FG Münster: Nachträglicher USt-Ausweis in Rechnung
FG Münster, Urteil vom 14.7.2016 – 5 K 826/15 U
ECLI:DE:FGMS:2016:0714.5K826.15U.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2017-3029-5
Sachverhalt
Streitig ist, ob für eine zunächst unentgeltlich erbrachte Leistung im Anschluss an eine Betriebsprüfung nachträglich eine wirksame Entgeltsvereinbarung erfolgen kann mit der Folge, dass die nunmehr hierüber in Rechnungen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht nach § 14c Umsatzsteuergesetzes (UStG) geschuldet wird.
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin, die bis zum Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 24.10.2013 als I GmbH firmierte, sind Bedachungs- und Zimmereiarbeiten sowie der Vertrieb von Anlagen zur Gewinnung von erneuerbaren Energien. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitjahr 2013 Frau L, die ihre Gesellschaftsanteile in 2014 an ihren Ehemann, Herrn S L , übertrug, der bereits seit Juni 2012 alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war.
Anlässlich einer Betriebsprüfung, die u.a. die Umsatzsteuer (USt) 2009 bis 2012 zum Gegenstand hatte, stellten die Prüfer fest, dass Herr S L (als Einzelunternehmer und Pächter) mit Datum vom 18.04.2011 mit dem Reitverein W einen Vertrag über die Anpachtung von Dachflächen für den Betrieb einer Photovoltaikanlage bis zum 31.12.2031 geschlossen hatte. Der Pächter hatte sich in diesem Zusammenhang zur Erbringung diverser Leistungen verpflichtet (u.a. Verlegung von Zuleitungen, Dacheindeckung, neue Trafostation). Einige mit diesen Baumaßnahmen zusammenhängende Rechnungen (netto 111.375,97 EUR zzgl. 21.161,44 EUR USt) seien über die Klägerin verbucht worden. Eine Weiterbelastung gegenüber Herrn S L sei nicht erfolgt. Da die Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei, vertraten die Prüfer die Auffassung, dass zum einen eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliege, zum anderen die USt um 21.161,44 EUR zu erhöhen sei.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Betriebsprüfung vom 25.09.2013 Bezug genommen. Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 4.11.2013 einen geänderten USt-Bescheid für 2011 gegenüber der Klägerin und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Bescheid wurde in der Folgezeit bestandskräftig.
Die von der Klägerin für Oktober 2013 eingereichte Voranmeldung wies eine festzusetzende USt von 2.539,52 EUR aus.
Anlässlich einer USt-Sonderprüfung, die vom Umfang auf die Prüfung von Rechnungen vom 21.10.2013 an Herrn S L beschränkt war, führte der Prüfer fest, dass die verdeckte Gewinnausschüttung in 2011 als Umsatz im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG behandelt worden sei. Die Klägerin habe daraufhin mit Datum 21.10.2013 drei Rechnungen über insgesamt (netto) 111.375,97 EUR zzgl. 21.161,44 EUR offen ausgewiesener USt an Herrn S L erteilt für Aufwendungen, die sie in 2011 für sein Einzelunternehmen getragen habe. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die steuerliche Beurteilung des Vorgangs nicht mehr durch nachträgliche Rechnungserteilung geändert werden könne. Die in den Rechnungen vom 21.10.2013 ausgewiesene USt werde deshalb nach § 14c UStG geschuldet. Der Steuerberater der Klägerin sei auf die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur durch Erklärung über die Ungültigkeit der Rechnungen hingewiesen worden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 7.02.2014 Bezug genommen. Der Beklagte erließ daraufhin am 17.02.2014 einen geänderten USt-Vorauszahlungsbescheid für den Monat Oktober 2013, in dem er die USt um 21.161,44 EUR erhöhte und nunmehr auf 23.700,96 EUR festsetzte.
Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Einspruchs vertrat die Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.11.2009 (V R 41/08, BFH/NV 2010, 562) die Auffassung, dass vorliegend nachträglich eine Entgeltlichkeitsvereinbarung getroffen worden sei, die zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 UStG führe, da die erbrachten Leistungen gegenüber Herrn S L durch das nachträglich in Rechnungen gestellte Entgelt nunmehr entgeltlich seien. Die Zahlung werde Herrn S L nach Bestätigung des Vorgangs vornehmen. Aufgrund dessen sei § 14c UStG nicht einschlägig.
Den Antrag der Klägerin vom 4.08.2014 auf Berichtigung der USt 2011 um den strittigen Betrag von 21.161,44 EUR nahm sie mit Schreiben vom 19.08.2014 wieder zurück.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27.01.2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass im Rahmen der Betriebsprüfung der Sachverhalt nicht als teilfertige Arbeiten behandelt worden sei, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung. Im Schlussgespräch sei besprochen worden, die noch nicht abgerechneten Leistungen an Herrn S L zu berechnen, so dass dem Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger nichts entgegenstehen würde. In der Folgezeit habe Herr S L durch zwei Überweisungen am 13.11.2015 an die Klägerin die drei Rechnungen bezahlt. Zum Nachweis hat die Klägerin die Kontoauszüge von Herrn S L zu den Akten gereicht (Bl. 53 f. der Gerichtsakte).
Der Beklagte hat am 12.10.2015 einen USt-Bescheid für 2013 erlassen mit einer festgesetzten USt in Höhe von 106.323,32 EUR. Dieser Betrag enthält auch die strittige USt nach § 14c UStG in Höhe von 21.161,44 EUR.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den USt-Bescheid 2013 vom 12.10.2015 dahingehend zu ändern, dass die USt 2013 um 21.161,44 EUR vermindert auf 85.161,88 EUR festgesetzt wird,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass es für die Höhe der festgesetzten Steuer im Voranmeldungszeitraum Oktober 2013 unerheblich sei, ob die in Rechnung gestellte USt in Höhe von 21.161,44 EUR gem. § 14c UStG oder gem. § 13 Abs. 1 UStG geschuldet werde. Darüber hinaus habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass in 2011 tatsächlich teilfertige Arbeiten vorgelegen hätten. Aus den Gewinnermittlungen des Einzelunternehmers L für den Veranlagungszeitraum 2011 ergebe sich für die Photovoltaikanlage Reithalle W als Anschaffungsdatum der 12.07.2011. Die Frage, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgelegen habe, wäre im Rahmen der USt-Festsetzung 2011 zu klären gewesen.
Eine bereits vollzogene Entnahme könne nicht nachträglich in ein Leistungsaustauschverhältnis i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG umgewandelt werden. Nach Verwaltungsauffassung sei das BFH-Urteil vom 19.11.2009 (V R 41/08, BFH/NV 2010, 562) über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.
Die Sache ist am 8.03.2016 von der Berichterstatterin mit den Beteiligten erörtert worden. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
23 Die Berichterstatterin entscheidet im und mit Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senates (§ 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 FGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
24 Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat vorliegend zu Unrecht die USt für 2013 um die in den drei Rechnungen der Klägerin vom 21.10.2013 offen ausgewiesene Steuer in Höhe von 21.161,44 EUR nach §14c UStG erhöht und hierdurch die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 UStG).
25 1. Die Klägerin schuldet die in den drei Rechnungen vom 21.10.2013 an Herrn S L offen ausgewiesene USt nicht nach § 14c UStG, denn ist liegt insoweit weder ein unrichtiger noch ein unberechtigter Steuerausweis nach § 14c UStG vor.
26 a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG).
27 Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG).
28 b) Zwar sind bei Gesamtwürdigung aller Indizien die strittigen Leistungen der Klägerin an Herrn S L in 2011 (ursprünglich) unentgeltlich erfolgt. Hierfür spricht zum einen, dass zeitnah in 2011 keine Rechnungserteilung erfolgt ist, obwohl die Leistungen insgesamt bereits in 2011 erbracht worden sind, und keine zeitnahe Weiterbelastung erfolgt ist und zum anderen erst nach Aufdeckung des Sachverhalts durch die Betriebsprüfung im Jahre 2013 im Oktober 2013 eine Rechnungserteilung erfolgt ist und schließlich in 2015 die Zahlung. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auch keinerlei Nachweise dafür erbracht, dass es sich insoweit in 2011 um teilfertige Arbeiten handelte.
29 Jedoch ist im Streitjahr 2013 eine wirksame nachträgliche Entgeltsabrede erfolgt. Das Gericht folgt insoweit der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 9.11.2009 (V R 41/08, BFH/NV 2010, 562), dass bei einer Leistung, die bereits unentgeltlich erbracht worden ist, nachträglich zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein zu einem Leistungsaustausch führendes Rechtsverhältnis begründet werden kann. Es muss sich in diesem Fall aus der Vereinbarung eindeutig ergeben, dass für die Leistung nunmehr eine Gegenleistung geschuldet wird. Dieser Auffassung hat sich auch die Literatur angeschlossen (vgl. z.B. Tehler in Reiß/Kraeusel/Langer, § 17 UStG RN 55; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 17 UStG, Rz. 340 ff.; Korf in UVR 2012, 20).
30 Vorliegend ist nach Aufdeckung des Sachverhalts durch die Betriebsprüfung im Jahre 2013 nachträglich ein Entgelt zwischen der Klägerin und Herrn S L vereinbart worden. Dieses Entgelt ist zwischenzeitlich auch tatsächlich gezahlt worden. Zwar ist der Vorsteuerabzug abhängig von der Zahlung des nunmehr vereinbarten Entgelts, so dass ein Vorsteuerabzug vorliegend bei Herrn S L erst im Jahr 2015 in Betracht kommen dürfte (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.09.2008 V R 56/06, BStBl II 2009, 250). Eine ggf. missbräuchliche Vereinbarung zur Erlangung des Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger liegt nach Auffassung der Berichterstatterin nicht vor, da die nachträgliche Entgeltsvereinbarung – im Einklang mit der Rspr. des BFH – möglich ist und diese Möglichkeit von der Klägerin offen gegenüber dem Beklagten kommuniziert und nicht etwa verheimlicht worden ist.
31 Da das nachträglich vereinbarte Entgelt für die nunmehr steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG identisch mit der für die unentgeltliche Wertabgabe angesetzte Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG ist, bedarf es keiner Änderung (Erhöhung) der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG im Streitjahr 2013 mit der Folge, dass der Klage in vollem Umfang stattzugeben ist. Eine Steuerschuld nach § 14c UStG ist danach nicht entstanden, denn aufgrund der wirksamen nachträglichen Entgeltsvereinbarung hat die Klägerin zu Recht die Umsatzsteuer in zutreffender Höhe in den drei Rechnungen vom 21.10.2013 ausgewiesen.
32 Die gegenteilige Auffassung des FG Münster (Urteil vom 22.09.1990 15 K 5770/89 U, EFG 1991, 280), wonach derjenige, der über einen Eigenverbrauch nachträglich ein Entgelt abrechnet mit offenen Steuerausweis, die ausgewiesene Steuer nach § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG a.F. (nunmehr § 14c UStG) schuldet, auch wenn bereits der Eigenverbrauch als solcher besteuert worden ist, ist durch das vorgenannte BFH-Urteil vom 9.11.2009 überholt.
33 2. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 135 Abs. 1 FGO.
34 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
35 3. Da aufgrund des BFH-Urteils vom 9.11.2009 die strittige Rechtsfrage einer nachträglichen Entgeltsabrede geklärt hat, sind die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben.