BFH: Steuerfreiheit einer als Sonderbetriebseinnahme erfassten Aufwandsentschädigung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG
BFH, Urteil vom 19.11.2024 – VIII R 29/23
ECLI:DE:BFH:2024:U.191124.VIIIR29.23.0
Volltext BB-Online BBL2025-661-4
Amtliche Leitsätze
1. Eine Aufwandsentschädigung, die ein Mitunternehmer als Präsident einer Berufskammer erzielt, ist durch die betriebliche Tätigkeit der Mitunternehmerschaft veranlasst. Sie gehört bei unmittelbarer Auszahlung an den Mitunternehmer zu dessen Sonderbetriebseinnahmen.
2. Aufwendungen der Mitunternehmerschaft für die betriebliche Tätigkeit sind durch die ehrenamtliche Tätigkeit des Mitunternehmers als Präsident einer Berufskammer (mit-)veranlasst. Sie sind bei der Prüfung, ob eine Aufwandsentschädigung ausschließlich Betriebsausgaben der ehrenamtlichen Tätigkeit ersetzt, zu berücksichtigen.
3. § 48 der Finanzgerichtsordnung i.d.F. des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes gilt auch für im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 01.01.2024 bereits anhängige Klageverfahren (Anschluss an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 08.08.2024 - IV R 1/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
Sachverhalt
Streitig ist, ob die bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) in den Jahren 2012 und 2013 (Streitjahre) als Sonderbetriebseinnahmen erfassten Aufwandsentschädigungen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des A (Beigeladener) als Präsident der X in voller Höhe nach § 3 Nr. 12 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind.
Die Klägerin ist eine GbR und Freiberufler-Sozietät. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit für die Streitjahre wurden gesondert und einheitlich festgestellt.
Der Beigeladene ist Mitgesellschafter der Klägerin und war in den Streitjahren ehrenamtlich als Präsident der X tätig. Die X ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der X ‑‑Satzung‑‑). Nach § 14 Abs. 1 der Satzung sind die Mitglieder des Vorstandes ehrenamtlich tätig. Nach § 14 Abs. 2 der Satzung kann dem Präsidenten durch den Vorstand eine Aufwandsentschädigung gewährt werden. Die an den Beigeladenen auf dieser Grundlage gezahlten Aufwandsentschädigungen betrugen in den Streitjahren jeweils … €.
Die Tätigkeit des Beigeladenen für die X umfasste im Streitjahr 2012 volle 24 Tage und im Streitjahr 2013 volle 21 Tage. Zudem hatte der Beigeladene fast täglich weitere Termine im Rahmen seiner Tätigkeit als Präsident (Telefonate und kurzfristig anberaumte Besprechungen). Mandantentermine für die Sozietät mussten deswegen regelmäßig verschoben werden. Für die Tätigkeit als Präsident legte er pro Jahr mindestens 7 000 km mit dem eigenen Personenkraftwagen zurück. Ihm standen gemäß § 14 Abs. 3 der Satzung antragsgebundene Aufwendungserstattungsansprüche für nachgewiesene Reisekosten, Fahrtkosten in Höhe eines üblichen Kilometergelds, für die Kosten einer Wegeunfallversicherung und für eine Assessorenvertretung in der Sozietät bei Veranstaltungen der X an Werktagen zu. Den Anspruch auf Ersatz seiner Fahrtkosten machte der Beigeladene gegenüber der X in den Streitjahren nicht geltend.
Im Innenverhältnis hatte der Beigeladene die laufenden Betriebsausgaben der Klägerin entsprechend seinem Gewinnanteil hälftig zu tragen. Es entfielen danach auf ihn für das Jahr 2012 Betriebsausgaben in Höhe von … € (bei 252 Arbeitstagen waren dies durchschnittlich circa … € pro Arbeitstag) und für das Jahr 2013 in Höhe von … € (bei 251 Arbeitstagen waren dies durchschnittlich circa … € pro Arbeitstag).
Der Beigeladene erklärte die von der X erhaltenen Aufwandsentschädigungen ursprünglich im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre und machte dort geltend, sie seien gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei. Die nach erfolglosen Einsprüchen gegen seine Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 13.09.2017 - 3 K 170/17 ab. Die Begründung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 543 veröffentlicht.
Auf die Revision des Beigeladenen hat der erkennende Senat das FG-Urteil vom 13.09.2017 - 3 K 170/17 mit Urteil vom 29.09.2020 - VIII R 5/18 (nicht veröffentlicht ‑‑n.v.‑‑) wegen eines Verstoßes gegen die Grundordnung des Verfahrens aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Einnahmen aus der Aufwandsentschädigung für 2012 seien nicht als einzelunternehmerische Einkünfte des Beigeladenen aus selbständiger Arbeit, sondern als Sonderbetriebseinnahmen auf Ebene der Sozietät zu behandeln. Im Rahmen der Feststellung dieser Einkünfte sei auch über die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu entscheiden. Das FG müsse daher das Klageverfahren bis zum Abschluss des vorgreiflichen Feststellungsverfahrens gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aussetzen. Für das Streitjahr 2013 wurde das FG-Urteil aus anderen verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das FG die Klage des Beigeladenen gegen die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre erneut abgewiesen. Hiergegen hat der Beigeladene Revision erhoben, die unter dem Aktenzeichen VIII R 19/21 beim Senat anhängig ist. Das Revisionsverfahren VIII R 19/21 ist durch Senatsbeschluss vom 21.12.2023 bis zur Rechtskraft der Entscheidung im vorliegenden Verfahren gemäß § 74 FGO ausgesetzt worden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ im Anschluss an das Senatsurteil vom 29.09.2020 - VIII R 5/18 am 18.03.2022 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre. Die Aufwandsentschädigungen für die Tätigkeit als Präsident wurden abzüglich eines steuerfreien Betrags von 2.100 € (2012) und 2.400 € (2013) als Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen erfasst. Die vom FA als steuerfrei anerkannten Teilbeträge der Aufwandsentschädigung in den Streitjahren (2.100 € für 2012 und 2.400 € für 2013) entsprachen den in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) zu § 3 Nr. 12 (R 3.12 Abs. 3 Satz 3 LStR) festgelegten Pauschalbeträgen für übliche Aufwendungen von mit dem Beigeladenen vergleichbaren Personen und überstiegen aus Sicht des FA auch nicht die vom Beigeladenen selbst getragenen Fahrtkosten.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, die das FG abgewiesen hat. Das FA habe zu Recht die in den jeweiligen Lohnsteuer-Richtlinien vorgesehenen Pauschalbeträge von monatlich 175 € für 2012 und 200 € für 2013 zur Bemessung des typischerweise entstehenden und steuerfrei ersetzbaren Aufwands von Personen in gleicher dienstlicher Stellung herangezogen. Die selbst getragenen Fahrtkosten des Beigeladenen seien steuerfrei ersetzt worden. Für den die Pauschalbeträge übersteigenden Teil der Aufwandsentschädigung fehle es an einem berücksichtigungsfähigen und steuerfrei ersetzbaren Aufwand. Die anteilig vom Beigeladenen getragenen Kosten für die Aufrechterhaltung des Sozietätsbetriebs seien "Sowieso-Kosten", die nicht wie erforderlich unmittelbar durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlasst seien. Die gewährten Aufwandsentschädigungen seien insoweit mit Verdienstausfallentschädigungen vergleichbar, die gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Halbsatz 2 EStG nicht steuerfrei seien. Das Urteil des FG ist nicht veröffentlicht worden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Bundesrechts in Gestalt von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Thüringer FG vom 13.09.2023 - 4 K 401/22 und die Einspruchsentscheidung vom 14.07.2022 aufzuheben sowie die Bescheide vom 18.03.2022 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 und 2013 dahingehend zu ändern, dass die Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen für seine Tätigkeit als Präsident der X in voller Höhe als steuerfreie Einnahmen behandelt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der vom Senat gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO im Revisionsverfahren Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Aus den Gründen
14 II. Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision ist nicht wegen einer fehlenden Klagebefugnis der Klägerin unbegründet (dazu II.1.). Das FG hat zu Unrecht die als Sonderbetriebseinnahmen erfassten Aufwandsentschädigungen des Beigeladenen nicht in voller Höhe gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als steuerfrei behandelt (dazu II.2.). Die Sache ist auch spruchreif (dazu II.3.).
15 1. Ob in den Fällen der Anfechtung eines gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheids eine Klagebefugnis gemäß § 48 FGO eines Beteiligten besteht, betrifft die Prozessführungsbefugnis als Sachentscheidungsvoraussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens, deren Fehlen vom Revisionsgericht auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 22.11.1988 - VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter II.1.). Ein solcher Verfahrensmangel liegt indes nicht vor. Die Klagebefugnis der Klägerin ist nicht aufgrund der Rechtsänderungen zum 01.01.2024 durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 411) eingeschränkt worden oder entfallen.
16 a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen gemäß § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, soweit sie auf die ehrenamtliche Tätigkeit entfallen (zur selbständigen Anfechtbarkeit der Feststellung der Sonderbetriebseinnahmen vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29.01.2020 - VIII R 11/17, BFHE 268, 186, BStBl II 2020, 445, Rz 13; vom 16.03.2017 - IV R 31/14, BFHE 257, 292, BStBl II 2019, 24, Rz 18, m.w.N.; vom 29.09.2020 - VIII R 5/18, n.v., unter II.1.c).
17 b) Umfasst von der angefochtenen Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen ist auch die materiell-rechtliche Vorfrage, ob die Sonderbetriebseinnahmen gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei sind. Der eigenständigen Feststellung eines gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Betrags neben der Feststellung der Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen (sogenannte "Bruttofeststellung") bedarf es jedoch nicht. Sonderbetriebseinnahmen sind gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) grundsätzlich "netto", also nach Anwendung der Steuerbefreiung, festzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142, Rz 21; vom 16.11.2023 - IV R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II 2024, 367, Rz 29). Ein Bedürfnis dafür, statt des unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung verbleibenden Betrags der Sonderbetriebseinnahmen im Wege einer Bruttofeststellung der Besteuerungsgrundlagen ‑‑wie in bestimmten Fällen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes, s. BFH-Urteile vom 06.02.2020 - IV R 5/18, BFHE 268, 199, BStBl II 2020, 448, Rz 30; vom 25.07.2019 - IV R 47/16, BFHE 265, 273, BStBl II 2020, 142, Rz 23 f.)‑‑ den Betrag der Sonderbetriebseinnahmen und daneben den gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Teilbetrag eigenständig festzustellen, ist nicht ersichtlich.
18 c) Die Klägerin ist als gesetzliche Prozessstandschafterin der Feststellungsbeteiligten hinsichtlich der Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen auch nach dem 31.12.2023 klagebefugt.
19 aa) Bis zum 31.12.2023 richtete sich die Klagebefugnis der Klägerin als gesetzliche Prozessstandschafterin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO und die des Beigeladenen nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2023 - IV R 26/20, BFHE 282, 460, BStBl II 2024, 367, Rz 30).
20 bb) Mit Inkrafttreten des § 48 FGO i.d.F. des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 411) ‑‑FGO n.F.‑‑ richtet sich die Klagebefugnis der Klägerin nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO n.F. Diese Regelung ist am 01.01.2024 in Kraft getreten und gilt auch für im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits anhängige Klageverfahren (vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2024 - IV R 1/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 25, m.w.N. zum Streitstand). Dem schließt sich der erkennende Senat an (noch offen gelassen im BFH-Urteil vom 16.04.2024 - VIII R 3/21, BStBl II 2024, 902, Rz 37 f.).
21 cc) Auch nach der geänderten Fassung des § 48 FGO ist die Klägerin klagebefugt. Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a FGO n.F. kann eine rechtsfähige Personenvereinigung ‑‑wie im Streitfall die Klägerin in der Rechtsform einer GbR (vgl. § 14a Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 AO)‑‑ gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung ihrer Besteuerungsgrundlagen und sämtliche darin enthaltenen verfahrensrechtlich eigenständigen Feststellungen als gesetzliche Prozessstandschafterin Klage erheben. Auch der Beigeladene ist gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO n.F. hinsichtlich der angefochtenen Feststellung zur Höhe seiner Sonderbetriebseinnahmen weiterhin klagebefugt, da mit dieser Regelung die frühere Fassung der Vorschrift inhaltsgleich fortgeführt wird (vgl. bereits BFH-Urteil vom 16.04.2024 - VIII R 3/21, BStBl II 2024, 902, Rz 37 bis 39 zu § 48 Abs. 1 Nr. 4 FGO a.F./n.F.).
22 2. Entgegen der Vorentscheidung sind die von der X erhaltenen Aufwandsentschädigungen in voller Höhe steuerfreie Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen. Das FG-Urteil ist daher aufzuheben.
23 Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge steuerfrei, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Die Voraussetzungen der Regelung sind entgegen der Auffassung des FG erfüllt.
24 a) Das FG und die Beteiligten sind zu Recht davon ausgegangen, dass die X eine öffentliche Kasse im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ist, da es sich um die Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Satzung) handelt (vgl. BFH-Urteil vom 28.03.2018 - I R 42/16, BFHE 261, 393, BStBl II 2019, 671, Rz 11, m.w.N.). Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
25 b) Die Aufwandsentschädigungen wurden an den Beigeladenen auch als eine öffentliche Dienste leistende Person gezahlt. Zu den öffentlichen Diensten im Sinne der Vorschrift gehört neben der Ausübung einer eigentlichen hoheitlichen Tätigkeit auch eine Tätigkeit im Gesamtbereich der hoheitlichen Verwaltung einschließlich der schlichten Hoheitsverwaltung (vgl. BFH-Urteil vom 27.08.2013 - VIII R 34/11, BFHE 242, 393, BStBl II 2014, 248, Rz 24, m.w.N.). Hierzu zählt auch die Tätigkeit als Präsident der X (zur Aufwandsentschädigung eines Handwerkskammerpräsidenten s. BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29). Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
26 c) Entgegen der Auffassung des FG übersteigen die Aufwandsentschädigungen in Höhe von jeweils … € den steuerfrei ersetzbaren Aufwand im Sinne von § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht und sind in voller Höhe steuerfrei. Es handelt sich auch nicht um Entschädigungen für Verdienstausfall oder für Zeitverlust.
27 aa) Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt werden, steuerfrei, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Der BFH hat die Vorschrift verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2006 - VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308, unter II.2., m.w.N.). Hieran ist festzuhalten.
28 bb) Da die Steuerfreiheit nur dann nicht gewährt wird, wenn der tatsächliche Aufwand "offenbar" geringer ist als die Entschädigung, ist eine genaue Berechnung im Einzelfall grundsätzlich entbehrlich. Bei der Nachprüfung ist nicht kleinlich zu verfahren; dem Empfänger soll ein ins Einzelne gehender Nachweis grundsätzlich nicht zugemutet werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.2007 - VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767, unter II.2.b cc, m.w.N.). Die Prüfung erstreckt sich nicht darauf, welche Aufwendungen dem einzelnen Steuerpflichtigen erwachsen sind, sondern darauf, ob Personen in gleicher dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen etwa in Höhe der Aufwandsentschädigung erwachsen. Die obersten Finanzbehörden der Länder können zur Arbeitsvereinfachung und Gleichbehandlung der Betroffenen in geeigneter Form und im Zusammenwirken mit den obersten Aufsichtsbehörden der in Betracht kommenden öffentlichen Kassen allgemein Sätze festlegen, die bei den einzelnen Gruppen als echte Aufwandsentschädigungen anzuerkennen sind. Soweit die obersten Finanzbehörden keine solchen fallgruppenbezogenen Einzelanweisungen erteilt haben, sind die nachgeordneten Finanzbehörden gehalten, nach den jeweils gültigen Lohnsteuer-Richtlinien R 3.12 LStR zu verfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 13.10.2006 - XI B 129/05, BFH/NV 2007, 43, unter 1., m.w.N.). Auf dieser Grundlage haben das FA und das FG Teilbeträge der Aufwandsentschädigungen als steuerfrei angesehen, die sich aus den Beträgen nach den Lohnsteuer-Richtlinien ergeben, weil es sich insoweit um den Ersatz der selbst getragenen Fahrtkosten des Beigeladenen gehandelt hat. Dies ist nicht zu beanstanden.
29 cc) Oberhalb der von den Verwaltungsbehörden und in den Lohnsteuer-Richtlinien festgelegten Beträge kann der Steuerpflichtige darlegen und nachweisen, dass die ihm gewährte Aufwandsentschädigung in nicht ausreichendem Umfang als steuerfreie Aufwandsentschädigung anerkannt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 09.07.1992 - IV R 7/91, BFHE 169, 144, BStBl II 1993, 50, unter 4., m.w.N.; BFH-Beschluss vom 13.10.2006 - XI B 129/05, BFH/NV 2007, 43, unter 1., m.w.N.). Eine betragsmäßige Obergrenze enthält § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht. Dies hat das FG zwar berücksichtigt. Es hat jedoch die laufenden Gesamthandsaufwendungen zum Unterhalt der Sozietät nicht als steuerfrei ersetzbare Betriebsausgaben angesehen, weil es sich um keine unmittelbar durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlassten Aufwendungen und damit um "Sowieso-Kosten" gehandelt habe. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
30 aaa) Das FG hat verkannt, dass auch die Betriebsausgaben im Gesamthandsvermögen der Klägerin durch die ehrenamtliche Tätigkeit in hinreichender Weise veranlasst sind und daher Gegenstand einer nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreien Aufwandsentschädigung sein können.
31 Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29.09.2020 - VIII R 5/18 (n.v.) dargelegt, dass die Aufwandsentschädigung, die ein Mitunternehmer als Präsident einer Berufskammer erzielt, durch dessen mitunternehmerische Tätigkeit veranlasst ist und bei unmittelbarer Auszahlung an den Mitunternehmer zu dessen Sonderbetriebseinnahmen gehört (BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29, unter II.1. und II.2.; zur betrieblichen Veranlassung von Aufwandsentschädigungen, die ein gewerblicher Einzelunternehmer für die ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident einer Berufskammer erhält, auch das BFH-Urteil vom 26.02.1988 - III R 241/84, BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615). Die Zuordnung der Aufwandsentschädigung zu den Sonderbetriebseinnahmen beruht auf der typisierenden Annahme, dass der ehrenamtlich Tätige seine Arbeitskraft und Arbeitszeit ansonsten der mitunternehmerischen Tätigkeit widmen würde und die Aufwandsentschädigung diejenigen Nachteile und Einnahmenausfälle der Mitunternehmerschaft ausgleichen soll, die aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Mitunternehmers erwachsen (BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29, unter II.2.b). Steht die Aufwandsentschädigung danach wirtschaftlich betrachtet der Mitunternehmerschaft zu, wären bei Zahlung der Entschädigung an diese und deren Weiterleitung an den Mitunternehmer für die Ausübung der Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bei der Mitunternehmerschaft eine Einnahme und eine Betriebsausgabe sowie beim Mitunternehmer eine Sondervergütung zu erfassen. Bei unmittelbarer (abgekürzter) Zahlung des Dritten an den ehrenamtlich tätigen Mitunternehmer ‑‑ohne Durchleitung durch die Mitunternehmerschaft‑‑ ist nur eine Sonderbetriebseinnahme des ehrenamtlich tätigen Mitunternehmers zu erfassen. Diese tritt an die Stelle der von der Gesellschaft gewährten Sondervergütung (BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29, unter II.2.a; Gschwendtner, Deutsches Steuerrecht 2005, 771, 773).
32 Auch die laufenden Aufwendungen des Gesamthandsvermögens zum Unterhalt einer Freiberuflerpraxis sind damit hinreichend durch die ehrenamtliche Tätigkeit veranlasst (s.a. BFH-Urteil vom 26.02.1988 - III R 241/84, BFHE 153, 33, BStBl II 1988, 615, unter 2.; zitiert im BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 72/03, BFH/NV 2005, 29, unter II.2.b). Die Mitveranlassung dieser Aufwendungen durch die Ausübung des Ehrenamts ist die Kehrseite des Umstands, dass die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit der Mitunternehmerschaft sind und je nach Auszahlungsform zu Betriebseinnahmen der Gesamthand oder zu Sonderbetriebseinnahmen eines Mitunternehmers führen. Das Ehrenamt ist Ausfluss der Ausübung des freien Berufs. Es wird zwar nicht deshalb übernommen, um die Einnahmen aus dem freien Beruf zu steigern. Es genügt aber insofern eine Mitveranlassung durch die Ausübung des freien Berufs. Wenn aber die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit durch die Ausübung des freien Berufs veranlasst sind, kann nicht auf Ebene der Aufwendungen zwischen Aufwendungen für die generelle Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit und solchen für die Ausübung des Ehrenamts unterschieden werden.
33 Hinzu tritt, dass § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG grundsätzlich der Vereinfachung dient (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1972 - VI R 309/68, BFHE 108, 171, BStBl II 1973, 401). Eine Abgrenzung von Aufwendungen auf Ebene der Gesamthand nach verschiedenen Veranlassungsgraden würde auch im Rahmen des Nachweises höherer als der üblichen Aufwendungen von ehrenamtlich Tätigen mit vergleichbarer Stellung diesem Grundgedanken der Regelung widerstreiten.
34 Selbst wenn man im Fall der Erfassung der Aufwandsentschädigung als Sonderbetriebseinnahme allein auf die vom Beigeladenen unmittelbar getragenen Aufwendungen und für die auf Ebene der Klägerin getragenen Aufwendungen nur auf die vom Beigeladenen anteilig getragenen Aufwendungen abstellen würde, ergäbe sich keine andere Beurteilung. Es würden durch die gewährten Aufwandsentschädigungen ausschließlich dem Beigeladenen erwachsene Aufwendungen ersetzt. Ihm sind neben den selbst getragenen Fahrtkosten anteilig getragene höhere Gesamthandsaufwendungen (für 2012: 24 Tage x … € und für 2013: 21 Tage x … €) entstanden.
35 bbb) Die Entschädigungen wurden nach den bindenden Feststellungen des FG nach § 14 Abs. 1 der Satzung auch "als Aufwandsentschädigungen" gezahlt.
36 Es ist für die Abgrenzung von steuerfreien Aufwandsentschädigungen einerseits und steuerpflichtigen Verdienstausfallentschädigungen sowie Entschädigungen für Zeitverlust andererseits die Rechtsgrundlage maßgeblich, auf der die Gewährung der Entschädigung beruht (vgl. BFH-Urteile vom 31.01.2017 - IX R 10/16, BFHE 256, 250, BStBl II 2018, 571, Rz 18, 21; vom 03.07.2018 - VIII R 28/15, BFHE 261, 537, BStBl II 2018, 715, Rz 25). § 14 Abs. 1 Satz 1 der Satzung gewährte nach seinem Wortlaut Aufwandsentschädigungen und knüpfte auch hinsichtlich der Berechnung der Entschädigung nicht an einen dem Beigeladenen oder der Gesellschaft entgangenen Gewinn wie bei einer Verdienstausfallentschädigung an. Durch § 14 Abs. 1 der Satzung sollten neben den antragsgebunden zu ersetzenden Aufwendungen (§ 14 Abs. 3 der Satzung) weitere nicht näher konkretisierte Aufwendungen für die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit als Präsident ersetzt werden.
37 3. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die als Sonderbetriebseinnahmen erfassten Einkünfte aus der ehrenamtlichen Tätigkeit des Beigeladenen als Präsident der X sind nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG in voller Höhe steuerfrei. Insoweit sind diese in Höhe von 0 € festzustellen.
38 4. Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Feststellung zur Höhe der Sonderbetriebseinnahmen des Beigeladenen, soweit sie auf die ehrenamtliche Tätigkeit entfallen. Mangels Mitanfechtung der Feststellung zur Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns hat der Senat nicht zu entscheiden, ob die Gesamthandsaufwendungen der Klägerin gemäß § 3c Abs. 1 EStG nur oberhalb des Betrags der Aufwandsentschädigung abzugsfähig und daher die festgestellten Gesamthandsgewinne für die Streitjahre durch eine Hinzurechnung zu erhöhen sind, soweit sie nicht auf die steuerfrei ersetzten Fahrtkosten des Beigeladenen entfallen (zur Bedeutung der Zweckbestimmung und Rechtsgrundlage der Entschädigung im Rahmen des § 3c Abs. 1 EStG vgl. BFH-Urteile vom 19.10.2016 - VI R 23/15, BFHE 255, 524, BStBl II 2017, 345, Rz 12 bis 15; vom 29.09.2022 - VI R 34/20, BFHE 278, 319, BStBl II 2023, 142, Rz 28; vom 09.06.1989 - VI R 33/86, BFHE 157, 526, BStBl II 1990, 119, unter II.2.b).
39 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beigeladenen waren nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO), denn dieser hat weder Sachanträge gestellt noch anderweitig das Verfahren wesentlich gefördert.