BFH: Richtigkeit der strafbefreienden Erklärung
BFH, Urteil vom 28.6.2011 - VIII R 25/08
Leitsatz
Eine strafbefreiende Erklärung i.S. des § 3 StraBEG führt nicht zum Erlöschen des Steueranspruchs, wenn zu Unrecht abgezogene Werbungskosten oder Betriebsausgaben in der Erklärung fälschlich als nicht erklärte "Betriebs- und Zinseinnahmen" dargestellt werden und damit eine Besteuerung in Höhe von 60 % der (fehlerhaft als Einnahmen) nacherklärten Beträge (statt einer Besteuerung von 100 % bei richtiger Erklärung als fingierte Ausgaben) erreicht werden soll.
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr (2000) als Unternehmensberater selbständig tätig und erzielte Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Darüber hinaus erzielte er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG.
In der Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 540.489 DM auf der Grundlage einer Einnahmenüberschussrechnung mit einem Ansatz von Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 1.279.011,74 DM sowie mit dem Ansatz einer Position "Honorarabrechnung" bei den Betriebsausgaben in Höhe von 533.011 DM.
Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten die Kläger Schuldzinsen für ein Objekt in Höhe von 45.246 DM sowie für ein weiteres Objekt in Höhe von 26.288 DM.
Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Kläger erklärungsgemäß unter Ansatz von Einkünften aus selbständiger Arbeit (540.489 DM) und solchen aus Vermietung und Verpachtung (insgesamt ./. 30.018 DM) veranlagt hatte, führte er auf der Grundlage einer Prüfungsanordnung vom 6. August 2004 ab dem 29. November 2004 eine Außenprüfung bei dem Unternehmen des Klägers für die Jahre 2000 bis 2002 durch.
Noch vor Beginn dieser Prüfung ging bei dem FA eine (nur) vom Kläger unterzeichnete strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2928 ein. Sie bezog sich nach ihrem Wortlaut auf die "Summe der auf Grund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG der Jahre 1993 bis 2001" und bezifferte sie mit 2.263.592 EUR. Die Erklärung enthält u.a. den Hinweis: "Die Spezifizierung der in Zeile 1 erklärten Einnahmen nach zugrunde liegenden Lebenssachverhalten und Kalenderjahren ergibt sich aus der beigefügten Anlage. Anzahl der Seiten: 3."
In der genannten Anlage wird zu dem Streitjahr 2000 ausgeführt:
|
| ||||
| |||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
| ||||
|
|
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 legte der Kläger gegen die strafbefreiende Erklärung für die Jahre 1993 bis 2001 vom 23. November 2004 Einspruch ein und gab mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 eine weitere Erklärung nach dem StraBEG ab, in der er die "Summe der auf Grund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG der Jahre 1993 bis 2002" auf 310.129 EUR bezifferte. In der beigefügten Anlage wird für das Streitjahr 2000 ausgeführt:
|
| ||||
| |||||
|
|
| |||
| |||||
|
|
|
Der Bericht über die Außenprüfung stellte fest, der Kläger habe zu Unrecht in den Jahren 2000 und 2001 Betriebsausgaben für Honorarrechnungen der Liechtensteiner Firma "V-..." gebucht. Diese habe keine Leistung an den Kläger erbracht, sondern ihm lediglich den Betriebsausgabenabzug im Inland ermöglichen sollen. Deshalb seien auch die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten und (angeblich) an die Liechtensteiner Firma gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten anzuerkennen.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen erließ das FA --nach Aufhebung der strafbefreienden Erklärung vom 23. Dezember 2004 durch Bescheid vom 20. Januar 2005-- einen geänderten Einkommensteuerbescheid.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1411 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des StraBEG.
Die Liechtensteiner Gesellschaft sei dem Kläger i.S. des § 15 des Außensteuergesetzes bzw. des § 39 der Abgabenordnung (AO) in vollem Umfang zuzurechnen. Ihre Einschaltung habe zur Verkürzung der von ihm geschuldeten Einkommensteuer geführt.
Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass die strafbefreiende Erklärung die vorbezeichneten Angaben fälschlicherweise nachträglich als Einnahmen ausgewiesen habe, statt sie richtigerweise als fingierte Ausgaben aufzudecken.
