EuG: Staatliche Beihilfen – Selektivität – Spanische Steuerregelung über die Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen
EuG, Urteil vom 7.11.2014 – T-399/11, Banco Santander SA und Santusa Holding SL gegen Europäische Kommission
Tenor
1. Art. 1 Abs. 1 und Art. 4 des Beschlusses 2011/282/EU der Kommission vom 12. Januar 2011 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien werden für nichtig erklärt.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
Aus den Gründen
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Verwaltungsverfahren
1 In den Jahren 2005 und 2006 richteten Mitglieder des Europäischen Parlaments an die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mehrere schriftliche Anfragen (E-4431/05, E-4772/05, E-5800/06 und P-5509/06), ob die Regelung des Art. 12 Abs. 5 des spanischen Körperschaftsteuergesetzes, der durch die Ley 24/2001 de Medidas Fiscales, Administrativas y del Orden Social (Gesetz Nr. 24/2001 über Steuer-, Verwaltungs- und soziale Maßnahmen) vom 27. Dezember 2001 (BOE Nr. 313 vom 31. Dezember 2001, S. 50493) in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt und in das Real Decreto Legislativo 4/2004, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Impuesto sobre Sociedades (Königliches gesetzesvertretendes Dekret Nr. 4/2004 zum Erlass der Neufassung des Körperschaftsteuergesetzes) vom 5. März 2004 (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951) übernommen wurde (im Folgenden: streitige Regelung oder streitige Maßnahme), als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei. Die Kommission antwortete im Wesentlichen, dass die streitige Regelung nach den ihr vorliegenden Informationen keine staatliche Beihilfe sei.
2 Mit Schreiben vom 15. Januar und 26. März 2007 ersuchte die Kommission die spanischen Behörden um Übermittlung von Informationen, um den Geltungsbereich und die Auswirkungen der streitigen Regelung prüfen zu können. Mit Schreiben vom 16. Februar und 4. Juni 2007 übermittelte das Königreich Spanien der Kommission die angeforderten Informationen.
3 Mit Telefax vom 28. August 2007 ging bei der Kommission die Beschwerde eines privaten Marktteilnehmers ein, der die streitige Regelung als eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe qualifizierte.
4 Mit Entscheidung vom 10. Oktober 2007 eröffnete die Kommission hinsichtlich der streitigen Regelung ein förmliches Prüfverfahren.
5 Mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 ging die Stellungnahme des Königreichs Spanien zu dieser Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens bei der Kommission ein. Zwischen dem 18. Januar und dem 16. Juni 2008 erhielt die Kommission Stellungnahmen von 32 Beteiligten. Mit Schreiben vom 30. Juni 2008 und vom 22. April 2009 übermittelte das Königreich Spanien seine Anmerkungen zu den Stellungnahmen der Beteiligten.
6 Am 18. Februar 2008 sowie am 12. Mai und am 8. Juni 2009 fanden Fachsitzungen mit den spanischen Behörden statt. Weitere Fachsitzungen wurden mit einigen der 32 Beteiligten abgehalten.
7 Mit Schreiben vom 14. Juli 2008 und E-Mail vom 16. Juni 2009 erteilte das Königreich Spanien der Kommission ergänzende Auskünfte.
8 Die Kommission schloss das Verfahren hinsichtlich der innerhalb der Europäischen Union erworbenen Beteiligungen mit ihrer Entscheidung 2011/5/EG vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48) ab.
9 Die Kommission erklärte die streitige Regelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, da mit ihr ein steuerlicher Vorteil in der Form gewährt werde, dass die spanischen Gesellschaften den Geschäfts- oder Firmenwert abschreiben könnten, der sich aus dem Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen ergebe, wenn diese Regelung auf den Erwerb von Beteiligungen an in der Union ansässigen Gesellschaften angewandt werde.
10 Die Kommission hielt das Verfahren hinsichtlich der außerhalb der Union erworbenen Beteiligungen offen, da sich die spanischen Behörden verpflichtet hatten, weitere Auskünfte über die Hindernisse, die grenzüberschreitenden Verschmelzungen außerhalb der Union entgegenstehen, zu übermitteln.
11 Das Königreich Spanien übermittelte der Kommission am 12., 16. und 20. November 2009 sowie am 3. Januar 2010 Informationen zu den Direktinvestitionen spanischer Unternehmen außerhalb der Union. Bei der Kommission gingen auch Stellungnahmen von mehreren Beteiligten ein.
12 Am 27. November 2009 sowie am 16. und 29. Juni 2010 fanden Fachsitzungen zwischen der Kommission und den spanischen Behörden statt.
Angefochtener Beschluss
13 Am 12. Januar 2011 erließ die Kommission den Beschluss 2011/282/EU über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. L 135, S. 1) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). Der Beschluss, in seiner im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Fassung, wurde am 3. März 2011 berichtigt. Eine weitere Berichtigung wurde am 26. November 2011 im Amtsblatt veröffentlicht.
