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Steuerrecht
22.01.2010
Steuerrecht
: Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß

FG Münster, Urteil vom 8.12.2009 - 1 K 4077/08 E

Sachverhalt 1

Streitig ist, ob das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr 2007

geltenden Fassung verfassungswidrig ist.

2

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie

erzielen im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19

Einkommensteuergesetz (EStG).

3

Aufgrund der am 21.05.2008 beim Beklagten abgegebenen

Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 führte der Beklagte die

Einkommensteuerveranlagung für 2007 mit Einkommensteuerbescheid vom

11.07.2008 durch, wobei er die Aufwendungen der Kläger für Fahrten mit dem

eigenen Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Rahmen der

Entfernungspauschale nur ab dem 21. Kilometer berücksichtigte. Des Weiteren

erfolgte die Festsetzung des Solidaritätszuschlages gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des

Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 vorläufig.

4

Die Kläger legten gegen diesen Einkommensteuerbescheid am 07.08.2008

Einspruch ein. Mit dem Einspruch machten sie im Wesentlichen geltend, dass die

mit dem Steueränderungsgesetz 2007 in § 9 Abs. 2 EStG eingeführte Regelung

hinsichtlich der Kürzung der Entfernungspauschale verfassungswidrig sei.

5

Mit Änderungsbescheid vom 20.08.2008 half der Beklagte dem Einspruch der

Kläger in verschiedenen nicht mehr streitbefangenen Punkten ab und erklärte

diesen Bescheid hinsichtlich der Kürzung der Entfernungspauschale für vorläufig,

jedoch hinsichtlich der Festsetzung des Solidaritätszuschlages für endgültig.

6

Die Kläger legten daraufhin gegen diesen Änderungsbescheid am 12.09.2008

Einspruch ein, mit dem sie sinngemäß geltend machten, die Festsetzung des

Solidaritätszuschlages sei rechtswidrig, da das zugrundeliegende

Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verfassungswidrig sei. Zur Begründung

verwiesen sie auf ein vorliegendes Klageverfahren (FG - Niedersachen Az. 7 K

143/08).

7

Der Beklagte wies den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom

07.10.2008 als unbegründet zurück. Er vertrat dabei die Auffassung, das

Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung sei

formell und materiell verfassungsgemäß. Wegen der Begründung im Einzelnen

wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

8

Mit der am 31.10.2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Sie vertreten die Auffassung, der Solidaritätszuschlag stelle spätestens ab dem

Streitjahr 2007 eine verfassungswidrige Sondersteuer dar. Der Staat sei zwar

berechtigt, zur Bewältigung von Notständen Sondersteuern von kurzer Dauer zu

erheben. Der Solidaritätszuschlag erfülle aber im Streitjahr nicht mehr den

Tatbestand einer kurzfristigen Abgabe, weil er bezogen auf das Streitjahr bereits

seit 16 Jahren erhoben werde. Durch das Festhalten des Gesetzgebers an dem

am 01.01.1995 in Kraft getretenen Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 im Streitjahr,

d. h. im 17. Jahr nach der Wiedervereinigung Deutschlands, seien die Grenzen

des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums deutlich überschritten. Das

Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verletze daher den Schutzbereich der

Grundrechte der abgabepflichtigen Kläger aus Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

Grundgesetz (GG).

9

Der Beklagte hat mit Änderungsbescheid vom 18.02.2009 den ESt - Bescheid

2007 erneut geändert und die ungekürzte Entfernungspauschale berücksichtigt.

Dieser Bescheid ist nach § 68 Finanzgerichtsordnung ( FGO ) Gegenstand des

anhängigen Klageverfahrens geworden

10

Die Kläger beantragen, 11

den Bescheid über Solidaritätszuschlag für den Veranlagungszeitraum 2007

vom 20.08.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom

07.10.2008, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom

18.02.2009, aufzuheben

12

und im Unterliegensfall, 13

die Revision zuzulassen. 14

Der Beklagte beantragt, 15

die Klage abzuweisen 16

und im Unterliegensfall, 17

die Revision zuzulassen. 18

Aus den Gründen 19

Die zulässige Klage ist nicht begründet. 20

I. 21

Die Kläger sind durch den angegriffenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt

worden. Der Solidaritätszuschlag ist ordnungsgemäß erhoben worden.

22

Das Gericht ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995

gebunden. Das Verfahren ist nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen, da der

Senat das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der Fassung des

Jahressteuersteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl. I 2006, 2878) für

verfassungsgemäß hält.

23

1. Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr geltenden

Fassung ist formell verfassungsgemäß.

24

Dem Bund stand für den Erlass des Gesetzes die konkurrierende

Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2, Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG zu.

