FG Münster: Sind Leistungen eines Assekuradeurs, der Versicherungsprodukte entwickelt und vermittelt, steuerfrei?
FG Münster, Urteil vom 17.10.2017 – 15 K 3268/14 U
ECLI:DE:FGMS:2017:1017.15K3268.14U.00
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob die von der Klägerin erbrachten Leistungen in vollem Umfang als Umsätze eines Versicherungsvertreters oder -maklers umsatzsteuerfrei sind.
Die Klägerin ist Assekuradeurin. Als Assekuradeurin entwickelt die Klägerin für Versicherer Versicherungsprodukte, stellt u.a. den direkten Kontakt zu Kunden her, pflegt diesen und führt eine Risikoanalyse von Versicherungsnehmern vor Versicherungsabschluss durch.
Im Streitzeitraum entwickelte und vermarktete die Klägerin im Wesentlichen die Versicherungsprodukte X, Y („Y“) und Z. Mit dem Versicherungsprodukt Y werden Schiffe und deren Crews gegen Piraterie versichert. Soweit Schiffe den Golf von Aden durchfahren und in dieser Risikozone von Piraten gekapert werden, werden mit dem Versicherungsprodukt Y hieraus entstehende Schäden für den Reeder versichert. Die Entwicklung und Vermarktung des Produkts Y steht exemplarisch auch für die Entwicklung und Vermarktung der weiteren Versicherungsprodukte der Klägerin.
Mit Datum vom 27.8.2012 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für 2011 ein, in der sie sämtliche in diesem Verfahren streitigen Umsätze als nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei erklärte. Im Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung führte sie aus, dass die durch den Beklagten erfolgte Ablehnung der in 2009 beantragten verbindlichen Auskunft auf der unzutreffenden Annahme des Beklagten beruhe, dass sie, die Klägerin, ein Versicherungsvermittler sei, der außerdem Back-Office-Tätigkeiten erledige. Bei ihr, der Klägerin, handele es sich aber nicht um einen Versicherungsvermittler, sondern um einen Assekuradeur. Ein Assekuradeur sei eher der Interessensphäre des Versicherers zuzuordnen als dies bei einem Versicherungsmakler der Fall sei. Exemplarisch habe sie, die Klägerin, betreffend das Versicherungsprodukt Y ein Konzept zur Optimierung der Sicherheit auf den zu versichernden Schiffen entwickelt. Nur die Schiffe, die dieses Sicherheitskonzept übernehmen würden, würden Versicherungsschutz erhalten können. Sie, die Klägerin, arbeite bei der Beurteilung des Sicherheitskonzepts auf den Schiffen mit dem Risikomanager der Firma U GmbH zusammen. Die Evaluierung des Risikos für den Versicherer erfolge allerdings durch sie, die Klägerin. Darüber hinaus übernehme sie, die Klägerin, die Policierung der Versicherung im Namen und für Rechnung des Versicherers. Im Schadensfall sei sie, die Klägerin, beauftragt, mit dem Risikomanager Kontakt aufzunehmen und die Schadensabwicklung im Namen und für Rechnung des Versicherers vorzunehmen. Sie, die Klägerin, fungiere wie eine Art ausgegliederte Spezialabteilung des Versicherers. Die Übernahme der Aufgaben des Versicherers durch sie, die Klägerin, unterliege der Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Insoweit würden ihre, der Klägerin, Aufgaben weit über diejenigen eines Versicherungsmaklers oder ‑vermittlers hinausgehen. Die hieran anknüpfende Erhebung der Versicherungsbeiträge und die Abwicklung des Zahlungsverkehrs (auch) im Schadensfall seien originäre Aufgaben des Assekuradeurs. Insoweit sei sie, die Klägerin, kein Dienstleister für die jeweilige Versicherung. In der Gesamtschau werde deutlich, dass ihre, der Klägerin, Tätigkeit eher der Tätigkeit einer Versicherung gleiche, als der eines Versicherungsmaklers. Ihre, der Klägerin, Tätigkeit sei jedenfalls nicht mit den Tätigkeiten eines Dienstleisters vergleichbar, die Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) gewesen seien (Urteil vom 3.3.2005 C-472/03, Arthur Andersen, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2005, 485). Der Dienstleister in jenem Fall sei weder als Assekuradeur noch als Versicherungsvertreter aufgetreten. Ihre, der Klägerin, Leistungen seien unter Berücksichtigung der nunmehr mitgeteilten Hintergrundinformationen als gemäß § 4 Nr. 11 UStG steuerfreie Leistungen anzusehen.
Den Leistungen der Klägerin liegen vertragliche Vereinbarungen mit Versicherungen zugrunde. Exemplarisch hierfür ist der Assekuradeurvertrag mit der F Versicherung AG einschließlich dessen Anlagen und der Nachtrag zu diesem Vertrag, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Die Vereinbarungen weisen u.a. folgenden Inhalt auf:
„Assekuradeur-Vertrag
[…]
§ 1 Vertragsgegenstand
(1) Der Assekuradeur vermittelt für den Versicherer Versicherungsverträge, die zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer geschlossen werden. Gegenstand dieser Versicherungsverträge ist der Versicherungsschutz für besondere Risiken („Special Risks“). Special Risks sind insbesondere solche Risiken, die dem Versicherungsnehmer und / oder seinem Vermögen durch Straftaten Dritter drohen, wie Entführungen, Erpressungen und Freiheitsberaubungen. Die versicherten Risiken im Einzelnen und damit auch der Vertragsgegenstand dieses Vertrages ergeben sich aus dem diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Versicherungsbedingungen („Wording“) der Produkte „X“ und „Y“. Der Inhalt dieser Wordings ist Bestandteil dieses Vertrages, kann aber nach vorheriger Zustimmung des Versicherers vom Assekuradeur abgeändert werden.
(2) Der Assekuradeur stellt dem Versicherer seine Versicherungsprodukte „X“ und „Y“ entsprechend dem als Anlage beiliegenden Wording zu Policierung auf den Namen des Versicherers zur Verwendung bereit. Die Bereitstellung der Versicherungsprodukte erfolgt durch die Hingabe eines nicht ausschließlichen Nutzungsrechtes („Lizenz“). Alle weiteren Rechte an den Versicherungsprodukten verbleiben beim Assekuradeur. Die Kündigung der Lizenz erfolgt mit der Kündigung dieses Vertrages, ohne dass es insoweit einer gesonderten Erklärung bedarf. Die Einholung etwaig erforderlicher Erlaubnisse für den Vertrieb der Versicherungsprodukte übernimmt der Versicherer. Der Assekuradeur wird den Versicherer dabei in jeder Weise unterstützen, namentlich im Hinblick auf die durch das Rundschreiben 3/1998 des Bundesaufsichtsamtes für Versicherungswesen vom 21.07.1998 aufgestellten Voraussetzungen (insbesondere Vorhaltung eines Krisenmanagements).
(3) Im Zusammenhang mit der Vermittlung der Versicherungen sowie der Bereitstellung der Lizenz gemäß vorstehendem Absatz erbringt der Assekuradeur gegenüber dem Versicherer die nachfolgend aufgeführten Dienstleistungen und Geschäftsbesorgungen:
a) Fortlaufende Anpassung des Versicherungsproduktes an die gesetzlich zwingend vorgegebenen Bedingungen.
b) Einwertung des für den Versicherer bei Abschluss der Versicherung bestehenden Risikos und versicherungsmathematische Ermittlung der Beträge des Versicherungsnehmers mit Hilfe sog. „Pricingtools“. Diese Pricingtools werden von dem Assekuradeur fortlaufend dem auf dem Versicherungssektor jeweils gegebenen Standard angepasst. Die Pricingtools sind mit dem Versicherer abzustimmen. Dem Versicherer bleibt der Einsatz eigener Pricingtools vorbehalten.
c) Vertragsverwaltung der zwischen dem Versicherer und einem Versicherungsnehmer abgeschlossenen Special-Risks-Versicherung. Dazu zählen
-
- Ausfertigung von Versicherungsverträgen,
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- Erstellung von Deckungsaufträgen,
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- Aufstellung von Versicherungsnachträgen,
-
Aushändigung des Versicherungsscheins,
-
Entgegennahme von Erklärungen des Versicherungsnehmers unter Einschluss von Gestaltungserklärungen,
-
Weiterleitung von Versicherungsleistungen,
-
Abschluss von Regulierungsabkommen;
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- Rechnungsstellung an den Versicherungsnehmer zu Gunsten des Versicherers.
d) Einrichtung einer Krisenhotline für den Versicherungsnehmer.
e) Schadensmanagement. Dazu zählen sämtliche Handlungen, Maßnahmen und Erklärungen, die der Prüfung des Versicherungsfalles bis zu seiner Abwicklung durch Erstattungsleistungen dienen.
f) Schulung und Unterstützung des Vertriebs des Versicherers.
g) Bereitstellung und weltweite garantierte „stand by“ Leistung eines Krisenmanagers.
(4) Für den Fall, dass der Versicherer den Versicherungsschutz der mit dem Versicherungsnehmer abzuschließenden Special-Risks-Versicherung nicht alleine zu tragen bereit ist, stellt der Assekuradeur Beteiligungen über Mitversicherer für die nicht durch den Versicherer gedeckten Anteile sicher. Die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Versicherer und den Mitversicherern erfolgt durch gesonderte vertragliche Abrede, an welcher der Versicherer zu beteiligen ist.
„§ 2 Vergütung
(1) Der Versicherer zahlt an den Assekuradeur zur Deckung der laufenden betrieblichen Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 3 über einen Zeitraum von 24 Monaten ab dem 01.01.2010 eine monatliche Courtagevorauszahlung in Höhe von 30.000 € (dreißigtausend Euro) inkl. USt. in jeweils geltender Höhe zum ersten eines jeden Monats. Der Versicherer erstattet darüber hinaus auf Nachweis die angefallenen Reisekosten des Assekuradeurs. Der Versicherer hat keinen Anspruch auf Erhalt einer Abrechnung im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG, die zum Vorsteuerabzug berechtigt.
(2) Darüber hinaus zahlt der Versicherer dem Assekuradeur vorbehaltlich des Absatzes 3 eine Courtage in Höhe (§ 354 Abs. 1 HGB) von 22,5 % des Netto-Beitrages für jede von dem Versicherer abgeschlossene Special-Risks-Versicherung, wobei als Abschluss im vorbenannten Sinne neben einem Neuabschluss auch der Fall einer einen erneuten Beitrag zu Gunsten des Versicherers auslösenden Verlängerung eines bestehenden Versicherungsvertrages nach Ablauf der für diesen vereinbarten jeweiligen Mindestlaufzeit zu verstehen ist. […] Die Verpflichtung zur Zahlung der Courtage gilt unabhängig davon, ob der Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Assekuradeur, den Versicherer oder durch einen Dritten zustande kommt. Ansprüche des Versicherers auf Erstattung der geleisteten Provisionen sind im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtausführung des Versicherungsvertrages ausgeschlossen, soweit die Nichtausführung von dem Versicherer zu vertreten ist. Die Provision ist dem Versicherer auch nicht zurückzuerstatten, soweit die (teilweise) Nichtausführung darauf beruht, dass vereinbarte Transits vom Versicherungsnehmer nicht in Anspruch genommen werden.