14 Die streitige Maßnahme sieht vor, dass ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen, das an einem „ausländischen Unternehmen“ eine Beteiligung erwirbt, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus dem Erwerb dieser Beteiligung ergibt und als separater immaterieller Vermögenswert verbucht wird, als Abschreibung von der Steuerbemessungsgrundlage für die von dem Unternehmen geschuldete Körperschaftsteuer abziehen kann, wenn diese Beteiligung mindestens 5 % beträgt und mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten wird. In der streitigen Maßnahme wird näher ausgeführt, dass ein Unternehmen, damit es als „ausländisches Unternehmen“ eingestuft werden kann, einer Steuer unterliegen muss, die mit der in Spanien geltenden Steuer vergleichbar ist, und dass seine Einnahmen hauptsächlich aus im Ausland durchgeführten unternehmerischen Tätigkeiten stammen müssen (Erwägungsgrund 30 des angefochtenen Beschlusses).
15 Aus dem angefochtenen Beschluss folgt, dass nach spanischem Recht eine Unternehmensverschmelzung ein Vorgang ist, bei dem ein oder mehrere Unternehmen zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr Gesellschaftsvermögen auf ein anderes, bereits bestehendes Unternehmen oder auf ein von ihnen neu gegründetes Unternehmen übertragen, wobei die Gesellschafter des übertragenden Unternehmens/der übertragenden Unternehmen im Gegenzug Anteile am Gesellschaftskapital des anderen Unternehmens erhalten (Erwägungsgrund 32 des angefochtenen Beschlusses).
16 Der Erwerb einer Beteiligung wird in dem angefochtenen Beschluss als Vorgang definiert, bei dem ein Unternehmen Anteile am Kapital eines anderen Unternehmens erwirbt, ohne dabei die Mehrheit oder die Kontrolle der Stimmrechte des Zielunternehmens zu erreichen (Erwägungsgrund 32 des angefochtenen Beschlusses).
17 Im Übrigen wird in dem angefochtenen Beschluss angegeben, dass sich nach der streitigen Maßnahme der finanzielle Geschäfts- oder Firmenwert durch Abzug des Marktwerts der materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Zielunternehmens von dem für die Beteiligung entrichteten Kaufpreis berechnet. Ferner wird ausgeführt, dass mit dem in der streitigen Maßnahme behandelten Begriff des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts ein Terminus, der im Allgemeinen bei der Übertragung von Unternehmensteilen oder bei Unternehmensverschmelzungen verwendet wird, in den Bereich des Beteiligungserwerbs eingeführt wird (Erwägungsgrund 29 des angefochtenen Beschlusses).
18 Schließlich ist festzustellen, dass nach den spanischen Steuervorschriften ein in Spanien steuerpflichtiges Unternehmen, das eine Beteiligung an einem in Spanien ansässigen Unternehmen erwirbt, den Geschäfts- oder Firmenwert, der sich aus diesem Erwerb ergibt, nicht zu Steuerzwecken separat verbuchen kann. Nach demselben Recht kann dagegen bei einer Unternehmensverschmelzung der Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben werden (Erwägungsgrund 28 des angefochtenen Beschlusses).
19 Der angefochtene Beschluss erklärt die streitige Regelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar, sofern sie auf die Durchführung von Erwerben außerhalb der Union ansässiger Unternehmen anwendbar ist (Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses). Art. 4 des Beschlusses sieht insbesondere vor, dass das Königreich Spanien die gewährten Beihilfen zurückfordert.
Verfahren und Anträge der Parteien
20 Mit Klageschrift, die am 29. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen, Banco Santander, SA und Santusa Holding, SL, die vorliegende Klage erhoben.
21 Die Klägerinnen beantragen,
– Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass die streitige Regelung Merkmale einer staatlichen Beihilfe aufweist;
– hilfsweise, Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass die streitige Regelung, wenn sie auf Beteiligungserwerbe angewandt wird, die zu einer Übernahme der Kontrolle führen, Merkmale einer staatlichen Beihilfe aufweist;
– hilfsweise, Art. 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit darin die Rückforderung von Beihilfen für Transaktionen vorgesehen ist, die vor der Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses im Amtsblatt gewährt wurden;
– hilfsweise, Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses und, weiter hilfsweise, dessen Art. 4 für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf Transaktionen in den Vereinigten Staaten, Mexiko und Brasilien beziehen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
22 Die Kommission beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses
23 Im Rahmen der Anträge auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses wenden sich die Klägerinnen gegen die von der Kommission in dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Einstufung der streitigen Regelung als staatliche Beihilfe. Zur Stützung dieser Anträge führen sie im Wesentlichen fünf Klagegründe an. Erstens habe die Kommission bei der Anwendung des Kriteriums der Selektivität einen Rechtsfehler begangen. Zweitens sei die Feststellung des Bezugssystems fehlerhaft. Drittens sei die Maßnahme nicht selektiv, da sich die mit ihr eingeführte Differenzierung aus der Art oder dem inneren Aufbau des Systems ergebe, das die Maßnahme umfasse. Viertens verschaffe die Maßnahme den Unternehmen, auf die die streitige Regelung angewandt werde, keinen Vorteil. Fünftens sei der angefochtene Beschluss sowohl hinsichtlich des Kriteriums der Selektivität als auch des Vorliegens eines Vorteils unzureichend begründet.
24 Zunächst ist auf den ersten Klagegrund einzugehen.
25 Die Klägerinnen machen geltend, dass die streitige Regelung nicht im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV selektiv sei und es sich in Wirklichkeit um eine allgemeine Maßnahme handle, die auf jedes in Spanien steuerpflichtige Unternehmen Anwendung finden könne. Die Kommission habe daher Art. 107 Abs. 1 AEUV fehlerhaft angewandt, als sie die streitige Maßnahme als selektive Maßnahme eingestuft habe.
26 Die Klägerinnen fügen hinzu, dass die Kommission das Vorliegen einer Gruppe von Unternehmen, denen die streitige Maßnahme vorbehalten gewesen sei, hätte nachweisen müssen, was sie nicht getan habe.
27 Die Kommission trägt vor, die in dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Untersuchung des selektiven Charakters entspreche der Rechtsprechung, da zunächst der einschlägige Bezugsrahmen festgelegt und dann das Vorliegen einer durch die streitige Maßnahme geschaffenen Ausnahme festgestellt werde.
28 Die Kommission stützt sich auch auf das Bestehen einer Analogie zwischen einem Vorteil, der bei der Ausfuhr von Kapital gewährt werde, wie dies bei der streitigen Maßnahme der Fall sei, und einem Vorteil, der bei der Ausfuhr von Gütern gewährt werde, in Bezug auf den bereits entschieden worden sei, dass ein solcher Vorteil eine selektive Maßnahme darstelle.
29 Vor einer Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Klagegrundes im Hinblick auf die Umstände des konkreten Falls ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Selektivität eines der kumulativen Kriterien für die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe ist; sodann ist darzulegen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Kommission zu Recht auf die Selektivität einer Maßnahme schließen darf.
Kriterien für die Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe
30 Art. 107 Abs. 1 AEUV lautet:
„Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
31 Nach der Rechtsprechung verlangt die Einstufung als staatliche Beihilfe, dass alle in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, Slg. 2003, I‑7747, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
32 Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV hängt die Einstufung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe von folgenden Bedingungen ab: Finanzierung dieser Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, Vorliegen eines Vorteils für ein Unternehmen, Selektivität dieser Maßnahme und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten sowie daraus resultierende Verfälschung des Wettbewerbs (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juni 2006, Air Liquide Industries Belgium, C‑393/04 und C‑41/05, Slg. 2006, I‑5293, Rn. 28).
Methode zur Prüfung der Selektivität in Steuersachen
33 Nach ständiger Rechtsprechung muss gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV festgestellt werden, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, Slg. 2006, I‑7115, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, Slg. 2011, I‑11113, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2013, Salzgitter/Kommission, T‑308/00 RENV, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 116).
34 Der Bestimmung der maßgebenden rechtlichen Regelung, des „Bezugsrahmens“, kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen eine besondere Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur in Bezug auf eine sogenannte „normale“ Besteuerung festgestellt werden kann (Urteil Portugal/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 56).
35 Zur Beurteilung der Frage, ob eine steuerliche Maßnahme selektiv ist, ist daher zu prüfen, ob die steuerliche Maßnahme im Hinblick auf den Bezugsrahmen bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, begünstigt (Urteil Portugal/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 56).
36 Selbst wenn innerhalb des Bezugsrahmens vergleichbare tatsächliche und rechtliche Situationen unterschiedlich behandelt werden, erfasst jedoch der Begriff der staatlichen Beihilfe nach ständiger Rechtsprechung staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder dem inneren Aufbau der Lastenregelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (Urteil Portugal/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 52).
37 Daher setzt die Einstufung einer nationalen Steuermaßnahme als „selektiv“ in einem ersten Schritt voraus, dass im Vorfeld die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird. Anhand dieser allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme vom allgemeinen System insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil des Gerichts vom 7. März 2012, British Aggregates/Kommission, T‑210/02 RENV, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 49). Gegebenenfalls ist in einem dritten Schritt zu prüfen, ob der betreffende Mitgliedstaat den Nachweis erbringen konnte, dass die Maßnahme durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems, mit dem sie in Zusammenhang steht, gerechtfertigt ist (Urteil Portugal/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 53).
