BFH: Personelle Verflechtung im Rahmen einer Betriebsaufspaltung; Personengruppentheorie; Würdigung von Vereinbarungen zur Geschäftsführung
BFH, Urteil vom 16.5.2013 – IV R 54/11
NICHT AMTLICHE LEITSÄTZE
Ob die Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung zur Begründung einer Betriebsaufspaltung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. Für die personelle Verflechtung kommt neben den Beteiligungsverhältnissen insbesondere den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zur Geschäftsführung entscheidende Bedeutung zu. Kann danach aufgrund der gebotenen Gesamtschau die mehrheitlich beteiligte Personengruppe ihren Willen in der Betriebsgesellschaft nicht durchsetzen, wird eine Betriebsaufspaltung nicht begründet.
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
Sachverhalt
Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --der „X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts"-- waren im Streitjahr (1999) die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D. Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1994 von A und B gegründet. Nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags waren A zu 52 % und B zu 48 % beteiligt. Mit Schenkungsvereinbarung vom 15. April 1995 übertrugen A und B je 12 % ihrer Beteiligung auf C und D. Danach waren im Streitjahr A zu 28 % und B, C und D zu jeweils 24 % an der Klägerin beteiligt.
Der Gesellschaftsvertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
„§ 2
...
(1) Gegenstand der Gesellschaft ist der Erwerb und die Verwaltung von Vermögen im In- und Ausland, insbesondere von Grundbesitz und damit in Zusammenhang stehendem Kapitalvermögen.
(2) Die Gesellschaft darf keinen Gewerbebetrieb im Sinne des deutschen Steuerrechts betreiben. Alle etwaigen gemeinschaftlichen gewerblichen Aktivitäten der Gesellschafter im Zusammenhang mit dieser Gesellschaft oder ohne einen solchen werden im Rahmen einer gesonderten Gesellschaft bürgerlichen Rechts durchgeführt, für die die §§ 705 ff. BGB unmittelbar Anwendung finden, sofern kein separater Gesellschaftsvertrag geschlossen ist.
§ 3
...
(4) Als Gesellschaftereinlage legt (A) das ihm gehörende Grundstück (G) in die Gesellschaft ein. ...
§ 4
...
(1) Die Gesellschaft wird bis zum 31. Dezember 2020 fest geschlossen. Sie kann zu diesem Zeitpunkt erstmals mit einer Frist von 24 Monaten gekündigt werden. ...
(2) Dem Gründungsgesellschafter (A) steht ein höchstpersönliches außerordentliches Kündigungsrecht mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Geschäftsjahres zu.
...
§ 5
...
(2) Zu ersten Geschäftsführern sind die Gründungsgesellschafter bestellt, wobei die aktive Geschäftsführung bei (B) liegt. Sie sind alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Eine Abberufung dieser Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluß ist ausgeschlossen. ...
§ 6
...
(1) Gesellschafterbeschlüsse sind in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig. Die Beschlussfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Abgestimmt wird nach den in § 3 Abs. (1) genannten Quoten.
...
(7) Gesellschafterbeschlüsse gegen die Stimme des Gründungsgesellschafters (A) sind ausgeschlossen.
...
§ 10
...
(2) Kündigt ein Gesellschafter, so scheidet er aus der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wird von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. ...
(3) Im Falle der Kündigung durch (A) scheiden alle übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft aus. Die Kündigung kann auf das Ausscheiden einzelner Gesellschafter beschränkt werden.
...
§ 12
...
(1) Für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters --aus welchem Grunde auch immer-- wird jeglicher Abfindungsanspruch ausgeschlossen.
..."
Aufgrund Auflassung vom 13.3.1995 wurden A und B „in BGB-Gesellschaft mit der Bezeichnung 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'" als Miteigentümer des Grundstücks G ins Grundbuch eingetragen. Aufgrund notariellen Berichtigungsantrags vom 12. August 1998 wurden neben A und B auch die neu eingetretenen Gesellschafter C und D „in BGB-Gesellschaft ..." als Miteigentümer eingetragen.
Mit notariellen Urkunden vom 4.9.1995 übertrug A die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke H und K sowie Wohnungs- bzw. Teileigentum am Grundstück L an die „X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts". In den notariellen Urkunden heißt es ferner, dass die Erschienenen (A und B) sich darüber einig seien, dass das Eigentum an den vorgenannten Wohnungen auf A und B „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Bezeichnung: 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'„ mit Wirkung zum 31. Dezember 1995 übergehe. Nachdem zunächst A und B „in BGB-Gesellschaft mit der Bezeichnung 'X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts'" in die Grundbücher eingetragen worden waren, wurden auch hier aufgrund von notariellen Berichtigungsanträgen vom 12.8.1998 die neu als Gesellschafter eingetretenen C und D als weitere Gesamthandseigentümer eingetragen.
Bereits aufgrund eines Mietvertrags mit dem vorherigen Eigentümer aus dem Jahr 1989 war ein Teil des Grundstücks G an die (GmbH) vermietet. Dort betrieb die GmbH in dafür hergerichteten Räumlichkeiten - wie auch in den Folgejahren - eine Spielhalle. Der Mietvertrag wurde fortgeführt, nachdem A das Grundstück G im Jahr 1990 erworben hatte. An der GmbH waren in den Jahren ab 1995 - darunter auch das Streitjahr - A mit einem Anteil von 75,2 % und C mit einem Anteil von 24,8 % beteiligt.
Für die Jahre 1995 bis 1999 wurden für die Klägerin Feststellungserklärungen abgegeben, nach denen Gesellschafter der Klägerin A, B, C und D waren. Dabei wurden für das Jahr 1995 Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken E und G angegeben. Für die Folgejahre wurden neben Einkünften aus Kapitalvermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus den Grundstücken E, G, H, K und L erklärt. Zum Grundstück E hat das FG keine weiteren Feststellungen getroffen.
Wie bereits in den Vorjahren ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) auch für das Streitjahr zunächst erklärungsgemäß von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Kapitalvermögen aus. In seinem unter den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der AO) gestellten Feststellungsbescheid 1999 vom 22.11.2001 stellte das FA erklärungsgemäß Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 261 962 DM und Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2 868 DM fest.
Anlässlich einer Außenprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwischen der Klägerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung bestehe. Eine personelle Verflechtung sei gegeben, weil A einerseits beherrschender Gesellschafter der GmbH sei und zum anderen aufgrund der besonderen Regelungen des Gesellschaftsvertrags - insbesondere der Einräumung eines Vetorechts in § 6 des Gesellschaftsvertrags sowie des außerordentlichen Kündigungsrechts in § 4 des Gesellschaftsvertrags - in der Lage sei, die Klägerin durch Gesellschafterbeschlüsse so zu lenken, wie er es für richtig halte. Darüber hinaus nehme die aus A und C bestehende Personengruppe sowohl bei der Klägerin mit einer Beteiligung von 52 % als auch bei der GmbH mit einer Beteiligung von 100 % eine beherrschende Stellung ein. Die Betriebsaufspaltung habe zur Folge, dass sämtliche Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu behandeln seien. Die gewerblichen Einkünfte aus der Vermietung der Spielhalle infizierten die übrigen Einkünfte.
Das FA schloss sich dieser Auffassung an und stellte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Feststellungsbescheid 1999 vom 4.5.2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 218 141 DM fest. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 41 veröffentlichen Gründen ab.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie macht im Wesentlichen geltend, neben der Klägerin existiere eine weitere „X Vermögensverwaltung haftungsbeschränkte Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (GbR 2). Die Grundstücke E und G seien vor der Schenkungsvereinbarung vom 15.4.1995 in die zu jener Zeit noch aus den Gesellschaftern A und B bestehende Klägerin eingebracht worden. Weitere fünf Immobilien (betreffend die Grundstücke H, K und L) seien mit Verträgen vom 4.9.1995 auf die GbR 2 übertragen worden. Es greife der „Automatismus" des § 2 Abs. 2 S. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin, nach dem alle gewerblichen Aktivitäten der Gesellschafter im Rahmen einer gesonderten GbR durchgeführt würden; konkreter Maßnahmen zur Begründung dieser Schwestergesellschaft bedürfe es nicht. Die zivilrechtliche Trennung der Gesellschaften erlaube keinen Durchgriff auf die Schwestergesellschaft, auch wenn das Vorliegen zweier Gesellschaften mit derselben Bezeichnung nach außen hin nicht zu erkennen gewesen wäre.
Soweit gleichwohl die Existenz nur einer Gesellschaft (der Klägerin) angenommen werde, liege keine personelle Verflechtung zwischen Klägerin und GmbH vor, denn die aktive Geschäftsführung bei der Klägerin obliege nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin allein der B, die weder an der GmbH beteiligt noch in deren Geschäftsführung eingebunden sei. Nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 30.11.2005 - X R 56/04 (BFHE 212, 100, BStBl. II 2006, 415, BB 2006, 920) werde die Klägerin von B beherrscht. B führe die Geschäfte des täglichen Lebens eigenständig, sei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und brauche für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgingen, nicht die Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Entsprechend sei A nicht in der Lage, bei der Klägerin seinen Willen durchzusetzen. Das Vetorecht des A ändere daran nichts, denn gegen die Mehrheit der anderen Gesellschafter könne er seinen Willen nicht durchsetzen.
Die Spielhalle (Grundstück G) mache nur ungefähr 5 % der Gesamtvermietung aus. Die Einnahmen aus der Vermietung der Spielhalle lägen im Jahr 1999 bei 6,31 % des Gesamtumsatzes, wobei nur die Hälfte der Gesellschafter der Klägerin auch Gesellschafter der GmbH seien, so dass dieser Prozentsatz zu halbieren sei. Es sei unverhältnismäßig, bei einem derart geringfügigen Anteil von der Gewerblichkeit der Klägerin auszugehen. Auch die Rechtsprechung stufe einen äußerst geringen Anteil als unschädlich ein; in der Literatur werde eine abfärbende Wirkung erst beim Überschreiten der absoluten Geringfügigkeitsgrenze in Höhe des gewerbesteuerlichen Freibetrags vertreten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 15.2.2008 aufzuheben und den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1999 vom 4.5.2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich das FA auf die Rechtsausführungen in der angefochtenen Entscheidung und trägt ergänzend vor, die Gründungsgesellschafter der Klägerin hätten nicht allein durch „faktisches Handeln" eine zweite GbR gründen können; entsprechende Willenserklärungen seien nicht abgegeben worden. Die Grundstücksübertragungen seien auf die bestehende GbR - die Klägerin - erfolgt. Aus dem Umstand, dass die personelle Zusammensetzung der Klägerin bei Abschluss der Verträge eine andere gewesen sei als in den Verträgen angegeben, lasse sich für die Ansicht der Klägerin nichts herleiten.
Soweit die Klägerin unter Berufung auf das BFH-Urteil in BFHE 212, 100, BStBl. II 2006, 415 eine personelle Verflechtung mit der Begründung bestreite, die Geschäfte des täglichen Lebens der Klägerin als Besitzunternehmen würden von B beherrscht und nicht von den die Betriebsgesellschaft (GmbH) beherrschenden Personen, sei jene Entscheidung nicht einschlägig. Die dort aufgestellten Grundsätze beträfen die Beherrschung der Betriebsgesellschaft und kämen auch nur bei einer im Streitfall nicht vorliegenden Konstellation zur Anwendung.
Die Beteiligten haben mitgeteilt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind.
Aus den Gründen
27 II. Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung und zur Abänderung des geänderten Gewinnfeststellungsbescheids 1999 vom 4.5.2006 mit der Maßgabe, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden.
28 1. Der erkennende Senat hat vorliegend nur darüber zu entscheiden, ob die für die Klägerin festzustellenden Einkünfte zu Recht sämtlich als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert worden sind.
29 a) Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 19.7.2011 - IV R 42/10, BFHE 234, 226, BStBl. II 2011, 878, BB-Entscheidungsreport von Glasenapp, BB 2011, 2418, m. w. N.). Eine solche selbständige Regelung (Feststellung) stellt insbesondere (auch) die Qualifikation der Einkünfte dar (ebenfalls ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 13.12.2012 - IV R 51/09, BFHE 240, 55, BStBl. II 2013, 203, m. w. N.).
30 b) Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin dagegen, dass das FA und ihm folgend auch das FG im Streitfall von einer Betriebsaufspaltung zwischen ihr - der Klägerin - und der GmbH ausgegangen sind und infolgedessen nicht nur die Einkünfte aus der Vermietung eines Teils des Grundstücks G (Spielhalle) an die GmbH, sondern auch alle übrigen Einkünfte der Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerblich qualifiziert haben. Soweit sich die Klägerin auch auf die Existenz einer weiteren „namensidentischen" GbR berufen hat, lässt sich weder ihrem vor dem FG noch ihrem im Revisionsverfahren gestellten Antrag das die Höhe der erzielten Einkünfte betreffende Klagebegehren entnehmen, einen Teil der streitbefangenen Einkünfte nicht ihr - der Klägerin -, sondern jener GbR zuzurechnen. Nach dem vor dem FG gestellten Aufhebungsantrag genügte der Klägerin die Wiederherstellung des Ausgangsbescheids. Deshalb geht der erkennende Senat davon aus, dass nur die Einkünftequalifikation als selbständige Feststellung im Streit ist.
31 2. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer personellen Verflechtung zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der GmbH als Betriebsgesellschaft und damit einer Betriebsaufspaltung zwischen beiden Gesellschaften bejaht. Deshalb kommt nicht in Betracht, die Einnahmen aus der teilweisen Vermietung des Grundstücks G an die GmbH als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.
32 a) Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben; dieser ist anzunehmen, wenn die Person, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen kann (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8.11.1971 - GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl. II 1972, 63, ständige Rechtsprechung). Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden (z. B. BFH-Urteil vom 18.8.2009 - X R 22/07, BFH/NV 2010, 208). Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Besitzgesellschaft und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass die Besitzgesellschaft durch die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist die Besitzgesellschaft nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung gewerblich tätig (z. B. BFH-Urteil vom 8.9.2011 - IV R 44/07, BFHE 235, 231, BStBl. II 2012, 136, Rz. 18, m. w. N.).
33 b) Im Streitfall kann offenbleiben, ob - auch wenn die Klägerin diese nicht in Abrede stellt - zwischen der Klägerin und der GmbH eine sachliche Verflechtung bestanden hat. Eine Betriebsaufspaltung kommt im Streitfall bereits deshalb nicht in Betracht, weil unter den hier vorliegenden Umständen eine personelle Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH ausscheidet.
34 (aa) Eine personelle Verflechtung liegt vor, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 1.7.2003 - VIII R 24/01, BFHE 202, 535, BStBl. II 2003, 757, BB 2003, 1825, m. w. N., und in BFHE 212, 100, BStBl. II 2006, 415). Für die personelle Verflechtung ist nämlich entscheidend, dass die Geschicke des Besitzunternehmens in den wesentlichen Fragen durch die Person oder Personen bestimmt werden, die auch hinter dem Betriebsunternehmen stehen (BFH-Urteil in BFHE 235, 231, BStBl. II 2012, 136, Rz. 25).
35 (bb) Das FG ist davon ausgegangen, dass A und C als Personengruppe in der Lage waren, sowohl in der GmbH als Betriebsgesellschaft - dort als alleinige Gesellschafter - als auch bei der Klägerin als Besitzgesellschaft - hier aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung von insgesamt 52 % - ihren Willen durchzusetzen. Zwar wird diese Auffassung - bei isolierter Betrachtungsweise - durch einzelne Regelungen des Gesellschaftsvertrags der Klägerin gestützt. Das FG hat jedoch rechtsfehlerhaft den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zur Geschäftsführung bei der Klägerin keine entscheidende Bedeutung beigemessen. In einer Gesamtschau lassen sich die gesellschaftsvertraglichen Regelungen nur dahin würdigen, dass A und C nicht in der Lage waren, in der GbR (Klägerin) ihren Willen durchzusetzen.
36 (1) Eine Betriebsaufspaltung liegt wegen fehlender personeller Verflechtung nicht vor, wenn an der Betriebsgesellschaft nicht alle Gesellschafter der Besitz-Personengesellschaft beteiligt sind und die Beschlüsse der Besitz-Personengesellschaft einstimmig gefasst werden müssen (BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl. II 2003, 757, m. w. N.). Umgekehrt ist - wie das FG unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 10.4.1997 - IV R 73/94 (BFHE 183, 127, BStBl. II 1997, 569, BB 1997, 1670) zutreffend ausgeführt hat - eine personelle Verflechtung gegeben, wenn die Personen, die an beiden Unternehmen zusammen mehrheitlich beteiligt sind und damit die Betriebs-GmbH beherrschen, auch im Besitzunternehmen über die Mehrheit der Stimmen verfügen und im Besitzunternehmen kraft Gesetzes oder vertraglich wenigstens für Geschäfte des täglichen Lebens das Mehrheitsprinzip maßgeblich ist. Dies entspricht der auf dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 103, 440, BStBl. II 1972, 63 gründenden sog. Personengruppentheorie (z. B. BFH-Urteil vom 28.1.1993 - IV R 39/92, BFH/NV 1993, 528; BFH-Beschluss vom 7.1.2008 - IV B 24/07, BFH/NV 2008, 784). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, ist regelmäßig keine weiter gehende Einzelfallwürdigung erforderlich. Ausgehend hiervon deuten im Streitfall die Regelungen des § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags auf das Vorliegen einer personellen Verflechtung hin, soweit danach Gesellschafterbeschlüsse in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zulässig sind und die Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit zu erfolgen hat. Käme es im Streitfall allein auf das in § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags statuierte Mehrheitsprinzip an, könnten A und C, die gemeinsam im Besitzunternehmen (Klägerin) über eine einfache Mehrheit verfügten, auch dort ihren Willen durchsetzen. Diese Sichtweise misst jedoch den im Streitfall vorliegenden Regelungen zur Geschäftsführung nur ungenügende Bedeutung bei. Das alleinige Abstellen auf die Stimmenmehrheit nach den Grundsätzen der Personengruppentheorie berücksichtigt nämlich nicht ausreichend die Situation, dass zugleich Geschäftsführungsbefugnisse im Besitz- und/oder Betriebsunternehmen nicht oder nicht ausschließlich den Mehrheitsgesellschaftern zustehen; in diesem Fall ist (ausnahmsweise) im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Regelungen zur Geschäftsführung der Annahme einer Beherrschungsidentität entgegenstehen.
37 (2) Nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin sind A und B zu deren Geschäftsführern berufen, wobei die „aktive" Geschäftsführung bei der B liegt. A und B sind alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Eine Abberufung dieser Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss ist ausgeschlossen. Danach war im Streitfall die gemeinschaftliche Geschäftsführung der Gesellschafter (§ 709 Abs. 1 BGB) abbedungen, was nach § 710 BGB bedeutet, dass die übrigen Gesellschafter (C und D) von der Geschäftsführung ausgeschlossen waren. Insoweit mussten sie zwar bei gesellschaftsfremden Angelegenheiten mitwirken, konnten aber keinen Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte der Klägerin nehmen, zu denen bei einer GbR - anders als bei Personenhandelsgesellschaften - nicht nur solche Geschäfte gehören, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt, sondern alle rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, auch ungewöhnlicher Art (BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl. II 2003, 757, m. w. N.). Damit ist hinsichtlich maßgeblicher Geschäfte der Klägerin ein Zusammenwirken von A und C ausgeschlossen. Es kommt hinzu, dass die B ungeachtet ihrer „aktiven" Geschäftsführerstellung alleinvertretungsberechtigt war und insoweit ohne Mitwirkung des A handeln konnte. Dabei konnte die B auch nicht mittelbar durch ein Zusammenwirken von A und C berührt werden, nachdem ihre Abberufung als Geschäftsführerin durch Gesellschafterbeschluss ausgeschlossen war.
38 (3) Soweit nach § 6 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags Gesellschafterbeschlüsse gegen die Stimme des A ausgeschlossen sind, steht dies der vorgenannten Würdigung nicht entgegen. Zum einen stehen Gesellschafterbeschlüsse der alleinigen Geschäftsführung durch B nicht entgegen, wobei auch insoweit zu berücksichtigen ist, dass ein von eventuellen Gesellschafterbeschlüssen abweichendes Handeln der B nicht durch einen auf deren Abberufung gerichteten Gesellschafterbeschluss sanktioniert werden könnte. Zum anderen ist nicht allein schon aufgrund einer gemeinsamen Mehrheitsbeteiligung von A und C das „Vetorecht" des A zugleich auch der C zuzurechnen. Auch müssen sich die Interessen von A und C nicht in jedem Fall decken, so dass auch insoweit das „Vetorecht" des A nicht zwingend Wirkungen auch zugunsten der C entfaltet. Insoweit wäre auch im Rahmen der sog. Personengruppentheorie zu berücksichtigen, dass deren Folgerungen nicht eintreten, wenn die ihr innewohnende Vermutung gleichgerichteter Interessen (z. B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 784) nicht greift.
39 (4) Anders als es das FG gesehen hat, lässt sich auch aus dem in § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags dem A eingeräumten außerordentlichen Kündigungsrecht nicht herleiten, dass A und C bei der Klägerin ihren Willen durchsetzen konnten. Wie bei dem A zustehenden Vetorecht gilt zunächst auch insoweit, dass sich aus dem Kündigungsrecht des A nicht zwingend ein stets gleichgerichtetes Interesse der C herleiten lässt. Dies gilt erst recht, soweit in § 10 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags die Kündigung des A regelmäßig das Ausscheiden aller übrigen Gesellschafter aus der Gesellschaft zur Folge hat. Des Weiteren lässt sich aber aus der ungesicherten Annahme eines mit dem Kündigungsrecht des A verbundenen „Drohpotenzials" für Verwaltungsgeschäfte der Klägerin nicht zwingend herleiten, dass dem Willen des A oder einem von A und C gemeinsam gebildeten Willen im Rahmen der Geschäftsführung durch B in jedem Fall entsprochen wurde. Im Übrigen hätte der Senat Zweifel, ob allein der Umstand, dass ein Gesellschafter das Ende der Gesellschaft erzwingen könnte, es rechtfertigt, laufende Geschäfte dieser Gesellschaft dem gewerblichen Bereich zuzuordnen. Denn maßgeblich für die Beurteilung des Vorliegens einer personellen Verflechtung ist der Einfluss auf die Verwaltungsgeschäfte unter Annahme der Fortführung der Gesellschaft.
40 (5) Trotz gewichtiger Einflussmöglichkeiten des A bei der Klägerin sind diese bei einer Gesamtwürdigung aller Regelungen des Gesellschaftsvertrags dahin zu relativieren, dass wegen der gleichzeitigen maßgeblichen Einflussmöglichkeiten der B die Durchsetzung eines gemeinsamen Willens von A und C (auch) bei der Klägerin nicht unterstellt werden kann. Die anderslautende Würdigung des FG erweist sich als rechtsfehlerhaft, soweit sie auf einer unzureichenden Berücksichtigung der rechtlichen Stellung und Befugnisse der B als Geschäftsführerin der Klägerin beruht.
41 3. Scheidet im Streitfall eine personelle Verflechtung und damit die Annahme einer Betriebsaufspaltung aus, hat die Klägerin auch im Rahmen der Vermietung eines Teils des Grundstücks G an die GmbH keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Schon deshalb kann auch hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin keine Abfärbewirkung i. S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG eintreten. Insoweit braucht der Senat keine Stellung zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage zu nehmen, ob wegen relativer und/oder absoluter Geringfügigkeit der infolge einer Betriebsaufspaltung als gewerblich zu qualifizierenden Einkünfte keine Abfärbewirkung hinsichtlich der übrigen Einkünfte der Klägerin eintritt.
42 4. Unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung war deshalb der angefochtene Änderungsbescheid mit der Maßgabe zu ändern, dass keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen. Diese Feststellung entfaltet hinsichtlich der in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung (BFH-Urteil in BFHE 234, 226, BStBl. II 2011, 878). Auf dieser Grundlage wird das FA Folgeänderungen hinsichtlich der rechtlich nachgelagerten, in dem angegriffenen Änderungsbescheid getroffenen Feststellungen vorzunehmen haben.