[…]
(5) Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die nach diesem Vertrag verdienten Courtageansprüche bis zur Höhe der seitens des Versicherers gezahlten Vorauszahlung auf diese anzurechnen sind. Bleibt der Betrag der Courtagebuchungen hinter der monatlich geleisteten Vorauszahlung zurück (Unterdeckung), so wird der Unterdeckungsbetrag in den Folgemonat vorgetragen mit der Maßgabe, dass eine Anrechnung der Courtage bis zur Höhe des um die jeweilige Unterdeckung erhöhten Betrages der Vorauszahlung erfolgt (Anrechnungserweiterung). Die Abrechnungen erfolgen monatlich. Der Assekuradeur ist am Ende der Vertragslaufzeit zur Rückzahlung eines etwaigen Unterdeckungsbetrages verpflichtet. Diese Rückzahlungsverpflichtung ist jedoch auf 240.000 € begrenzt.
(6) Mit der in den vorstehenden Absätzen geregelten Vergütung für den Assekuradeur ist die Gebühr für die Hingabe der Lizenz zur Nutzung des Wordings für die Laufzeit des Vertrages abgegolten. Eine gesonderte Lizenzgebühr wird nicht berechnet.
[…]
„Anlage 2 zum Assekuradeurvertrag
Agenturinstruktionen
[…]
2. Der Assekuradeur hat dafür Sorge zu tragen, dass die rechtlichen Voraussetzungen zum Abschluss des jeweiligen Versicherungsvertrages vorliegen.
[…]
3.2 Der Assekuradeur hat Korrespondenz mit Ämtern und Behörden, die sich auf den Versicherungsbetrieb der Special-Risks-Produkte bezieht, mit dem Versicherer vor Beginn abzustimmen.
3.3. Der Assekuradeur stimmt sich zudem mit dem Versicherer vor Korrespondenzeröffnung mit Medien ab, wenn und soweit das Versicherungsgeschäft des Versicherers betroffen ist oder sein könnte.
4.1 Der Assekuradeur gewährt dem Versicherer Einsicht in die Unterlagen / Dateien der ihn betreffenden Versicherungsverträge. Die Vertragsparteien haben hierzu vereinbart, dass der Versicherer Zugang zum Verwaltungssystem des Assekuradeurs Intro-Safe erhält. Hierüber wurde ein separater Vertrag geschlossen.
4.2. Der Assekuradeur übernimmt für den Versicherer dem Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer gesetzlich obliegenden Beratungs-, Information- und Dokumentationspflichten. Die dem Assekuradeur diesbezüglich selbst obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen bleiben hiervon unberührt.
[…]
6. Der Assekuradeur hat die Pflicht, alle Schäden unverzüglich dem Versicherer zu melden. Gleichermaßen informiert der Assekuradeur den Versicherer über den Fortgang der Schäden. Vor Auszahlung oder Ablehnung eines Schadens, der einen Betrag von 100.000 € für 100 % übersteigt, holt der Assekuradeur die Einwilligung des Versicherers ein.
[…]“
„Nachtrag zum Assekuradeur-Vertrag
§ 1 Vertragsgegenstand
(1) Die versicherten Risiken im Einzelnen und damit auch der Vertragsgegenstand dieses Vertrages ergeben sich aus dem diesem Vertrag als Anlage 1 beigefügten Versicherungsbedingungen („Wording“) des Produktes “A“. Der Inhalt dieses Wordings ist Bestandteil dieses Vertrages, kann aber nach vorheriger Zustimmung des Versicherers vom Assekuradeur abgeändert werden.
(2) Der Assekuradeur stellt dem Versicherer aufgrund dieses Nachtrages zusätzlich das Versicherungsprodukt „A“, entsprechend dem diesem Vertrag als Anlage beiliegenden Wording, zu Policierung auf den Namen des Versicherers exklusiv zur Verwendung bereit. Der Assekuradeur verpflichtet sich, dieses Produkt keinem weiteren Versicherer zu Verfügung zu stellen. Die Bereitstellung des Versicherungsproduktes erfolgt durch Hingabe eines ausschließlichen Nutzungsrechtes („Lizenz“). Alle weiteren Rechte an dem Versicherungsprodukt verbleiben beim Assekuradeur.
[…]
§ 2 Vergütung
(1) Der Versicherer zahlt an den Assekuradeur zu Deckung der laufenden betrieblichen Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 2 über einen Zeitraum von Juni 2011 bis Dezember 2012 eine monatliche Courtagevorauszahlung in Höhe von 7.500 € (siebentausendfünfhundert) inkl. USt. in jeweils geltender Höhe zum ersten eines jeden Monats. Der Versicherer erstattet darüber hinaus auf Nachweis die angefallenen Reisekosten des Assekuradeurs. Der Versicherer hat keinen Anspruch auf Erhalt einer Abrechnung im Sinne des §§ 14 Abs. 4 UStG, die zum Vorsteuerabzug berechtigt.
(2) Der Versicherer zahlt dem Assekuradeur eine Courtage in Höhe (§ 354 Abs. 1 HGB) von 22,5 % des Nettobetrages für jede vom Versicherer abgeschlossene „A“ Versicherung, […]. Die Verpflichtung zur Zahlung der Courtage gilt unabhängig davon, ob der Abschluss des Versicherungsvertrages von dem Assekuradeur, dem Versicherer oder einem Dritten für den Versicherer vermittelt wurde. Hiervon ausgeschlossen sind Abschlüsse des Versicherungsmaklers I GmbH.
[…]
(5) Ferner erstattet der Versicherer dem Assekuradeur monatlich zu Monatsbeginn einen Betrag in Höhe von 1.150,34 € brutto. Hierbei handelt es sich um die Auslagen des Assekuradeurs für die Bereitstellung der 24-Stunden-Krisenhotline durch die V GmbH. Die Erstattungspflicht nimmt an keiner Abrechnung teil.