Notwendige Bestimmung einer Gruppe von Unternehmen, die von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt werden
38 Mit dem Kriterium der Selektivität einer Maßnahme lassen sich staatliche Beihilfen von allgemeinen steuer- oder wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Air Liquide Industries Belgium, oben in Rn. 32 angeführt, Rn. 32).
39 Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass eine Maßnahme auch dann als selektiv angesehen werden kann, wenn ihre Anwendung nicht auf einen genau abgegrenzten Wirtschaftsbereich beschränkt ist.
40 Der Gerichtshof ist nämlich vom Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgegangen, wenn sich die Maßnahme „im Wesentlichen“ auf einen Wirtschaftsbereich bezogen hat, und sogar, wenn sie sich auf verschiedene Wirtschaftsbereiche bezogen hat (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1990, COFAZ/Kommission, C‑169/84, Slg. 1990, I‑3083, Rn. 22 und 23, und vom 20. November 2003, GEMO, C‑126/01, Slg. 2003, I‑13769, Rn. 37 bis 39).
41 Der Gerichtshof hat auch anerkannt, dass eine Maßnahme, die auf Unternehmen anwendbar ist, die körperliche Güter herstellen, selektiv ist (Urteil des Gerichtshofs vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, C‑143/99, Slg. 2001, I‑8365, Rn. 40).
42 Im Übrigen hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Maßnahme, die nur Unternehmen begünstigt, die in einem bestimmten Gebiet ansässig sind, ihren Charakter einer allgemeinen steuer- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme verliert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, Slg. 2000, I‑6857, Rn. 23).
43 Das Gericht hat sogar eine Maßnahme, die innerhalb eines begrenzten Zeitraums anwendbar war, als selektiv eingestuft. So hat es entschieden, dass eine Maßnahme, die angesichts des kurzen Zeitraums, der den Unternehmen zur Verfügung steht, um die Schritte einzuleiten, damit sie die Voraussetzungen erfüllen, um in den Genuss der Maßnahme kommen, faktisch nur denjenigen Unternehmen zugänglich ist, die bereits die notwendigen Schritte eingeleitet haben, dies wenigstens beabsichtigen oder bereit sind, sehr bald ein solches Vorhaben in Angriff zu nehmen, selektiv ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 4. September 2009, Italien/Kommission, T‑211/05, Slg. 2009, II‑2777, Rn. 120 und 121).
44 Wenn die Gruppe der Beihilfeempfänger besonders groß oder heterogen ist, ist für die Beurteilung des selektiven Charakters der in Rede stehenden Maßnahme manchmal weniger die Abgrenzung dieser Gruppe ausschlaggebend als die Abgrenzung der Gruppe der ausgeschlossenen Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. September 2000, CETM/Kommission, T‑55/99, Slg. 2000, II‑3207, Rn. 39, 40 und 47).
45 Aus der oben in den Rn. 31 bis 44 angeführten Rechtsprechung folgt, dass die Bestimmung einer Gruppe von Unternehmen, die als einzige von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt werden, eine für die Feststellung des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe notwendige Voraussetzung ist.
46 Eine solche Auslegung des Begriffs der Selektivität steht mit dem Wortlaut des Art. 107 Abs. 1 AEUV selbst im Einklang, nach dem der Vorteil „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ begünstigen muss.
47 Wie oben in den Rn. 33 und 37 ausgeführt, weist der Gerichtshof, wenn er auf die in diesen Randnummern beschriebene Prüfungsmethode eingeht, außerdem darauf hin, dass gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV festgestellt werden muss, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (Urteil Portugal/Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 54).
48 Wenn daher die in Rede stehende Maßnahme, selbst wenn sie eine Abweichung von der allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung darstellen sollte, potenziell von allen Unternehmen in Anspruch genommen werden kann, ist es nicht möglich, einen Vergleich der rechtlichen und tatsächlichen Situation der Unternehmen, denen die Maßnahme zugutekommen kann, mit der Situation der Unternehmen, denen sie nicht zugutekommen kann, im Hinblick auf das mit der allgemeinen oder „normalen“ Regelung verfolgte Ziel vorzunehmen.
49 Nach alledem muss, damit die Voraussetzung der Selektivität erfüllt ist, in allen Fällen eine Gruppe von Unternehmen festgestellt werden, die als einzige von der in Rede stehenden Maßnahme begünstigt werden, und kann, in dem oben in Rn. 48 genannten Fall, die Selektivität nicht allein aus der Feststellung folgen, dass eine Abweichung von der allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung geschaffen wurde.
50 Im Übrigen obliegt es der Kommission, darzutun, dass eine Maßnahme zwischen Unternehmen differenziert, die sich im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil des Gerichtshofs vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, Slg. 2011, I‑7671, Rn. 62).
51 Im Urteil Kommission/Niederlande, oben in Rn. 50 angeführt (Rn. 63), hat der Gerichtshof daher festgestellt, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss hinreichend nachgewiesen hatte, dass allein eine spezifische Gruppe industrieller Großunternehmen, die Handel zwischen Mitgliedstaaten trieben, einen Vorteil genießen konnte, der anderen Unternehmen nicht zukam. Der Kommission war daher in der Rechtssache, die zu diesem Urteil führte, der Nachweis gelungen, dass die in Rede stehende Maßnahme selektiv für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige galt.
52 Ebenso hat der Gerichtshof im Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 33 angeführt (Rn. 96), festgestellt, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss hinreichend nachgewiesen hatte, dass bestimmten Unternehmen, den „Offshore-Unternehmen“, selektive Begünstigungen zugutekamen.
53 Daher ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob mit den verschiedenen Gründen, aufgrund derer die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die streitige Maßnahme selektiv ist, und die sie im Gerichtsverfahren aufgegriffen hat, der selektive Charakter dieser Maßnahme nachgewiesen werden kann.
54 Erstens hat sich die Kommission in dem angefochtenen Beschluss bei ihrer Schlussfolgerung, dass die streitige Maßnahme selektiv ist, in erster Linie auf das Vorliegen einer Abweichung im Verhältnis zu einem Bezugsrahmen gestützt. Sie hat nämlich ausgeführt, dass sie als Bezugsrahmen für die Beurteilung des selektiven Charakters der streitigen Maßnahme „das allgemeine spanische Körperschaftsteuersystem, genauer gesagt, die im spanischen Steuersystem enthaltenen Vorschriften über die steuerliche Behandlung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts“ herangezogen habe (Erwägungsgrund 118 des angefochtenen Beschlusses). Sie hat „[e]inleitend [und] hilfsweise“ geltend gemacht, dass die streitige Maßnahme eine Ausnahme vom spanischen Rechnungslegungssystem darstelle (Erwägungsgrund 121 des angefochtenen Beschlusses). Im Übrigen hat sie darauf hingewiesen, dass die streitige Maßnahme zur Folge gehabt habe, dass in Spanien steuerpflichtige Unternehmen, die Beteiligungen an im Ausland ansässigen Unternehmen erwürben, steuerlich anders behandelt würden als in Spanien steuerpflichtige Unternehmen, die Beteiligungen an in Spanien ansässigen Unternehmen erwürben, obwohl sich beide Gruppen von Unternehmen in vergleichbaren Situationen befänden (Erwägungsgründe 122 und 136 des angefochtenen Beschlusses). Aufgrund dieser unterschiedlichen Behandlung ist die Kommission zu dem Schluss gekommen, dass die streitige Maßnahme „eine Ausnahme vom Bezugssystem [bilde]“ (Erwägungsgrund 125 des angefochtenen Beschlusses).
55 Die Kommission hat daher in dem angefochtenen Beschluss die oben in den Rn. 33 bis 37 beschriebene Prüfungsmethode angewandt.
56 Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, kann die Anwendung der oben in den Rn. 33 bis 37 beschriebenen Prüfungsmethode im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Feststellung der Selektivität der streitigen Maßnahme führen. Denn eine Abweichung oder Ausnahme von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen ist, selbst wenn sie erwiesen wäre, allein kein Grund für die Feststellung, dass die streitige Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstigt, da die Maßnahme grundsätzlich jedem Unternehmen zugänglich ist.
57 Zunächst ist nämlich festzustellen, dass die streitige Maßnahme für alle Beteiligungen von mindestens 5 % an einem ausländischen Unternehmen gilt, die mindestens ein Jahr lang ununterbrochen gehalten werden. Sie betrifft daher nicht eine besondere Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen, sondern eine Gruppe von wirtschaftlichen Vorgängen.
58 Richtig ist, dass Unternehmen in bestimmten Fällen tatsächlich vom Anwendungsbereich einer Maßnahme, die sich dennoch als eine allgemeine Maßnahme darstellt, ausgenommen sein können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. Dezember 1969, Kommission/Frankreich, 6/69 und 11/69, Slg. 1969, 523, Rn. 20 und 21, sowie Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 101 und 107).
59 Im vorliegenden Fall muss ein Unternehmen, um in den Genuss der streitigen Maßnahme zu kommen, Beteiligungen an einem ausländischen Unternehmen erwerben (Erwägungsgründe 26 und 32 des angefochtenen Beschlusses).
60 Festzustellen ist, dass ein solcher rein finanzieller Vorgang das erwerbende Unternehmen grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Tätigkeit zu ändern, und für dieses Unternehmen im Übrigen grundsätzlich nur eine Haftung in Höhe der getätigten Investition begründet.
61 Hierzu ist festzustellen, dass eine Maßnahme, deren Anwendung nicht von der Art der Tätigkeit der Unternehmen abhängig ist, grundsätzlich nicht selektiv ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, oben in Rn. 41 angeführt, Rn. 36).
