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Steuerrecht
15.10.2009
Steuerrecht
: Progressionsvorbehalt bei Elterngeld

BFH, Beschluss vom 21.9.2009 - VI B 31/09

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 19.2.2009 - 6 K 1859/2008 (EFG 2009, 846)

LEITSÄTZE

1. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG wirft nach seinem eindeutigen Wortlaut, das nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gezahlte Elterngeld dem Progressionsvorbehalt zu unterstellen, keine klärungsbedürftigen, die Revisionszulassung rechtfertigenden Fragen auf.

2. Das Elterngeld bezweckt, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte teilweise auszugleichen. Dies gilt auch dann, wenn nur der Sockelbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG geleistet wird.

EStG § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j, § 32b Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; BEEG § 2 Abs. 5

SACHVERHALT

I. Im finanzgerichtlichen Verfahren war streitig, ob der monatliche Mindestbetrag des Elterngelds von 300 € dem Progressionsvorbehalt unterliegt.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ gegen die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2007. Darin war das für die im Oktober 2007 geborene Tochter der Kläger nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) bezogene Elterngeld nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst j des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Progressionsvorbehalt unterworfen.

Die Kläger machten dagegen geltend, dass das Elterngeld nur in Höhe des den Mindestbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG übersteigenden Betrags bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG anzusetzen sei, weil das im Elterngeld enthaltene Mindestelterngeld von monatlich 300 € unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit gezahlt werde und deshalb nicht mit Lohnersatzleistungen, die einen Progressionsvorbehalt rechtfertigten, sondern mit reinen Sozialleistungen vergleichbar sei. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 846 veröffentlichten Gründen ab. Der Wortlaut des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG sei eindeutig. Danach unterliege das Elterngeld, das nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz gezahlt werde, dem Progressionsvorbehalt. Die Revision ließ es nicht zu.

Die Kläger wenden sich mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision und machen als Revisionszulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Die Rechtsfrage, ob das Mindestelterngeld in Höhe von 300 € monatlich dem Progressionsvorbehalt unterfalle, sei bisher noch nicht Gegenstand der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) gewesen. Das Erziehungsgeld für vor 2007 geborene Kinder sei als echte Sozialleistung beim Progressionsvorbehalt außer Ansatz geblieben, dies müsse auch für das Mindestelterngeld gelten. Denn im Umfang des Sockelbetrags sei das Elterngeld nicht als Einkommensersatzleistung, sondern als Sozialleistung anzusehen, da es auch nicht Berufstätigen gewährt werde. Gegen die Bemessung des Elterngelds nach dem bereinigten monatlichen Nettoeinkommen im Jahr vor der Geburt bestünden nicht unerhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, weil es sich nicht nach einem durch die Erziehungsaufgabe begründeten Bedarf oder nach einer besonderen persönlichen Hilfsbedürftigkeit des Empfängers, sondern nach den früher erzielten Einkünften richte. Nur einkommensteuerrechtlich erhebliche, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinflussende Zuflüsse ließen sich dem Progressionsvorbehalt widerspruchsfrei zuordnen, etwa Lohnersatzleistungen oder steuerbefreite Auslandseinkünfte, aber keine reinen Sozialtransferleistungen. Das Mindestelterngeld sei daher kein in der Steuerbemessungsgrundlage zu erfassender, die Leistungsfähigkeit erhöhender Zufluss. Es verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes in seiner freiheitsrechtlichen und in seiner gleichheitsrechtlichen Ausprägung, reine Sozialtransferleistungen in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Denn der erhöhte Steuersatz sei bei reinen Sozialtransferleistungen nicht durch eine entsprechend erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gerechtfertigt und § 32b EStG setzte sich über die Unterscheidung von Lohnersatzleistung und reiner Sozialtransferleistung hinweg.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht gegeben.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. November 1999 I B 163/98, BFH/NV 2000, 692; vom 18. Januar 2005 V B 24/04, juris). Allein der Umstand, dass zu der Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, begründet noch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

1. Im Streitfall fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit im vorgenannten Sinne. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. j EStG ordnet an, dass auf das "Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz" der besondere Steuersatz nach § 32b Abs. 2 EStG anzuwenden ist, also der Progressionsvorbehalt gilt. Das Einkommensteuerrecht unterscheidet insoweit nicht zwischen dem Mindestbetrag und einem darüber hinausgehenden Betrag des Elterngelds. Der Wortlaut ist mithin eindeutig und wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen im Hinblick auf die Geltung des Progressionsvorbehalts auf.

2. Im Ergebnis erfolglos suchen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit zu begründen, dass der Sockelbetrag des Elterngelds eine reine Sozialleistung darstelle und als solche von Verfassungs wegen nicht in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden dürfe.

a) Die von den Klägern vorgebrachte Zweiteilung des Elterngelds in einen rein sozialrechtlichen Sockelbetrag nach § 2 Abs. 5 BEEG und in einen den Einkünfteausfall ausgleichenden darüber hinausgehenden Aufstockungsbetrag lässt sich weder dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz selbst noch der Begründung des Entwurfs und den weiteren Gesetzgebungsmaterialien dazu entnehmen (BTDrucks 16/1889; BTDrucks 16/2454; BTDrucks 16/2785). Die dort zum Ausdruck kommende Zielsetzung des Gesetzgebers, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen Einkünfte durch das Elterngeld jedenfalls teilweise auszugleichen, spricht vielmehr dafür, das Elterngeld einheitlich als Einkünfteersatz zu qualifizieren. Und auch das Bundessozialgericht (BSG) charakterisiert das Elterngeld als Einkommensersatz, weist auf den gegenüber dem Gesetz zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit vom Gesetzgeber vorgenommenen Systemwechsel hin und misst insbesondere auch dem Basisbetrag den Zweck einer Honorierung der Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu (BSG-Urteil vom 19. Februar 2009 B 10 EG 1/08 R, juris, mit Hinweis auf Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, Rdnr. 43).

b) Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, den Systemwechsel vom Bundeserziehungsgeldgesetz zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz zu vollziehen, eine als Einkünfteersatz charakterisierte Sozialleistung zu schaffen und diese sodann --auch nach Auffassung der Kläger folgerichtig-- in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Angesichts dessen kann für den Streitfall im Weiteren dahinstehen, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen dafür gelten, reine Sozialleistungen in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen, zumal auch durch sie eine erhöhte finanzielle Leistungsfähigkeit gegeben ist und eine Steuerbelastung überhaupt nur dann eintritt, wenn eine solche reine Sozialleistung zu weiteren einkommensteuerpflichtigen Einkünften hinzutritt.

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