25

Es ist in der Rechtsprechung sowohl des BVerfG wie auch des BFH geklärt, dass

eine Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht nur befristet

erhoben werden darf. Geklärt ist insoweit auch, dass die Erhebung des

Solidaritätszuschlags unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist (so

zuletzt: BFH-Beschluss vom 28.4.2009 I B 199/08, juris m.w.N.).

26

Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund die konkurrierende

Gesetzgebungszuständigkeit für die übrigen Steuern (außer Zölle und

Finanzmonopole), wenn (u. a.) ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz zusteht.

Nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG steht dem Bund das Aufkommen der

Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und zur Körperschaftsteuer zu. Diese

Regelungen sind hier anwendbar, da der Solidaritätszuschlag eine Steuer im

verfassungsrechtlichen Sinne darstellt, die als Ergänzungsabgabe zur

Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erhoben wird. Das Grundgesetz

definiert zwar den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff nicht, er ist jedoch der

einfachgesetzlichen Vorschrift des § 3 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) sinngemäß

zu entnehmen. Gem. § 3 Abs. 1 AO sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine

Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlichen

Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der

Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der

Solidaritätszuschlag erfüllt diese Voraussetzungen des Steuerbegriffs. Zur

Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen

des Finanzgerichts Münster im Urteil vom 27.09.2005 (Az. 12 K 6263/03 E, EFG

2006, 371 bis 374, bestätigt durch BFH Beschluss vom 28.06.2006 - Az. VII B

324/05 - BFHE 213, 573, BStBl. II 2006, 692) verwiesen.

27

Das Solidaritätszuschlagsgesetz widerspricht nicht den Vorstellungen, die der

Verfassungsgeber an eine Ergänzungsabgabe geknüpft hat. Hiernach darf durch

die Ergänzungsabgabe nicht die Finanzordnung, die Bund und Länder in gleicher

Art und Weise am Steueraufkommen beteiligt, unterlaufen werden (vgl. BVerfG,

Beschluss vom 9.2.1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 322 bis 344, BStBl. II 1972,

408 bis 411). Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn durch die Einführung einer

28

Ergänzungsabgabe das Aufkommen der dem Bund und den Ländern

gemeinschaftlich zustehenden Einkommen- und Körperschaftsteuer ausgehöhlt

wird. Dies ist hier erkennbar aber gerade nicht der Fall. Das Steueraufkommen aus

dem Solidaritätszuschlag knüpft nämlich an die festgesetzte Einkommen- bzw.

Körperschaftsteuer an. Der Solidaritätszuschlag beträgt gem. § 4

Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 5,5 % der Bemessungsgrundlage im Sinne des

§ 3 Solidaritätszuschlagsgesetz 1995. Ausgehend von diesem Zuschlagsatz

gemäß § 4 Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 ist eine solche Aushöhlung der dem

Bund und den Ländern gemeinschaftlich zustehenden Steuern nicht zu befürchten

(vgl. insoweit die zutreffenden Ausführungen des Finanzgerichts München, Urteil

vom 18.08.2009, Az. 2 K 108/08 - juris, Rev. II R 50/09 sowie Anm. dazu von

Bartone, jurisPR-SteuerR 47/2009, Anm. 6).

Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 musste auch unter Berücksichtigung der

formellen Verfassungsmäßigkeit nicht von vornherein befristet werden. Dies ergibt

sich insbesondere nicht aus dem Begriff der Ergänzungsabgabe im Sinne des Art.

106 Abs. 1 Nr. 6 GG. Dieser Begriff der "Ergänzungsabgabe" besagt lediglich,

dass die entsprechende Abgabe zusätzlich zur Einkommen- und

Körperschaftsteuer erhoben wird. Gleichzeitig soll durch die Wortwahl eine

Erhöhung von Abgaben in Form von Verbrauchssteuern vermieden werden. Ein

darüber hinaus bestehendes Befristungserfordernis ist dieser Begrifflichkeit aber

nicht zu entnehmen. Vielmehr erfolgt die Einführung solcher Zuschlagsteuern, so

die Definition des § 51a EStG, erfahrungsgemäß für eine längere Dauer. Dies

spricht gerade dafür, dass die Ergänzungsabgaben unbefristet erhoben werden

dürfen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 09.02.1972, 1 BvL 16/69,

BVerfGE 32, 333 bis 344, BStBl. II 1972, 408 bis 411, BFH-Beschluss vom

28.06.2006 VII B 324/05, BFHE 212, 573, BStBl. II 206, 692). Weder aus dem

Wortlaut des Art. 106 GG noch aus der Systematik des Abgaben- und

Steuersystems ergeben sich deshalb abgabenimmanente zeitliche Begrenzungen

für die Erhebung der Ergänzungsabgabe. Auch funktionale Begrenzungen zur

Höhe des Solidaritätszuschlags können verfassungsrechtlich nicht abgeleitet

werden.