62 Des Weiteren setzt die streitige Maßnahme keinen Mindestbetrag fest, der der oben in Rn. 57 genannten Mindestbeteiligung von 5 % entspricht, und ist de facto nicht Unternehmen vorbehalten, die über die hierfür ausreichenden finanziellen Ressourcen verfügen. Anders verhielt es sich bei der Maßnahme in der Rechtssache, die zu dem Urteil des Gerichts vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, führte (T‑227/01 bis T‑229/01, T‑265/01, T‑266/01 und T‑270/01, Slg. 2009, II‑3029, Rn. 161 und 162).
63 Schließlich sieht die streitige Maßnahme vor, dass der Steuervorteil auf der Grundlage der Bedingung gewährt wird, dass bestimmte Wirtschaftsgüter erworben werden, nämlich Beteiligungen an ausländischen Unternehmen.
64 Im Urteil Deutschland/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt (Rn. 22), hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Steuervergünstigung, die darin besteht, dass Steuerpflichtige, die bestimmte Wirtschaftsgüter veräußern, den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn von den Kosten des Erwerbs von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die in bestimmten Gebieten ansässig sind, abziehen können, diesen Steuerpflichtigen einen Vorteil verschafft, der als eine unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme keine Beihilfe im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags darstellt.
65 Daher schließt die streitige Maßnahme grundsätzlich keine Gruppe von Unternehmen aus.
66 Selbst wenn die streitige Maßnahme eine Abweichung von dem von der Kommission festgestellten Bezugsrahmen darstellen sollte, wäre dieser Umstand somit jedenfalls kein Grund für die Feststellung, dass die genannte Maßnahme „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV begünstigt.
67 Zweitens hat die Kommission angegeben, dass „die streitige Maßnahme selektiv [sei], da sie nur bestimmten Gruppen von Unternehmen, die bestimmte Investitionen im Ausland tätig[ten], zugute[komme]“ (Erwägungsgrund 102 des angefochtenen Beschlusses). Sie hat geltend gemacht, eine Maßnahme, die nur denjenigen Unternehmen zugutekomme, die die Voraussetzungen für ihre Gewährung erfüllten, sei „ohne Weiteres“ selektiv, ohne dass geprüft werden müsse, ob die Maßnahme aufgrund ihrer Wirkungen nur bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen einen Vorteil verschaffen könnte.
68 Jedoch lässt sich auch mit diesem in dem angefochtenen Beschluss angeführten Grund die Selektivität der streitigen Maßnahme nicht feststellen.
69 Nach ständiger Rechtsprechung unterscheidet nämlich Art. 107 Abs. 1 AEUV staatliche Maßnahmen nach ihren Wirkungen (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, Slg. 1974, 709, Rn. 27, und vom 29. April 2004, Niederlande/Kommission, C‑159/01, Slg. 2004, I‑4461, Rn. 51). Daher ist auf der Grundlage der Wirkungen der in Rede stehenden Maßnahme zu beurteilen, ob diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt, insbesondere, weil sie selektiv ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 87 und 88).
70 Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 42), entschieden, dass der Umstand, dass nur diejenigen Steuerpflichtigen die in dieser Rechtssache in Rede stehende Maßnahme in Anspruch nehmen könnten, die die Voraussetzungen für deren Anwendung erfüllten, als solcher der Maßnahme keinen selektiven Charakter verleihen könne.
71 Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, oben in Rn. 33 angeführt (Rn. 103, 104 und 107), entschieden, dass eine steuerliche Differenzierung nicht das Vorliegen einer Beihilfe impliziert und es möglich sein muss, damit eine steuerliche Differenzierung als Beihilfe eingestuft werden kann, eine bestimmte Gruppe von Unternehmen festzustellen, die anhand ihrer spezifischen Eigenarten unterschieden werden können.
72 Die von der Kommission vertretene Ansicht könnte, entgegen der oben in Rn. 71 genannten Rechtsprechung, dazu führen, dass jede steuerliche Maßnahme, deren Gewährung an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, als selektiv angesehen würde, obwohl die begünstigten Unternehmen keine Eigenart aufweisen würden, aufgrund derer sie sich von anderen Unternehmen unterscheiden würden, außer der Tatsache, dass sie die Voraussetzungen erfüllen könnten, an die die Gewährung der Maßnahme gebunden ist.
73 Drittens hat die Kommission in Erwägungsgrund 154 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, ihrer Ansicht nach ziele die streitige Maßnahme „darauf ab, die Ausfuhr von Kapital aus Spanien zu fördern, um die Position spanischer Unternehmen im Ausland zu stärken, was zu einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der durch die Regelung begünstigten Unternehmen führ[e]“.
