 2010 betreffende Änderung entsprechend habe durchgeführt werden müssen.


Auf die dem Gericht vorgelegten Steuerakten (1 Band Umsatzsteuerakte, 1 Sonderband Rechtsbehelf, 1 Sonderband § 48b EStG, 1 Sonderband Betriebsprüfungsberichte, 1 Fallheft der abgekürzten Außenprüfung (a.A.), 2 Bände Fallheft USt-Sonderprüfung) wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Ferner wird auf die zu den Gerichtsakten eingereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen im Verfahren 1 V 1907/11 ergänzend Bezug genommen.


Aus den Gründen


Die Klage ist unbegründet.


Die Umsatzsteuerbescheide 2009 und 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Finanzgerichtsordnung - FGO -).


1. Der Änderung der Bescheide stand kein Vertrauensschutztatbestand entgegen. Unstreitig ist das FA von der Zusage, keine Änderungen vorzunehmen, sofern die Rechnungen von den Subunternehmern nicht geändert würden, nicht abgewichen. Ob die Betriebsprüferin tatsächlich auch - wie von der Klägerin behauptet - für die Zukunft zugesagt hat, keinerlei Änderungen hinsichtlich der Vorsteuerkorrektur vorzunehmen, kann dahingestellt bleiben. So genannte „Verständigungen" zwischen FA und Steuerpflichtigen können im Rahmen von Schlussbesprechungen nur im Bereich von Sachverhaltsunklarheiten und Sachverhaltsungewissheiten erfolgen und setzen überdies voraus, dass auf Seiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist (BFH-Urteile vom 23.05.1991 V R 1/88, BFH/NV 1991, 846 und vom 12.03.1998 V R 17/96, BFH/NV 1998, 1067). Der Steuerpflichtige kann jedenfalls nicht auf einen rechtswidrigen, also offenbar unrichtigen Zustand vertrauen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22.04.2013 III B 115/12, BFH/NV 2013, 114 und vom 13.12.2011 VIII B 136/11, BFH/NV 2012, 550). Stellen die fraglichen Leistungen hinsichtlich der Lieferung und Montage der Photovoltaikanlage nämlich Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG dar, so sind die leistenden Subunternehmer berechtigt, nachträglich ihre Rechnungen korrigieren.


2. Die Voraussetzungen für eine Steuerschuld der Klägerin gemäß § 13b UStG liegen nach Auffassung des Senats vor.


Gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ist der Unternehmer im Fall von Lieferungen und sonstigen Leistungen, die er im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), auch der Steuerschuldner.


Abweichend hiervon können Bauleistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer ausgeführt werden, die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers begründen. Erforderlich dafür ist zum einen, dass die Leistungen gegenüber einem Unternehmen erbracht werden; des Weiteren muss dieses Unternehmen seinerseits Bauleistungen ausführen (vgl. Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 13b nF Rn. 360; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2013 7 K 7345/12, zitiert nach juris).


Nach § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Schuldner der so beschriebenen Umsatzsteuer ist der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2007 erbringt (§ 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2007).


Diese Regelung geht zurück auf Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zur Mehrwertsteuer - 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) und die auf dieser Grundlage ergangene Entscheidung des Rates vom 30.03.2004 2004/290/EG, Amtsblatt der EU 2004, L 94/59. Da die seit dem 01.01.2007 geltende Mehrwertsteuersystemrichtlinie - 2006/112/EG (MwStSystemRL) eine gleich lautende Regelung enthält, gilt die Entscheidung 2004/290/EG auch im Streitjahr. Nach Art. 2 Nr. 1 dieser Entscheidung kann die Bundesrepublik Deutschland bei der Erbringung von Bauleistungen an einen Steuerpflichtigen den Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen als Mehrwertsteuerschuldner bestimmen.