Es sei nicht eindeutig, ob nach dem StraBEG die fingierten Zinszahlungen und Beratungshonorare als fingierte Ausgaben oder aus der Sicht der Liechtensteiner Gesellschaft als nicht erklärte Einnahmen zu erfassen seien. Es sei zumindest vertretbar, die fingierten Ausgaben im Rahmen der nachträglich abgegebenen Erklärung als "Einnahmen" zu bezeichnen. Mit der Angabe, dass die Beratungshonorare und die Zinseinnahmen aus der "Liechtensteiner Quelle" stammten, sei der entscheidungserhebliche Lebenssachverhalt i.S. des § 3 StraBEG hinreichend spezifiziert.
Spätestens mit Abgabe der zweiten ergänzenden strafbefreienden Erklärung hätten die Kläger sämtliche nicht versteuerten Beträge offengelegt und anschließend die insoweit fälligen Abgeltungsbeträge gezahlt.
Im Übrigen enthalte der amtliche Vordruck für die Abgabe der StraBEG-Erklärung keine Unterscheidung zwischen unversteuerten Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG und fingierten Ausgaben i.S. der Nr. 2 der Vorschrift; er enthalte nämlich nur drei Spalten für das betroffene Kalenderjahr, für den Lebenssachverhalt und für "Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG".
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie den Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2000 vom 23. März 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass der Abgeltungsbetrag entsprechend der strafbefreienden Erklärung vom 23. November 2004 hinsichtlich der streitigen Darlehenszinsen und Beratungshonorare 46.361,75 EUR (25 % von 21.936 EUR + 163.511 EUR = 185.447 EUR) beträgt, hilfsweise der Abgeltungsbetrag entsprechend der strafbefreienden Erklärung vom 23. Dezember 2004 77.269,50 EUR (25 % von 309.078 EUR) beträgt. - -
Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen FG-Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen
21 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
22 Zu Recht hat das FG die Klage gegen den angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid abgewiesen. Das FA durfte in diesem Bescheid von den Angaben in der strafbefreienden Erklärung der Kläger zu den Honorarzahlungen und Darlehenszinsen im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zu der Liechtensteiner Gesellschaft abweichen.
23 1. Das FA war zum Erlass des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt, da die dem festgesetzten Steuermehrbetrag zugrunde liegende Steuerforderung nicht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erloschen ist. Auf Grund der abgegebenen "strafbefreienden Erklärungen" ist nach dem ersten Abschnitt des StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eingetreten; bei dieser Sachlage dürfen Einkommensteueränderungsbescheide erlassen werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juli 2010 VIII B 103/09, BFH/NV 2010, 1785; zur Prüfung fehlender Straf- und Bußgeldfreiheit nach Aufhebungsbescheid gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG im Rahmen anschließend ergehender Einkommensteueränderungsbescheide s. Levedag, Finanz-Rundschau --FR-- 2005, 1084, 1090).
24 a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG setzt die von den Klägern geltend gemachte erlöschende Wirkung ihrer strafbefreienden Erklärung i.S. des § 3 StraBEG voraus, dass nach dem ersten Abschnitt des StraBEG Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Dies ist nach § 1 Abs. 1 StraBEG u.a. der Fall, wenn der Steuerpflichtige zu einer Steuerverkürzung führende unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen korrigiert, die auf Grund der fehlerhaften Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt (strafbefreiende Erklärung) und innerhalb von zehn Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2004 25 % der Summe der erklärten Beträge entrichtet. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG sind die erklärten Einnahmen nach Kalenderjahren und zugrunde liegenden Lebenssachverhalten zu spezifizieren. Allein die Angabe der verkürzten Einnahmen reicht daher nicht aus (so zutreffend Bundesministerium der Finanzen --BMF--, Merkblatt zur Anwendung des StraBEG vom 3. Februar 2004 IV A 4-S 1928-18/04, BStBl I 2004, 225 Rz 5.3).
25 Vielmehr ist es zumindest erforderlich, die Einnahmen bestimmten Lebenssachverhalten zuzuordnen. Da nach § 1 Abs. 2 StraBEG bei der Verkürzung von Einkommensteuer sämtliche zu Unrecht berücksichtigten Ausgaben als "Einnahmen" i.S. von Abs. 1 der Vorschrift fingiert, nicht berücksichtigte steuerpflichtige Einnahmen jedoch nur zu 60 % als "Einnahmen" erfasst werden, erfordert die Spezifizierung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG auch die Angabe, ob die in der strafbefreienden Erklärung aufgelisteten "Einnahmen" i.S. von § 1 Abs. 1 StraBEG bisher nicht berücksichtigte steuerpflichtige Einnahmen oder zu Unrecht berücksichtigte Ausgaben sind.
26 b) Diesen Anforderungen entspricht die Erklärung der Kläger vom 23. Dezember 2004 nicht, weil sie als maßgeblichen Lebenssachverhalt lediglich Liechtenstein Darlehenszinsen sowie nicht erklärte "Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit", Beratungshonorare mit der erklärten Folge einer Nachversteuerung von nur 60 % der Beträge als Einnahmen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG bezeichnet haben.
27 Denn unstreitig handelt es sich bei diesen Positionen nicht um Zins- oder Honorareinnahmen des Klägers und seiner Ehefrau, sondern um
- bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu Unrecht als Werbungskosten abgezogene Schuldzinsen sowie
- hinsichtlich der Honorarzahlungen bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit zu Unrecht geltend gemachte Betriebsausgaben.
28 Diesen Lebenssachverhalt "unrichtiger Abzug von Erwerbsaufwendungen", die zu 100 % hätten nachversteuert werden müssen, haben die Kläger mit der Angabe "Darlehenszinsen und Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit" unzutreffend und irreführend spezifiziert.
29 Ihr Einwand, insoweit liege allenfalls eine unschädliche und von Amts wegen zu korrigierende "falsa demonstratio" (Falschbezeichnung) vor, verkennt, dass Gegenstand ihrer strafbefreienden Erklärung nur die zuvor gemachten unrichtigen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen ihrer Einkommensteuerveranlagung, nicht aber zu der etwaigen Veranlagung der Liechtensteiner Gesellschaft sein konnten. Infolgedessen war der in der strafbefreienden Erklärung zu spezifizierende Sachverhalt durch den fehlerhaften Abzug von Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie den fehlerhaften Abzug von Fremdhonorarzahlungen als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit gekennzeichnet und hätte entsprechend in der Erklärung ausgewiesen werden müssen (z.B. durch die Angabe "unrichtige Erfassung von Honorarzahlungen als Betriebsausgaben").
30 Aus der Sicht des FA als Empfänger der strafbefreienden Erklärung haben die Kläger damit nicht den Lebenssachverhalt "unrechtmäßig erklärte Betriebsausgaben oder Werbungskosten", sondern den tatsächlich nicht verwirklichten Sachverhalt "unrechtmäßig nicht erklärte Betriebs- und Zinseinnahmen" erklärt. Dies folgt nach den vom FG festgestellten Gesamtumständen schon unmittelbar aus dem Umstand, dass sie diese Fehlbezeichnung des Lebenssachverhalts mit der fehlerhaften Erfassung der Zahlungen als mit (nur) 60 % zu versteuernde Einnahmen nach Maßgabe des § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG verbunden haben, obwohl sie als fingierte Ausgaben nach Maßgabe der Nr. 2 der Vorschrift zu 100 % hätten versteuert werden müssen.
31 c) Die Abgabe der korrigierten Strafbefreiungserklärung am 23. Dezember 2004 mit nunmehr richtigem Ausweis des Abgeltungsbetrags in Höhe von 100 % der bislang fingierten Erwerbsaufwendungen i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 StraBEG hat schon deshalb keine erlöschende Wirkung i.S. des § 8 StraBEG, weil der streitige Lebenssachverhalt im Zeitpunkt der Erklärung bereits Gegenstand der seit November 2004 laufenden Außenprüfung war. Damit konnten darauf bezogene strafbefreiende Erklärungen nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG nicht mehr zur Straf- und Bußgeldfreiheit i.S. des § 1 StraBEG führen (vgl. dazu auch Kamps/Wulf, FR 2004, 121; Stahl, Die Steuerberatung 2004, 153; Kamps in Streck, Berater-Kommentar zur Steueramnestie, § 10 Rz 55; BMF-Merkblatt in BStBl I 2004, 225 Rz 12.4 sowie zur Tatentdeckung als Erlöschenshindernis i.S. des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StraBEG BFH-Urteil vom 26. November 2008 X R 20/07, BFHE 223, 330, BStBl II 2009, 388).