74 Hierzu ist festzustellen, dass eine staatliche Maßnahme, die unterschiedslos allen Unternehmen im Inland zugutekommt, im Hinblick auf das Kriterium der Selektivität keine staatliche Beihilfe darstellt (Urteil Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, oben in Rn. 41 angeführt, Rn. 35).
75 Während also bei der Beurteilung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV genannten Voraussetzung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geprüft wird, ob die Unternehmen oder Produktionszweige eines Mitgliedstaats gegenüber den Unternehmen oder Produktionszweigen der anderen Mitgliedstaaten begünstigt werden, kann die in derselben Vorschrift genannte Voraussetzung der Selektivität nur in Bezug auf einen einzelnen Mitgliedstaat geprüft werden und ergibt sich nur aus der Prüfung der unterschiedlichen Behandlung der Unternehmen oder Produktionszweige allein dieses Staates (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2004, Spanien/Kommission, C‑73/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 28).
76 Daher wirkt sich der Umstand, dass eine Maßnahme Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, gegenüber Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten steuerpflichtig sind, begünstigt, insbesondere da sie den in dem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen den Erwerb von Beteiligungen an im Ausland ansässigen Unternehmen erleichtert, nicht auf die Prüfung des Kriteriums der Selektivität aus.
77 Im Urteil Kommission/Frankreich, oben in Rn. 58 angeführt (Rn. 20), hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass ein Vorteil, der „nur zugunsten ausgeführter einheimischer Erzeugnisse gewährt [wird], um dazu beizutragen, dass sie in den anderen Mitgliedstaaten mit den dortigen Erzeugnissen konkurrieren können“, eine staatliche Beihilfe ist. Die Bezugnahme auf die aus anderen Mitgliedstaaten stammenden Erzeugnisse betraf jedoch nur die Voraussetzung der Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels.
78 Diese Auslegung des Urteils Kommission/Frankreich, oben in Rn. 58 angeführt, wird durch das Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1988, Griechenland/Kommission (57/86, Slg. 1988, 2855, Rn. 8), gestützt, in dem die Unterscheidung zwischen einheimischen Erzeugnissen und Erzeugnissen anderer Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Kriteriums der Selektivität nicht zur Sprache kommt. Ebenso wird im Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission (C‑501/00, Slg. 2004, I‑6717, Rn. 120), die Unterscheidung zwischen inländischen Erzeugnissen und Erzeugnissen anderer Mitgliedstaaten im Rahmen der Prüfung der Selektivität der Maßnahme nicht berücksichtigt.
79 Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass die Feststellung der Selektivität einer Maßnahme auf der unterschiedlichen Behandlung von Gruppen von Unternehmen durch die Rechtsvorschriften ein und desselben Mitgliedstaats beruht und nicht auf der unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen eines Mitgliedstaats und denen anderer Mitgliedstaaten.
80 Aus alledem folgt, dass der Zusammenhang, der in dem oben in Rn. 73 angeführten Erwägungsgrund 154 des angefochtenen Beschlusses zwischen der Ausfuhr von Kapital und der Ausfuhr von Gütern hergestellt wird, vorausgesetzt, er ist nachgewiesen, nur zur Feststellung einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des Handels führen dürfte und nicht zur Feststellung der Selektivität der streitigen Maßnahme, die auf nationaler Ebene zu beurteilen wäre.
81 Viertens kann aus der bisherigen Rechtsprechung, auf die sich die Kommission beruft, nicht abgeleitet werden, dass die Unionsgerichte bereits anerkannt hätten, dass eine steuerliche Maßnahme als selektiv eingestuft wird, ohne dass nachgewiesen wäre, dass die in Rede stehende Maßnahme eine bestimmte Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen unter Ausschluss anderer Unternehmen oder Produktionszweige begünstigte.
82 So hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Vorzugsrediskontsatz für die Ausfuhr, den ein Mitgliedstaat nur zugunsten ausgeführter einheimischer Erzeugnisse gewährt, um dazu beizutragen, dass sie in den anderen Mitgliedstaaten mit den dortigen Erzeugnissen konkurrieren können, eine Beihilfe ist (Urteil Kommission/Frankreich, oben in Rn. 58 angeführt, Rn. 20) und dass die Erstattung von Zinsen für Ausfuhrkredite (Urteil Griechenland/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, Rn. 8) sowie ein Steuerabzug, der nur den Unternehmen zugutekommt, die Ausfuhr betreiben und bestimmte, in den in Rede stehenden Maßnahmen geregelte Investitionen tätigen (Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, Rn. 120), die Voraussetzung der Selektivität erfüllen.
83 In den drei oben in Rn. 82 genannten Urteilen bestand die Gruppe der begünstigten Unternehmen, auf deren Grundlage auf die Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme geschlossen werden konnte, in der Gruppe der exportierenden Unternehmen.