(6) Für die exklusive Bereitstellung des Produktes „A“ an die F Versicherung AG erhält die I GmbH eine einmalige nicht rückzahlbare Courtage in Höhe von 225.000 €. Fällig mit Abschluss dieses Vertrages. […]“
Beginnend im April 2013 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Der Prüfer traf ausweislich des Berichts über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 20.8.2013, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, im Wesentlichen die folgenden Feststellungen: Die Klägerin erbringe keine Leistungen eines Versicherers nach § 4 Nr. 10 UStG, da sie keinen Versicherungsschutz verschaffe. Es bestehe nur eine Vertragsbeziehung mit dem Versicherer. Die Leistungen der Klägerin seien aber auch nicht in vollem Umfang steuerbefreite Leistungen eines Versicherungsmaklers oder –vertreters gemäß § 4 Nr. 11 UStG. Genau genommen könne nur § 1 Abs. 1 des Assekuradeurvertrags als Tätigkeit eines Versicherungsvertreters bzw. –maklers qualifiziert werden. Die übrigen Tätigkeiten, wie das Bereitstellen des Wordings der Versicherungsbedingungen durch ein nicht ausschließliches Nutzungsrecht, die fortlaufende Anpassung des Versicherungsprodukts, die Prämienfindung („Pricing“), die Vertragsverwaltung, das Einrichten einer Krisenhotline, Schadensmanagement, Schulung des Vertriebs des Versicherers, „stand by“ Leistungen eines Krisenmanagers und das Sicherstellen von Beteiligungen durch Mitversicherer seien keine unter § 4 Nr. 11 UStG fallenden Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters. Diese Leistungen würden insgesamt auch keine einheitliche steuerfreie Leistung bilden. Diese Leistungen würden einen eigenständigen Charakter aufweisen. Es würde sich um wirtschaftlich trennbare Leistungen handeln, die für den Kunden F jeweils einen eigenen Zweck hätten. Die Leistungen, die nicht als Leistungen eines Versicherungsvertreters angesehen werden könnten, seien steuerpflichtig und würden einem Steuersatz von 19 % unterliegen. Auf die Lizenzüberlassung für das Wording der Versicherungsbedingungen sei der ermäßigte Steuersatz von 7 % gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c) UStG anzuwenden. In das Gesamtentgelt seien die einzelnen Leistungselemente eingepreist worden. Da der Versicherer erst durch die Entwicklung des Wordings und dessen Nutzungsüberlassung in die Lage versetzt werde, das Produkt anzubieten, müsse diese Nutzungsüberlassung einen wesentlichen Anteil an dem Gesamtbetrag der erzielten Umsätze ausmachen. Im Rahmen einer Schätzung sei daher davon auszugehen, dass 82 % der gesamten Umsätze auf die steuerfreien Leistungen entfallen würden, 10 % auf die steuerermäßigte Überlassung der Lizenz am Wording und 8 % auf die im Übrigen steuerpflichtigen Leistungen zum Regelsteuersatz. Auf der anderen Seite seien hierdurch höhere Vorsteuern abziehbar, wie sich im Einzelnen aus Tz. 2.4. des Berichts ergebe.
Mit Bescheid vom 4.11.2013 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer entsprechend den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung auf 28.164,28 € fest. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Ihren Einspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen unter Wiederholung ihres Vortrags aus dem Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung für 2011. Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9.9.2014 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zunächst hat die Klägerin unter Wiederholung ihres Vortrags im Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung für 2011 und der Einspruchsbegründung ausgeführt, dass sie, die Klägerin, wie eine Art ausgegliederte Spezialabteilung des Versicherers fungiere. Sie, die Klägerin, habe im Rahmen der Entwicklung des Produkts Y ein eigenes Konzept zur Optimierung der Sicherheit auf den zu versichernden Schiffen erarbeitet. Nur die Schiffe, die dieses Sicherheitskonzept übernehmen würden, würden überhaupt die Möglichkeit auf Versicherungsschutz erhalten. Ohne Übernahme des Sicherheitskonzepts werde der Versicherungsschutz abgelehnt. Die Klägerin arbeite bei der Beurteilung des Sicherheitskonzepts mit Risikomanagern u.a. der Fa. U GmbH zusammen. Die Evaluierung des Risikos für den Versicherer erfolge durch sie, die Klägerin, selbst. Mit der Durchführung der präventiven Beratung anhand eines Sicherheitskonzepts durch ein Sicherheitsunternehmen würden die Vorgaben der Bafin umgesetzt, die die Voraussetzungen für den Abschluss einer Lösegeldversicherung definiert habe. Ohne eine dementsprechende Leistungskomponente sei es nicht zulässig, das Produkt Y anzubieten. Im Schadensfall sei sie, die Klägerin, beauftragt, mit dem zuständigen Risikomanager Kontakt aufzunehmen und die Schadensabwicklung im Namen und für Rechnung des Versicherers vorzunehmen. Die Schadensregulierung sei fester Bestandteil der Tätigkeit eines Assekuradeurs. Die an den Vertrieb des Produkts Y anknüpfende Erhebung der Versicherungsbeiträge sowie die Abwicklung des Zahlungsverkehrs auch im Schadensfall seien originär mit den Aufgaben eines Assekuradeurs verbunden. Die Verwaltung und Schadensbearbeitung derartiger Versicherungsprodukte werde durch die Bafin reglementiert. Eine Auslagerung dieser Tätigkeit auf einen „fremden Dritten“ sei nicht möglich. Die Klägerin fungiere hier nicht als externer Dienstleister für den Versicherer. Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass die Klägerin wie eine Art ausgegliederte Spezialabteilung des Versicherers fungiere. Im Assekuradeurvertrag mit der F seien weitere Dienstleistungen und Geschäftsbesorgungen festgelegt worden, die allesamt zur Tätigkeit eines Assekuradeurs zählen würden und im Zusammenhang mit der Vermittlung der Versicherung notwendig würden. Dies seien z.B. die fortlaufende Anpassung des Versicherungsproduktes an die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Bedingungen. Außerdem die Vertragsverwaltung betreffend Verträge zwischen F und Versicherungsnehmern, die durch sie, die Klägerin, vermittelt worden seien, was eine Umsetzung der Vorgaben der Bafin darstelle. Dasselbe gelte hinsichtlich des Schadensmanagements bezüglich ausschließlich von ihr, der Klägerin, vermittelter Versicherungen, was ebenfalls eine Umsetzung der Bafin-Vorgaben darstelle. Rechtlich sei zu den vorstehenden Umständen festzustellen, dass zu den nach § 4 Nr. 11 UStG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerbefreiten Leistungen auch die Leistungen eines Assekuradeurs gehören würden. Der Beklagte gehe fehlerhaft davon aus, dass die von der Klägerin erbrachten Back-Office-Tätigkeiten sowie die Lizenzüberlassung für das Wording nicht das Schicksal der Vermittlungsleistung teilen würden. Sämtliche Leistungselemente würden eine einheitliche Leistung bilden, deren prägender Charakter die Vermittlung eines Versicherungsprodukts sei.
