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Steuerrecht
11.07.2024
Steuerrecht
FG Münster: Schädlichkeit des Betriebs einer Photovoltaikanlage für die erweiterte Kürzung

FG Münster, Beschluss vom 7.6.2024 – 14 V 508/24 G, rkr.

ECLI:DE:FGMS:2024:0607.14V508.24G.00

Volltext des Beschlusses: BB-ONLINE BBL2024-1701-1

Leitsätze der Redaktion

1. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt voraus, dass die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes nur gewährt wird, wenn die der „ausschließliche“ Betätigungszweck ist.

2. Der Betrieb einer Photovoltaikanlage ist eine schädliche Verwendung des Grundbesitzes mit der Folge, dass die erweiterte Kürzung nicht gewährt wird, weil gewerbliche Einkünfte vorliegen.

3. Der Grundbesitz dient auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist.

4. Der Betrieb der Photovoltaikanlage ist nicht dem Netzbetreiber zuzurechnen, auch wenn dieser die Vergütung zahlt, es sei denn es ist eine ausdrückliche Nutzungsüberlassung vereinbart.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2019 und 2020.

Die Beteiligten streiten in der Sache darüber, ob die Antragstellerin in den Jahren 2019 und 2020 (Streitjahre) Anspruch auf die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hat.

Die Antragstellerin ist eine Grundstücksgesellschaft. Gesellschafter der Antragstellerin waren im Streitzeitraum 2019 bis 2021 die folgenden Personen: Herr B., Frau R., Frau T., Herr N. und Herr X..

Über das in ihrem Eigentum stehende Grundvermögen hat die Antragstellerin langfristige Mietverträge abgeschlossen.

Die Gesellschafter Herr B. und Herr N. waren im Streitzeitraum zudem – gemeinsam mit Herrn V. – Gesellschafter der W. GbR […].

Am 03.12.2012 schloss die Antragstellerin mit der W. GbR einen Vertrag, nach dem die W. GbR auf den der Antragstellerin gehörenden Gebäudeflächen G01, M., eine Photovoltaikanlage mit einer Leistungsfähigkeit von 160 kWp installieren und betreiben sowie die hierzu erforderlichen Arbeiten ausführen darf.

Die W. GbR installierte sodann im Jahr 2011 die entsprechende Photovoltaikanlage mit einer maximalen Leistung von 160,55 kWp und schloss mit der Stadtwerke M. Netz GmbH einen Vertrag über die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Dieser Vertrag vom 21.02.2012 regelte nach Ziff. 4 des Vertrages die Abnahme und Vergütung von Strom, den die W. GbR in ihrer Anlage zur Nutzung solarer Strahlungsenergie erzeugt und in das Netz des Netzbetreibers (der Stadtwerke M. Netz GmbH) einspeist. Nach Ziff. 5.1 des Vertrages ist die W. GbR berechtigt, die gesamte elektrische Energie, die in ihrer Photovoltaikanlage erzeugt wird, in das Netz des Netzbetreibers einzuspeisen. Nach Ziff. 8.1 des Vertrages vergütet der Netzbetreiber dem Einspeiser für die von ihm an der Übergabestelle an den Netzbetreiber gelieferte Energie das gemäß dem EEG in der jeweils gültigen Fassung für diese Energiequelle zu zahlende Mindestentgelt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages (Bl. 10 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Antragsgegner erließ für die Jahre 2019 bis 2021 zunächst jeweils erklärungsgemäße, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Gewerbesteuermessbescheide. Dabei kam die von der Antragstellerin beantragte erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zur Anwendung.

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung L. (im Folgenden: GKBP L.) führte bei der Antragstellerin eine die Jahre 2019 bis 2021 betreffende Betriebsprüfung durch, an der auch ein Gemeindeprüfer der Stadt M. teilnahm. Dabei kam der Prüfer der GKBP L. in seinem Bericht über die Betriebsprüfung vom 15.08.2023 zu der Auffassung, dass der Antragstellerin die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen sei, da der Grundbesitz zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diene (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG). Die W. GbR, an der anteilig die beiden Gesellschafter der Antragstellerin B. und N. beteiligt seien, betreibe mit der Photovoltaikanlage einen Gewerbebetrieb.

Der Antragsgegner erließ auf dieser Grundlage geänderte Gewerbesteuermessbescheide betreffend die Jahre 2019, 2020 und 2021, jeweils vom 31.10.2023. Dagegen wandte sich die Antragstellerin mit Einsprüchen vom 24.11.2023 und beantragte zudem die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28.02.2024 ab.

Die Antragstellerin hat daraufhin betreffend die Gewerbesteuermessbescheide 2019 bis 2021 am 13.03.2024 den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt. Mit Bescheid vom 06.05.2024 hat der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 2021 gewährt und die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Das Verfahren wurde insoweit zur gesonderten Entscheidung abgetrennt und eingestellt.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass es sich bei den Einkünften der W. GbR aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht um Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sondern um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder um sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG handele. Dies begründet sie wie folgt:

Bei dem Vertrag zwischen der W. GbR und der Stadtwerke M. Netz GmbH handele es sich tatsächlich um eine Nutzungsüberlassung der Photovoltaikanlage an die Stadtwerke M. Netz GmbH. Der Eigentümer der Photovoltaikanlage müsse diese nicht laufend steuern oder überwachen, sondern der Strom werde unmittelbar ohne laufende Mitwirkung des Eigentümers erzeugt und in das Netz des Netzbetreibers übernommen. Der Netzbetreiber sei damit selbst der unmittelbare und umfassende Nutzer der Photovoltaikanlage mit allen ihren Komponenten. Dies werde auch durch die zahlreichen Rechte des Netzbetreibers im Zusammenhang mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage (in Ziff. 6 und 10 des Vertrages) deutlich. Dieser habe umfangreiche Rechte, die Nutzung der Anlage operativ zu gestalten, während Einflussnahmen des Eigentümers der Anlage weitgehend ausgeschlossen seien. Der Netzbetreiber sei auch verpflichtet, den gesamten Strom abzunehmen und zu vergüten (Ziff. 5.4 des Vertrages). Es sei ein reines Konstrukt der Vertragssprache, zwischen der Erzeugung des Stroms durch den Einspeiser und dem Verkauf des Stroms in einem zweiten Schritt an den Netzbetreiber zu unterscheiden. Dem stehe auch nicht die Bemessung des Nutzungsentgelts nach der Menge des eingespeisten Stroms entgegen. Die Vergütung sei gesetzlich für 20 Jahre festgelegt.

Es würden zudem alle Merkmale fehlen, die für eine gewerbliche Tätigkeit typisch seien. Bezüglich des Merkmals „selbständige Tätigkeit“ sei anzumerken, dass nach der Investitionsphase in den folgenden 20 Jahren keine nennenswerte Tätigkeit erforderlich sei. Das Unternehmerrisiko sei sehr schwach ausgeprägt, da die Vergütung pro kWh für die nächsten 20 Jahre festgelegt sei und mit einer durchschnittlichen Sonnenscheindauer gut kalkuliert werden könne. Auch sei die Tätigkeit nicht nachhaltig, da die Tätigkeit mit der Investitionsphase im Wesentlichen beendet sei und in keine weiteren Anlagen investiert werden solle. Schließlich liege auch keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vor. Die Marktteilnahme beschränke sich auf den Abschluss des Einspeisevertrages mit der Stadtwerke M. Netz GmbH. Das Angebot sei gerade nicht an den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gerichtet. Dies sei auch auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer der Anlage von 20 Jahren festgelegt.

Bei der Abgrenzung zu den gewerblichen Einkünften sei auch zu beachten, dass schon zweifelhaft sei, ob eine Photovoltaikanlage überhaupt aktiv Energie erzeuge. Tatsächlich erfolge die Stromerzeugung eher passiv. Zudem erfordere schon eine durchschnittliche Vermietung von unbeweglichem Vermögen ein wesentlich höheres Maß an Komplexität der Tätigkeit und berge ein höheres wirtschaftliches Risiko.

Soweit in der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung von einer gewerblichen Tätigkeit ausgegangen worden sei, beruhe dies zum einen darauf, dass die Frage der Gewerblichkeit in den entschiedenen Fällen nicht streitig gewesen sei, und zum anderen darauf, dass die Rechtsprechung von den „irreführenden Narrativen von Erzeugung und Einspeisung durch den Anlagenbetreiber“ geprägt gewesen sei.

Auch der Begriff des „Anlagenbetreibers“ sei irreführend und könne kein Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit sein. Die Photovoltaikanlage habe nicht die Beschaffenheit und Komplexität, die ein „Betreiben“ ermögliche oder erfordere. Soweit ein Handeln erforderlich sein sollte, so sei der Betrieb dem Netzbetreiber zuzurechnen, was sich aus den entsprechenden vertraglichen Regelungen, etwa den Möglichkeiten der Fernsteuerung (Ziff. 6.11 des Vertrages) ergebe.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2019 bis 2020 vom 21.10.2023 in voller Höhe ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Seiner Auffassung nach liege ein Ausschlussgrund nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG vor, da das betroffene Grundstück an die W. GbR zur Nutzung überlassen werde und diese darauf eine Photovoltaikanlage betreibt. Hieraus erziele die W. GbR Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 15 Abs. 2 EStG.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liege eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit vor. Die ursprüngliche Investition sei eigenverantwortlich getätigt worden und die Planung, Errichtung, Instandhaltung und der fortlaufende Betrieb der Anlage lägen nach Ziff. 6 des Vertrages über die Einspeisevergütung nach EEG weiter in der Verantwortung des Betreibers. Hinsichtlich der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verweist der Antragsgegner auf das Urteil des FG Berlin Brandenburg vom 13.12.2011 (Az. 6 K 6181/08).

Es liege auch keine reine Vermögensverwaltung vor. Aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage werde aktiv Energie erzeugt. Die gewonnene Energie werde sodann an den Netzbetreiber veräußert. Inhalt des Vertrages sei gerade die Einspeisung und Veräußerung des Stroms, nicht die Überlassung der Anlagen an den Netzbetreiber.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. 1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2019 und 2020 ist unbegründet.

 

a) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehen ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, wird dabei nicht vorausgesetzt (vgl. BFH, Beschluss vom 15.04.2020 - IV B 9/20 (AdV), BFH/NV 2020, 919, m.w.N.).

 

b) Nach diesen Maßgaben kommt eine Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2019 und 2020 nicht in Betracht. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

Der Antragsgegner hat die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu Recht versagt.

 

aa) Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Begünstigt sind nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der sog. erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (vgl. dazu BFH, Urteil vom 18.04.2000 – VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, m.w.N.).

Der persönliche Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich“ ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG) betreiben darf; eine Tätigkeit außerhalb des ausdrücklich angeführten „erlaubten“ Bereichs führt zum Ausschluss der Begünstigung.

§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gilt darüber hinaus nicht, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient (§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung). Der Grundbesitz dient auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Beschluss vom 01.06.2022 – III R 3/21, DStR 2022, 2146, m.w.N.). Dabei ist es prinzipiell ohne Bedeutung, in welchem Umfang der Gesellschafter an der Grundstücksgesellschaft oder der nutzenden Gesellschaft beteiligt ist (BFH, Beschluss vom 01.06.2022 – III R 3/21, DStR 2022, 2146, m.w.N).

Gewerbebetrieb ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH des Weiteren, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.b aa).

 

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in den Streitjahren ausgeschlossen, da der Grundbesitz teilweise dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters diente.

Der Grundbesitz der Antragstellerin diente teilweise der Tätigkeit der W. GbR, an welcher die Gesellschafter der Antragstellerin, Herr B. und Herr N., beteiligt waren.

Die W. GbR erzielte in den Streitjahren mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage auch Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb. Die Produktion von Strom mit Hilfe von Photovoltaikanlagen sowie die entgeltliche Einspeisung des produzierten Stroms in das Stromnetz erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG (so auch bereits BFH, Urteile vom 24.10.2012 – X R 36/10, BFH/NV 2013, 252; vom 17.10.2013 – III R 27/12, BFHE 243, 327, BStBl II 2014, 372; vom 16.09.2014 – X R 32/12, BFH/NV 2015, 324; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2011 – 6 K 6181/08, EFG 2012, 959; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.04.2017 – 4 K 3005/14, juris; FG Nürnberg, Urteil vom 01.07.2015 – 5 K 842/14, EFG 2015, 2050).

Die W. GbR hat mit dem Betrieb der Photovoltaikanlage selbständig gehandelt. Sie war insbesondere bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb der Photovoltaikanlage keinen Weisungen Dritter unterworfen und trug auch das unternehmerische Risiko dieser Investition.

Die W. GbR war auch nachhaltig tätig. Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie von der Absicht getragen ist, sie zu wiederholen und daraus eine ständige Erwerbsquelle zu machen, und sie objektiv erkennbar auf Wiederholung angelegt ist (BFH, Urteil vom 22.02.2023 – X R 8/21, BFHE 280, 104, BStBl II 2023, 811). Der fortlaufende Betrieb der Photovoltaikanlage stellt eine nachhaltige Betätigung in dem vorgenannten Sinne dar. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht nur auf die einmalige Errichtung der Photovoltaikanlage an, sondern darauf, dass über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren die Anlage zur Stromerzeugung genutzt und der erzeugte Strom an den Netzbetreiber veräußert wird. Es handelt sich dabei um eine Dauertätigkeit, die zu einer ständigen Erwerbsquelle führt. Dass diese Tätigkeit für die W. GbR nicht mit besonders hohem Aufwand verbunden war, ist dafür ohne Bedeutung.

 

Die W. GbR beteiligte sich außerdem am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, dass eine Tätigkeit am Markt gegen Entgelt und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Das Merkmal dient dazu, solche Betätigungen auszugrenzen, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen, aber nicht auf einen Güter- und Leistungsaustausch gerichtet sind. Erkennbar angeboten wird die Tätigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn sie nur einem einzigen Marktteilnehmer angeboten wird. Maßgeblich ist dabei allein die Erkennbarkeit für einen oder mehrere Auftraggeber (BFH, Urteil vom 22.01.2003 – X R 37/00, BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464). Im Streitfall hat die W. GbR ihre Tätigkeit – die Erzeugung und Zurverfügungstellung von Strom mittels einer Photovoltaikanlage – dem Netzbetreiber als Marktteilnehmer angeboten. Sie war auf den Leistungsaustausch von erzeugtem Strom gegen Entgelt gerichtet. Dass der Vertrag über die Einspeisevergütung nach EEG nur mit dem einen Netzbetreiber geschlossen wurde, schadet entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Dies ist nur dem Umstand geschuldet, dass die Einspeisung nur in das vorhandene Stromnetz des Netzbetreibers möglich ist und dafür nicht mehrere Vertragspartner zur Verfügung standen (so auch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.12.2011 – 6 K 6181/08, EFG 2012, 959). Eine eigenständige Einspeisung von Strom in das Stromnetz für den allgemeinen Strommarkt ist derzeit nicht möglich. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die W. GbR den Strom auch einem anderen potenziellen Vertragspartner angeboten hätte, wenn anstelle der Stadtwerke M. Netz GmbH ein anderer Energieversorger dafür zur Verfügung gestanden hätte (vgl. auch BFH, Urteil vom 22.01.2003 – X R 37/00, BFHE 201, 264, BStBl II 2003, 464, Rn. 20, zu Einkünften aus einem Wohnmobilhandel).

Die W. GbR wurde ferner mit Gewinnerzielungsabsicht tätig. Hierzu hat die Antragstellerin nichts Gegenteiliges vorgetragen.

Die Tätigkeit der W. GbR stellte sich weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit dar.

Schließlich hat die W. GbR mit ihrer Betätigung auch den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschritten. Dabei kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Tätigkeit der W. GbR lediglich um eine Nutzungsüberlassung der gesamten Photovoltaikanlage an die Stadtwerke M. Netz GmbH handelt. Dafür spricht der eindeutige Vertragsinhalt des Vertrages zwischen der W. GbR und der Stadtwerke M. Netz GmbH. Der Vertrag regelt unter Ziff. 4 ausdrücklich „die Abnahme und Vergütung von Strom, […] den der Einspeiser in seiner Anlage zur Nutzung solarer Strahlungsenergie erzeugt und in das Netz des Netzbetreibers einspeist.“ Nach diesem Wortlaut ist Vertragsgegenstand folglich gerade keine Nutzungsüberlassung, sondern die Lieferung von Strom durch den Eigentümer der Anlage an den Netzbetreiber.

 

Dafür spricht auch der übrige Vertragsinhalt. Würde es sich um eine Nutzungsüberlassung handeln, so stünde dem Netzbetreiber die Nutzungshoheit über die Photovoltaikanlage unter Ausschluss des Eigentümers zu. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Tatsächlich hat der Netzbetreiber nur wenige Möglichkeiten, auf den Betrieb der Anlage Einfluss zu nehmen.

Zum einen bleibt der Eigentümer, hier die W. GbR, nach Ziff. 6.5 des Vertrages selbst verantwortlich für Errichtung, Betrieb, Instandhaltung, Erneuerung und Änderung der Photovoltaikanlage. Der Netzbetreiber ist zwar nach Ziff. 6.3 des Vertrages berechtigt, Änderungen an der Photovoltaikanlage zu verlangen, aber nur soweit dies aus Gründen der sicheren und störungsfreien Versorgung der Kunden des Netzbetreibers erforderlich ist. Auch eine Fernsteuerung durch den Netzbetreiber ist nach Ziff. 6.11 des Vertrages nur für den Ausnahmefall zulässig, dass es sonst zu einer Netzüberlastung kommen könnte. Eine operative Gestaltung der Nutzung der Anlage ist dem Netzbetreiber damit grundsätzlich gerade nicht möglich. Vielmehr behält es der Eigentümer der Anlage in der Hand, über die Nutzung der Anlage zu verfügen. Er ist durch den Vertrag auch nicht verpflichtet, den gesamten erzeugten Strom an den Netzbetreiber zu liefern oder überhaupt die Stromerzeugung aufrecht zu erhalten. Vielmehr stünde es dem Eigentümer frei, den Strom beispielsweise auch an die Nutzer des Gebäudes zu verkaufen, auf dem sich die Anlage befindet. Im Falle eines Schadens an der Photovoltaikanlage könnte der Eigentümer sich auch dazu entschließen, die Anlage nicht zu reparieren und die Stromerzeugung dadurch zu beenden. In diesen Fällen hätte der Netzbetreiber gerade keinen Anspruch auf Fortführung der Stromlieferung.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der Netzbetreiber nach dem Vertragsinhalt nur dann Einfluss auf den Betrieb der Anlage nehmen kann, wenn durch Mängel der Anlage anderenfalls das Netz des Netzbetreibers gefährdet würde.

Die Tatsache, dass der Netzbetreiber die Abrechnung der Vergütung übernimmt, steht dem ebenfalls nicht entgegen, da die Erstellung von Gutschriften durch den Leistungsempfänger im Geschäftsverkehr nicht unüblich ist.

Schließlich ordnet auch der Gesetzgeber selbst die Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG zu. Dies ergibt sich aus der Formulierung der neueren Steuerbefreiungsvorschriften in § 3 Nr. 72 Sätze 2 und 3 EStG. Darin heißt es: „Werden Einkünfte nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt und sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei nach Satz 1, ist kein Gewinn zu ermitteln. In den Fällen des Satzes 2 ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 nicht anzuwenden.“ Satz 2 der Vorschrift geht also davon aus, dass Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet werden. Satz 3 der Vorschrift wäre zudem ohne Anwendungsbereich, wenn die Einkünfte nicht als solche aus Gewerbebetrieb zu erfassen wären, weil dann aufgrund dieser Einkünfte ohnehin keine Abfärbung i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG möglich wäre.

 

c) Für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 69 FGO ist im Streitfall ebenfalls nichts ersichtlich.

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH, Beschluss vom 03.06.2009 – IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641).

Derartige Nachteile hat die Antragstellerin nicht dargelegt und sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Gründe für die Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor (§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO).

 

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