84 Festzustellen ist, dass die Gruppe der exportierenden Unternehmen, obwohl sie ebenso wie z. B. die Gruppe der Unternehmen, die körperliche Güter herstellen (vgl. oben Rn. 41), besonders groß ist, aus Unternehmen besteht, die aufgrund gemeinsamer Merkmale, die mit ihrer Exporttätigkeit zusammenhängen, unterschieden werden können.
85 Aus der oben in Rn. 82 angeführten Rechtsprechung zu exportierenden Unternehmen kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Unionsgerichte anerkannt hätten, dass eine steuerliche Maßnahme als selektiv eingestuft wird, ohne dass eine besondere Gruppe von Unternehmen oder Produktionszweigen, die aufgrund besonderer Merkmale unterschieden werden können, festgestellt würde.
86 Diese Auffassung wird nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt, dass in der Rechtssache, in der das Urteil vom 15. Juli 2004, Spanien/Kommission, oben in Rn. 78 angeführt, ergangen ist, der in Rede stehende Steuervorteil insbesondere den Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen betroffen habe. Um in den Genuss des in Rede stehenden Vorteils zu kommen, mussten die Unternehmen nämlich Beteiligungen an Unternehmen erwerben, die unmittelbar mit dem Export von Waren oder Dienstleistungen zu tun hatten. Außerdem beschränkte sich der Geltungsbereich der Maßnahme, die vom Gerichtshof in dieser Rechtssache als selektiv eingestuft wurde, nicht auf solche Beteiligungserwerbe, sondern er umfasste auch andere Exporttätigkeiten: die Gründung von Zweigniederlassungen oder ständigen Betriebsstätten im Ausland, die Gründung von Tochtergesellschaften, die unmittelbar mit dem Export von Waren oder Dienstleistungen zu tun haben, sowie die Aufwendungen für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für die Markteinführung neuer Produkte, für die Erschließung und Durchdringung neuer Märkte im Ausland und für die Teilnahme an Handelsmessen, Ausstellungen und ähnlichen Veranstaltungen. Folglich war der Vorteil, der mit der in dieser Rechtssache in Rede stehenden Maßnahme gewährt wurde, anders als es vorliegend grundsätzlich der Fall ist, bestimmten Unternehmen, nämlich exportierenden Unternehmen, vorbehalten.
87 Nach alledem hat die Kommission mit den von ihr angeführten Gründen nicht nachgewiesen, dass die streitige Maßnahme selektiv war.
88 Da die Kommission der Ansicht war, dass die streitige Maßnahme selektiv war, hat sie somit Art. 107 Abs. 1 AEUV falsch angewandt.
89 Der vorliegende Klagegrund greift daher durch. Folglich ist Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen Klagegründe, auf die die Klägerinnen ihre Hauptanträge stützen, zu prüfen wären.
Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses
90 Mit den Anträgen, die speziell Art. 4 des angefochtenen Beschlusses betreffen, kritisieren die Klägerinnen die Übergangsregelung, die in dem angefochtenen Beschluss für die Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfe vorgesehen ist. Die Klägerinnen wenden sich insbesondere gegen das Datum, das als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Beihilfen genommen wird, die zurückgefordert werden können. Mit ihren „hilfsweise“ gegen diesen Artikel gerichteten Anträgen begehren die Klägerinnen daher, dass die Möglichkeiten zur Rückforderung der ihnen gewährten Beihilfen für den Fall beschränkt werden, dass die Möglichkeit der Rückforderung dieser Beihilfen nicht aufgrund ihrer Hauptanträge ausgeschlossen wird. Daher sind die Hauptanträge der Klägerinnen zwingend dahin zu verstehen, dass mit ihnen der Ausschluss jeglicher Möglichkeit der Rückforderung der Beihilfen und damit jedenfalls die Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses begehrt wird.
91 Zudem wäre es sehr formalistisch, anzunehmen, dass die Klägerinnen mit ihren Hauptanträgen nicht die Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses begehren, der die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Beihilfe darstellt, auch wenn die Klägerinnen diesen Beschluss nur insoweit anfechten könnten, als sie von einer Rückforderungsmaßnahme betroffen sein könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, Slg. 2011, I‑4727, Rn. 56).
92 Folglich ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen, auch wenn sie ihre Anträge auf Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses, der die Rückforderung der Beihilfe betrifft, nur „hilfsweise“ stellen, notwendigerweise, auch als Hauptantrag, die Nichtigerklärung dieser Bestimmung begehren, die die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der ihnen gewährten Beihilfe darstellt.
93 Die Begründetheit des oben geprüften Klagegrundes der fehlenden Selektivität der streitigen Maßnahme führt nicht nur zur Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 des angefochtenen Beschlusses, der das Vorliegen einer Beihilfe feststellt, sondern auch zur Nichtigerklärung von Art. 4 dieses Beschlusses, der die Rückforderung dieser Beihilfe vorsieht.
Kosten
94 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen