EuGH: Mehrwertsteuer - Instandsetzung eines Appartments zur Nutzung für wirtschaftliche Tätigkeit als entgeltliche Dienstleistung
EuGH (8. Kammer), Urteil vom 26.9.2013 - C-283/12, Serebryannay vek EOOD gegen Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" -Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalna agentsia za prihodite
Tenor
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung eines Appartements als entgeltlich anzusehen sind, wenn sich der Erbringer dieser Leistungen nach dem mit dem Eigentümer dieses Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, diese Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über dieses Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement am Vertragsende zurückerhält.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, 26, 62 und 63 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Serebryannay vek EOOD (im Folgenden: Serebryannay vek) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalna agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Verwaltung des Vollzugs" der Stadt Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, im Folgenden: Direktor) über einen Steuerprüfungsbescheid, durch den Serebryannay vek zur Zahlung von Mehrwertsteuer für den Monat Juli 2010 verpflichtet wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze: ...
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt; ..."
4 Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt sind folgende Umsätze:
a) Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat;
b) unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke."
5 Art. 62 der Richtlinie lautet:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt
(1) als ‚Steuertatbestand‘ der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
(2) als ‚Steueranspruch‘ der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann."
6 Nach Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie treten „Steuertatbestand und Steueranspruch ... zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird".
7 Nach Art. 65 der Richtlinie entsteht der Steueranspruch, wenn „Anzahlungen geleistet [werden], bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, ... zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag".
8 Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen."
9 Art. 75 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Bei Dienstleistungen in Form der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf und unentgeltlich erbrachten Dienstleistungen im Sinne des Artikels 26 ist die Steuerbemessungsgrundlage der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung."
10 Nach Art. 80 Abs. 1 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten in jedem der dort aufgeführten Fälle zur Vorbeugung gegen Steuerhinterziehung oder ‑umgehung Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferungen von Gegenständen oder für Dienstleistungen an Empfänger, zu denen familiäre oder andere enge persönliche Bindungen, Bindungen aufgrund von Leitungsfunktionen oder Mitgliedschaften sowie eigentumsrechtliche, finanzielle oder rechtliche Bindungen gemäß der Definition des Mitgliedstaats bestehen, der Normalwert ist.
Bulgarisches Recht
11 Nach Art. 2 Abs. 1 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz, DV Nr. 63 vom 4. August 2006) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) unterliegt jede entgeltliche Erbringung einer Dienstleistung der Mehrwertsteuer.
12 Art. 9 ZDDS sieht vor:
„(1) Erbringung einer Dienstleistung ist jede Bewirkung einer Dienstleistung.
(2) Als Erbringung einer Dienstleistung gilt auch:
...
4. die Erbringung einer Dienstleistung durch den Besitzer/den Nutzer zur Reparatur/Verbesserung eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands.
(3) Gegen Entgelt erbrachten Dienstleistungen werden gleichgestellt:
1. die Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf der steuerpflichtigen natürlichen Person, des Eigentümers, der Arbeitnehmer oder Dritter, sofern bei der Bewirkung ein Gegenstand verwendet wird, bei dessen Herstellung, Einfuhr oder Erwerb vollständig oder teilweise die Vorsteuer abgezogen wurde;
2. die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf der steuerpflichtigen natürlichen Person, des Eigentümers, der Arbeitnehmer oder Dritter.
(4) Abs. 3 gilt nicht für:
...
2. die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung durch einen Besitzer/Nutzer zur Reparatur eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands in Fällen, in denen der Vermögensgegenstand dem Besitzer/Nutzer vermietet oder zur Nutzung überlassen und tatsächlich mindestens drei Jahre lang ständig genutzt wurde;
3. die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung durch einen Konzessionär zur Verbesserung eines zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands, wenn dies nach dem Konzessionsvertrag eine Bedingung und/oder Verpflichtung ist;
..."
13 In Art. 25 ZDDS heißt es:
„(1) Als Steuertatbestand im Sinne dieses Gesetzes gelten die Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen, die von nach diesem Gesetz steuerpflichtigen Personen bewirkt wird ...
(2) Der Steuertatbestand tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem das Eigentum an dem Gegenstand übertragen wird oder die Dienstleistung erbracht wird.
(3) Abgesehen von den Fällen des Abs. 2 tritt der Steuertatbestand wie folgt ein:
...
6. zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des Vermögensgegenstands im reparierten und/oder verbesserten Zustand bei Beendigung des Vertrags oder Einstellung der Nutzung des Vermögensgegenstands in Fällen, in denen ein Besitzer/Nutzer eine unentgeltliche Dienstleistung zur Reparatur und/oder Verbesserung eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands erbringt und die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 4 Nrn. 2 und 3 nicht vorliegen.
...
(6) Zum Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands nach den Abs. 2, 3 und 4
1. tritt für steuerbare Umsätze der Steueranspruch nach diesem Gesetz ein und entsteht für die registrierte Person die Verpflichtung, Steuer zu berechnen.
..."
14 Art. 26 ZDDS sieht vor:
„...
(2) Die Steuerbemessungsgrundlage wird auf der Grundlage von allem ermittelt, was zu der Vergütung zählt, die der Lieferer oder Dienstleistende im Zusammenhang mit dem Umsatz vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder von einer anderen Person erhalten hat oder die ihm vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder von einer anderen Person geschuldet wird, wobei die Höhe der Vergütung in Lewa und Stotinki ohne Mehrwertsteuer angegeben wird. Nicht als Vergütung eines Umsatzes gelten Zahlungen von Zinsen und Vertragsstrafen, die Entschädigungscharakter haben.
...
(7) Wenn das Entgelt vollständig oder teilweise in Gegenständen oder Dienstleistungen bestimmt ist (die Zahlung erfolgt vollständig oder teilweise in Gegenständen oder Dienstleistungen), ist die Steuerbemessungsgrundlage der Normalwert des gelieferten Gegenstands oder der erbrachten Dienstleistung, berechnet zu dem Zeitpunkt, zu dem der Steueranspruch entstanden ist."
15 Art. 27 Abs. 3 ZDDS sieht vor:
„Bei folgenden Umsätzen ist die Steuerbemessungsgrundlage der Normalwert:
1. ein Umsatz zwischen verbundenen Personen;
...
3. ein unentgeltlicher Umsatz im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Nr. 4."
16 Art. 130 ZDDS lautet:
„(1) Wenn ein Umsatz vorliegt, bei dem das Entgelt (vollständig oder teilweise) in Gegenständen oder Dienstleistungen bestimmt ist, wird angenommen, dass zwei im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Umsätze vorliegen, wobei jeder der Lieferer oder Dienstleistungserbringer als Verkäufer dessen angesehen wird, was er gibt, und als Käufer dessen, was er erhält.
(2) Der Steuertatbestand für die Umsätze nach Abs. 1 tritt gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes ein.
(3) Der Umsatz nach Abs. 1, dessen Steuertatbestand zu einem früheren Zeitpunkt eintritt, gilt als (vollständige oder teilweise) Vorauszahlung für den zweiten Umsatz."
17 Nach § 1 Nr. 8 der Zusatzbestimmungen zum ZDDS ist „unentgeltlich" ein Umsatz, für den keine Vergütung entrichtet wird oder bei dem der Wert des Gegebenen das Empfangene mehrfach übersteigt.
18 Art. 51 des Zakon za korporativnoto i podohodno oblagane (Gesetz über die Körperschaftsteuer) bestimmt:
„(1) Immaterielle Anlagegüter im steuerlichen Sinne sind
1. erlangte nichtmonetäre Mittel, die
a) keine physische Substanz haben;
b) über einen längeren Zeitraum als zwölf Monate genutzt werden;
c) eine begrenzte Nutzungsdauer haben;
d) einen Wert haben, der genauso hoch ist wie oder höher ist als der niedrigste Wert
aa) der wertmäßigen Wesentlichkeitsschwelle für das immaterielle Anlagegut, die nach den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden der steuerpflichtigen Person festgesetzt wurde;
bb) von 700 BGN;
...
3. die Beträge, die aufgrund von Geschäftstätigkeiten berechnet werden, die zu einer Steigerung des wirtschaftlichen Nutzens von gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Anlagegütern führen; diese Beträge sind keine materiellen Anlagegüter im steuerlichen Sinne.
..."
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
19 Serebryannay vek ist eine Einpersonengesellschaft mit beschränkter Haftung bulgarischen Rechts, deren einziger Anteilseigner und auch Geschäftsführer Herr Bodzuliak ist. Gesellschaftszweck ist laut Handelsregister u. a. die Immobilienvermietung, der Fremdenverkehr und der Betrieb von Hotels.
20 Im Juni 2009 kaufte Herr Bodzuliak als Privatperson ein in einem Appartementhotel in Varna gelegenes Appartement. Er erwarb auch ein zweites Appartement in derselben Stadt. Diese Appartements stehen laut Eintragung im Miteigentum von Herrn Bodzuliak und seiner Ehefrau (im Folgenden: Eigentümer).
21 Am 8. April 2009 schloss Herr Bodzuliak im eigenen Namen zwei Verträge identischen Inhalts mit Serebryannay vek, mit denen er dieser für die Dauer von fünf Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit ein „dingliches Nutzungsrecht" an seinem Immobilienvermögen im Rohbauzustand und u. a. an den beiden in Rede stehenden Appartements einräumte. Vertragsgemäß sollte Serebryannay vek diese Appartements an Dritte weitervermieten.
22 Nach diesen Verträgen braucht Serebryannay vek den Eigentümern für die Vertragsdauer keine Miete zu entrichten. Sie verpflichtete sich jedoch, im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und nach eigenem Gutdünken im Hinblick auf die Fertigstellung und Inbetriebnahme der Appartements zum Zweck der Nutzung bauliche Instandsetzungs- und Montagearbeiten durchzuführen, und zwar u. a. den Ankauf und die Lieferung von Fußböden, Einrichtung, Innendekor und Sanitäranlagen. Ferner sollen die Eigentümer bei Vertragsende die betreffenden Appartements mit den bis dahin vorgenommenen Veränderungen zurückerhalten.
23 Die Finanzverwaltung führte am 21. Oktober 2010 eine Steuerprüfung durch und erließ für den Monat Juli 2010 einen Steuerprüfungsbescheid. Ihrer Ansicht nach hatte Serebryannay vek zugunsten der Eigentümer eine unentgeltliche Dienstleistung erbracht und entsprach die Steuerbemessungsgrundlage dieser Dienstleistung dem Wert der von dieser Gesellschaft hierfür getätigten Ausgaben.
24 Serebryannay vek legte gegen diesen Bescheid Einspruch beim Direktor ein. Mit Entscheidung vom 10. Juni 2011 hob dieser den Bescheid auf und verwies die Sache zur erneuten Steuerprüfung zurück an die Finanzverwaltung. Er stellte im Wesentlichen fest, dass ein Austausch von Umsätzen stattgefunden habe, weil Serebryannay vek die in Rede stehenden Appartements als Vergütung für ihre Dienstleistungen zu deren Instandsetzung und Einrichtung vermietet worden seien. Angesichts dieser Auslegung ging der Direktor auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 7 ZDDS davon aus, dass die Steuerbemessungsgrundlage der Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung der Appartements der Normalwert dieser Dienstleistungen sei und bei einer neuen Steuerprüfung bestimmt werden müsse.
25 Die Finanzverwaltung führte daher eine zweite Steuerprüfung durch und stellte fest, dass ein Austausch von Umsätzen im Sinne von Art. 130 ZDDS stattgefunden habe, nämlich der Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung seitens Serebryannay vek gegen eine Dienstleistung der Vermietung seitens der Eigentümer, da Herr Bodzuliak zusammen mit seiner Frau Miteigentum an den fraglichen Appartements habe, er einziger Anteilseigner der Serebryannay vek sei und kein Mietzins vereinbart worden sei.
26 Nach Ansicht der Finanzverwaltung war der Zeitpunkt der Betriebsgenehmigung für das Hotel, in dem sich das erste in Randnr. 20 des vorliegenden Urteils erwähnte Appartement befindet, d. h. der 29. Juni 2010, der Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung. Bei dem zweiten in Randnr. 20 erwähnten Appartement wurde der Zeitpunkt des abschließenden Abnahmeprotokolls, also der 30. Juni 2010, als Zeitpunkt der Erbringung dieser Dienstleistungen angenommen.
27 Im Hinblick auf diese Daten ging die Finanzverwaltung davon aus, dass Serebryannay vek spätestens am 5. Juli 2010 eine Rechnung über die von ihr erbrachten Leistungen der Instandsetzung und Einrichtung hätte ausstellen müssen.
28 Da die Umsätze zwischen verbundenen Personen erfolgt seien, müsse die Steuerbemessungsgrundlage der von Serebryannay vek erbrachten Dienstleistungen der Normalwert dieser Gegenstände und Dienstleistungen sein. Der Gesamtwert der beiden Appartements wurde in einem Sachverständigengutachten mit 558 000 bulgarischen Lewa (BGN) beziffert. Auf dieser Grundlage erließ die Finanzverwaltung am 14. Dezember 2011 einen neuen Steuerprüfungsbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass Serebryannay vek für den Monat Juli 2010 Mehrwertsteuer in Höhe von 111 600 BGN zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 6 341,55 BGN schulde.
29 Serebryannay vek legte gegen diesen Bescheid Einspruch beim Direktor ein, der ihn mit Entscheidung vom 12. März 2012 abwies. Gegen diese Entscheidung erhob sie Klage beim vorlegenden Gericht. Zur Stützung dieser Klage trägt die Gesellschaft vor, dass kein Austausch von Umsätzen stattgefunden habe, sondern dass sie im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Nr. 4 ZDDS eine Dienstleistung unentgeltlich erbracht habe. Der Steuertatbestand für die Mehrwertsteuer auf diese Leistung werde gemäß Art. 25 Abs. 3 Nr. 6 ZDDS zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des Vermögensgegenstands in verbessertem Zustand bei Beendigung des Vertrags oder Einstellung der Nutzung des Gegenstands eintreten.
30 Hilfsweise macht Serebryannay vek geltend, dass die Mehrwertsteuer für den Monat Juni 2010 hätte erhoben werden müssen, d. h. für den Zeitraum, in dem die betreffenden Dienstleistungen als erbracht gälten, und nicht für den Monat Juli 2010. Außerdem hätte der Wert des Empfangenen und nicht der Wert der erbrachten Dienstleistungen die Steuerbemessungsgrundlage sein müssen.
31 Im Übrigen seien die bulgarischen Rechtsvorschriften mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 der Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbar, da nur entgeltliche Umsätze steuerbar seien.
32 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass es zur Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits festzustellen habe, ob ein Austausch von Dienstleistungen stattgefunden habe, und wenn ja, welche Regeln für die Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage der beiden Umsätze heranzuziehen seien. Für den Fall hingegen, dass es sich nicht um einen Austausch handelt, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die von Serebryannay vek erbrachten Dienstleistungen einen steuerbaren Umsatz darstellen und zu welchem Zeitpunkt in diesem Fall der Steuertatbestand für die Mehrwertsteuer auf diese Dienstleistungen eintritt und wie deren Steuerbemessungsgrundlage zu bestimmen ist.
33 Die Finanzverwaltung habe die Überlassung der betreffenden Appartements durch die Eigentümer an Serebryannay vek zu Unrecht als Vermietung eingestuft. Eine Vermietung sei ein entgeltlicher Umsatz, der im Ausgangsrechtsstreit nicht gegeben sei, da die betreffenden Verträge ausdrücklich vorsähen, dass kein Mietzins geschuldet werde. Somit handle es sich um einen unentgeltlichen Umsatz, der in einer Leihe bestehe. Die von Serebryannay vek erbrachten Dienstleistungen der Zahlung eines Mietzinses gleichzustellen, widerspräche dem Parteiwillen.
34 Da das vorlegende Gericht davon ausgeht, dass Serebryannay vek gegen Übernahme der Ausgaben zur Verbesserung der betreffenden Appartements ein immaterielles Anlagegut erworben habe, stellt es sich die Frage, ob der Erwerb eines solchen Anlageguts als Zahlung für die Verbesserungsdienstleistungen angesehen werden könne. Wäre dies der Fall, so handelte es sich um einen entgeltlichen Umsatz, bei dem der Zeitpunkt des Eintretens des Steuertatbestands und die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer leicht zu bestimmen wären. Träfe dies nicht zu, läge eine unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen vor, die vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles einem entgeltlichen Umsatz nicht gleichgestellt werden könnte, da dieser Umsatz für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit von Serebryannay vek bewirkt worden sei. Das vorlegende Gericht hegt jedoch Zweifel, ob die nationalen Bestimmungen über insbesondere die Steuerbarkeit, die Steuerbemessungsgrundlage und den Zeitpunkt, zu dem der Steuertatbestand für solche unentgeltlich bewirkten Umsätze eintritt, mit den Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, 26, 62 und 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sind.
35 Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Varna beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Kann Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin ausgelegt werden, dass der Erwerb eines immateriellen Anlageguts gegen Übernahme der Ausgaben für die Verbesserung eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands eine Zahlung für die Dienstleistung einer Verbesserung darstellt, auch wenn der Eigentümer des Vermögensgegenstands nach dem Vertrag keine Vergütung schuldet?
2. Stehen Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 26 der Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Bestimmung entgegen, wonach die unentgeltliche Erbringung einer Dienstleistung, die in der Verbesserung eines gemieteten oder zur Nutzung überlassenen Vermögensgegenstands besteht, in allen Fällen als steuerbar gilt? Ist für die Beantwortung dieser Frage unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens von Bedeutung, dass
- der Erbringer der unentgeltlichen Dienstleistung das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf die für die Vornahme der Verbesserungen aufgewandten Gegenstände und Dienstleistungen ausgeübt hat, was ihm auch noch nicht mit einem bestandskräftig gewordenen Steuerprüfungsbescheid verweigert wurde;
- die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Steuerprüfung noch nicht begonnen hat, mit den Grundstücken steuerbare Umsätze zu bewirken, die Geltungsdauer der Verträge allerdings noch nicht abgelaufen ist?
3. Stehen die Art. 62 und 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie einer nationalen Bestimmung entgegen, wonach der Steuertatbestand des Umsatzes nicht zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung (im konkreten Fall die Vornahme von Verbesserungen) eintritt, sondern zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des Vermögensgegenstands im verbesserten Zustand bei Beendigung des Vertrags oder Einstellung der Nutzung?
4. Falls die erste und die zweite Frage verneint werden: Nach welcher Bestimmung von Titel VII der Mehrwertsteuerrichtlinie ist die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer zu ermitteln, wenn der unentgeltliche Umsatz nicht in den Geltungsbereich von Art. 26 der Richtlinie fällt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
36 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Erbringung von Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung eines Appartements als entgeltlich anzusehen ist, wenn sich der Erbringer dieser Dienstleistungen nach dem mit dem Eigentümer dieses Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, diese Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über dieses Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement bei Vertragsende zurückerhält.
37 In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit, einen Umsatz als „Umsatz gegen Entgelt" einzustufen, nur das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung voraussetzt (vgl. Urteile vom 20. Januar 2005, Hotel Scandic Gåsabäck, C‑412/03, Slg. 2005, I‑743, Randnr. 22, und vom 9. Juni 2011, Campsa Estaciones de Servicio, C‑285/10, Slg. 2005, I‑5059, Randnr. 25). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (vgl. u. a. Urteile vom 3. September 2009, RCI Europe, C‑37/08, Slg. 2009, I‑7533, Randnr. 24, und vom 3. Mai 2012, Lebara, C‑520/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 27).
38 Zweitens kann die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen in einer Dienstleistung bestehen und deren Steuerbemessungsgrundlage im Sinne von Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sein, vorausgesetzt jedoch, es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung und der Wert der Dienstleistung kann in Geld ausgedrückt werden (Urteil vom 3. Juli 2001, Bertelsmann, C‑380/99, Slg. 2001, I‑5163, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Gleiches gilt, wenn eine Dienstleistung gegen eine andere Dienstleistung getauscht wird, sofern genau diese Voraussetzungen erfüllt sind.
39 Drittens handelt es sich bei Tauschverträgen, bei denen die Gegenleistung per definitionem in einer Sachleistung besteht, und Umsätzen, bei denen die Gegenleistung in Geld erbracht wird, unter wirtschaftlichen und geschäftlichen Gesichtspunkten um zwei gleichartige Situationen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. Juli 1997, Goldsmiths, C‑330/95, Slg. 1997, I‑3801, Randnrn. 23 bis 25, und vom 19. Dezember 2012, Orfey, C‑549/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35).
40 Daher fallen, wenn sich der Erbringer von Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung eines Appartements nach dem mit dem Eigentümer dieses Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, diese Dienstleistungen auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über dieses Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement bei Vertragsende zurückerhält, diese Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung in die Kategorie der Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Mehrwertsteuerrichtlinie. Es besteht nämlich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Dienstleistungen und der von deren Erbringer im Austausch tatsächlich empfangenen Gegenleistung, nämlich dem Recht, über das betreffende Appartement zu verfügen, um es für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen.
41 Der Umstand, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen dem Eigentümer des betreffenden Appartements erst nach Vertragsende zugutekommen werden, ändert hieran nichts, da sich die Parteien eines solchen synallagmatischen Vertrags mit Vertragsabschluss einander verpflichten, gegenseitige Leistungen zu erbringen (vgl. entsprechend Urteile vom 21. März 2002, Kennemer Golf, C‑174/00, Slg. 2002, I‑3293, Randnr. 40, und RCI Europe, Randnrn. 31 und 33).
42 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Dienstleistungen der Instandsetzung und Einrichtung eines Appartements als entgeltlich anzusehen sind, wenn sich der Erbringer dieser Leistungen nach dem mit dem Eigentümer dieses Appartements geschlossenen Vertrag zum einen verpflichtet, diese Dienstleistung auf eigene Rechnung zu erbringen, und zum anderen das Recht erhält, über dieses Appartement zu verfügen, um es, ohne zur Zahlung von Mietzins verpflichtet zu sein, für die Dauer dieses Vertrags für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu nutzen, während der Eigentümer das hergerichtete Appartement am Vertragsende zurückerhält.
Zu den Fragen 2 bis 4
43 Aus dem Wortlaut der Fragen 2 bis 4 ergibt sich, dass diese Fragen nur für den Fall gestellt worden sind, dass die Beantwortung der ersten Frage ergeben sollte, dass Dienstleistungen wie die in dieser ersten Frage beschriebenen nicht in die Kategorie der Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen.
44 Demnach brauchen die Fragen 2 bis 4 nicht beantwortet zu werden.