Mit dieser Ermächtigung steht § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG 2007 grundsätzlich im Einklang. Der Begriff „Bauleistungen" in Art. 2 Nr. 1 der Entscheidung 2004/290/EG umfasst auch Werklieferungen (EuGH-Urteil vom 13.12.2012
C-395/11 - BLV, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2012, 2593, Rz 26 ff.). Der Gesetzgeber des UStG durfte die Anwendung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG 2007 auch auf Bauleistungen beschränken, die an Leistungsempfänger erbracht werden, die ihrerseits Bauleistungen erbringen (EuGH-Urteil vom 13.12.2012 C-395/11 - BLV, DStR 2012, 2593, Rz 42 ff.).


Unter Zugrundelegung dieser neuesten Entscheidung des EuGH ist der Begriff der Bauleistungen weit zu verstehen und kann auch die Lieferung von Gegenständen umfassen. Sofern es sich um eine Werklieferung handelt, ist entscheidend, dass diese bauwerksbezogen erfolgt ist (BFH-Urteil vom 22.08.2013 V R 37/13, zitiert nach juris).


a) Vorliegend vertreibt die Klägerin gegenüber ihren Kunden betriebsbereite Photovoltaikanlagen. Die umfassende Leistung besteht, wie den vorgelegten Rechnungen zu entnehmen ist, aus einem Zusammenspiel der dafür notwendigen handwerklichen Elemente. Neben der reinen Anbringung auf dem Dach - wobei unerheblich ist, ob diese durch Sogwirkung oder Schrauben erfolgt - gehören dazu unter anderem auch das Verlegen von Stringleitungen vom Modul zum Wechselrichter, der Anschluss des Wechselrichters an die Zähleranlage, ggf. die Erneuerung oder der Umbau der Zähleranlage, das Anbringen eines Blitzschutzes, die Verkleidung von Kabeltrassen sowie die Herstellung und Montage der Unterkonstruktion aus Aluminiumprofilen für die Wechselrichter.


Nach Auffassung des Senats handelt es sich dabei um Bauleistungen. Als Bauleistungen sind Werklieferungen und sonstige Leistungen anzusehen, die sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, also der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (siehe unter anderem Leonard in Bunjes, UStG-Kommentar, § 13b, Rz. 24). Die Ausgestaltung des Begriffs im Einzelnen ist umstritten.


Eine Bauleistung liegt nur vor, wenn sie im Zusammenhang mit einem Bauwerk ausgeführt wird, nämlich mit Anlagen, die mit dem Erdboden fest verbunden sind; dazu genügt es, dass sie infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhen (Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzteuer, Stand April 2013, § 13b, Rz. 34). Zu den Bauwerken zählen vor allem Gebäude. Aber auch Bauten, die bewertungsrechtlich als Betriebsvorrichtungen zu beurteilen sind, können Bauwerke sein, z.B. Hochregallager (vgl. BFH-Urteil vom 01.04.1987 II R 186/80, BStBl II 87, 550).


Als Kriterium hat der Senat auch den Umsatzsteueranwendungserlass berücksichtigt. Dieser entfaltet zwar für das Gericht keine Bindungswirkung, kann jedoch neben anderen Kriterien für die Einordnung der hier streitigen Leistungen als Bauleistungen herangezogen werden. Nach Abschnitt 13b. 1 Absatz 5 des UStAE müssen sich Bauleistungen im Sinne des § 13b UStG unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, d.h. es muss eine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, Substanzbeseitigung oder Substanzerhaltung am Gebäude bewirkt werden. Betroffen sind Werklieferungen und sonstige Leistungen, die mit dem Bauwerk fest verbunden sind und ohne großen Aufwand nicht getrennt werden können (Leonard in Bunjes, UStG, § 13b Rn. 24). Photovoltaikanlagen werden im USt-Anwendungserlass nicht aufgeführt. Nach Abschnitt 13b. 1 Abs. 9 Nr. 11 UStAE fallen das Aufhängen und Anschließen von Beleuchtungen sowie das Anschließen von Elektrogeräten nicht unter den Begriff Bauleistungen, während die Installation einer Lichtwerbeanlage und die Montage und das Anschließen von Beleuchtungssystemen, z.B. in Kaufhäusern oder Fabrikhallen Bauleistungen darstellen sollen. Die Montage und das Anschließen der Photovoltaikanlagen sind damit durchaus vergleichbar.


Es bestand für den Senat keine Veranlassung aufzuklären, welche der im Einzelnen streitigen Umsätze auf Leistungen im Zusammenhang mit der Montage von Photovoltaikanlagen auf Flachdächern und welche auf Schrägdächern entfallen. Wie aus den vorgelegten Rechnungen hervorgeht, erfolgte die Montage nicht nur auf Flachdächern. Nach der Überzeugung des Senats macht es trotz unterschiedlicher Art und Weise der Anbringung keinen Unterschied, ob die Montage auf Flach- oder Schrägdächern erfolgte. Es kann nicht entscheidungserheblich sein, ob die Anlage durch Schrauben oder Schwerkraft mit dem Gebäude verbunden ist. Denn in jedem Fall bestand darüber hinaus eine Verbindung zu den notwendigen elektrischen Anlagen im Haus. In beiden Fällen waren mehrere unterschiedlich spezialisierte Handwerksbetriebe notwendig, um die Konstruktionen zu errichten und die Betriebsbereitschaft der Anlage herzustellen, z.B. Elektriker, Metallbauer, Dachdecker. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin hat es sich bei den mit ihren Kunden getroffenen Verträgen um Kaufverträge mit Montageverpflichtung gehandelt. Bei den verkauften Anlagen seien etwa 1/3 ihres Arbeitsaufwandes auf die Montage und 2/3 auf die Projektierung entfallen. Bei größeren Projekten könne sich die Montagezeit durchaus auf 1-2 Monate erstrecken. Jedenfalls sind die Anlagen mit dem ihnen als Träger dienenden Dach bzw. Haus sowie dessen Elektrik fest verbunden und können auch nicht ohne entsprechende Arbeiten wieder demontiert werden.


Weiterhin berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG beim FA beantragt und diese auch erhalten hat. Zwar kommt der Vorlage einer Freistellungsbescheinigung gemäß § 48b EStG keine tatbestandsbegründende Notwendigkeit für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 13b UStG zu (FG Hamburg, Beschluss vom 03.02.2011 6 V 251/10, zitiert nach juris). Dennoch hat es nach Auffassung des Senats im Rahmen der Gesamtwürdigung eine gewisse Aussagekraft, dass die Klägerin selbst eine Freistellungsbescheinigung beantragt hat. So überträgt auch eine verbreitete Ansicht in der Literatur Begriff der Bauleistung im Sinne des § 48 EStG in das Umsatzsteuerrecht (z.B. Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, Stand April 2013, § 13b, Rz. 33).


Das von der Klägerin zur Definition einer Bauleistung herangezogene Zivilrecht kann nur einschränkend herangezogen werden. Selbst wenn der BGH die Einordnung der Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage als Kaufvertrag (mit Montageverpflichtung) oder als Werkvertrag davon abhängig macht, bei welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt, so steht dies nicht der umsatzsteuerlichen Einordnung als Bauleistung entgegen.


Für die Anwendung des § 13b UStG ist - wie oben bereits ausgeführt - vielmehr entscheidend, der Begriff der Bauleistungen auch Werklieferungen umfasst (EuGH-Urteil vom 13.12.2012, C-395/11, a.a.O.)


b) Auch bei den Leistungen, welche die Subunternehmer, aus deren Rechnungen die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, erbracht haben, handelt es sich nach den oben unter a) aufgestellten Kriterien nach Überzeugung des Senats um Bauleistungen im Sinne von § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG. Dies geht bereits aus den vorgelegten Rechnungen hervor, wonach der Metallbaubetrieb unter anderem Montageleistungen am Dach vornahm. Der Elektriker nahm z.B. den Anschluss der Wechselrichter, die Verstringung von Leitungen, die Befestigung von Anschlussleitungen oder das Anbringen von Blitzschutz vor. Dabei handelte es sich auch bei den an die Klägerin erbrachten Leistungen um bauwerksbezogene Leistungen.


3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.


4. Da bisher, soweit ersichtlich, zu der Frage, ob die Lieferung und Montage von Photovoltaikanlagen Bauleistungen sind, keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).

stats