BFH: Pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG
BFH, Urteil vom 14.5.2019 – VIII R 31/16
ECLI:DE:BFH:2019:U.140519.VIIIR31.16.0
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2069-1
Amtlicher Leitsatz
Die pauschale Ermittlung von Investmentfondserträgen nach § 6 Abs. 1 InvStG, die vom Steuerpflichtigen durch den Nachweis der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG abgewendet werden kann, verstößt nicht gegen Unionsrecht und ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Sachverhalt
I.
Streitig ist die Besteuerung von Einkünften der Kläger und Revisionskläger (Kläger) aus sog. "intransparenten" ausländischen Investmentfonds nach § 6 des Investmentsteuergesetzes in der zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung (InvStG) in den Streitjahren (2004 bis 2008).
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres im August 2002 verstorbenen Ehemanns. In dessen Nachlass befanden sich u.a. Anteile an mehreren Investmentfonds, die der Ehemann bis zu seinem Tod in einem Depot bei der ... Bank in Belgien gehalten hatte. Im Jahr 2003 übertrug die Klägerin das Depot zur Hälfte auf den gemeinsamen Sohn, den Kläger, nachdem dieser seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte. Die Erträge aus den Investmentfondsanteilen wurden ab 2003 gesondert und einheitlich festgestellt.
Da die Investmentfonds die Besteuerungsgrundlagen nicht gemäß § 5 InvStG den Klägern bekannt gegeben hatten, erklärten diese ihre Erträge für das ursprünglich auch betroffene Jahr 2003 und die Streitjahre 2004 bis 2006 in Bezug auf sämtliche Anteile sowie für die Streitjahre 2007 und 2008 in Bezug auf die Anteile an drei der sechs Investmentfonds im Wege der Schätzung in Höhe von jeweils 1,7 %, 2 % bzw. 3 % der Depotwerte zum 31. Dezember eines jeden Jahres. Für die Anteile an den übrigen drei Investmentfonds erfolgte hinsichtlich der Streitjahre 2007 und 2008 eine Ermittlung der Erträge "lt. beiliegenden Listen" bzw. "lt. Börsenzeitung".
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte den Angaben der Kläger nur in Bezug auf die erklärten Erträge aus drei der sechs Investmentfonds für das Jahr 2008. Im Übrigen ermittelte das FA die Erträge unter Anwendung des § 6 InvStG, indem es 70 % des Differenzbetrages zwischen dem ersten und dem letzten Marktpreis bzw. mindestens 6 % des letzten Marktpreises der Fondsanteile in den Streitjahren zugrunde legte. Der Einspruch der Kläger hiergegen blieb erfolglos.
Im Laufe des Klageverfahrens erließ das FA am 8. Juni 2012 geänderte Feststellungsbescheide, mit denen es die Besteuerungsgrundlagen den Klägern hälftig zurechnete. Darüber hinaus setzte das FA in dem Änderungsbescheid für das Jahr 2007 die Erträge aus drei der sechs Fonds erklärungsgemäß herab. Nach teilweiser Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache führten die Kläger das Klageverfahren für die Streitjahre fort und stützten sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass die Anwendung des § 6 InvStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoße.
Auf ein vom Finanzgericht (FG) daraufhin eingeleitetes Vorabentscheidungsersuchen entschied der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 9. Oktober 2014 - C-326/12 (EU:C:2014:2269, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2014, 1127), die Vorschrift des § 6 InvStG sei im Lichte von Art. 63 AEUV dahin auszulegen, dass es dem Steuerpflichtigen auch bei sog. intransparenten Investmentfonds im EU-Ausland möglich sein müsse, Unterlagen und Informationen beizubringen, um abweichend von den Vorgaben des InvStG die tatsächliche Höhe seiner Einkünfte auf andere Weise nachzuweisen. Allein der Umstand, dass ein ausländischer Investmentfonds die unterschiedslos für in- und ausländische Fonds geltenden Verpflichtungen zur Bekanntmachung und Veröffentlichung bestimmter Angaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG nicht erfülle, sei nicht ausreichend, um die Erträge, die der Steuerpflichtige aus diesem Investmentfonds erzielt habe, pauschal nach § 6 InvStG zu ermitteln. Der Inhalt, die Form und das Maß an Präzision, denen die Angaben für einen anderweitigen Nachweis der Einkünfte aus einem ausländischen Investmentfonds genügen müssten, seien jedoch von der Finanzverwaltung zu bestimmen, um dieser eine ordnungsgemäße Besteuerung zu ermöglichen.
Zum Nachweis der tatsächlich erzielten Erträge legten die Kläger im Klageverfahren vor dem FG Jahresberichte und -abschlüsse der beiden wertmäßig bedeutendsten Fonds aus ihrem Depot, namentlich des "... B" und des "... E", vor und beschränkten ihr Klagebegehren auf den Ansatz der Erträge aus diesen beiden (thesaurierenden) Fonds. Sie errechneten die tatsächlich erzielten Nettoerträge bzw. Verluste pro Anteil, indem sie das "Nettoergebnis der Anlagen" zum 30. September des jeweiligen Streitjahres durch die Summe der begebenen Anlagen des jeweiligen Fonds teilten und sodann mit der Anzahl ihrer Anteile multiplizierten.
Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 2076 veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts durch das FG. Sie sind der Auffassung, dass die anhand der Jahresberichte erstellte Ermittlung der tatsächlich erzielten Nettoerträge jedenfalls als Schätzungsgrundlage für den Nachweis der Besteuerungsgrundlagen nach § 5 InvStG geeignet sei. Darüber hinaus rügen die Kläger eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Kläger beantragen,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2004 bis 2008 vom 8. Juni 2012 dahingehend zu ändern, dass die Kapitaleinkünfte aus den Fonds "... B" und "... E" wie folgt in die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Kapitaleinkünfte einfließen:
... B
2004 + 4.436,13 EUR
2005 + 6.787,20 EUR
2006 + 2.476,08 EUR
2007 - 676,94 EUR
2008 - 807,26 EUR
... E
2004 + 1.657,80 EUR
2005 + 2.030,01 EUR
2006 + 894,14 EUR
2007 + 334,85 EUR
2008 - 360,19 EUR
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den GRünden
II.
12 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Einkünfte der Kläger aus den ausländischen Investmentfonds zutreffend festgestellt wurden.
13 1. Das FG hat zutreffend erkannt, dass die von den Klägern erzielten Erträge aus den streitbefangenen Investmentanteilen zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG (§ 56 Abs. 1 Satz 2 InvStG n.F.) geführt haben.
14 Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG gehören die auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie die ausschüttungsgleichen Erträge und der Zwischengewinn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie nicht Betriebseinnahmen des Anlegers, Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder Leistungen i.S. des § 22 Nr. 5 EStG sind. Diese Regelung gilt für sämtliche Anleger von Investmentfonds und damit auch für die Kläger als Privatanleger. Zwar sind nach dem Einleitungssatz in § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG die §§ 2 und 4 InvStG nur anzuwenden, wenn der Fonds die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift angeführten Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten erfüllt. Dies kann aber nicht so verstanden werden, als habe sich der Gesetzgeber bei Privatanlegern die erkennbar auch bei intransparenten Fonds gewollte Steuerbarkeit der nach § 6 InvStG ermittelten Kapitalerträge durch ein Redaktionsversehen "selbst aus der Hand geschlagen", wenn der Fonds die Verpflichtungen aus § 5 InvStG nicht erfüllt (Senatsurteil vom 17. November 2015 - VIII R 27/12, BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539, Rz 21).
15 2. Das FG ist weiter im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Erträge der Kläger aus ihren Investmentanteilen anhand der Vorgaben gemäß § 6 Abs. 1 InvStG zu ermitteln sind.
16 a) Die gemäß § 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG bekannt zu machenden Besteuerungsgrundlagen wurden von den Investmentfonds, an denen die Kläger beteiligt waren, für die Streitjahre nicht veröffentlicht. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
17 b) Die Kläger haben auch keinen anderweitigen Nachweis zu den Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG erbracht.
18 aa) Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich dies allerdings nicht bereits daraus, dass die Kläger die im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Mai 2016 (BStBl I 2016, 504) unter 2.a als Mindestanforderungen aufgeführten Unterlagen nicht vorgelegt haben. Der Nachweis der notwendigen Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG bestimmt sich im Streitfall vielmehr nach § 6 Abs. 2 InvStG.
19 aaa) § 6 Abs. 2 InvStG wurde durch Art. 2 des Investmentsteuerreformgesetzes vom 19. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1730) eingefügt. Die Vorschrift ist nach § 22a Abs. 2 InvStG in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Sie findet daher auch im Streitfall Anwendung.
20 bbb) § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG sieht vor, dass abweichend von § 6 Abs. 1 InvStG bei Erträgen aus Investmentfonds § 5 Abs. 1 Satz 2 InvStG anzuwenden ist, wenn der Anleger bis zur Bestandskraft seiner Steuerfestsetzung die Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG mit Ausnahme der Buchst. c und f erklärt und die Richtigkeit der Angaben vollständig nachweist. Als Nachweis kann insbesondere eine Bescheinigung eines zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugten Berufsträgers i.S. des § 3 des Steuerberatungsgesetzes, einer behördlich anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle oder einer vergleichbaren ausländischen Person oder Institution dienen, dass die Besteuerungsgrundlagen nach den Regeln des deutschen Steuerrechts ermittelt wurden (§ 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Weist der Anleger auch die Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und f InvStG nach, finden die §§ 2 und 4 InvStG Anwendung (§ 6 Abs. 2 Satz 3 InvStG).
21 ccc) § 6 Abs. 2 InvStG ist auch zugunsten von Anlegern thesaurierender Investmentfonds anzuwenden. Zwar setzt die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraus, dass die Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG mit Ausnahme der Buchst. c und f erklärt und nachgewiesen werden; sie nimmt damit Bezug auf die für ausschüttende Fonds geltenden Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten. Jedoch erfolgte die Einführung von § 6 Abs. 2 InvStG ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 18/8045, S. 129 f.) vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH (EU:C:2014:2269, HFR 2014, 1127), wonach Anlegern eines intransparenten EU-Investmentfonds ein anderweitiger Nachweis über die tatsächliche Höhe ihrer Einkünfte möglich sein muss. Diese Möglichkeit ist unabhängig davon einzuräumen, ob es sich um einen ausschüttenden oder thesaurierenden Investmentfonds handelt. Für diese Auslegung spricht auch, dass § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG hinsichtlich der Bekanntmachungspflichten bei thesaurierenden Fonds auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG (mit Ausnahme des Buchst. a) verweist. Die bei thesaurierenden Fonds erforderlichen Angaben sind deshalb --auch im Rahmen des § 6 Abs. 2 InvStG-- entsprechend den in Ausschüttungsfällen geltenden Vorgaben zu machen und nachzuweisen.
22 bb) Ausgehend hiervon ist es im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG zu dem Schluss gekommen ist, es könne anhand der eingereichten Jahresberichte der streitbefangenen Fonds die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln. Denn die Kläger haben keine Angaben zu den bei thesaurierenden Investmentfonds erforderlichen Besteuerungsgrundlagen, insbesondere zum Betrag der ausschüttungsgleichen Erträge gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. Nr. 2 InvStG gemacht, sondern lediglich das nach den Jahresberichten auf ihre jeweiligen Fondsanteile entfallende Nettoergebnis der Anlagen für die jeweiligen Streitjahre mitgeteilt. Soweit die Kläger geltend machen, ihnen seien die erforderlichen Mindestangaben wegen fehlender Informationen durch die Investmentfonds nicht verfügbar gewesen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere verstößt die Verpflichtung, die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG zu erklären, entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV. Wie der EuGH in seiner Entscheidung (EU:C:2014:2269, HFR 2014, 1127) festgestellt hat, ist es mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, wenn Anleger ausländischer Investmentfonds verpflichtet sind, diejenigen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen zu machen, die inländische Investmentfonds machen müssen, um eine ordnungsgemäße Besteuerung nach innerstaatlichem Recht zu gewährleisten.
23 cc) Da es vorliegend bereits an den gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG erforderlichen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen fehlt, kann dahinstehen, ob es, wovon das FG ausgegangen ist, auch an einem hinreichenden Nachweis der klägerischen Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen i.S. der Vorschrift fehlt. Insbesondere kann der Senat offenlassen, ob für den von § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG geforderten "vollständigen Nachweis" der Richtigkeit der erklärten Besteuerungsgrundlagen statt der Berufsträgerbescheinigung nicht nur der zum jeweiligen Geschäftsjahresende gültige Jahresbericht, sondern darüber hinaus der Verkaufsprospekt, eine Summen- und Saldenliste aus der Fondsbuchhaltung, eine Überleitungsrechnung sowie eine Anlage für die Gewinn- und Verlustvorträge bezogen auf die einzelnen Ertragsarten kumulativ vorzulegen sind (vgl. BTDrucks 18/8045, S. 130).
24 dd) Das FG hat die Möglichkeit einer Schätzung der Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der von den Klägern vorgelegten Jahresberichte ebenfalls im Ergebnis zutreffend verneint.
25 Kommt ein Investmentfonds seinen Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten aus § 5 InvStG nicht nach und kann auch der Anleger keine Angaben zu diesen machen, sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG pauschal zu ermitteln. Eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) schließt § 6 InvStG aus. Vielmehr ordnet die Regelung in Abs. 1 eine pauschale Ermittlung der Erträge an, die, soweit kein abweichender Nachweis nach § 6 Abs. 2 InvStG geführt wird, keinen Raum für eine individuelle Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO lässt. Soweit der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539 eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen des § 5 InvStG nach § 162 AO dem Grunde nach für möglich gehalten hat, ergibt sich hieraus für den Streitfall nichts anderes. Zum einen betraf die Entscheidung die vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 2 InvStG geltende Rechtslage. Zum anderen hat der Senat die Möglichkeit einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen allenfalls in einem sehr engen Rahmen und lediglich zur Beseitigung von Unklarheiten geringen Umfangs bejaht (Senatsurteil in BFHE 252, 112, BStBl II 2016, 539, Rz 51).
26 3. Die Erträge der Kläger aus den Anteilen an den Investmentfonds hat das FA zutreffend nach § 6 Abs. 1 InvStG ermittelt.
27 a) Nach § 6 Abs. 1 InvStG sind beim Anleger die Ausschüttungen auf Investmentanteile, der Zwischengewinn sowie 70 % des Mehrbetrags anzusetzen, der sich zwischen dem ersten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- oder Marktpreis und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- oder Marktpreis eines Investmentanteils ergibt; mindestens sind 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises anzusetzen.
28 b) Vorliegend sind vom FG keine Feststellungen zu Ausschüttungen und zu einem Zwischengewinn getroffen worden. Das FA hat deshalb für die einzelnen Streitjahre zu Recht Einkünfte in Höhe von 70 % des Mehrbetrags zwischen dem ersten und dem letzten im jeweiligen Kalenderjahr festgestellten Marktpreis bzw. mindestens in Höhe von 6 % des letzten im jeweiligen Kalenderjahr festgestellten Marktpreises angesetzt.
29 4. Die pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
30 a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er verbietet ungleiche Belastungen ebenso wie ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn die ungleiche Behandlung zweier Personen oder Sachverhalte mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt. Die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen steigen in dem Maße, in dem sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann und je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind bzw. je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 15. Dezember 2015 - 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1, m.w.N.).
31 b) Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Gestaltungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer belastungsgleichen Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstandes getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29. März 2017 - 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, m.w.N.). Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das BVerfG in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung (BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, m.w.N.).
32 c) Die pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 1 InvStG führt zwar zu einer Ungleichbehandlung und kann im Einzelfall einer Besteuerung nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit zuwiderlaufen; sie ist jedoch durch hinreichende, die Pauschalierung der Erträge rechtfertigende Gründe verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
33 aa) § 6 Abs. 1 InvStG behandelt Anleger von Investmentfonds hinsichtlich der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich je nachdem, ob die Investmentfonds, an denen sie beteiligt sind, die Bekanntmachungs- und Veröffentlichungspflichten nach § 5 Abs. 1 InvStG erfüllen oder nicht. Denn während Anleger solcher Investmentfonds, die die erforderlichen Angaben gemäß § 5 Abs. 1 InvStG machen, mit ihren tatsächlichen Einkünften besteuert werden, werden die Einkünfte von Anlegern solcher Investmentfonds, die dies nicht tun, pauschal ermittelt, sofern kein Nachweis der Besteuerungsgrundlagen seitens der Anleger erfolgt. Dies führt zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, wenn die tatsächlich erzielten ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge, die nach § 2 Abs. 1 InvStG zu versteuern wären, einer im Vergleich zur pauschalen Ermittlung nach § 6 Abs. 1 InvStG niedrigeren Steuer unterliegen (vgl. auch EuGH-Urteil, EU:C:2014:2269, Rz 28, HFR 2014, 1127).
34 bb) Die Vereinbarkeit der pauschalen Ermittlung der Erträge gemäß § 6 Abs. 1 InvStG mit Art. 3 Abs. 1 GG ist angesichts der dem Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 2 InvStG eröffneten Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen nachzuweisen, sowie seiner Dispositionsfreiheit, keine Anteile an "intransparenten" Fonds erwerben zu müssen, am Maßstab des Willkürverbots zu prüfen. Gemessen daran bewegt sich der Gesetzgeber mit der Norm noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums, weil die pauschale Ermittlung der Kapitalerträge bei Fehlen von Angaben zu den Besteuerungsgrundlagen gemäß § 5 Abs. 1 InvStG dem Grunde und der Höhe nach durch hinreichend sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
35 aaa) Mit der Regelung des § 6 Abs. 1 InvStG beabsichtigt der Gesetzgeber zum einen, eine gleichmäßige Besteuerung für alle Arten von Investmentfonds sicherzustellen. Falls Angaben oder Nachweise zu den Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 InvStG ganz oder teilweise fehlen, soll die pauschale Ermittlung der Erträge nach § 6 Abs. 1 InvStG ungerechtfertigte Steuervorteile der Anleger verhindern. Dies will der Gesetzgeber insbesondere bei thesaurierenden ausländischen Investmentfonds, die keine Nachweise zur Verfügung stellen, ausschließen (BTDrucks V/3494, S. 16 f. sowie BTDrucks 15/1553, S. 121 f.). Schließlich dient die pauschale Ermittlung der Kapitalerträge des Anlegers der Vereinfachung der Einkünfteermittlung. Es liegt auf der Hand, dass eine Pauschalierung der Erträge des Anlegers, die an einen im Regelfall ohne größere Schwierigkeiten festzustellenden Rücknahme- oder Marktpreis des Investmentanteils anknüpft, Ermittlungen zur Zusammensetzung und Höhe der Besteuerungsgrundlagen eines ausländischen Investmentfonds, der seinen Nachweispflichten nicht nachgekommen ist, entbehrlich macht.
36 bbb) Auch mit der konkreten Ausgestaltung von § 6 Abs. 1 InvStG bewegt sich der Gesetzgeber noch innerhalb seines Gestaltungsspielraums.
37 (1) Der Gesetzgeber ist typisierend davon ausgegangen, dass die pauschale Ermittlung der Erträge des Anlegers im Regelfall dann eingreift, wenn es sich um einen Fonds handelt, dessen Anlagestrategie auf Thesaurierung der Erträge ausgerichtet ist. Zwar bilden sich im Laufe des Jahres erwirtschaftete, thesaurierte Erträge regelmäßig in einem Mehrwert des Anteilswertes zum Ende des Jahres ab, jedoch kann auch bei einer geringeren Wertsteigerung oder auch einer Wertminderung des Anteils, wie sie z.T. im Streitfall eingetreten ist, nicht davon ausgegangen werden, dass der jeweilige Fonds keine Erträge erwirtschaftet und thesauriert hat (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zur Vorgängervorschrift § 18 Abs. 3 des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen --AuslInvestG--). Je nach Anlagestrategie des Fonds können sich Wertminderungen des Anteils auch aus Verlusten auf der Ebene des Fondsvermögens ergeben, die einen Zufluss von laufenden Erträgen in das Fondsvermögen jedoch nicht verhindern. Daher durfte der Gesetzgeber zwar grob pauschalierend --aber noch zulässig-- davon ausgehen, dass in jedem Veranlagungszeitraum auf der Fondsebene Erträge erwirtschaftet werden. Dies rechtfertigt die Anknüpfung an den Rücknahme- bzw. Marktpreis zum Jahresende im Rahmen der pauschalen Ermittlung der Erträge. Der Gesetzgeber legt der Pauschalierung damit keinen atypischen Fall zugrunde.
38 (2) Auch die Höhe der pauschal ermittelten Erträge des Anlegers verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG.
39 (2.1) Die von § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG vorgesehene anteilige Erfassung von Wertsteigerungen des Investmentanteils als Grundlage zur Ermittlung der Erträge des Anlegers neben den Ausschüttungen und dem Zwischengewinn ist gerechtfertigt, weil sie bei thesaurierenden Investmentfonds eine Besteuerung sicherstellt, die dem Ergebnis bei der Besteuerung von „transparenten“ Investmentfonds vergleichbar ist. Bei Investmentfonds, die den Bekanntmachungspflichten des § 5 Abs. 1 InvStG nachkommen, werden auch ausschüttungsgleiche Erträge erfasst. Die Besteuerung dieser Erträge soll nicht dadurch umgangen werden können, dass der Investmentfonds die Bekanntmachungspflichten nicht erfüllt. Dass der Gesetzgeber pauschal davon ausgeht, dass 70 % der Wertsteigerung des Investmentanteils am Ende des Kalenderjahres zu ausschüttungsgleichen Erträgen beim Anleger führen, ist von seinem Gestaltungsspielraum gedeckt (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zur Verfassungsmäßigkeit von 90 % des Mehrbetrags nach § 18 Abs. 3 AuslInvestG).
40 (2.2) Die pauschale Ermittlung der Erträge des Anlegers in Höhe von mindestens 6 % des letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme- bzw. Marktpreises des Anteils unterstellt zwar eine überdurchschnittliche Fondsrendite. Da diese pauschale Ermittlung jedoch erst eingreift, wenn auch der Anleger den Nachweis der Besteuerungsgrundlagen nach § 6 Abs. 2 InvStG nicht erbracht hat, ist die Pauschalierung unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber eröffneten weiten Gestaltungsspielraums gerechtfertigt, zumal der Gesetzgeber mit der Herabsetzung der Mindestverzinsung von 10 % auf 6 % ab dem Veranlagungszeitraum 2004 die Wirkungen der pauschalen Ermittlung der Erträge wesentlich entschärft und ihres teilweise beanstandeten Strafcharakters entkleidet hat (vgl. BTDrucks 15/1553, S. 121 f.).
41 5. § 6 InvStG führt auch nicht zu einer nach Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässigen Übermaßbesteuerung. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, zu § 18 Abs. 3 AuslInvestG Bezug, weil insoweit dieselben Wertungen einschlägig sind.
42 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.