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Steuerrecht
26.06.2008
Steuerrecht
: Leistungsort bei Tätigkeit eines Steuerberaters als Testamentvollstrecker

BFH, Urteil vom 3.4.2008 - V R 62/05

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 20.10.2004 - 13 K 16/01 (EFG 2006, 1372)

LEITSATZ

Ein Steuerberater, der als Testamentsvollstrecker und als Nachlasspfleger tätig wird, führt diese Leistungen auch dann im Inland aus, wenn die Erben im Drittlandsgebiet wohnen.

UStG 1993 § 3a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 5;Richtlinie 77/388/EWG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich

SACHVERHALT

I.

Streitig ist, ob Leistungen eines Steuerberaters als gerichtlich bestellter Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger in Fällen, in denen die Erben im Drittlandsgebiet ansässig sind, im Inland ausgeführt werden.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater.

Im Streitjahr 1995 war er als vom Nachlassgericht bestellter Testamentsvollstrecker entgeltlich in zwei Fällen tätig, in denen die Erben ihren Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hatten.

Ferner führte der Kläger entgeltliche Leistungen als Nachlasspfleger in drei Fällen aus, in denen die Erben in der Ukraine, den Vereinigten Staaten von Amerika und in Jugoslawien wohnten. Dem Kläger wurde dabei jeweils vom Nachlassgericht auch die Ermittlung des Erben übertragen.

In seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1995 erfasste der Kläger diese Leistungen als steuerpflichtige Umsätze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.

Der Kläger beantragte am 1. August 2000 die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Er vertrat nunmehr die Auffassung, die Umsätze als Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger in den erwähnten Fällen seien im Inland nicht steuerbar. Diese Leistungen habe er nämlich nach § 3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der im Streitjahr geltenden Fassung der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) an den ausländischen Wohnsitzen der Erben ausgeführt.

Mit Bescheid vom 7. August 2000 lehnte das FA die Änderung der Steuerfestsetzung ab.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2006, 1372 veröffentlichten Urteils aus, die Leistungen des Klägers als Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger seien im Inland ausgeführt worden. Nach § 3a Abs. 1 UStG 1993 werde eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Abweichend hiervon bestimme sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 3 UStG 1993 für einzelne in § 3a Abs. 4 UStG 1993 genannte Umsätze nach dem Sitz oder Wohnsitz des Leistungsempfängers im Drittland, wenn dieser kein Unternehmer sei.

Die Testamentsvollstreckung und die Nachlasspflege sind nach Auffassung des FG keine Leistungen i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993. Denn diese Vorschrift erfasse nur die berufstypischen Dienstleistungen u.a. eines Steuerberaters und Rechtsanwaltes; die Testamentsvollstreckung und die Nachlasspflege gehörten hierzu nicht. Diese Leistungen seien auch keine "ähnlichen Leistungen" i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993.

Die gerichtliche Anordnung der Nachlasspflegschaft habe sich zwar "auch auf die Erbenermittlung" und damit auf eine unter § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG 1993 fallende Leistung bezogen, "zu der auch der Nachlasspfleger einen Beitrag" geleistet habe. Jedoch sei maßgeblich, dass der Schwerpunkt der Nachlasspflege die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses sei.

Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des FG mit Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG vereinbar.

Auf eine Beschwerde des Klägers beantragte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Kommission) im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland --Bundesrepublik-- (Art. 226 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG--) beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) festzustellen, dass die Bundesrepublik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG verstoßen hat, dass sich nach deutschem Recht der Ort der Dienstleistungen eines Testamentsvollstreckers nicht nach dieser Vorschrift bestimmt, wenn die Dienstleistungen an außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2007 Rs. C-401/06, Kommission/Bundesrepublik Deutschland (Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 27, BFH/NV Beilage 2008, 142) wies der EuGH die Klage der Kommission ab.

Der Kläger rügt mit der Revision Verletzung materiellen Rechts.

Er ist der Auffassung, das genannte EuGH-Urteil sei nicht überzeugend, werde "der Sache nicht gerecht" und enthalte unzutreffende Unterstellungen. U.a. sei der EuGH nicht darauf eingegangen, ob die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker "mangels Verbrauch" überhaupt in den "Anwendungsbereich des Umsatzsteuergesetzes" falle. Denn nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Bot vom 13. September 2007 in derselben Rechtssache seien weder der Erbe noch der Erblasser Leistungsempfänger.

Ferner sei die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für einen Steuerberater und Rechtsanwalt berufstypisch. Im Übrigen reiche nach Abschn. 39 Abs. 13 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) 2005 bei Ingenieurleistungen --abweichend von dem im Rahmen von Leistungen als Steuerberater verwendeten Begriff "berufstypisch"-- aus, dass die Leistungen zum "Berufsbild" des Ingenieurs gehörten. Dies müsse auch für Steuerberater gelten: Die Leistungen als Testamentsvollstrecker gehörten zum Berufsbild des Steuerberaters. Folgerichtig gewähre auch die Vermögenshaftpflichtversicherung dem Steuerberater "standardgemäß" Versicherungsschutz für diese Leistungen.

Zudem sei für die Annahme einer anwaltstypischen Leistung i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 ohne Bedeutung, ob ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter eines Erben oder als Testamentsvollstrecker im Rahmen eines Erbfalles auftrete. In beiden Fällen sei die Leistung die Erledigung eines Erbfalles, die unter § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 falle.

Dass die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für einen Rechtsanwalt berufstypisch sei, ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Mai 1998 II R 4/96 (BFHE 186, 7, BStBl II 1998, 760).

Der Kläger weist ferner darauf hin, dass sich nach dem Mehrwertsteuerrecht der Schweiz der Ort von Testamentsvollstreckerleistungen nach dem Wohnort des Erben richte.

Die Leistungen als Nachlasspfleger seien ebenfalls für einen Rechtsanwalt und Steuerberater berufstypisch. Der Nachlasspfleger vertrete die Interessen des unbekannten Erben. Zudem sei der Schwerpunkt der Leistungen im Rahmen der Nachlasspflege die Ermittlung des Erben. So habe er einen Teil seiner Entgelte für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger erhalten, weil ein von ihm beauftragter Erbenermittler bereit gewesen sei, auf einen Teil seines Erfolgshonorars gegenüber dem Erben zu seinen "Gunsten zu verzichten". Daher sei seine Tätigkeit insoweit mit der eines Erbenermittlers vergleichbar, dessen Leistungen nach Abschn. 39 Abs. 15 Satz 7 UStR 2005 unter § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG 1993 fielen.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2000 sowie Änderung des Bescheids vom 7. August 2000, die Umsatzsteuer für 1995 um ... DM niedriger auf ... DM festzusetzen.

Hilfsweise regt der Kläger an, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EG vorzulegen, "ob überhaupt Testamentsvollstreckerleistungen (mangels Verbrauch der Leistungen) in den Anwendungsbereich des Umsatzsteuergesetzes fallen". Ferner regt er sinngemäß an, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob sich der Ort der Leistungen als Nachlasspfleger nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG bestimme.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

AUS DEN GRÜNDEN

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Leistungen des Klägers als Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger unterliegen im Inland der Umsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993). Der Ort dieser Leistungen bestimmt sich nicht nach § 3a Abs. 3 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG 1993, sondern nach dem Ort, von dem aus der Kläger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG 1993). Dieser liegt im Inland.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

a) Gemäß § 3a Abs. 1 UStG 1993 wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Abweichend hiervon bestimmt § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG 1993 für einzelne in § 3a Abs. 4 UStG 1993 aufgezählte sonstige Leistungen an einen Unternehmer den Leistungsort danach, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Ist der Empfänger einer der in Abs. 4 bezeichneten sonstigen Leistung kein Unternehmer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt (§ 3a Abs. 3 Satz 3 UStG 1993).

Zu diesen Leistungen gehören nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer, insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung.

Außerdem ist gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG 1993 die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen eine Leistung i.S. des § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG 1993.

b) § 3a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 UStG 1993 sind richtlinienkonform auszulegen. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage dieser Vorschriften ist u.a. Art. 9 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG.

Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gilt "als Ort einer Dienstleistung ... der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ... hat ..., oder in Ermangelung eines solchen Sitzes ... sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort".

Nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gilt abweichend hiervon

"als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit ... hat ... oder in Ermangelung eines solchen Sitzes ... sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort: ... Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstige ähnliche Leistungen sowie die Datenverarbeitung und die Überlassung von Informationen".

2. Die Leistungen des Klägers als Testamentsvollstrecker fallen nicht unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG oder unter § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993.

a) Wie der EuGH in seinem Urteil Kommission/Bundesrepublik Deutschland in IStR 2008, 27, BFH/NV Beilage 2008, 142 entschieden hat, ist die Leistung der Testamentsvollstreckung weder eine hauptsächlich und gewöhnlich von einem Rechtsanwalt erbrachte Leistung noch eine Leistung, die denjenigen von Rechtsanwälten ähnlich ist (Randnr. 41). Zur Begründung hat der EuGH u.a. ausgeführt:

"36. Zu den hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen des Anwaltsberufs erbrachten Leistungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass sie die Vertretung und Verteidigung der Interessen eines Mandanten zum Gegenstand haben (Urteil von Hoffmann, Randnr. 17).

37. Wegen ihrer Rechtskenntnisse und des Umstands, dass Rechtskenntnisse bei jedem Erbfall eine Rolle spielen, werden zwar, insbesondere in Deutschland, oftmals Rechtsanwälte zu Testamentsvollstreckern ernannt; der Testamentsvollstrecker vertritt jedoch nicht den Erblasser, sondern beschränkt sich darauf, dessen letzten Willen zu vollstrecken, wobei er gegenüber den Empfängern der Testamentsvollstreckungsleistung neutral bleibt. Der Testamentsvollstrecker vertritt nicht die Interessen des Erblassers im eigentlichen Sinne, sondern vollzieht einen festgelegten Willen, dessen Interpret er ist, während der Rechtsanwalt im Rahmen seines Verhältnisses zum Mandanten so weit wie möglich dessen Interessen wahrzunehmen hat, was im Allgemeinen in einem Kontext der Auseinandersetzung und in Gegenwart widerstreitender Interessen stattfindet. Daraus folgt, dass die Leistung der Testamentsvollstreckung besonderen Charakter hat, durch den sie sich von den Leistungen unterscheidet, die hauptsächlich und gewöhnlich von einem Rechtsanwalt erbracht werden.

38. Sodann ist zu prüfen, ob die Leistungen eines Testamentsvollstreckers als denen eines Rechtsanwalts im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie ähnlich angesehen werden können.

39. Aufgrund der beträchtlichen Verschiedenartigkeit der Aufgaben, mit denen ein Testamentsvollstrecker betraut sein kann - von der Verwaltung eines Vermögens über die bloße Verteilung von Beträgen oder beweglichen oder unbeweglichen Sachen bis hin zur Wahrung immaterieller Interessen -, lässt sich nur schwer eine typische Form der Testamentsvollstreckungsleistung ausmachen. Der Auftrag des Testamentsvollstreckers ist es nämlich, den Willen des Erblassers umzusetzen, was Verwaltungstätigkeiten, Rechtshandlungen und einen großen Fächer tatsächlicher oder rechtlicher Vorgänge umfassen kann. Die Leistung der Testamentsvollstreckung entspricht jedoch, wie die Bundesrepublik Deutschland zu Recht meint, überwiegend einer wirtschaftlichen Tätigkeit, da es für den Testamentsvollstrecker in den meisten Fällen um die Bewertung und Verteilung des Vermögens des Erblassers zugunsten der Empfänger der Leistung, bisweilen auch, insbesondere im Rahmen der Verwaltung von Vermögensgegenständen minderjähriger Kinder, um den Schutz dieses Vermögens und die Fruchtziehung daraus geht. Dagegen dienen die Leistungen eines Rechtsanwalts vor allem der Rechtspflege, auch wenn der Anwaltstätigkeit wirtschaftliche Erwägungen natürlich nicht fremd sind.

40. Unter diesen Umständen können die Leistungen eines Testamentsvollstreckers und diejenigen eines Rechtsanwalts nicht als ähnlich angesehen werden."

b) Mit diesen Grundsätzen stimmt die Rechtsprechung des Senats überein, wonach die Leistungen als Testamentsvollstrecker nicht für einen Rechtsanwalt oder Steuerberater berufstypisch und auch keine ähnlichen Leistungen sind. Sie fallen nicht unter § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 (BFH-Urteil vom 5. Juni 2003 V R 25/02, BFHE 202, 191, BStBl II 2003, 734, unter II.3.; vgl. auch Widmann, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2008, 120).

aa) Das BFH-Urteil in BFHE 186, 7, BStBl II 1998, 760, unter II.1. steht dem nicht entgegen. Denn darin ist --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht die Aussage enthalten, dass die Tätigkeit eines Testamentsvollstreckers für einen Rechtsanwalt berufstypisch ist. Vielmehr ist sie danach "keine dem Rechtsanwaltsberuf vorbehaltene oder ihn in besonderer Weise charakterisierende Tätigkeit".

Dem entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wonach die Testamentsvollstreckung keine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist (Urteile vom 11. November 2004 I ZR 213/01, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 969, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 2005, 703, und I ZR 182/02, NJW 2005, 968, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2005, 701, jeweils unter II.3. der Entscheidungsgründe; anders noch das vom Kläger zitierte Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Mai 2000  20 U 41/00, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 2002, 280, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2000, 2006).

bb) Entsprechend der vom EuGH und dem Senat aufgestellten Grundsätze ist es --entgegen der Auffassung des Klägers-- für die Anwendung des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 von Bedeutung, in welcher Rolle ein Rechtsanwalt in einem Erbfall auftritt: Als Bevollmächtigter des Erben vertritt er berufstypisch dessen Interessen, nicht jedoch --wie dargelegt-- als Testamentsvollstrecker.

cc) Die vom Kläger angeführte Behandlung der Testamentsvollstreckerleistungen in der Schweiz betrifft die Rechtslage in einem Drittstaat und berührt nicht die Auslegung des Gemeinschaftsrechts.

dd) Soweit der Kläger vorträgt, die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung gewähre dem Steuerberater "standardgemäß" Versicherungsschutz für eine Tätigkeit als Testamentsvollstrecker, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren schon aufgrund der Bindung an die Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden kann (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

c) Entgegen der Auffassung des Klägers erbringt ein Testamentsvollstrecker seine Leistungen an den Erben, die bei diesem zu einem Verbrauch führen (zutreffend Philipowski, IStR 2008, 104; zweifelnd Korf, IStR 2008, 29). § 2218 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) spricht ausdrücklich von einem "Rechtsverhältnis zwischen dem Testamentsvollstrecker und dem Erben" und ordnet hierfür die entsprechende Anwendung bestimmter für den Auftrag geltender Vorschriften an. Dementsprechend entschied der EuGH in seinem Urteil Kommission/Bundesrepublik Deutschland in IStR 2008, 27, BFH/NV Beilage 2008, 142 Randnr. 37, dass der Testamentsvollstrecker den Willen des Erblassers vollziehe und "gegenüber den Empfängern der Testamentsvollstreckungsleistung neutral" bleibe. Daher bedarf es insoweit nicht der vom Kläger angeregten Vorlage an den EuGH.

d) Ob --wie der Kläger vorbringt-- Abschn. 39 Abs. 13 UStR 2005 die Leistungen als Ingenieur i.S. von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 abweichend von den Grundsätzen des Senats und des EuGH beurteilt, kann im Streitfall offen bleiben. Denn hier geht es nicht um derartige Umsätze.

3. Auch die Leistungen des Klägers als Nachlasspfleger fallen nicht unter Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG oder unter § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993.

a) Für die Tätigkeit eines Nachlasspflegers sind folgende Bestimmungen maßgeblich: Bis zur Annahme der Erbschaft hat das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht (§ 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn der Erbe unbekannt oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat (§ 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hierzu kann das Gericht u.a. für denjenigen, der Erbe wird, einen Pfleger (Nachlasspfleger) bestellen (§ 1960 Abs. 2 BGB).

Hauptaufgabe des Nachlasspflegers ist danach die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses; er ist insoweit der gesetzliche Vertreter der Erben (BGH-Urteile vom 22. Januar 1981 Az. IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299, unter II. der Entscheidungsgründe; vom 8. Dezember 2004 IV ZR 199/03, NJW 2005, 756, unter II.2. der Entscheidungsgründe). Daneben kann er --wie im Streitfall-- zur Ermittlung der Erben tätig werden. In besonders schwierigen Fällen darf sich der Nachlasspfleger eines gewerblichen Erbenermittlers bedienen (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 992; Hanhörster/Dospil in Deutscher Erbrechtskommentar, § 1960 Rz 6; Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., § 1960 Rz 13, m.w.N.). Die Tätigkeit als Nachlasspfleger umfasst somit eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.

b) Diese Tätigkeit ist keine im Rahmen des Anwaltsberufes hauptsächlich und gewöhnlich erbrachte Leistung. Denn kennzeichnend für einen Anwalt ist, dass er die Interessen eines Mandanten vertritt und verteidigt; er dient vor allem der Rechtspflege (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Bundesrepublik Deutschland in IStR 2008, 27, BFH/NV Beilage 2008, 142 Randnrn. 36, 39). Der Nachlasspfleger wird zwar für den Erben tätig und vertritt ihn. Seine Tätigkeit erstreckt sich aber im Wesentlichen nicht auf die Rechtspflege, sondern seine Hauptaufgabe ist die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Es handelt sich bei der Nachlasspflegschaft rechtlich um eine Personenpflegschaft und der Aufgabe nach um eine Art Vermögensverwaltung (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1960 Rz 9).

c) Die Nachlasspflege gehört auch nicht zu den hauptsächlichen und gewöhnlichen Tätigkeiten eines Steuerberaters.

Nach § 33 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) haben Steuerberater die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten. Dazu gehören auch die Hilfeleistung in Steuerstrafsachen und in Bußgeldsachen wegen einer Steuerordnungswidrigkeit sowie die Hilfeleistung bei der Erfüllung von Buchführungspflichten, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen, insbesondere die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung.

Die Nachlasspflege ist keine solche Tätigkeit. Denn ihre Hauptaufgabe ist --wie dargelegt-- die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Dass mit der Nachlasspflege unter Umständen auch in Bezug auf einzelne Maßnahmen eine beratende Leistung erforderlich sein kann, ist insoweit ohne Bedeutung, denn es genügt für die Anwendung des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 nicht schon, wenn die streitigen Leistungen eines Unternehmers auch Leistungen im Sinne dieser Vorschrift umfassen, da § 3a Abs. 4 UStG 1993 voraussetzt, dass die bezeichneten Leistungen die Hauptleistungen sind (BFH-Urteil in BFHE 202, 191, BStBl II 2003, 734, unter II.3.b, m.w.N.).

Aus § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG ergibt sich keine Erweiterung des Rahmens des dargestellten Berufsbildes eines Steuerberaters (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 V R 99/78, BFHE 148, 184, BStBl II 1987, 147, unter III.2.c). Die sog. "Vereinbarkeit" u.a. einer wirtschaftsberatenden oder treuhänderischen Tätigkeit (z.B. als Verwalter fremden Vermögens) mit dem Steuerberaterberuf macht die Nachlasspflege nicht zu einer berufstypischen Steuerberatertätigkeit.

d) Die Tätigkeit als Nachlasspfleger fällt auch nicht unter die "ähnlichen Leistungen" i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993. Damit sind nur Leistungen gemeint, die irgendeiner der in dieser Vorschrift ausdrücklich aufgeführten Tätigkeiten ähnlich sind. Das ist dann der Fall, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen (vgl. EuGH-Urteil Kommission/ Bundesrepublik Deutschland in IStR 2008, 27, BFH/NV Beilage 2008, 142 Randnr. 31, m.w.N.). Keiner der in § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG 1993 bezeichneten Berufe hat die Nachlasspflege zum Gegenstand.

4. Soweit der Kläger als Nachlasspfleger auch zur Ermittlung von Erben tätig geworden ist, fallen diese Leistungen nicht unter § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG 1993.

a) Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen folgende Grundsätze maßgeblich: Jede Dienstleistung ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; andererseits darf aber eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung nicht künstlich aufgespaltet werden (z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd., Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1999, 157 Rz 29 ff.; BFH-Urteil vom 2. März 2006 V R 25/03, BFHE 213, 134, BStBl II 2006, 788, unter II.2.a bb). Nach dem Wesen des fraglichen Umsatzes ist zu ermitteln und festzustellen, ob eine einheitliche Leistung oder mehrere Leistungen vorliegen; eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat.

Das FG hat den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, "dass Schwerpunkt der Nachlasspflegschaft die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses" war. Diese Würdigung ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl. II.6.), möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie bindet den Senat daher.

Soweit der Kläger sich hiergegen wendet und der Ansicht ist, die Erbensuche sei bei seiner Tätigkeit im Vordergrund gestanden, ersetzt er lediglich die mögliche und damit bindende Würdigung des FG durch seine eigene.

b) Darüber hinaus unterscheidet sich nach dem festgestellten Sachverhalt die Tätigkeit des Klägers von der eines gewerblichen Erbenermittlers.

Der Erbenermittler erhält von dem Erben eine Vergütung dafür, dass er ihm den Erbfall offenlegt (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1965 I 349/61 U, BFHE 82, 46, BStBl III 1965, 263; BGH-Urteil vom 23. September 1999 III ZR 322/98, NJW 2000, 72, Der Betrieb --DB-- 2000, 1560; BGH-Beschluss vom 23. Februar 2006 III ZR 209/05, NJW-RR 2006, 656).

Dem Kläger war zwar vom Nachlassgericht auch die Ermittlung der Erben übertragen worden. Diese Aufgabe umfasst nach erfolgreicher Ermittlung auch die Unterrichtung des Erben über den Erbfall. Dies ist aber keine "Überlassung von Informationen" i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 5 UStG 1993.

c) Soweit der Kläger vorträgt, er habe einen Teil seiner Entgelte für die Tätigkeit als Nachlasspfleger erhalten, weil ein von ihm beauftragter Erbenermittler bereit gewesen sei, auf einen Teil seines Erfolgshonorars gegenüber dem Erben zu seinen "Gunsten zu verzichten", handelt es sich um neuen Sachvortrag, weil das FG diesen Sachverhalt nicht feststellte. Im Revisionsverfahren kann dieser schon aufgrund der Bindung an die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG nicht berücksichtigt werden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

Abgesehen davon ergibt sich hieraus nicht, dass die Leistung des Klägers darin bestand, Informationen an den Erben zu überlassen.

5. Der vom Kläger auch insoweit angeregten Vorlage gemäß Art. 234 EG bedarf es nicht. Denn es bestehen angesichts der dargelegten Rechtsprechung des EuGH keine vernünftigen Zweifel, dass sich der Ort der Leistungen des Klägers als Nachlasspfleger nicht nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e 3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt.

6. Soweit in den Beweisangeboten des Klägers und dem Hinweis auf bereits vor dem FG gestellte Beweisanträge durch die Schriftsätze vom 15. und 21. Januar 2008 Rügen der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) zu sehen wären, dürften diese nicht mehr berücksichtigt werden. Denn sie wären nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (hier: 15. Januar 2006) erhoben worden (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1997 IV R 60/95, BFHE 183, 150, BStBl II 1997, 567, unter 2.b, m.w.N.). Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 126 Abs. 6 FGO ab.

7. Der vom Kläger nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 5. April 2008 gebietet keine --vom Kläger auch nicht beantragte-- Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 93 Abs. 3 Satz 2 FGO i.V.m. § 121 Satz 1 FGO). Denn er enthält keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte.

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