EuGH: Steuerfreiheit der Portfolioverwaltung
Der EuGH hat durch Urteil vom10.2.2011 – C-436/ 08undC-437/08 – entschieden:
1. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen Portfoliodividenden aus Beteiligungen an gebietsansässigen Gesellschaften von der Körperschaftsteuer befreit sind und nach denen eine solche Befreiung bei Portfoliodividenden von Gesellschaften mit Sitz in Drittstaaten, die Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 sind, vom Bestehen eines Abkommens über umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe zwischen dem Mitgliedstaat und dem betreffenden Drittstaat abhängt, da für das Erreichen der Ziele der fraglichen Rechtsvorschriften nur das Bestehen eines Amtshilfeabkommens erforderlich ist.
2. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach denen Portfoliodividenden, die eine gebietsansässige Gesellschaft von einer anderen gebietsansässigen Gesellschaft bezieht, von der Körperschaftsteuer befreit sind, während Portfoliodividenden, die eine gebietsansässige Gesellschaft von einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 ist, bezieht, dieser Steuer unterliegen, vorausgesetzt, dass die im Sitzstaat der letztgenannten Gesellschaft entrichtete Steuer auf die im Mitgliedstaat der Empfängergesellschaft geschuldete Steuer angerechnet wird und dass der Verwaltungsaufwand, der der Empfängergesellschaft für die Inanspruchnahme einer solchen Anrechnung abverlangt wird, nicht übermäßig ist. Angaben, die die nationale Finanzverwaltung von der Empfängergesellschaft zu der Steuer verlangt, die auf die Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft in deren Sitzstaat tatsächlich erhoben wurde, sind der Funktionsweise der Anrechnungsmethode inhärent und können nicht als übermäßiger Verwaltungsaufwand angesehen werden.
3. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der Portfoliodividenden, die eine gebietsansässige Gesellschaft von einer anderen gebietsansässigen Gesellschaft bezieht, zur Verhinderung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von der Körperschaftsteuer befreit sind und die für Dividenden, die von einer Gesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat, der nicht Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 ist, ausgeschüttet werden, weder eine Steuerbefreiung der Dividenden noch ein System zur Anrechnung der von der ausschüttenden Gesellschaft in deren Sitzstaat entrichteten Steuer vorsieht.
4. Art. 63 AEUV steht der Praxis einer nationalen Steuerbehörde, die auf Dividenden aus bestimmten Drittstaaten die Anrechnungsmethode anwendet, wenn die Beteiligung der Empfängergesellschaft am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft einen bestimmten Schwellenwert nicht erreicht, und bei Überschreiten dieses Werts die Befreiungsmethode, während sie auf Dividenden inländischen Ursprungs systematisch die Befreiungsmethode anwendet, nicht entgegen, vorausgesetzt, dass die betreffenden, zur Verhinderung oder Abmilderung einer mehrfachen Besteuerung ausgeschütteter Gewinne dienenden Mechanismen zu gleichwertigen Ergebnissen führen. Der Umstand, dass die nationale Finanzverwaltung von der Empfängergesellschaft Auskünfte zu der Steuer verlangt, die tatsächlich auf die Gewinne der ausschüttenden Gesellschaft in dem Drittstaat erhoben wurde, in dem diese ansässig ist, ist der Funktionsweise der Anrechnungsmethode inhärent und beeinträchtigt als solche nicht die Gleichwertigkeit der Befreiungsund der Anrechnungsmethode.
5. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der gebietsansässige Gesellschaften die Möglichkeit haben, in einem Veranlagungsjahr erlittene Verluste in die folgenden Veranlagungsjahre vorzutragen, und nach der die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden dadurch verhindert wird, dass auf Dividenden aus inländischen Quellen die Befreiungsmethode angewandt wird, während auf Dividenden, die von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ausgeschüttet werden, die Anrechnungsmethode zur Anwendung gelangt, sofern eine solche Regelung es im Fall der Anwendung der Anrechnungsmethode nicht zulässt, dass die Anrechnung der Körperschaftsteuer, die im Ansässigkeitsstaat der die Dividenden ausschüttenden Gesellschaft entrichtet wurde, auf die folgenden Veranlagungsjahre vorgetragen wird, wenn die Empfängergesellschaft in dem Veranlagungsjahr, in dem sie die Dividenden aus einer ausländischen Quelle bezogen hat, einen Verlust ausgewiesen hat, und dass er einen Mitgliedstaat nicht verpflichtet, in seinem Steuerrecht die Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat auf die Dividenden erhobenen Quellensteuer vorzusehen, um zu verhindern, dass bei den Dividenden, die eine im erstgenannten Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft bezieht, eine rechtliche Doppelbesteuerung eintritt, die daraus resultiert, dass die betreffenden Staaten ihre jeweilige Besteuerungsbefugnis parallel ausüben.
Die Vorabentscheidungsersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Haribo Lakritzen Hans Riegel BetriebsgmbH, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung österreichischen Recht bzw. der Österreichische Salinen AG, einer Aktiengesellschaft österreichischen Rechts), und dem Finanzamt Linz über die Besteuerung von Dividenden, die von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten bezogen wurden, in Österreich.
Volltextdes Urteils: // siehe Zusatzmaterialien rechts
S. auch Vorlagebeschluss des BFH vom 28.10.2010 – V R 9/10, BB 2011, 341, Volltext unter //BB-ONLINE BBL 2011-341-1 (BB Heft 6/ 2011).