Mit Schriftsatz vom 13.9.2017 hat die Klägerin, entgegen den Ausführungen in ihrem Begleitschreiben zur Umsatzsteuererklärung 2011, in Widerspruch zur Begründung ihres Einspruchs und zur Klagebegründung vom 8.10.2014 unter Beweisanerbieten vorgetragen, dass sie, die Klägerin, die Schadensregulierung im Namen und für Rechnung der jeweiligen Versicherung nicht vorgenommen habe, sondern diese Leistung ausschließlich durch die U GmbH erbracht und dem Versicherer direkt in Rechnung gestellt worden sei. Die Regulierung habe dem Versicherer oblegen. Bei der U GmbH handele es sich um ein in J ansässiges Unternehmen, das unter anderem spezialisierte Consultants für den Bereich Y beschäftige. Mit dem durch sie, die Klägerin, entwickelten Produkt Y erhalte die jeweilige Reederei als Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für ihre Schiffe sowie für die jeweilige Crew gegen Piraterie. Im Falle eines Piratenangriffs und einer damit möglicherweise verbundenen Geiselnahme stelle die U GmbH dem Versicherungsnehmer sofort für die gesamte Dauer des Vorfalls Krisenberater zur Seite. Gemeinsam mit diesem Krisenteam werde dann an der Strategie für Verhandlungen, Lösegeldübergaben sowie humanitäre Maßnahmen gearbeitet. Diese Leistung werde von der U GmbH direkt gegenüber der Versicherung in Rechnung gestellt. Eine Kostenübernahme (mit anschließender Regulierung) durch sie, die Klägerin, erfolge nicht. Im Hinblick auf den mit dem Berichterstatter durchgeführten Erörterungstermin nehme sie, die Klägerin, zu den einzelnen Dienstleistungselementen wie folgt Stellung: Es sei zutreffend, dass sie, die Klägerin, den Kontakt zum jeweiligen Kunden herstelle und diesen pflege. Ebenso führe sie, die Klägerin, auch die Einwertung des für den Versicherer bei Abschluss der Versicherung bestehenden Risikos (mit Hilfe versicherungsmathematischer Berechnungen) durch das sog. Pricingtool durch. Die Erarbeitung eines Konzepts zur Optimierung der Sicherheit auf Schiffen werde allerdings nicht durch sie, die Klägerin, erbracht, sondern durch die U GmbH. Diese Dienstleistung werde dann dem jeweiligen Versicherer oder direkt dem Kunden, d.h. dem Versicherungsnehmer, in Rechnung gestellt. Es sei zutreffend, dass sie, die Klägerin, die Policierung der Versicherungen übernehme. Im Falle eines Schadens erfolge die Kontaktaufnahme durch den Versicherungsnehmer mit der U GmbH. Der Versicherungsnehmer kontaktiere die Hotline der U GmbH und schildere dort sein Problem. Die Hotline werde nur durch die U GmbH zur Verfügung gestellt. Sie, die Klägerin, werde lediglich mittels eines so genannten „Daily Reports“ durch die U GmbH benachrichtigt. Gemäß § 1 Abs. 3 Buchst. e) des Assekuradeurvertrags obliege ihr, der Klägerin, zwar das Schadensmanagement, diese Leistung werde allerdings nicht durch sie, die Klägerin, sondern durch die U GmbH gegenüber dem Versicherer erbracht. Gemäß § 1 Abs. 2 des Assekuradeurvertrags stelle sie, die Klägerin, dem Versicherer zwar ein Wording zur Verfügung. Diese Leistung werde von der jeweiligen Versicherung aber nicht gesondert vergütet. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 6 des Assekuradeurvertrags. Gemäß § 1 Abs. 2 und Abs. 3 Buchst. a) des Assekuradeurvertrags sei sie, die Klägerin, zwar verpflichtet, eine fortlaufende Anpassung des Versicherungsproduktes an die gesetzlichen Bestimmungen vorzunehmen. Diese Leistung werde allerdings nicht durch sie, die Klägerin, sondern durch den jeweiligen Versicherer erbracht. Die Vertragsverwaltung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer (§ 1 Abs. 3 Buchst. c) des Assekuradeurvertrags) werde durch sie, die Klägerin, erbracht. Hierbei handele es sich insbesondere um Vertragsanpassungen in Bezug auf „Kidnapp-Themen“. Entgegen dem Assekuradeurvertrag werde eine Krisenhotline nicht durch sie, die Klägerin, sondern ausschließlich durch die U GmbH eingerichtet. Auch die Hintergrund- und Risikorecherche bzw. die Entwicklung eines präventiven Krisenplans sowie die Schulungen des Schiffspersonals würden nicht von ihr, der Klägerin, sondern von der U GmbH erbracht. Zutreffend sei allerdings, dass die Versicherungsprodukte selbst, also die Versicherungen X, Y und Z von ihr, der Klägerin, entwickelt worden seien. Was die Schulung und Unterstützung des Vertriebs des Versicherers angehe, wie dies gemäß § 1 Abs. 3 Buchst. f) des Assekuradeurvertrags vereinbart sei, handele es sich mehr um einen Vortrag, der auch nur einmal stattfinde, als um eine Schulung. Dieser Vortrag finde im Rahmen einer Vertriebsveranstaltung statt, auf der die Mitarbeiter des Vertriebs des betreffenden Versicherers darüber informiert würden, welche Produkte, sie, die Klägerin, anbiete. Sie, die Klägerin, erbringe auch keine „stand-by-Leistungen“ eines Krisenmanagers. Diese Leistung würde ausschließlich durch die U GmbH erbracht. Die Klägerin habe für den Versicherer auch noch keine Mitversicherer gesucht (vgl. § 1 Abs. 4 Buchst. d) des Assekuradeurvertrags). Ein Assekuradeur besorge zusätzliche Mitversicherer für den Fall, in dem die Deckungssumme für einen einzigen Versicherer zu hoch sei. Bei noch keinem abzuschließenden Versicherungsvertrag sei aber bisher die Deckungssumme für einen einzelnen Versicherer zu hoch gewesen.
Sie, die Klägerin, sei rechtlich der Ansicht, dass Leistungsvorgänge, die eine Einheit darstellen würden, umsatzsteuerlich nicht in ihre Bestandteile zerlegt werden dürften. Nach ihrer, der Klägerin, Auffassung, liege im Streitfall eine einheitliche Leistung vor, die insgesamt als einheitliche Versicherungsvermittlungsleistung angesehen werden müsse, da ihr, der Klägerin, hierfür eine einheitliche Vergütung gezahlt würde. Dadurch dass eine gesonderte Lizenzgebühr für die Zurverfügungstellung des Wordings nicht berechnet werde, trete der Telos des Vertrags klar zu Tage, nämlich die Vermittlung von Special-Risks-Versicherungen. Nur hierfür erhalte sie, die Klägerin, vom Versicherer ein Entgelt. Es komme beiden Parteien des Vertrags ausschließlich auf die Versicherungsvermittlung an. Die übrigen Dienstleistungen aus dem Katalog des § 1 Abs. 3 des Assekuradeurvertrags sowie die zur Verfügungstellung der Versicherungsprodukte seien für die erbrachte Leistung nicht prägend, insbesondere, da diese für das Entgelt, das die Klägerin erhalte, unbeachtlich seien. Daher handele es sich um eine einheitliche Leistung in Form der Versicherungsvermittlung, die nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei sei. Außerdem könne sie, die Klägerin, sich auch unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL berufen. Nach Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2002/92/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 9.12.2002 über Versicherungsvermittlung (Richtlinie 2002/92/EG) gelte als Versicherungsvermittlung das Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen. Eine Versicherungsvermittlung liege nur dann nicht vor, wenn sie von einem Versicherungsunternehmen oder einem Angestellten eines Versicherungsunternehmens ausgeübt werde. Nach Art. 2 Nr. 5 gelte als Versicherungsvermittler jede natürliche oder juristische Person, die die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung gegen Vergütung aufnehme oder ausübe. Diese Voraussetzungen seien bei ihr, der Klägerin, gegeben. Die Bezeichnung als Assekuradeur sei insoweit unschädlich.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2011 vom 4.11.2013 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.9.2014 die Umsatzsteuer auf 0,00 € festzusetzen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im Rahmen seiner Gegenäußerung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass nur die Leistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 11 UStG steuerfrei seien, die spezifisch und wesentlich die Funktion einer Versicherungsvermittlung erfüllen würden, nämlich die am Abschluss interessierten Personen zusammenzuführen. Demnach sei bei einem Assekuradeur nur diese Leistung steuerbefreit. Die Schadensregulierung, die laut Vortrag der Klägerin fester Bestandteil der Tätigkeit eines Assekuradeurs sei, gehöre nicht zu den steuerbefreiten Leistungen. Außerdem werde weiterhin daran festgehalten, dass die Umsätze aus der Rechteüberlassung des Wordings und für die Ausführung von Sachaufgaben und Geschäftsbesorgungen (Back-Office-Tätigkeiten) nicht der Steuerbefreiung unterliegen würden.
Am 24.5.2017 ist die Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter mit dem Beteiligten erörtert worden. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 24.5.2017 wird Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Aus den Gründen
I. Die Klage ist unbegründet.
Der Umsatzsteuerbescheid für 2011 vom 4.11.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 9.9.2014 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Einen die Klägerin in ihren Rechten verletzenden Rechtsverstoß kann in der teilweisen Behandlung der Umsätze als steuerpflichtig nicht gesehen werden, da tatsächlich sämtliche Umsätze der Klägerin steuerpflichtig sind.
1. Gemäß § 4 Nr. 11 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler befreit.
a) § 4 Nr. 11 UStG dient der Umsetzung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.
Die von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL verwendeten Begriffe sind dabei nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH autonom unionsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern. Zudem sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 131 ff. MwStSystRL umschrieben sind, eng auszulegen, da diese Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt.
Nach den unionsrechtlichen Vorgaben gehört es zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen. Leistungen von Versicherungsvertretern und -maklern sind dabei nur steuerfrei, wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen (EuGH-Urteil vom 17.3.2016 C-40/15, Aspiro, HFR 2016, 418).
Außerdem kommt eine Anerkennung der steuerfreien Tätigkeit als Versicherungsvertreter bei solchen Leistungen nicht in Betracht, bei denen wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, fehlen. Das gilt selbst dann, wenn im Übrigen auch Dienstleistungen erbracht werden, die zum wesentlichen Inhalt der Tätigkeiten eines Versicherungsunternehmens beitragen (EuGH-Urteil vom 3.3.2005 C-472/03, Arthur Andersen, HFR 2005, 485). Zudem sind auch bloße Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig (BFH-Urteil vom 6.9.2007 V R 50/05, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 219, 237, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2008, 829); die Tätigkeit muss für einen Versicherungsvertreter berufstypisch sein.
2. Bei der Beurteilung der Vielzahl der einzelnen im Streitfall erbrachten Leistungselemente ist zu berücksichtigen, dass eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht in mehrere selbständige Leistungen zerlegt werden darf, wenn sie wirtschaftlich ein unteilbares Ganzes bildet. Daher ist bei Erbringung eines Bündels von Leistungen das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln und aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher gegenüber mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (vgl. EuGH-Urteil vom 25.2.1999 C-349/96, Card Protection Plan, HFR 1999, 421). Umsatzsteuerrechtlich ist eine einheitliche, nicht aufteilbare Leistung anzunehmen, wenn die verschiedenen Leistungselemente aus der Sicht eines durchschnittlichen Leistungsempfängers zur Erreichung eines einheitlichen wirtschaftlichen Ziels beitragen und hinter dem Ganzen zurücktreten (vgl. BFH-Urteil vom 8.9.1994 V R 46/92, BFHE 175, 467, BStBl. 1994, 957).
3. Der erkennende Senat ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Streitfalls bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze der Überzeugung, dass die Klägerin in erheblichem Umfang Dienstleistungen erbracht hat, die nicht zu den wesentlichen Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters bzw. ‑maklers gehören, und diese insgesamt eine einheitliche steuerpflichtige Leistung bilden.
Der Senat verkennt insoweit nicht, dass die Klägerin zum Teil Leistungen erbringt bzw. sich zur Leistungserbringung gegenüber dem Versicherer, der F, verpflichtet hat, die zum wesentlichen Inhalt der Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehören, wie z.B. Kontakt zum Kunden herstellen und pflegen und die eigentliche Vermittlung einer Versicherung, die Übernahme der Policierung und die Vertragsverwaltung eigener vermittelter Versicherungen. Nicht erheblich ist insoweit, ob auch die Einwertung des für den Versicherer bei Abschluss der Versicherung bestehenden Risikos und die versicherungsmathematische Ermittlung der Beiträge des Versicherungsnehmers mit Hilfe sog. „Pricingtools“ ebenfalls noch zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters gehören (zweifelhaft nach EuGH-Urteil vom 3.3.2005 C-472/03, Arthur Andersen, Rn. 33 ff.).
Die Klägerin hat sich – auch wenn sich die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz vom 13.9.2017 unter Beweisanerbieten von der tatsächlichen Erbringung einzelner Leistungselemente distanziert hat – zur Erbringung zahlreicher Leistungen durch den Assekuradeurvertrag verpflichtet, die nicht als Leistungen eines Versicherungsvertreters bzw. –maklers i. S. des § 4 Nr. 11 UStG angesehen werden können. Auch wenn die Klägerin zuletzt vorgetragen hat, dass einzelne Leistungen nicht durch den Versicherer abgerufen wurden, so stellt bereits die Verpflichtung zur Erbringung dieser Leistungen, also bereits die potentielle Abrufbarkeit dieser Leistungen durch den Versicherer, Leistungen dar, die nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG befreit werden können. Hierzu gehört die Schadensregulierung im Namen und für Rechnung der Versicherung, zu der sich die Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 Buchst. e) des Assekuradeurvertrags verpflichtet hat. Hierzu gehört des Weiteren die Verpflichtung, am Abschluss von Regulierungsabkommen mitzuwirken (vgl. § 1 Abs. 3 Buchst. c) des Assekuradeurvertrags), sowie die Verpflichtung, fortlaufende Anpassungen des Versicherungsprodukts an die gesetzlich vorgesehenen Bedingungen vorzunehmen (§ 1 Abs. 2 letzter Satz und Abs. 3 Buchst. a) des Assekuradeurvertrags). Des Weiteren ist die Verpflichtung zur Schulung des Vertriebspersonals des Versicherers und deren tatsächlicher Durchführung (§ 1 Abs. 3 Buchst. f) des Assekuradeurvertrags) keine Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers. Außerdem ist die Verpflichtung zur Suche von Mitversicherern bei sehr hohen Deckungssummen keine Tätigkeit eines Versicherungsvertreters, da insoweit zwar Kontakte zwischen zwei Parteien hergestellt würden, diese Kontaktherstellung aber nur unter den Versicherern und nicht im Verhältnis zum Versicherungsnehmer erfolgt.
Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin, also das für die gesamte Leistung prägende Hauptelement, vielmehr darin, dass die Klägerin vollständig neue Versicherungsprodukte entwickelt hat und den Versicherern damit eine neue Möglichkeit geschaffen hat, Versicherungen zu vertreiben. Wie die Klägerin selbst mehrfach vorgetragen hat, hat sie die Bedingungen des Versicherungsproduktes Y (und der anderen Versicherungsprodukte) unter Berücksichtigung sämtlicher Vorgaben und Regulierungen der Bafin entwickelt. In Bezug auf das Produkt Y können nur die Schiffe, die diese von ihr aufgestellten Versicherungsbedingungen erfüllen, überhaupt die Möglichkeit auf Versicherungsschutz erhalten. Diese Leistung der Klägerin entspricht im Kern der Tätigkeit eines Versicherers allerdings ohne die Gewährung von Versicherungsschutz, so dass sie nicht nach § 4 Nr. 10 UStG befreit werden kann. Für die Entwicklung und Nutzbarmachung der Versicherungsprodukte erhält die Klägerin auch ihre Vergütung. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Assekuradeurvertrags „zahlt der Versicherer dem Assekuradeur vorbehaltlich des Absatzes 3 eine Courtage in Höhe (§ 354 Abs. 1 HGB) von 22,5 % des Netto-Beitrages für jede von dem Versicherer abgeschlossene Special-Risks-Versicherung“. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 des Assekuradeurvertrags gilt die „Verpflichtung zur Zahlung der Courtage […] unabhängig davon, ob der Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Assekuradeur, den Versicherer oder durch einen Dritten zustande kommt.“ Wenn die Klägerin tatsächlich für die eigentliche Versicherungsvermittlertätigkeit vergütet werden sollte, käme eine Vergütung nur für die von ihr vermittelten Versicherungen und nicht auch für jede durch die Versicherung selbst oder sogar durch Dritte vermittelte Versicherungen in Betracht. Die Art der Vergütung lässt allein den Schluss zu, dass es der Versicherung darum geht, die Nutzungsmöglichkeit an einem Versicherungsprodukt zu erhalten, um dieses (durch wen auch immer) vertreiben zu können. Dass es um die (steuerpflichtige) Bereitstellung eines Versicherungsprodukts und nicht um eine (steuerfreie) Versicherungsvermittlung geht, wird durch die zwischen der Klägerin und der Versicherung vereinbarten Regelung zum Wording der Versicherungsbedingungen der Special-Risks-Versicherungen unterstrichen. Denn nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Assekuradeurvertrags stellt der „Assekuradeur […] dem Versicherer seine Versicherungsprodukte „X“ und „Y“ entsprechend dem als Anlage beiliegenden Wording zur Policierung auf den Namen des Versicherers zur Verwendung bereit. Die Bereitstellung der Versicherungsprodukte erfolgt durch die Hingabe eines nicht ausschließlichen Nutzungsrechtes („Lizenz“).“ Einer gesonderten Vergütung allein für das Wording der Versicherungsbedingungen bedurfte es nicht (§ 2 Abs. 6 des Assekuradeurvertrags), da die Vergütung für die Bereitstellung des gesamten Versicherungsprodukts bereits einer Lizenzgebühr entspricht, nämlich 22,5 % der Versicherungsprämie einer jeden abgeschlossenen Special-Risks-Versicherung. Dass es den Beteiligten des Assekuradeurvertrags um die Entwicklung und Nutzbarmachung eines neuen Versicherungsproduktes geht, wird außerdem durch die Mindestvergütung gestützt. Nach § 2 Abs. 5 Satz 4 des Assekuradeurvertrags ist im Falle von überschießenden Vorauszahlungen (24 x 30.000 = 720.000 €) gegenüber der tatsächlich verdienten Provision für vertriebene Special-Risks-Versicherungen die „Rückzahlungsverpflichtung […] auf 240.000 € begrenzt.“ Damit ist ein Mindestpreis i. H. von 480.000 € für die Entwicklung und die Gewährung der Nutzungsmöglichkeit der Special-Risks-Versicherungen vereinbart. Einen derartig hohen Mindestpreis hätte keine Versicherung allein für die Zusage eines Vermittlers erteilt, Versicherungen vermitteln zu wollen. Letztlich wird durch § 2 Abs. 6 des Nachtrags zum Assekuradeurvertrags deutlich, auf welches Leistungselement es dem Versicherer tatsächlich ankommt. Für „die exklusive Bereitstellung des Produktes „A“ an die F Versicherung AG erhält die I GmbH eine einmalige nicht rückzahlbare Courtage in Höhe von 225.000 €.“ Es ist kaum vorstellbar – und entspricht auch nicht dem Nachtrag zum Assekuradeurvertrag – dass diese Zahlung für die ausschließliche Vermittlungstätigkeit durch die F bezahlt würde, sondern – wie auch ausdrücklich vereinbart – für das ausschließliche Nutzungsrecht an dem Versicherungsprodukt „A“ der Klägerin.
Die Klägerin sieht sich selbst, wie von ihr im Rahmen der Klagebegründung vorgetragen, als eine Art ausgegliederte Spezialabteilung der Versicherer. Das prägende Hauptelement ihrer Leistung ist die Veräußerung ihrer Expertise in dem Bereich der Special-Risks-Versicherungen in Form eines Versicherungsprodukts und liegt nicht im Schwerpunkt in der Vermittlung von Versicherungen. Da die Klägerin selbst keinen Versicherungsschutz verschafft, ist ihre Tätigkeit, auch wenn sie der Tätigkeit eines Versicherers ähnlich ist, aus diesem Grund nicht steuerfrei, sondern insgesamt steuerpflichtig.
Vor dem Hintergrund des Vorstehenden kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin durch ihre gegenüber dem Versicherer eingegangenen Verpflichtungen, die unmittelbar mit der – durch die Bafin regulierten – Gewährung von Versicherungsschutz in Piraterie-Fällen zusammenhängen (wie z.B. Einrichtung einer Krisenhotline und Bereitstellung und weltweite garantierte „stand by“ Leistung eines Krisenmanagers gemäß § 1 Abs. 3 Buchst. d) und Buchst. g) des Assekuradeurvertrags), noch weitere Leistungselemente erbracht hat, die weder mit der Tätigkeit eines Versicherers noch mit der eines Versicherungsvertreters zu tun haben.
4. Da § 4 Nr. 11 UStG vorstehend unionsrechtskonform ausgelegt wurde, gewährt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a) MwStSystRL keine weitergehenden Rechte. Die Steuerfreiheit der Leistungen der Klägerin ergibt sich daher ebenso wenig aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.
5. Die einheitliche Leistung der Klägerin, d.h. die Entwicklung eines Versicherungsprodukts und die Nutzbarmachung dieses Produkts zum Vertreib durch die jeweiligen Versicherer, ist auch keine ermäßigt zu versteuernde Leistung i. S. des § 12 Abs. 2 UStG.
Der Beklagte hätte vor dem Hintergrund des Vorstehenden über die Umsatzsteuerfestsetzung für 2011 zu Lasten der Klägerin hinausgehen können. Das Gericht ist aber durch das sogenannte Verbot der reformatio in peius, also des Verbots der Schlechterstellung der Klägerin im Klageverfahren, daran gehindert, diese Festsetzung zu Lasten der Klägerin zu ändern und eine Steuer höher festzusetzen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird zugelassen. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO liegen vor.