29

Aus Sicht des Senats zeigt die Regelung des § 11 Abs. 3 des Gesetzes über den

Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (sog. Solidarpakt II), der eine

Abschmelzung der Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen von

10.532.613.000 Euro (2005) auf 2.096.297.000 Euro (2019) vorschreibt, deutlich,

dass die Kosten der deutschen Einheit, die tragendes Motiv des Gesetzgebers zur

Einführung des Solidaritätszuschlags waren, erkennbar als begrenzt eingeschätzt

werden. Ihre Deckung kann, auch wenn der Zeitraum als langfristig zu bezeichnen

ist, durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe erfolgen.

30

Mängel im Gesetzgebungsverfahren sind nicht ersichtlich und von den Klägern

auch nicht vorgetragen (vgl. hierzu ansonsten BFH-Beschluss vom 28.06.2006, VII

B 324/05, BStBl. II 2006, 692, FG Münster, Urteil vom 27.09.2005, 12 K 6263/03 E,

EFG 2006, 371).

31

2. Der Senat hält das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das Streitjahr

2007 geltenden Fassung auch für materiell verfassungsgemäß. Problematisch

könnte hierbei aus Sicht des Senats allein der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

sein. Hiergegen verstößt das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der für das

Streitjahr 2007 geltenden Fassung aber gerade nicht.

32

Der auf dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip beruhende Grundsatz der

Verhältnismäßigkeit begründet für jede staatliche Maßnahme insbesondere aber

für solche im Bereich der steuerlichen Eingriffsverwaltung ein Übermaßverbot.

Soweit ein Gesetz in die freiheitlich geschützte Sphäre des Steuerpflichtigen

eingreift, genügt es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann, wenn das

gewählte Mittel in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Zweck steht

(vgl. FG Münster, Urteil vom 27.09.2005 - Az. 12 K 6263/03 E, EFG 2006, 371

m.w.N.). Bei der Erschließung von Steuerquellen steht dem Steuergesetzgeber

dabei ein weitreichender Gestaltungsspielraum zu. Insbesondere sind

Entscheidungen des Gesetzgebers, welche staatlichen Zwecke er verfolgen will

und wie er sie finanziert, nicht justiziabel (Bundesverfassungsgericht, Beschluss

vom 09.02.1972; 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333, BStBl. II 1972, 408).

33

Der Gesetzgeber hat hinsichtlich des hier zu beurteilenden Gesetzes diesen

Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Dies gilt auch in Bezug auf die Dauer

des Erhebungszeitraums bis zum Streitjahr 2007. Nach der Vorstellung des

Gesetzgebers sollte der Solidaritätszuschlag der allgemeinen

Einnahmeverbesserung zur Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen

Vereinigung entstandenen finanziellen Belastungen dienen (vgl.

Bundestagsdrucksache 12/4401 S. 3, 4). Dieser Gesetzeszweck an sich ist

gerichtlich nicht überprüfbar (so schon: FG Münster, Urteil vom 27.09.2005, 12 K

6263/03 E, EFG 2006, 371 m.w.N.).

34

Aus Sicht des Senats ist für das Streitjahr 2007 auch nicht davon auszugehen,

dass der Bedarf für die Erhebung des Solidaritätszuschlags bereits gedeckt ist.

Soweit eine Verknüpfung zwischen der Erhebung des Solidaritätszuschlags und

den Ergänzungszuweisungen nach dem sog. Solidarpakt II überhaupt rechtlich

möglich ist, zeigen die Zahlen, dass die Notwendigkeit für diese Erhebung des

Solidaritätszuschlags in 2007 weiter bestanden hat.

35

Bis einschließlich 2019 wird die im Solidarpakt II vorgesehene Förderung mit

einem Gesamtvolumen von 156,5 Milliarden EUR, die der Bund den neuen

Bundesländern zur Verfügung stellt, sichergestellt. Nach § 11 Abs. 3 des Gesetzes

über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern erhalten die Länder Berlin,

Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und

Thüringen insgesamt zur Deckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem

bestehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf und zum Ausgleich

unterproportionaler kommunaler Finanzkraft im Jahr 2007 Sonderbedarfs-

Bundesergänzungszuweisungen in Höhe von 10.379.225.000 EUR. Das

Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag beträgt für den gleichen Zeitraum

12.349.000.000 EUR (vgl. Tz. 2.5 in: BMF, Monatsbericht digital, Die

Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im Haushaltsjahr 2008,

www.bundesfinanzministerium.de). Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und

Ausgaben des Staates zum beabsichtigten Gesetzeszweck stehen für dieses Jahr

damit in einem nahezu ausgewogenen Verhältnis. Aus diesem Verhältnis lässt sich

jedenfalls hinsichtlich der Erhebungsdauer des Solidaritätszuschlags eine mögliche

Verfassungswidrigkeit für den Erhebungszeitraum 2007 nicht ableiten. Nach den

aufgezeigten Rahmenbedingungen kann nach Ansicht des Senats auch nicht

ernsthaft eine Unzumutbarkeit angenommen werden, die zu einer

unverhältnismäßigen Belastung der Steuerpflichtigen führen könnte.

36

Inwieweit eine Reduzierung der Höhe des Solidaritätszuschlags in späteren

Veranlagungszeiträumen angezeigt ist, da die Ergänzungszuweisungen bis zum

37

2019 auf 2.096.297 Euro reduziert werden, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens

und ggf. auch eine im Rahmen der Gewaltenteilung allein zu treffende politische

Entscheidung.

Aus Sicht des Senats würde ein weiteres Auseinanderfallen von Einnahmen aus

dem Solidaritätszuschlag und sinkenden Zuwendungen an die vorgenannten

Bundesländer aber auch nicht automatisch zu einer Verletzung des

Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit zu einer Verfassungswidrigkeit des

Solidaritätszuschlagsgesetzes im Ganzen führen. In die Beurteilung des

Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wären zum einen mögliche

Kreditmarktschulden des Bundes beruhend auf der Wiedervereinigung

einzubeziehen. Zum anderen wäre zu prüfen, ob ein solches Auseinanderklaffen

von Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und finanziellen Belastungen im

Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung nicht nur zur Reduzierung des

Zuschlagsatzes führen müsste. Dies ist aus Sicht des Senats aber eine allenfalls

politisch gebotene Überprüfung. Insoweit ist zu beachten, dass eine Selbstbindung

des Gesetzgebers, die Erhebung des Solidaritätszuschlages regelmäßig zu

überprüfen, keine Gesetzeskraft erlangt hat. Eine Überprüfung durch die dritte

Gewalt könnte deshalb gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen.

38

Die Erhebung des Solidaritätszuschlags im Streitzeitraum 2007 ist auch ansonsten

nicht verfassungswidrig. Sie verstößt nicht gegen Art 12, 14 GG und auch nicht

gegen Art. 2 Abs. 1 GG.

39

Durch die Erhebung des Solidaritätszuschlages werden die Steuerpflichtigen auch

nicht in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Es wird weder in die

Berufswahl- noch in die Berufsausübungsfreiheit eingegriffen. Auch eine

Verletzung der Rechte der Steuerpflichtigen aus Art. 14 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum allgemein. Ein im Übrigen

verfassungsgemäßes Steuergesetz verletzt diese Eigentumsgarantie allenfalls

dann, wenn es den Steuerpflichtigen übermäßig belastet und seine

Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt und damit zu einer

Existenzgefährdung führen würde (vgl. FG München, Urteil vom 18.08.2009 - Az.

2 K 108/08 - Juris). Der Solidaritätszuschlag i. H. v. 5,5 % der

Bemessungsgrundlage stellt eine solche Beeinträchtigung nicht dar. Die Erhebung

des Solidaritätszuschlags greift schon aufgrund der Höhe des Zuschlagsatzes

nicht unverhältnismäßig in die Eigentumsrechte der Steuerpflichtigen ein (vgl. BFH

vom 28.02.1996, IX R 83, 84/94, BFH/NV 1996, 712 bis 714).

40

Das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verstößt auch nicht gegen die Rechte der

Steuerpflichtigen aus Art. 2 Abs. 1 GG.

41

Art. 2 Abs. 1 GG schützt den Einzelnen vor hoheitlichen Eingriffen und

gewährleistet die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit, die jedenfalls

solange nicht verletzt ist, als die spezifische Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1

GG nicht berührt wird.

42

Die Erhebung des Solidaritätszuschlags und damit auch die Besteuerung genügt

den Anforderungen der in Art. 2 Abs. 1 GG normierten Schranke der

verfassungsmäßigen Ordnung. Der durch die Steuererhebung gegebene Eingriff

ist durch das sowohl formell wie auch materiell rechtmäßige

Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 in der Fassung für das Streitjahr 2007 als

Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG

43

gedeckt (ebenso FG Münster, Urteil vom 27.09.2005, 12 K 6263/03 m.w.N.).

II. 44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. 45

Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. 46

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